ASIN und das Marken- und Urheberrecht

Die Plattform Amazon ist für zahlreiche Händler ein wichtiger Bestandteil ihrer Verkaufsaktivitäten. Viele Händler verkaufen nicht nur über den eigenen Onlineshop, sondern auch über Amazon.

Aufgrund einiger Besonderheiten bei Amazon hat sich fast schon eine eigene „Amazon-Rechtsprechung“ entwickelt. Bei einer dieser Besonderheiten handelt es sich um die bei Amazon so bezeichnete ASIN (=Amazon Standard Identification Number). Jede ASIN ist individuell und wird nur einem Produkt zugeordnet, somit dient sie zur eindeutigen Identifizierung eines Produktes aus dem gesamten Warenbestand. Umgekehrt bedeutet dies auch, dass ein konkretes Produkt keine zwei ASIN haben darf.

In der „Richtlinie zur ASIN-Erstellung“ von Amazon heißt es u.a.:

„Richtlinie zur Erstellung doppelter ASINs:

Die Erstellung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits im Amazon-Katalog vorhanden ist, ist nicht gestattet und kann dazu führen, dass Ihnen die Verkaufsberechtigung oder die Berechtigung für die Erstellung von ASINs vorübergehend oder dauerhaft entzogen wird.“

Unter einer ASIN zu einem bestimmten Produkt werden daher in aller Regel alle Händler mit ihrem Angebot gelistet, die dasselbe Produkt verkaufen.

Um Vorteile für sich zu erlangen, gab und gibt es Versuche von manchen Händlern, über das Marken- und Urheberrecht eine bestimmte ASIN für sich zu monopolieren.

Dazu gibt es zwei aktuelle Entscheidungen:

In einem aktuellen Urteil des OLG Köln vom 26.03.2021, Az.: 6 U 11/21 – „American Food and Drinks“, ging es um einen markenrechtlichen Aspekt:

Grundlage war ein einstweiliges Verfügungsverfahren. Die dortige Antragstellerin war Inhaberin einer Wortmarke und verkaufte über Amazon u.a. aus den USA importierte Lebensmittel.

Für eines dieser aus den USA importierten Lebensmittel legte die Antragstellerin des Verfahrens bei Amazon eine eigene ASIN an und gab bei den insoweit notwendigen Angaben zur „Marke“, unter der die Angebote gelistet werden, nicht die Herstellerbezeichnung/Markenbezeichnung des US-Lebensmittels, sondern die eigene Wortmarke an.

Ein Wettbewerber, der ebenfalls dieses Lebensmittel aus den USA importierte und über Amazon verkaufen wollte, hing sich – entsprechend den Amazon-Richtlinien – an die von der Antragstellerin angelegte ASIN an. Die Antragstellerin war sodann der Auffassung, dass es sich hierbei um eine Markenverletzung handle und nahm den Wettbewerber auf Unterlassung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung in Anspruch.

Das OLG Köln hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung allerdings wegen Rechtsmissbrauch zurückgewiesen.

Nach Auffassung des OLG liege zwar eine Markenverletzung vor, weil durch das „Anhängen“ an die ASIN die entsprechende Wortmarke der Antragstellerin benutzt werde.

Allerdings sei die Geltendmachung des Markenrechts in diesem Fall rechtsmissbräuchlich, und zwar unter dem Gesichtspunkt des sog. Behinderungswettbewerbs.

Aufgrund der Vorgaben von Amazon, insbesondere auch zu den Konsequenzen der Erstellung einer doppelten ASIN, die jedem Amazon-Händler bekannt seien bzw. sein müssten, wäre es im vorliegenden Fall für die Wettbewerberin der Antragstellerin unmöglich, dieses von ihr ebenfalls aus den USA importierte Lebensmittel über Amazon zu verkaufen. Darüber hinaus sei nämlich zu berücksichtigen, dass das US-amerikanische Lebensmittel zwar unter der Marke der Antragstellerin angelegt worden sei, es sich tatsächlich aber bei der „Marke“ nicht um ein Produkt der Antragstellerin, sondern eines US-amerikanischen Herstellers handele.

Eine weitere Entscheidung, dieses Mal zu einem urheberrechtlichen Thema, erging vom OLG Frankfurt im Beschluss vom 18.03.2021, Az.: 6 W 8/18.

Auch in diesem Fall ging es um einen Streit unter Wettbewerbern. Beide Parteien boten auf Amazon Druckertoner und Druckertinte an.

In dem beim OLG Frankfurt anhängigen Verfahren ging es um ein Ordnungsmittelverfahren. Die dortige Antragstellerin hatte bereits gegen die Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil sich die dortige Antragsgegnerin ebenfalls ein Amazon-Angebot mit einer bestimmten ASIN „angehängt“ hatte und dort von der Antragstellerin selbst gefertigte Produktbilder zu sehen waren.

Nachdem dies erneut passierte, beantragte die Antragstellerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen ihren Wettbewerber.

In diesem Verfahren war also bereits eine Unterlassungsverfügung ergangen, so dass die obige Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit sich hier nicht mehr stellen konnte.

Vielmehr ging es hier um Verschuldensfragen, also ob die dortige Antragsgegnerin aufgrund des erneuten Anhängens an eine ASIN und damit an eine erneute öffentliche Zugänglichmachung von Produktbildern der Antragstellerin ein Ordnungsgeld verwirkt hat. Dies ist nur dann möglich, wenn ein persönliches Verschulden vorliegt.

Das OLG Frankfurt bejahte sowohl einen Verstoß wie auch ein Verschulden. In diesem Ordnungsmittelverfahren berief sich die Antragsgegnerin darauf, dass sie sich nicht bewusst an eine ASIN der Antragstellerin angehängt habe, sondern dass dies der Programmalgorithmus von Amazon veranlasst habe. Und die Antragsgegnerin habe auf diesen Programmrhythmus von Amazon keinerlei Einfluss, weshalb ihr auch kein persönliches Verschulden gemacht werden könne.

Das OLG Frankfurt sah dies anders und war der Auffassung, dass jeder Händler, der über Amazon verkaufe, diesen Algorithmus bei Amazon kenne und auch damit rechnen müsse, dass ein eingestelltes Angebot von Amazon, quasi automatisch, einem anderen Angebot und einer anderen ASIN zugeordnet werden könne. Daher sei jeder Händler verpflichtet, die von ihm selbst eingestellten Angebote regelmäßig zu überprüfen. Dies sei hier nicht geschehen, weswegen auch Verschulden vorliege. Immerhin stufte das OLG das Verschulden in diesem Fall als sehr gering ein, weswegen es die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von „nur“ EUR 500,00 für angemessen erachtete. Das OLG hat also versucht, über die Höhe des Ordnungsgeldes die insoweit durchaus auch strikte Prüf- und Kontrollpflicht eines Amazon-Verkäufers in den Griff zu bekommen.

Gleichwohl zeigt dieses Ordnungsmittelverfahren und insbesondere auch die Tatsache, dass ein Ordnungsgeld verhängt wurde, dass es in einer solchen Sache sicherlich sinnvoller ist, sich bereits gegen einen Unterlassungsanspruch, gestützt auf Marken- oder Urheberrecht, im Zusammenhang mit ASIN direkt zur Wehr zu setzen, um ein Unterlassungsurteil zu verhindern.