Das Kammergericht Berlin (AZ: 26 U 118/24) hat in einer richtungsweisenden Entscheidung klargestellt, dass das traditionelle Kartenspiel Schafkopf, wenn es online über eine längere Dauer gespielt wird, als Geschicklichkeitsspiel und nicht als illegales Glücksspiel einzustufen ist. Dieses Urteil hat erhebliche Bedeutung für Betreiber von Online-Spieleplattformen, da es die rechtlichen Rahmenbedingungen für Angebote in diesem Bereich konkretisiert.
Worum ging es in dem Fall?
Ein Spieler hatte auf einer Online-Plattform über mehrere Jahre hinweg Schafkopf um Geldeinsätze gespielt und dabei einen Verlust von über 10.000 Euro erlitten. Er verklagte den Betreiber der Plattform auf Rückzahlung des gesamten Verlustes. Seine Argumentation: Das Online-Kartenspiel sei ein unerlaubtes Glücksspiel gewesen. Verträge über die Teilnahme an illegalem Glücksspiel sind nach deutschem Recht nichtig, was einen Anspruch auf Rückerstattung der Einsätze zur Folge hätte.
Der Betreiber verteidigte sein Angebot als legales Geschicklichkeitsspiel. Die entscheidende Frage für das Gericht war also: Ist Schafkopf von Glück oder von Können dominiert?
Die entscheidende Abgrenzung: Glücksspiel vs. Geschicklichkeitsspiel
Nach dem Glücksspielstaatsvertrag liegt ein Glücksspiel vor, wenn die Entscheidung über Gewinn und Verlust „ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt“. Bei einem Geschicklichkeitsspiel hingegen sind Wissen, Erfahrung und strategisches Können des Spielers für den Ausgang entscheidend.
Das Kammergericht Berlin nahm eine differenzierte Bewertung vor:
- Die Rolle des Zufalls: Das Gericht erkannte an, dass das Mischen und Austeilen der Karten ein klares Zufallselement darstellt. Wer gute Karten bekommt, hat in einer einzelnen Runde bessere Startvoraussetzungen.
- Die Dominanz der Fähigkeit: Allerdings überwiegen beim Schafkopf die Geschicklichkeitskomponenten bei Weitem. Dazu gehören strategische Entscheidungen bei der Spielansage, die Merkfähigkeit bezüglich bereits gespielter Karten, das taktische Ausspielen der eigenen Hand und das richtige Einschätzen der Mitspieler.
- Das „Gesetz der Großen Zahl“ als Schlüsselargument: Den entscheidenden Punkt sahen die Richter in der Spieldauer. Während in einer einzelnen Partie das Kartenglück eine große Rolle spielen kann, neutralisiert sich dieser Zufallsfaktor über viele gespielte Runden hinweg. Jeder Spieler erhält über eine längere Zeitspanne statistisch gesehen ähnlich gute und schlechte Blätter. Im Gesamtverlauf setzt sich somit der Spieler durch, der über die größere Fähigkeit und Erfahrung verfügt.
Da die Online-Plattform auf eine Vielzahl von kurzen, schnell aufeinanderfolgenden Partien ausgelegt war, kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Geschicklichkeitscharakter des Spiels überwiegt.
Was bedeutet das für Unternehmer und Plattformbetreiber?
Das Urteil des KG Berlin ist eine gute Nachricht für Anbieter von Online-Kartenspielen und ähnlichen Formaten, bei denen Geschicklichkeit eine Rolle spielt. Es verdeutlicht, dass eine pauschale Einordnung als Glücksspiel nicht immer zutreffend ist. Für Unternehmer lassen sich daraus folgende Erkenntnisse ableiten:
- Der Kontext zählt: Nicht nur die Spielregeln an sich, sondern auch die Art und Weise, wie ein Spiel auf einer Plattform präsentiert und gespielt wird (Turniermodus, viele schnelle Runden), kann für die rechtliche Bewertung entscheidend sein.
- Rechtssicherheit für Geschicklichkeitsspiele: Die Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit für Betreiber, deren Angebote auf den Fähigkeiten der Nutzer basieren.
- Sorgfältige Prüfung ist unerlässlich: Trotz dieses positiven Urteils muss jedes Spielangebot individuell analysiert werden. Die Abgrenzung zum Glücksspiel ist komplex und von den Details des jeweiligen Spiels abhängig. Eine Unterscheidung zu Spielen wie Poker, bei denen Spieler über weniger Informationen verfügen, bleibt wichtig.
Betreiber von Online-Plattformen sind gut beraten, ihre Angebote einer genauen juristischen Prüfung zu unterziehen, um kostspielige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dieses Urteil zeigt, dass eine durchdachte Gestaltung des Spielumfelds die rechtliche Position erheblich stärken kann.
Gericht: Kammergericht Berlin
Datum: 22.05.2025
Aktenzeichen: 26 U 118/24