Conni möglicherweise vor Gericht? – Was darf Satire, was darf sie nicht?

Conni hat alles gemacht: Sie hat Reiten gelernt, ist in die Schule gekommen, war beim Zahnarzt. Jetzt landet sie im Internet – als Meme. Und dort hat sie ein Problem: Das Urheberrecht.

Der Carlsen Verlag, Inhaber aller Rechte an der vorbildlichen kleinen Blondine, verschickt laut einem Artikel aus der „Welt“ vom 10.07.2025 Abmahnungen an Personen, die Conni-Memes posten. Die Netzgemeinde findet das natürlich alles andere als lustig – aber was ist wirklich erlaubt?

Höchste Zeit für einen Blick ins Gesetz!


Worum geht’s eigentlich?

Urheberrechtlich sind gleich zwei Vorschriften relevant:

  • § 23 UrhG (Bearbeitungsrecht):
    Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk bearbeitet oder umgestaltet (also zum Beispiel eine Illustration in ein Meme verwandelt), benötigt grundsätzlich die Zustimmung des Rechteinhabers – hier also Carlsen.
    Ausnahme: Es handelt sich um eine freie Benutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Doch Achtung: Nach der Neuregelung 2021 wurde der Begriff enger gefasst. Eine „freie Benutzung“ liegt nur noch vor, wenn das neue Werk so weit vom Original abrückt, dass die Eigenständigkeit dominiert. Bei Memes ist das eher selten der Fall.
  • § 51a UrhG (Karikatur, Parodie, Pastiche):
    Dieses „Meme-Privileg“ erlaubt es, geschützte Werke ohne Erlaubnis zu nutzen, wenn sie
    • eine Karikatur (Verzerrung zur Belustigung),
    • eine Parodie (kritische oder humoristische Auseinandersetzung)
    • oder ein Pastiche (Remix, Collage) sind.

Das heißt: Viele Memes dürfen mehr, als Carlsen lieb ist. Aber nicht jedes Meme ist automatisch erlaubt.


Sind Memes Bearbeitung oder Parodie?

Die juristische Gretchenfrage: Ist ein Meme eine Bearbeitung (§ 23) oder eine Parodie (§ 51a)?

  • Bearbeitung: Das Werk wird verändert – z. B. durch Hinzufügen von Text oder Collagieren in ein anderes Bild. Ohne Parodie-Charakter bleibt dies zustimmungspflichtig.
  • Parodie: Das Werk wird humorvoll oder kritisch gebrochen („Conni lernt, wie man Steuern hinterzieht“). Hier greift regelmäßig § 51a UrhG.
  • Pastiche: Das Werk wird remixartig in einen neuen Kontext gestellt. Auch dies kann privilegiert sein.

Drei Beispiele aus dem Internetleben

1. Meme ohne eigenen Witz:
Einfach nur ein Scan der Buchseite mit der Caption „Same.“ – keine eigenständige Aussage, kein Humor. Das ist ziemlich sicher keine Parodie und damit unzulässig.

2. Satire pur:
Conni sitzt mit dem Kanzler im Bundestag und erklärt, wie man Strompreise deckelt. Klare politische oder gesellschaftliche Kommentierung – Parodie, dürfte erlaubt sein.

3. Collage ohne Bezug:
Conni als zufälliger Bildbestandteil in einem ästhetischen Remix. Mögliches Pastiche, also je nach Einzelfall zulässig.


Muss der Urheber genannt werden?

Ja – § 63 UrhG verlangt eine Quellenangabe, soweit das „nach den Umständen des Falls geboten“ ist. Im Zweifel empfiehlt sich, den Verlag als Rechteinhaber zu benennen.


Kommerziell oder privat?

Wer Conni-T-Shirts verkauft oder Memes mit Werbung kombiniert, bewegt sich in einer anderen rechtlichen Liga – hier können schnell hohe Forderungen drohen.


Was bedeutet das für alle Conni-Fans?

Das Gesetz will Satire und Remixkultur nicht verhindern. Im Gegenteil: § 51a UrhG wurde genau dafür geschaffen. Aber:

  • Ein Meme braucht eine erkennbare eigene Aussage.
  • Es darf nicht nur der bloße Abklatsch sein.
  • Und: Besser im nicht-kommerziellen Bereich bleiben.

Fazit – Conni bleibt (vielleicht) im Netz

Ob ein Conni-Meme wirklich zulässig ist, hängt vom Einzelfall ab. Manchmal genügt ein witziger Spruch, manchmal braucht es echten satirischen Biss. Wer unsicher ist, sollte anwaltlichen Rat einholen oder das Meme nur im privaten Umfeld teilen.

Denn am Ende gilt: Conni lernt das Urheberrecht – und jeder andere sollte es ebenfalls tun.

Keine Marke für „Bayern Bazi“ – Bundespatentgericht lehnt Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft ab

Das Bundespatentgericht (BPatG), AZ: 30 W (pat) 525/22, hat entschieden, dass die Wortkombination „Bayern Bazi“ nicht als Marke eingetragen werden kann. Das Gericht sieht in der Bezeichnung einen rein beschreibenden Hinweis auf die Herkunft oder Eigenart der Waren und Dienstleistungen – ein markenrechtlicher Schutz scheidet deshalb aus.

Hintergrund der Entscheidung

Die Antragstellerin hatte den Begriff „Bayern Bazi“ als Wortmarke unter anderem für Bekleidungsstücke, Lebensmittel, Spielwaren sowie Dienstleistungen der Gastronomie und Beherbergung angemeldet. Sie argumentierte, dass es sich um eine kreative Kombination handele, die keine klare inhaltliche Aussage habe und vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werde.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts lehnte die Eintragung jedoch ab. Ihrer Auffassung nach erkennt der Verbraucher in „Bayern Bazi“ lediglich die Beschreibung eines (typischen) Bayern aus Bayern – also keinen fantasievollen, unterscheidungskräftigen Begriff.

Die rechtliche Einordnung durch das Bundespatentgericht

Das BPatG bestätigte diese Auffassung. Entscheidend war die Auslegung des Begriffs „Bazi“: Im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch wird dieser (oft spöttisch oder scherzhaft) als Bezeichnung für einen Bayern verwendet. Das Gericht verwies auf Einträge im Duden und zahlreiche Pressequellen, in denen „Bazi“ mit „Bayer“ gleichgesetzt wird.

Die Kombination „Bayern Bazi“ sei daher für die Verbraucher ohne weiteres verständlich – nämlich als schlichte Beschreibung eines „Bayern aus Bayern“. Eine besondere Fantasie, ein neuartiger Bedeutungsgehalt oder ein prägnanter Herkunftshinweis seien nicht erkennbar.

Auch die Tatsache, dass solche Begriffe häufig plakativ auf Bekleidungsstücken oder Verpackungen verwendet werden, ändere nichts: Gerade in diesem Kontext versteht das Publikum solche Aufdrucke regelmäßig als bloße Selbstaussage oder regionale Identitätsbekundung – nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.

Vergleich mit anderen Entscheidungen

Die Antragstellerin hatte auf frühere Entscheidungen verwiesen, bei denen Dialektbegriffe („Lauseandl“, „Gamsig“) als unterscheidungskräftig angesehen worden waren. Das Gericht stellte klar, dass diese Fälle nicht vergleichbar seien: Bei „Bazi“ sei die Bedeutung allgemein bekannt und keine reine Mundart. Zudem habe der Begriff in Verbindung mit „Bayern“ eine eindeutig beschreibende Wirkung.

Die Argumentation, dass der Begriff grammatikalisch ungewöhnlich sei („Bayern Bayer“), ließ das Gericht nicht gelten – der Verkehr verstehe auch diese Verkürzung ohne Weiteres.

Praxishinweis

Unternehmen sollten bei Markenanmeldungen sorgfältig prüfen, ob der gewählte Begriff nicht lediglich beschreibend ist. Selbst vermeintlich originelle Kombinationen aus regionalen oder umgangssprachlichen Begriffen können als reine Sachangabe gelten. Wer sich Markenschutz sichern will, sollte auf deutlich fantasievolle oder zumindest mehrdeutige Wortschöpfungen setzen.


Gericht: Bundespatentgericht (BPatG)
Datum der Entscheidung: 26. Februar 2025
Aktenzeichen: 30 W (pat) 525/22
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 287

LG Frankfurt a.M.: Unzureichende Angaben zur Mitbewerbereigenschaft machen Abmahnung unwirksam

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 2. Juli 2025 (Az. 2-06 O 116/25) klargestellt, dass eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung zwingend konkrete Angaben zur eigenen geschäftlichen Tätigkeit enthalten muss. Allein der pauschale Hinweis, Mitbewerber zu sein, reicht nicht aus, um Ansprüche durchzusetzen – und kann im Gegenteil dazu führen, dass der Abgemahnte die Kosten seiner Rechtsverteidigung ersetzt verlangen kann.

Worum ging es?

Zwei Betreiber regionaler Online-Nachrichtenportale waren in Streit geraten. Die Klägerin hatte ihren Wettbewerber abgemahnt, weil dieser auf seiner Website mit einer falschen Zahl an Seitenaufrufen geworben hatte. In der Abmahnung hieß es lediglich, beide Portale richteten sich an dieselbe Region und wetteiferten um dieselben Leser. Die Klägerin machte daraufhin Kostenersatz für die Abmahnung geltend, der Beklagte seinerseits verlangte die Erstattung seiner Anwaltskosten für die Abwehr.

Warum war die Abmahnung unwirksam?

Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG muss der Abmahnende klar darlegen, dass er aktiv am Wettbewerb teilnimmt – also nicht nur gelegentlich tätig ist. Das Gericht stellte ausdrücklich fest:

  • Der bloße Verweis auf ein ähnliches Angebot und denselben Kundenkreis genügt nicht, um die Aktivlegitimation nachzuweisen.
  • Mindestens Angaben zum Umfang der Geschäftstätigkeit (z.B. seit wann das Angebot besteht oder wie groß die Reichweite ungefähr ist) sind erforderlich.
  • Eine vollständige Abwesenheit dieser Angaben führt dazu, dass die Abmahnung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

Das Gericht betonte, dass zwar keine detaillierten Umsatzangaben oder vertraulichen Geschäftszahlen vorgelegt werden müssen. Aber ein Abmahnender muss wenigstens Anhaltspunkte liefern, dass er tatsächlich in nennenswertem Umfang im Markt aktiv ist.

Welche Folgen hatte das für die Parteien?

Die Klage auf Erstattung der Abmahnkosten wurde abgewiesen. Stattdessen verurteilte das Gericht die Klägerin, die Verteidigungskosten des Beklagten in Höhe von rund 1.680 Euro zu erstatten. Hintergrund ist § 13 Abs. 5 UWG: Wer unberechtigt oder in formell unzureichender Weise abmahnt, muss die Kosten tragen.

Was bedeutet das für Unternehmer?

Das Urteil unterstreicht, dass formale Sorgfalt bei Abmahnungen keine Nebensache ist. Gerade im Wettbewerbsrecht ist es entscheidend, alle gesetzlichen Voraussetzungen einzuhalten. Unternehmer sollten deshalb sicherstellen:

  • Die Abmahnung enthält konkrete Angaben zur eigenen Geschäftstätigkeit – etwa eine grobe Reichweite oder Dauer der Marktpräsenz.
  • Die Mitbewerbereigenschaft wird so belegt, dass der Abgemahnte nachvollziehen kann, warum gerade dieser Anspruchsteller aktiv legitimiert ist.

Wer hier zu pauschal bleibt, riskiert nicht nur den Verlust eigener Ansprüche, sondern muss zusätzlich die Kosten der Gegenseite tragen.


Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
Datum der Entscheidung: 02.07.2025
Aktenzeichen: 2-06 O 116/25
Fundstelle: REWIS RS 2025, 5212

Rechtsmissbrauch durch unzureichende Empfangskontrollen

In einem bemerkenswerten Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, AZ: 6 U 310/24, entschieden, dass die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Eilverfahren rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn der Antragsteller keine ausreichenden Vorkehrungen trifft, um die Reaktion des Gegners auf eine Abmahnung entgegenzunehmen und dem Gericht mitzuteilen.

Worum ging es?
Ein Wettbewerbsverband hatte ein spanisches Unternehmen wegen des Vertriebs und der Werbung für diätetische Lebensmittel wie „DAOfood“ und „fibroDAO“ abgemahnt. Die Abmahnung enthielt eine kurze Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Parallel beantragte der Verband eine einstweilige Verfügung, wobei er angab, es habe keine Reaktion auf die Abmahnung gegeben. Tatsächlich hatte die Antragsgegnerin mehrfach per E-Mail geantwortet – unter anderem schon vor der Antragstellung –, doch die Nachrichten waren entweder im „Trash“-Ordner gelandet oder versehentlich als „gelesen“ markiert worden.

Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Frankfurt stellte klar:

  • Wer im Eilverfahren eine Abmahnung vorlegt und behauptet, darauf sei keine Reaktion erfolgt, übernimmt die Verantwortung, dass etwaige Antworten auch tatsächlich zur Kenntnis genommen und dem Gericht unverzüglich vorgelegt werden.
  • Die Pflicht zu einer redlichen Prozessführung folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie trifft insbesondere den Antragsteller, wenn er durch die Abmahnung vorprozessuale Äußerungsmöglichkeiten geschaffen hat.
  • Ein bloßes Versehen, wie das Übersehen von E-Mails im Spam- oder Papierkorb, kann bei einer solchen Verantwortung nicht mehr als einfache Nachlässigkeit gewertet werden. Vielmehr stellt das Verhalten eine unredliche Prozessführung dar.

Das Gericht betonte ausdrücklich: Auch wenn keine vorsätzliche Täuschung vorlag, reichte die Häufung der Versäumnisse – Nicht-Kontrolle der Spam-Ordner, voreilige Antragstellung, zögerliche Information des Gerichts nach Bekanntwerden der Antwort – aus, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen.

Konsequenzen für den Wettbewerbsverband
Die Folge war gravierend:

  • Die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben.
  • Der materielle Unterlassungsanspruch blieb zwar unberührt, muss aber nun in einem regulären Klageverfahren durchgesetzt werden.
  • Der Verband musste die Kosten des gesamten Verfahrens tragen.

Praxishinweis für Unternehmen und Verbände
Das Urteil unterstreicht die hohe Sorgfaltspflicht bei der Abmahnung und der Antragstellung im Eilverfahren. Wer den Gegner abmahnt, muss:

  • sicherstellen, dass sämtliche Kommunikationskanäle (insbesondere Spam-Ordner) überwacht werden,
  • Reaktionen sofort sichten,
  • das Gericht umgehend informieren.

Unternehmen, die selbst Abmahnungen erhalten, sollten wiederum darauf achten, dass ihre Erwiderung nachweisbar beim Gegner ankommt – insbesondere wenn Fristen laufen und einstweilige Verfügungen drohen.

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main (6. Zivilsenat)
Datum der Entscheidung: 17.04.2025
Aktenzeichen: 6 U 310/24
Fundstelle: BeckRS 2025, 771 (Juris)

Sofortige Kontosperrung bei Verdacht auf Kinderpornografie: Wann darf eine Plattform ohne Vorwarnung handeln?

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, unter welchen Voraussetzungen Betreiber sozialer Netzwerke Konten ihrer Nutzer ohne vorherige Anhörung sperren dürfen – selbst dann, wenn sich der Verdacht später als unbegründet erweist. Anlass war ein Fall, in dem Unbekannte über das gehackte Konto einer Nutzerin kinderpornografisches Material verbreitet hatten. Die Plattform deaktivierte daraufhin das Nutzerkonto sofort, ohne die Kontoinhaberin vorher zu informieren.

Der Fall im Überblick

Die Klägerin nutzte ein soziales Netzwerk privat. Nach dem Upload strafbarer Inhalte – in diesem Fall kinderpornografischer Darstellungen – durch unbekannte Dritte wurde ihr Konto zunächst in einen „Checkpoint“-Status versetzt und kurz darauf vorübergehend gesperrt. Erst Wochen später wurde die Sperre aufgehoben, nachdem klar war, dass die Nutzerin selbst nicht verantwortlich war. Sie verlangte vor Gericht unter anderem:

  • Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperre,
  • Löschung der gespeicherten Sperrvermerke,
  • ein künftiges Unterlassungsgebot, ohne Anhörung zu sperren.

Das Landgericht hatte die Klage weitgehend abgewiesen. Vor dem OLG Karlsruhe hatte sie nur teilweise Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Sofortige Sperrung ohne Anhörung grundsätzlich zulässig

Das Gericht stellte klar: Bei dem Verdacht, dass über ein Konto kinderpornografisches Material verbreitet wird, darf der Plattformbetreiber das Konto sofort sperren, um Missbrauch zu verhindern. Eine vorherige Anhörung ist hier nicht zwingend erforderlich. Das Gericht betonte das hohe öffentliche Interesse an der Bekämpfung solcher Straftaten. Daher kann eine umgehende Kontosperre gerechtfertigt sein, auch wenn sich später herausstellt, dass der Kontoinhaber nicht selbst gehandelt hat.

Diese Ausnahme gilt allerdings nur bei gravierenden Verstößen, insbesondere bei strafbaren Inhalten.

Anspruch auf Löschung veralteter Vermerke

Erfolgreich war die Klägerin mit ihrem Antrag, dass die Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden müssen. Das Gericht urteilte, dass die Speicherung dieser Daten nach Klärung des Vorfalls nicht mehr erforderlich sei. Eine bloß theoretische Möglichkeit, dass die Plattform sich künftig auf den Vorfall berufen könnte, rechtfertige kein dauerhaftes Festhalten der Daten.

Kein Unterlassungsanspruch für künftige Fälle

Das Gericht wies den Anspruch zurück, die Plattform müsse künftig vor jeder Sperre eine Anhörung durchführen. Nach Auffassung des Gerichts wäre ein so weitgehender Anspruch unzulässig, weil die Notwendigkeit einer sofortigen Sperre immer eine Einzelfallentscheidung bleiben muss. Auch ein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperre bestand nicht, da dies keine eigenständige rechtliche Beziehung begründet und die Klägerin ihre Rechte auch anders hätte durchsetzen können.

Was bedeutet das für Betreiber und Nutzer?

Für Plattformbetreiber bedeutet das Urteil:

  • Bei Verdacht auf schwerwiegende Rechtsverstöße wie Kinderpornografie darf ein Konto ohne Vorwarnung gesperrt werden.
  • Dennoch müssen sie nach Klärung des Sachverhalts prüfen, ob gespeicherte Vermerke gelöscht werden müssen, um den Datenschutz zu wahren.

Für Nutzer gilt:

  • Auch wenn ein Konto vorübergehend deaktiviert wurde, besteht kein automatischer Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit.
  • Wer sicherstellen will, dass unberechtigte Vermerke gelöscht werden, kann sich auf das „Recht auf Vergessenwerden“ nach der DSGVO berufen.

Das Urteil zeigt eindrucksvoll die Abwägung zwischen dem Schutz der Öffentlichkeit und den Rechten des Einzelnen: Betreiber dürfen nicht zögern, um Straftaten zu verhindern – müssen aber nach Aufklärung des Sachverhalts konsequent aufräumen.


Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Datum der Entscheidung: 15. Januar 2025
Aktenzeichen: 14 U 150/23
Fundstelle: ZUM 2025, 475

Architektenwerk oder Handwerk? LG Köln zum Urheberrecht an Innenraumgestaltung

In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht Köln (AZ: 14 O 145/23) zentrale Fragen zum Urheberrechtsschutz architektonischer Gestaltungen beantwortet – und dabei wichtige Maßstäbe für den Umgang mit Planungsleistungen, Fotografien und der öffentlichen Darstellung gelegt. Streitgegenstand war die Veröffentlichung professioneller Fotografien der Innenräume eines denkmalgeschützten Hofgebäudes im Internet und in Architekturmagazinen. Die beklagte Architektenfirma stellte das Projekt dabei so dar, als habe sie selbst die maßgebliche Umgestaltung vorgenommen.

Innenraumgestaltung als schutzfähiges Werk der Baukunst

Das Gericht betonte, dass auch eine Innenraumgestaltung urheberrechtlich geschützt sein kann. Entscheidend ist, dass die Gestaltung über reine Fachplanung hinausgeht und eine persönliche, kreative Entscheidung erkennen lässt.

Im vorliegenden Fall hatte das klagende Architekturbüro nach Überzeugung des Gerichts eine eigenständige, gestalterische Gesamtplanung vorgelegt – etwa durch die Kombination aus Sichtbeton, Treppenanlage und Galerie – und damit ein schutzfähiges Werk der Baukunst geschaffen.
Für die Außenansicht wurde der Urheberrechtsschutz dagegen verneint, weil sie im Wesentlichen aus denkmalrechtlichen Vorgaben resultierte und keinen eigenständigen schöpferischen Charakter hatte.

Damit stellt das Urteil klar:

  • Urheberrechtsschutz setzt keine spektakuläre Außenwirkung voraus.
  • Auch die Innenraumplanung kann bei hinreichender Individualität ein Werk im Sinne des Urheberrechts darstellen.
  • Der Denkmalschutz kann den kreativen Handlungsspielraum des Architekten erheblich einschränken und die Schutzfähigkeit mindern.

Veröffentlichung ohne Zustimmung verletzt Verwertungsrechte

Die Beklagte hatte die Innenraumfotos ohne Genehmigung online gestellt und zum Teil als Eigenleistung ausgegeben. Das LG Köln bejahte hier eine Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Eine bloße Nennung der Urheber hätte die Rechtsverletzung nicht beseitigt.

Die von der Beklagten in der Verhandlung angebotene Unterlassungserklärung war nach Auffassung des Gerichts unzureichend, da sie lediglich auf die Benennung der Architekten abzielte, nicht aber die Nutzung der Fotos selbst untersagte.

Kein Anspruch auf Gegendarstellung

Ein zentraler Streitpunkt war der Anspruch der klagenden Architekten, die Beklagte zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu verpflichten.
Hier hat das LG Köln dem Begehren jedoch eine klare Absage erteilt:

Gegendarstellungen sind vor allem presserechtliche Instrumente, nicht aber Bestandteil des Urheberrechts.

  • Das Urheberpersönlichkeitsrecht vermittelt primär einen Anspruch auf Urheberbenennung (§ 13 UrhG), nicht aber auf eine öffentlichkeitswirksame Gegendarstellung.
  • Die geforderte Gegendarstellung sei auch nicht geeignet, eine Rechtsverletzung dauerhaft zu beseitigen, da der Unterlassungsanspruch im Vordergrund stehe.

Das Urteil verdeutlicht damit die Grenzen urheberrechtlicher Ansprüche auf „Wiederherstellung der Ehre“. Wer als Architekt sein Werk nicht nur geschützt, sondern auch öffentlich richtig dargestellt sehen möchte, muss regelmäßig den Unterlassungs- und Benennungsanspruch geltend machen.

Schadensersatz nicht nach HOAI bemessen

Interessant ist zudem die Einschätzung des Gerichts zur Schadenshöhe:
Ein Lizenzanaloger Schadensersatz kann zwar beansprucht werden, jedoch nicht auf Basis der Honorarordnung für Architekten (HOAI). Diese regelt lediglich die Vergütung der Planungsleistung, nicht die Nutzung von Fotografien fertiger Werke. Das Gericht schätzte den Schadensersatz hier auf 10.000 €.


Gericht: Landgericht Köln
Datum der Entscheidung: 04.10.2024
Aktenzeichen: 14 O 145/23
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 279

Werbung mit alten Adressen – Wann eine Vertragsstrafe droht und wann nicht

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem aktuellen Beschluss wichtige Leitlinien zur Auslegung von Unterlassungserklärungen bei irreführender Werbung klargestellt. Der Fall betrifft zwei selbstständige Ergotherapeuten, die sich über die Angabe alter Praxisstandorte stritten. Die Entscheidung ist für alle Freiberufler und Unternehmer relevant, die Online-Präsenz und Adressangaben aktuell halten müssen.

Worum ging es?

Ein Ergotherapeut hatte auf seiner Website weiterhin mehrere frühere Praxisadressen aufgeführt, obwohl er nur noch eine Praxis tatsächlich betrieb. Die Mitbewerberin mahnte ihn deswegen ab und verlangte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Der Beklagte unterzeichnete diese Erklärung, fügte aber einen Zusatz hinzu, dass er für Internet-Einträge Dritter (z. B. Bewertungsportale) nicht verantwortlich sei. Später wies Google seine alten Praxisstandorte nur noch als „dauerhaft geschlossen“ aus. Dennoch verlangte die Klägerin eine Vertragsstrafe von über 10.000 €, weil sie der Meinung war, auch der bloße Hinweis auf geschlossene Praxen sei wettbewerbswidrig.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Nürnberg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und stellte klar:

  • Keine Irreführung bei klarer Kennzeichnung als geschlossen
    Ein Eintrag, der deutlich macht, dass ein Praxisstandort „dauerhaft geschlossen“ ist, erweckt nicht den Eindruck, dort werde noch behandelt. Daher liegt kein wettbewerbswidriger Verstoß nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.
  • Keine Kerngleichheit mit ursprünglicher Irreführung
    Die ursprüngliche Abmahnung betraf die aktive Täuschung über tatsächlich betriebene Praxen. Ein bloßer Hinweis auf geschlossene Standorte sei davon rechtlich zu unterscheiden. Deshalb konnte die Klägerin keine Vertragsstrafe geltend machen.
  • Schutz des Vertrauens des Unterlassungsschuldners
    Besonders relevant für die Praxis: Der Beklagte hatte Screenshots aller Änderungen vorgelegt und nach Rückfrage die Rückmeldung der Klägerseite erhalten, dass die Angelegenheit erledigt sei. Das Gericht bewertete dieses Verhalten als schutzwürdiges Vertrauen. Wer dem Gegner mitteilt, alles sei erledigt, kann später nicht mehr Vertragsstrafe verlangen.
  • Keine Verpflichtung zu vollständiger Löschung bei Dritten ohne Zumutbarkeit
    Auch eine Verpflichtung, bei allen Drittanbietern eine komplette Löschung zu erreichen, besteht nicht uneingeschränkt. Zumutbarkeit und technische Einflussmöglichkeiten müssen geprüft werden.

Fazit

Das Urteil zeigt, dass Vertragsstrafen nur dann greifen, wenn ein Wettbewerbsverstoß tatsächlich vorliegt und der Unterlassungsschuldner auch für die angegriffenen Inhalte verantwortlich ist. Unternehmer sollten daher sorgfältig prüfen, was genau Gegenstand einer Unterlassungserklärung ist und wie sie im Streitfall ausgelegt werden könnte.

Außerdem macht die Entscheidung deutlich, dass Unterlassungserklärungen in der Regel nicht weiter reichen, als es die gesetzlichen Verbote vorsehen. Bei der Auslegung wird deshalb regelmäßig berücksichtigt, dass der Inhalt der Erklärung dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch entspricht und nicht darüber hinausgeht.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 06.02.2025
Aktenzeichen: 3 U 2143/24
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 12701

Gutachterkampf der Baumärkte: Farbe Orange verliert Markenschutz

Der Streit um die Farbe Orange spitzt sich zu: Das Bundespatentgericht (BPatG, Beschluss v. 05.06.2025 – 29 W (pat) 24/18) hat entschieden, dass die abstrakte Farbmarke „Orange“ (RAL 2008) für Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Bau- und Heimwerkerartikel gelöscht bleibt. Damit endet ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen zwei großen Baumarkt-Ketten, bei dem es vor allem um die Frage ging: Gehört Orange einem einzelnen Anbieter – oder allen?

Worum ging es?

Eine Baumarkt-Kette hatte sich im Jahr 2012 die Farbe Orange als abstrakte Farbmarke eintragen lassen. Grundlage dafür war ein Gutachten, das eine sogenannte Verkehrsdurchsetzung nachwies – also dass mindestens die Hälfte der Verbraucher Orange eindeutig diesem Unternehmen zuordnen. Die Marke sollte Wettbewerbern verbieten, denselben Farbton für ihre Märkte, Werbematerialien und Werbung zu nutzen.

Gleich zwei Wettbewerber beantragten daraufhin die Löschung der Marke. Ihr Argument: Orange sei längst die typische Farbe der gesamten Baumarktbranche – kein Verbraucher erkenne daran nur ein Unternehmen. Zudem sei das ursprüngliche Gutachten fehlerhaft und die Anmeldung bösgläubig erfolgt.

Die zentrale Streitfrage: Reicht ein Gutachten?

Im Verfahren lieferten sich beide Seiten ein regelrechtes Gutachter-Duell. Die Markeninhaberin legte ein neues demoskopisches Gutachten vor, das eine fortdauernde Verkehrsdurchsetzung mit Werten über 50 % belegen sollte. Die Gegenseite präsentierte ein eigenes „Gegengutachten“, das deutlich niedrigere Werte auswies. Das Bundespatentgericht stellte klar: Selbst wenn das erste Gutachten methodisch korrekt war, muss der Markeninhaber stets nachweisen, dass die Marke auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch durchgesetzt ist. Widersprüchliche Gutachten können diesen Nachweis erschüttern – hier lag die Beweislast letztlich bei der Markeninhaberin.

Warum war Orange nicht unterscheidungskräftig?

Nach Auffassung des Gerichts fehlte es von Anfang an an der sogenannten originären Unterscheidungskraft. Die Farbe Orange wird in der Branche von mehreren Unternehmen genutzt, sei es für Märkte, Prospekte oder Mitarbeiterkleidung. Orange stehe für Baumärkte insgesamt, nicht für einen bestimmten Anbieter. Diese „Branchenübung“ spricht klar gegen ein Monopol auf den Farbton.

Keine Verkehrsdurchsetzung mehr nachweisbar

Auch die jahrelange Nutzung, hohe Werbeaufwendungen und Umsätze konnten die Zweifel nicht beseitigen. Zwar können diese Faktoren nach der EU-Rechtsprechung (sogenannte Chiemsee-Kriterien) die Verkehrsdurchsetzung unterstützen. Doch angesichts zweier widersprüchlicher Gutachten – das eine knapp unter 50 %, das andere weit darunter – sah das Gericht den Nachweis letztlich als nicht erbracht an.

Rechtsbeschwerde zugelassen

Wegen grundsätzlicher Fragen – etwa ob der Markeninhaber trotz anerkannter Gutachten stets die Beweislast trägt – hat das Gericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.


Praxis-Tipp für Unternehmen:
Wer sich eine Farbe als Marke sichern möchte, sollte den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung sehr sorgfältig vorbereiten und darauf achten, dass Gutachten methodisch einwandfrei sind. Zudem muss eine konsequente, langfristige und markenmäßige Nutzung nachweisbar sein. Selbst dann besteht das Risiko, dass Wettbewerber den Nachweis mit Gegen-Gutachten erschüttern können.


Gericht:
Bundespatentgericht
Datum der Entscheidung:
05.06.2025
Aktenzeichen:
29 W (pat) 24/18

Keine Verwechslungsgefahr beim „Kauf auf Sicht“ – OLG Frankfurt klärt Markenstreit um Nudelverpackung

In einem markenrechtlichen Streit ging es um die Nutzung der Bezeichnung „TERRA GRECA“ auf Nudelverpackungen. Die Klägerin, ein griechischer Nudelhersteller, vertreibt ihre Produkte in Deutschland. Die Beklagte ist Inhaberin einer Unionsbildmarke „TERRA GRECA“, die jedoch nicht für Teigwaren, sondern für andere Lebensmittel (z.B. Speiseöle, Suppen) geschützt ist.

Die Beklagte hatte einen Abnehmer der Klägerin wegen Markenverletzung abgemahnt. Das Landgericht Frankfurt gab der Klage der Nudelherstellerin auf Unterlassung, Auskunft und Kostenerstattung bereits statt, was das OLG Frankfurt (Urteil vom 06.02.25, AZ: 6 U 277/21) nun bestätigte.

Schwerpunkt: „Kauf auf Sicht“ als entscheidender Faktor

Besonders interessant ist das Urteil, weil es den sogenannten „Kauf auf Sicht“ bei Lebensmitteln hervorhebt. Der Senat betonte, dass Nudeln regelmäßig auf Sicht gekauft werden – also nicht bloß unbesehen ins Einkaufswagerl wandern, sondern der Verbraucher sie vor dem Kauf konkret betrachtet.

Daher kommt es hier maßgeblich darauf an, wie die konkrete Verpackung visuell wahrgenommen wird. Obwohl die Wortbestandteile „TERRA GRECA“ in beiden Marken identisch sind, fehlt es wegen der deutlichen bildlichen Unterschiede und des beschreibenden Charakters der Bezeichnung (Hinweis auf „griechisches Land“) an einer relevanten Verwechslungsgefahr.

Der Aspekt „Kauf auf Sicht“ führt nach Ansicht des OLG dazu, dass der Verbraucher sich stärker mit dem konkreten Erscheinungsbild auseinandersetzt. Anders als etwa bei Bestellungen über Kataloge oder Onlineshops, wo der Klang des Markennamens dominanter sein könnte, tritt hier die Verpackungsgestaltung in den Vordergrund. Diese war im Fall der Nudeln so prägnant verschieden (u.a. rote Schrift auf weißer Banderole vs. stilisierte Sonne und Lorbeerblätter), dass eine Verwechslung auch bei identischem Wortbestandteil auszuschließen sei.

Weitere Erwägungen des Gerichts

Neben der Warenunähnlichkeit (die Beklagtenmarke ist nicht für Pasta eingetragen) spielte auch eine Rolle:

  • Die Bezeichnung „TERRA GRECA“ sei für Lebensmittel stark beschreibend.
  • Die Verbraucher seien an lateinische Herkunftsbezeichnungen gewöhnt („terra“ als „Land“).
  • Gerade bei Pasta bestehe kein Anlass, von einem einheitlichen Markenhersteller auszugehen.

Das Gericht untersagte daher die Abmahnungen gegenüber den Abnehmern der Klägerin und sprach Auskunfts- und Kostenerstattungsansprüche zu.

Praxishinweis

Für Unternehmer und Händler bedeutet dieses Urteil:
Wenn Produkte üblicherweise auf Sicht gekauft werden, kommt der Gestaltung der Verpackung eine besonders hohe Bedeutung zu. Selbst identische Wortbestandteile führen nicht automatisch zu Verwechslungsgefahr, wenn:

  • die bildliche Ausgestaltung klar unterschiedlich ist,
  • der Wortbestandteil beschreibend wirkt,
  • und die Waren nur entfernt verwandt sind.

Wer sich gegen markenrechtliche Abmahnungen verteidigen muss, sollte daher prüfen lassen, ob der konkrete Vertriebskanal („auf Sicht“) und die Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr wirklich begründen.

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main (6. Zivilsenat)
Datum der Entscheidung: 6. Februar 2025
Aktenzeichen: 6 U 277/21
Zitierung: GRUR-RS 2025, 7130

BGH-Urteil: Nachvergütungs- und Auskunftsansprüche des Fotografen bei werblicher Nutzung eines Portraitfotos

1. Hintergrund des Falls

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 18. Juni 2025, AZ: I ZR 82/24, entschieden, dass ein Fotograf grundsätzlich Anspruch auf Auskunft und gegebenenfalls eine zusätzliche Vergütung haben kann, wenn sein Foto über Jahre hinweg umfangreich für Werbung genutzt wurde. Im Streit stand die Verwendung eines Portraitfotos der Geschäftsführerin eines Unternehmens, das Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Das Foto war ursprünglich für einen Trainingsplan gedacht, wurde dann aber millionenfach auf Verpackungen, in Webshops und im Teleshopping eingesetzt. Der Fotograf erhielt zunächst nur 180 Euro Honorar.

2. Was regelt § 32d UrhG?

§ 32d UrhG ist eine Vorschrift des Urheberrechtsgesetzes, die dem Urheber einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über die Nutzung seines Werkes gibt. Das bedeutet:

  • Der Vertragspartner muss dem Urheber mitteilen, wie, in welchem Umfang und mit welchem wirtschaftlichen Erfolg das Werk verwertet wurde.
  • Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, damit der Urheber prüfen kann, ob ihm eine weitere angemessene Vergütung nach § 32a UrhG zusteht.
  • Der Anspruch besteht grundsätzlich einmal jährlich, wenn ein Nutzungsrecht entgeltlich eingeräumt wurde.
  • Nur in bestimmten Ausnahmefällen entfällt die Pflicht zur Auskunft. Das ist z. B. der Fall, wenn der Beitrag des Urhebers nachrangig war oder wenn die Auskunftserteilung unverhältnismäßig wäre.

Im vorliegenden Fall hat der Fotograf diesen Anspruch geltend gemacht, um die Grundlage für eine zusätzliche Vergütung zu schaffen.

3. Werbliche Bedeutung des Fotos – zentrale Begründung des BGH

Ein Schwerpunkt der Entscheidung war die Frage, ob das Portraitfoto nur ein untergeordneter Beitrag zur Gesamtvermarktung der Produkte war. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG wäre der Auskunftsanspruch ausgeschlossen, wenn der Beitrag des Urhebers nur eine geringe Bedeutung hat.

Der BGH hat klargestellt, dass bei der Nutzung eines Fotos für Werbung vor allem die ökonomische Bedeutung zu prüfen ist. Im konkreten Fall sprach alles gegen eine Nachrangigkeit:

  • Das Foto wurde auf Verpackungen in über 25 Produktkategorien verwendet.
  • Es prägte den Wiedererkennungseffekt der gesamten Produktlinie.
  • Es vermittelte den Verbrauchern den Eindruck, dass die Geschäftsführerin mit ihrem Namen und ihrem Bild persönlich für Qualität und Wirksamkeit einsteht.
  • Das Bild wurde auch im Teleshopping genutzt, wo die Geschäftsführerin selbst die Produkte präsentierte.

Damit war das Foto nach Einschätzung des BGH ein zentrales Marketinginstrument, das den Verkaufserfolg maßgeblich unterstützte. Ein lediglich nachrangiger Beitrag lag daher nicht vor.

4. Voraussetzungen und Zweck des Anspruchs aus § 32d UrhG

Der Anspruch aus § 32d UrhG dient vor allem dazu, Urhebern die Informationsgrundlage für Nachvergütungsansprüche nach § 32a UrhG zu verschaffen. Das bedeutet konkret:

  • Der Urheber muss nicht schon beweisen, dass er Anspruch auf mehr Geld hat.
  • Es reicht aus, dass er die Auskunft benötigt, um die wirtschaftliche Bedeutung der Nutzung zu beurteilen.
  • Diese Transparenz soll sicherstellen, dass der Urheber an einem wirtschaftlichen Erfolg angemessen beteiligt wird.

Gleichzeitig gibt es Grenzen: Der Anspruch kann entfallen, wenn die Inanspruchnahme der Auskunft unverhältnismäßig ist oder wenn der Urheber über Jahre hinweg untätig bleibt und dadurch sein Recht verwirkt.

Im konkreten Fall hatte der Fotograf plausibel dargelegt, dass er die Auskünfte braucht, um die jahrelange Nutzung zu bewerten. Deshalb wurde der Anspruch dem Grunde nach bejaht.

5. Verwirkung wegen jahrelanger Kenntnis?

Obwohl der BGH die Auskunftsrechte im Grundsatz bestätigt hat, wurde das Urteil des Oberlandesgerichts München teilweise aufgehoben. Der Grund: Das Berufungsgericht hatte den Einwand der Beklagten nicht geprüft, der Fotograf habe die Nutzung über Jahre gekannt, akzeptiert und hohe Honorare für andere Leistungen erhalten.

Wenn ein Urheber über lange Zeit weiß, dass sein Werk auf diese Weise genutzt wird, und nicht reagiert, kann sein Anspruch verwirkt sein. Das bedeutet: Er kann dann nach Treu und Glauben keine Ansprüche mehr geltend machen, weil der Vertragspartner berechtigterweise auf sein Schweigen vertraut hat.

Das Berufungsgericht wird nun klären müssen, ob eine solche Verwirkung vorliegt. Sollte das bejaht werden, würden sowohl der Anspruch auf Nachvergütung als auch der Anspruch auf Auskunft entfallen.

6. Bedeutung für Unternehmen und Kreative

Die Entscheidung zeigt deutlich:

  • Auch ein Foto, das „nur“ auf Verpackungen erscheint, kann ein wesentliches Marketingelement sein.
  • Der Urheber hat dann weitreichende Auskunfts- und Nachvergütungsansprüche.
  • Unternehmen sollten bei der Nutzung von Bildmaterial die Vertragsgestaltung besonders sorgfältig prüfen und dokumentieren, welche Nutzungsrechte eingeräumt und wie vergütet wurden.
  • Urheber sollten nicht jahrelang abwarten, sondern frühzeitig prüfen, ob ihre Vergütung dem wirtschaftlichen Erfolg entspricht.

Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 18. Juni 2025
Aktenzeichen: I ZR 82/24
Vorinstanzen: Oberlandesgericht München, Urteil vom 21. März 2024 – 29 U 8077/21; Landgericht München I, Urteil vom 25. Oktober 2021 – 42 O 18987/19