Im Mittelpunkt der Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 28.02.2025, AZ: 6 U 107/24) stand die Frage, ob ein Gesellschafter persönlich für Urheberrechtsverletzungen haftet, die durch seine Gesellschaft über einen YouTube-Kanal begangen wurden – insbesondere dann, wenn er in einem sog. „Counter-Notification“-Verfahren gegenüber YouTube auftritt.
Die Antragstellerin verlangte im Wege einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung von Videoausschnitten auf YouTube. Sie behauptete, über Nutzungsrechte an den verwendeten Inhalten zu verfügen bzw. diese in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Anträge der Antragstellerin
Die Antragstellerin beantragte, dem Antragsgegner unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro zu untersagen, das beanstandete Video auf YouTube ganz oder teilweise öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen. Sie verwies dabei insbesondere darauf, dass der Antragsgegner im Rahmen des sogenannten „Counter-Notification“-Verfahrens bei YouTube aufgetreten sei und sich dort als Empfangsbevollmächtigter bezeichnet habe.
Was ist eine „Counter-Notification“?
Die sogenannte „Counter-Notification“ stammt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Sie ist Teil des Verfahrens, das Plattformen wie YouTube weltweit anwenden, wenn es um mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen geht. Wird ein Video wegen eines behaupteten Verstoßes gesperrt oder entfernt, kann der betroffene Nutzer eine „Counter-Notification“ einreichen, um die Sperrung anzufechten. In dieser Gegendarstellung erklärt der Nutzer, warum seiner Ansicht nach kein Urheberrechtsverstoß vorliegt, und fordert die Wiederherstellung des Inhalts.
Wichtig: Die Abgabe einer solchen Erklärung führt dazu, dass die Plattform den ursprünglichen Rechteinhaber informiert und ihm eine Frist setzt, um gerichtliche Schritte einzuleiten. Erfolgt dies nicht, wird der Inhalt in der Regel wieder freigeschaltet.
Im Fall des OLG Köln hatte der Antragsgegner eine solche „Counter-Notification“ gegenüber YouTube eingereicht – allerdings im Namen seiner Gesellschaft. Die Antragstellerin wollte daraus seine persönliche Verantwortlichkeit ableiten. Das Gericht lehnte dies jedoch ab.
Entscheidung des OLG Köln
Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln und wies die Berufung zurück. Es stellte klar:
- Keine Passivlegitimation: Die Antragstellerin konnte nicht glaubhaft machen, dass der Antragsgegner persönlich für die beanstandete Urheberrechtsverletzung verantwortlich sei. Insbesondere war er weder Geschäftsführer noch sonst operativ tätig.
- Gesellschafterhaftung ausgeschlossen: Die bloße Gesellschafterstellung reicht nicht aus, um eine urheberrechtliche Haftung zu begründen. Eine Ausdehnung der Störerhaftung auf Gesellschafter würde gegen die Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter verstoßen.
- Keine Indizwirkung der „Counter-Notification“: Auch die Tatsache, dass der Antragsgegner eine „Counter-Notification“ bei YouTube eingereicht hatte und sich darin als Empfangsbevollmächtigter ausgab, begründet keine Verantwortlichkeit. Dies sei lediglich als Verfahrenshandlung im Rahmen der Plattformprozesse zu werten und nicht als Eingeständnis einer Täterschaft.
Relevanz der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Köln ist für Unternehmen mit Social-Media-Präsenz und ihre Gesellschafter von erheblicher Bedeutung. Sie betont die zivilrechtliche Trennung zwischen der Gesellschaft und deren Gesellschaftern und schützt letztere vor einer Haftung für Plattforminhalte, solange keine weitergehenden Anhaltspunkte für eine persönliche Beteiligung bestehen.
Zugleich schafft das Urteil Klarheit hinsichtlich der Reichweite und rechtlichen Bedeutung einer „Counter-Notification“: Wer eine solche gegenüber YouTube abgibt, etwa als Kommunikationsschnittstelle der eigenen Gesellschaft, erklärt damit noch nicht, selbst für etwaige Urheberrechtsverletzungen einzustehen.