BGH: Kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch ohne Inlandsbezug

Sachverhalt

Eine Bekleidungsherstellerin klagte gegen eine deutsche Gesellschaft, die für eine Unternehmensgruppe Online-Verkaufsplattformen in Kasachstan und der Ukraine betreibt. Streitgegenstand waren 318 Produktfotografien, die über die Google-Bildersuche mit Vorschaubildern abrufbar waren und auf die ausländischen Websites verlinkten. Die Klägerin machte geltend, dass durch die Auffindbarkeit der Bilder über Google eine unzulässige öffentliche Zugänglichmachung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke in Deutschland vorliege.

Die gerichtlichen Entscheidungen

Bereits das LG Hamburg und das OLG Hamburg hatten die Klage abgewiesen. Der BGH (Urteil vom 05.12.2024, I ZR 50/24 – „Produktfotografien“) bestätigte nun die Entscheidungen und wies die Revision der Klägerin zurück.

Die wesentlichen Erwägungen des BGH

  • Zuständigkeit & Anwendbares Recht: Die deutschen Gerichte waren international zuständig, und es war deutsches Urheberrecht anwendbar, da eine Verletzung von Schutzrechten im Inland geltend gemacht wurde.
  • Kein hinreichender Inlandsbezug: Entscheidend war, dass die beanstandeten Inhalte auf Websites mit den Domains „.kz“ und „.ua“ lagen und sich diese Seiten nach einer Gesamtwürdigung (u.a. Sprache, Domainendung, Zahlungsmittel, Kontaktangaben) klar an Nutzer in Kasachstan und der Ukraine richteten.
  • Keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung im Inland: Ein bloßer technischer Zugriff aus Deutschland reichte nicht aus. Auch dass der Serverstandort in Deutschland lag oder kein IP-Blocking genutzt wurde, änderte nichts am Fehlen eines gezielten „commercial effect“ in Deutschland.
  • Übertragung der BGH-Rechtsprechung zu Marken auf das Urheberrecht: Der BGH betont, dass der Grundsatz des Territorialitätsprinzips ebenso im Urheberrecht gilt. Eine Nutzungshandlung muss sich konkret gegen das Schutzland richten, um Ansprüche zu begründen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Betreiber international ausgerichteter Webseiten. Für Rechteinhaber bedeutet sie jedoch, dass gegen über Google abrufbare Inhalte ausländischer Websites nur dann vorgegangen werden kann, wenn ein konkreter Inlandsbezug nachgewiesen werden kann. Die reine Abrufbarkeit aus Deutschland reicht nicht aus.

OLG Köln zur „Counter-Notification“ auf YouTube – Keine Haftung des Gesellschafters für Urheberrechtsverletzung der Gesellschaft

Im Mittelpunkt der Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 28.02.2025, AZ: 6 U 107/24) stand die Frage, ob ein Gesellschafter persönlich für Urheberrechtsverletzungen haftet, die durch seine Gesellschaft über einen YouTube-Kanal begangen wurden – insbesondere dann, wenn er in einem sog. „Counter-Notification“-Verfahren gegenüber YouTube auftritt.

Die Antragstellerin verlangte im Wege einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung von Videoausschnitten auf YouTube. Sie behauptete, über Nutzungsrechte an den verwendeten Inhalten zu verfügen bzw. diese in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen.

Die Anträge der Antragstellerin

Die Antragstellerin beantragte, dem Antragsgegner unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro zu untersagen, das beanstandete Video auf YouTube ganz oder teilweise öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen. Sie verwies dabei insbesondere darauf, dass der Antragsgegner im Rahmen des sogenannten „Counter-Notification“-Verfahrens bei YouTube aufgetreten sei und sich dort als Empfangsbevollmächtigter bezeichnet habe.

Was ist eine „Counter-Notification“?

Die sogenannte „Counter-Notification“ stammt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Sie ist Teil des Verfahrens, das Plattformen wie YouTube weltweit anwenden, wenn es um mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen geht. Wird ein Video wegen eines behaupteten Verstoßes gesperrt oder entfernt, kann der betroffene Nutzer eine „Counter-Notification“ einreichen, um die Sperrung anzufechten. In dieser Gegendarstellung erklärt der Nutzer, warum seiner Ansicht nach kein Urheberrechtsverstoß vorliegt, und fordert die Wiederherstellung des Inhalts.

Wichtig: Die Abgabe einer solchen Erklärung führt dazu, dass die Plattform den ursprünglichen Rechteinhaber informiert und ihm eine Frist setzt, um gerichtliche Schritte einzuleiten. Erfolgt dies nicht, wird der Inhalt in der Regel wieder freigeschaltet.

Im Fall des OLG Köln hatte der Antragsgegner eine solche „Counter-Notification“ gegenüber YouTube eingereicht – allerdings im Namen seiner Gesellschaft. Die Antragstellerin wollte daraus seine persönliche Verantwortlichkeit ableiten. Das Gericht lehnte dies jedoch ab.

Entscheidung des OLG Köln

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln und wies die Berufung zurück. Es stellte klar:

  • Keine Passivlegitimation: Die Antragstellerin konnte nicht glaubhaft machen, dass der Antragsgegner persönlich für die beanstandete Urheberrechtsverletzung verantwortlich sei. Insbesondere war er weder Geschäftsführer noch sonst operativ tätig.
  • Gesellschafterhaftung ausgeschlossen: Die bloße Gesellschafterstellung reicht nicht aus, um eine urheberrechtliche Haftung zu begründen. Eine Ausdehnung der Störerhaftung auf Gesellschafter würde gegen die Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter verstoßen.
  • Keine Indizwirkung der „Counter-Notification“: Auch die Tatsache, dass der Antragsgegner eine „Counter-Notification“ bei YouTube eingereicht hatte und sich darin als Empfangsbevollmächtigter ausgab, begründet keine Verantwortlichkeit. Dies sei lediglich als Verfahrenshandlung im Rahmen der Plattformprozesse zu werten und nicht als Eingeständnis einer Täterschaft.

Relevanz der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Köln ist für Unternehmen mit Social-Media-Präsenz und ihre Gesellschafter von erheblicher Bedeutung. Sie betont die zivilrechtliche Trennung zwischen der Gesellschaft und deren Gesellschaftern und schützt letztere vor einer Haftung für Plattforminhalte, solange keine weitergehenden Anhaltspunkte für eine persönliche Beteiligung bestehen.

Zugleich schafft das Urteil Klarheit hinsichtlich der Reichweite und rechtlichen Bedeutung einer „Counter-Notification“: Wer eine solche gegenüber YouTube abgibt, etwa als Kommunikationsschnittstelle der eigenen Gesellschaft, erklärt damit noch nicht, selbst für etwaige Urheberrechtsverletzungen einzustehen.

GEMA klagt gegen Suno: Was bedeutet das für KI-generierte Musik und das Urheberrecht?

Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) hat Klage gegen das US-amerikanische KI-Unternehmen Suno Inc. eingereicht. Suno bietet ein KI-Tool an, das mithilfe von einfachen Anweisungen (sogenannten Prompts) Audioinhalte erzeugen kann. Die GEMA wirft Suno vor, geschützte Aufnahmen aus ihrem Repertoire ohne Lizenz verwendet zu haben, was eine Urheberrechtsverletzung darstelle. Konkret geht es darum, dass die KI Audioinhalte generiere, die bekannten Songs wie „Forever Young“, „Atemlos“ oder „Daddy Cool“ zum Verwechseln ähnlich sein sollen.

Was sind die Vorwürfe der GEMA?

  • Urheberrechtsverletzung: Die GEMA argumentiert, dass Suno durch die Nutzung der Werke ihrer Mitglieder das Urheberrecht verletze. Dies betreffe sowohl die Erstellung der Aufnahmen in den Systemen von Suno als auch die Nutzung der Originalwerke zum Trainieren der KI.
  • Fehlende Vergütung: Die GEMA kritisiert, dass Suno das Repertoire der GEMA systematisch für das Training ihres Musiktools genutzt und dieses nun kommerziell verwertet habe, ohne die Urheber finanziell zu beteiligen.
  • Forderung nach einem fairen Miteinander: Die GEMA betont, dass eine partnerschaftliche Lösung mit KI-Unternehmen nur mit der Einhaltung von Grundregeln eines fairen Miteinanders möglich sei, einschließlich des Erwerbs von Lizenzen.

Was fordert die GEMA?

Die GEMA fordert eine faire Vergütung für die Nutzung der Werke ihrer Mitglieder. Sie schlägt ein „Zwei-Säulen“-Lizenzmodell vor:

  • Vergütung für das KI-Training: Die GEMA verlangt, dass 30 Prozent der Netto-Einnahmen von Suno an die Urheber fließen, inklusive einer Mindestvergütung.
  • Beteiligung an generierten Werken: Die GEMA ist der Ansicht, dass die generierten Werke so stark auf den Originalwerken basieren, dass die Urheber auch an deren Nutzung beteiligt werden müssen.

Rechtliche Herausforderungen

Das Verfahren wirft wichtige Fragen in Bezug auf das Urheberrecht auf:

  • Rechtmäßigkeit des KI-Trainings: War das Training der Suno-KI mit urheberrechtlich geschützten Werken rechtmäßig? Das Urheberrechtsgesetz erlaubt in bestimmten Fällen das „Text- und Data Mining“ (§§ 44b, 60d UrhG), also die automatisierte Analyse digitaler Werke zur Mustererkennung. Allerdings gibt es hier Einschränkungen, insbesondere wenn die Urheber der Nutzung ihrer Werke für das KI-Training widersprochen haben.
  • Nutzungsvorbehalt: Entscheidend ist, ob die GEMA einen wirksamen Nutzungsvorbehalt erklärt hat. Seit 2021 erlaubt § 44b UrhG Text- und Data Mining, es sei denn, die Urheber haben dem „maschinenlesbar“ widersprochen. Ob ein solcher Widerspruch in maschinenlesbarer Form vorliegt, ist jedoch umstritten.
  • Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe: Die GEMA argumentiert, dass bereits die Generierung der KI-Songs eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe darstellt. KI-Systeme arbeiten jedoch nicht mit exakten Kopien, sondern mit statistischen Mustern.
  • Pflichten der KI-Anbieter: Nach dem AI Act müssen Anbieter von Mehrzweck-KI-Systemen wie Suno eine Strategie zur Einhaltung des EU-Urheberrechts vorlegen.

LG Hamburg: Nutzung von Bildern für KI-Training

Das Landgericht Hamburg hat sich in einem Urteil vom 27.09.2024 (Az. 310 O 227/23) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Training von KI-Systemen zulässig ist. Das Gericht hat entschieden, dass die Schrankenregelung des § 44a UrhG (vorübergehende Vervielfältigungshandlungen) für Trainingszwecke von KI nicht anwendbar ist.

  • Keine Flüchtigkeit: Das Gericht argumentierte, dass die Speicherung der Werke auf den Servern des KI-Herstellers nicht „flüchtig“ im Sinne des Gesetzes sei.
  • Keine Begleitfunktion: Das Herunterladen der Bilddateien zur Analyse sei kein bloß begleitender Prozess, sondern ein bewusster Beschaffungsprozess.

Allerdings tendierte das LG Hamburg in seiner Entscheidung dazu, dass ein Nutzungsvorbehalt in natürlicher Sprache (z.B. in AGB) genügen müsse, um die Nutzung eines Werkes für KI-Training zu untersagen. Dies könnte auch für die Klage der GEMA relevant sein, da es fraglich ist, ob die GEMA bzw. ihre Mitglieder einen solchen maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt rechtzeitig erklärt haben.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Die Klage der GEMA gegen Suno ist ein Präzedenzfall. Es ist noch unklar, wie die Gerichte die Nutzungsvorbehalte der Urheber bewerten werden. Das Urteil könnte richtungsweisende Antworten auf die Frage geben, wie mit KI-generierter Musik und dem Urheberrecht umzugehen ist.

Parallele in den USA

Auch in den USA gibt es ähnliche Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit KI-Training und Urheberrecht.

  • Ein US-Gericht, der District Court of Delaware, hat im Fall Thomson Reuters ./. Ross Intelligence entschieden, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Training einer KI nicht unter die „Fair Use“-Doktrin fällt, wenn das KI-Training kommerziellen Zwecken dient und sich negativ auf den Wert des geschützten Werks auswirkt.
  • Dieses Urteil könnte Auswirkungen auf KI-Anbieter haben, die in den USA tätig sind. Bemerkenswert ist, dass das Gericht die meisten Gerichtsentscheidungen, auf die sich KI-Unternehmen bislang berufen haben, als „irrelevant“ abgelehnt hat.
  • Die Entscheidung des US-Gerichts betraf einen Fall, in dem eine KI-Suchmaschine mit urheberrechtlich geschützten Headnotes trainiert wurde. Das Gericht argumentierte, dass die Nutzung nicht „transformierend“ sei, da die KI lediglich ein Konkurrenzprodukt erstellen sollte. Dies könnte ein wichtiger Unterschied zur generativen KI sein, die neue und transformative Werke schaffen kann. Das Gericht betonte, dass Ross mit seiner KI direkt mit Westlaw konkurrieren wollte, was ausreiche, um eine Marktbeeinträchtigung festzustellen. Es sei unerheblich, ob Reuters bereits KI-Trainingsdaten vermarkte – die Möglichkeit, dies zu tun, sei rechtlich schutzwürdig.

Auswirkungen für Deutschland

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtslage im Bereich der KI-generierten Musik, aber auch bei Texten, Grafiken etc., entwickeln wird.

Die mit der Nutzung von urheberrechtlichen Inhalten zu Trainingszwecken verbundenen urheberrechtlichen Fragen werden vermutlich erst in einigen Jahren höchstrichterlich geklärt werden. Es könnte sein, dass sich bis dahin entweder der Gesetzgeber entschließt, das Thema neu zu regeln (und dann, so ist meine Vermutung, eine „KI-Abgabe“ einführt, die an Verwertungsgesellschaften wie die GEMA zu zahlen ist) oder es zu Vereinbarungen zwischen Anbietern von KI und Verwertungsgesellschaften kommen wird.

Urheberrechtliche Unzulässigkeit von Luftbildaufnahmen mittels einer Drohne

Urteil vom 23. Oktober 2024 – I ZR 67/23

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass unter Zuhilfenahme einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken nicht der Panoramafreiheit unterfallen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen Buchverlag, in dem sie Führer zu Halden des Ruhrgebiets veröffentlicht. Darin enthalten sind mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen verschiedener Kunstinstallationen auf Bergehalden. Die Schöpfer dieser Installationen haben Wahrnehmungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Publikationen der Beklagten verletzten die an den Installationen bestehenden Urheberrechte, weil die Luftbildaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den zu zahlenden Schadensersatz herabgesetzt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat durch die Abbildung der als urheberrechtliche Werke geschützten Kunstinstallationen in das den Urhebern zustehende Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen. Die Vervielfältigung und Verbreitung von mit Hilfe einer Drohne angefertigten Luftaufnahmen sind keine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG erlaubten Nutzungen der dargestellten Werke. Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG geregelte Panoramafreiheit bezweckt die Freistellung der Nutzung von Werken, wenn und soweit sie Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßen- oder Landschaftsbildes sind. Die bei der Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG vor seinem unionsrechtlichen Hintergrund vorzunehmende Abwägung zwischen der Informations- und Kommunikationsfreiheit der Werknutzer mit dem berechtigten Interesse der Urheber, an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke tunlichst angemessen beteiligt zu werden, geht im Falle der Nutzung von mit Hilfe von Drohnen aus der Luft angefertigten Lichtbildern in Buchveröffentlichungen zugunsten des Interesses der Urheber der fotografierten Werke aus. Diese Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG schöpft in zulässiger Weise den bei Anwendung der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG bestehenden Spielraum aus.

Quelle. Pressemitteilung des BGH vom 23.10.2024

Urheberrechtsverletzung durch Anhängen an andere Amazon-Angebote

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 22.08.2022, Az.: 14 O 327/21, ein für Onlinehändler, die auch auf Amazon aktiv sind, wenig erfreuliches Urteil gefällt.

Der beklagte Händler hatte sich an ein, von einem Dritten für ein bestimmtes Produkt erstelltes Angebot bei Amazon „angehängt“.

Amazon vergibt für jedes Produkt eine plattformeigene Nummer, sog. ASIN. Derjenige, der ein neues Produkt bei Amazon einstellt, erstellt das Angebot mit Text und Bildern und erhält von Amazon dann eine entsprechende ASIN. Jeder andere Händler, der das identische Produkt ebenfalls verkauft, muss sich an dieses Angebot und an die entsprechende ASIN „anhängen“. Er hat keinen Einfluss auf den Text und die verwendeten Bilder.

In dem vom Landgericht Köln entschiedenen Fall wurde der beklagte Händler von einem Fotografen abgemahnt und sodann verklagt, weil in dem Angebot, an welches sich der beklagte Händler angehängt hatte, eine Fotografie verwendet wurde, die dort (wohl) unrechtmäßig eingestellt war.

Der beklagte Händler verteidigte sich in erster Linie damit, dass er auf die Gestaltung des Angebots keinen Einfluss hatte und er, sofern er dieses Produkt verkaufen will, aufgrund der Bedingungen bei Amazon gezwungen ist, sich an das Angebot anzuhängen und dieses auch nicht abändern kann. Des Weiteren legte er dar, dass er versucht hatte, Amazon zu einer Löschung zu bewegen, allerdings vergeblich.

Diese Argumente ließ das Landgericht allerdings nicht gelten und verurteilte den Händler zur Unterlassung, zur Zahlung von Schadenersatz und Erstattung von Anwaltskosten.

Eine automatisierte Erstellung solcher Angebote und das Anhängen an ein von einem Dritten erstelltes Angebot bringe das Risiko von Urheberrechtsverletzungen mit sich, was dem Händler, der sich an ein Angebot anhängt, auch bewusst sei. Auch nutze es nicht, dass der Händler versucht hatte, mit Amazon in Kontakt zu treten, weil dies allenfalls später für die Frage des Verschuldens bei einem Ordnungsmittelantrag beachtenswert sei, so das Landgericht.

Das Oberlandesgericht München hatte 2016 eine andere Rechtsauffassung vertreten (OLG München, Urteil vom 10.03.20216, Az.: 29 U 4077/15, GRUR-RR 2016, 316). Das Landgericht Köln hat in den Entscheidungsgründen explizit darauf abgestellt, dass es eine andere Rechtsauffassung als das Oberlandesgericht München vertritt.

Leider daher sehr unerfreuliche Nachrichten für alle Amazon-Händler:

Das Landgericht Köln urteilt nach dem Motto „Betreten der Amazon-Plattform auf eigene Gefahr“: Wer über Amazon verkauft, weiß, dass so etwas passieren kann.

Allerdings verkennt das Landgericht natürlich die Marktmacht von Amazon und eben, dass Händler schlichtweg darauf angewiesen sind, auch über Amazon zu verkaufen und sich an solche fremde Angebote anzuhängen. es bleibt dem Händler nur die Wahl, sich an ein anderes Angebot anzuhängen, ohne zu wissen, wer das Angebot erstellt hat und ob derjenige auch Nutzungsrechte für die verwendeten Fotos eingeholt hat, oder eben kein Angebot bei Amazon einzustellen.

Nachdem das Oberlandesgericht München 2016 noch günstig für Onlinehändler entschieden hatte, werden solche Fälle künftig vermutlich dazu führen, dass der klagende Urheber, z.B. ein Fotograf, Ansprüche in Köln anhängig machen wird. Er hat hier aufgrund der Tatsache, dass Urheberrechtsverletzungen überall dort bei Gerichten anhängig gemacht werden können, in dessen Gerichtsbezirk die Rechtsverletzung stattfindet, die Wahl verschiedener Gerichtsstände, weil die Urheberrechtsverletzung im Internet, sprich auf Amazon, stattfand. Und natürlich wird ein, von einem fachkundigen Anwalt vertretener Kläger nicht nach München, sondern nach Köln gehen, weil dort für ihn günstig entschieden wird.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die, sofern überhaupt eine ergeht, erst in einigen Jahren ergehen dürfte, ist also das Risiko für Händler, die auf Amazon aktiv sind, wieder gestiegen, zumindest in Fällen von Urheberrechtsverletzungen.

Urheberrechtlicher Schutz für Java-Script Programmierungen

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 29.04.2022, Az.: 6 U 243/18, entschieden, dass kurze Programmierungen mit der Programmiersprache Java-Script urheberrechtlich geschützt sein können, nicht aber zwingend sein müssen.

Die Kläger in dem Kölner Verfahren boten auf ihrer Website mehr als 400 einfach gestaltete Rechner an, die den Nutzern Rechnungen aller Art ermöglichten, z. B. Umrechnungen internationaler Längen-, Flächen-, Größeneinheiten, Konfektionsgrößen, Zinsberechnungen, Berechnungen verschiedenster Verbrauchskosten, etc..

Die klägerische Seite finanzierte sich über die bei den Rechnern eingeblendeten Werbungen.

Der Beklagte übernahm diese Rechner von der Internetseite der Kläger und bot diese auf seiner Website in zumindest teilweise leicht veränderter Form an, ebenfalls unter Schaltung von Werbung.

Die Rechner bestanden aus einer Java-Script Programmierung mit kurzem Quellcode und einer HTML-Oberfläche.

Die Kläger machten eine Urheberrechtsverletzung geltend, der Beklagte war der Ansicht, dass die jeweiligen Rechner nicht urheberrechtlich geschützt seien.

Es ging um zwei Rechtsfragen:

Zum einen um die Frage, ob Programmierungen in Java-Script überhaupt ein Computerprogramm im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellen können.

Zum anderen um die Frage, wie die Schutzvoraussetzungen bei Gewährung von urheberrechtlichem Schutz für Computerprogramme sind und wer welche Darlegungs- und Beweislast trägt.

Da es sich bei dem in der Programmiersprache Java-Script geschriebenen Code um einen Text handelte, der eine Folge von Steuerbefehlen beinhaltete, war das OLG der Meinung, dass in Java-Script geschriebene Programme grundsätzlich urheberrechtsschutzfähig sein können.

Bei der Frage, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen, ging das OLG zunächst auf eine Besonderheit des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen ein:

Anders als bei anderen Werkgattungen, wie z. B. bei Schriftwerken, werden bei Computerprogrammen an die  sogenannte Schöpfungshöhe keine allzu großen Anforderungen gestellt. Insbesondere sind bereits vom Gesetzeswortlaut keine qualitativen oder ästhetischen Merkmale des Programms erforderlich.

Das bedeutet:

Ist der Quellcode nicht allzu banal, so wird in aller Regel die Schutzfähigkeit bejaht.

Da im vorliegenden Fall der Code für verschiedene Rechner nur sehr kurz war, stellte sich in diesem besonderen Fall die Frage, ob die jeweiligen Codes der einzelnen Rechner tatsächlich die gesetzlichen Erfordernisse für Urheberrechtsschutz erreichen oder nicht.

Das OLG war der Auffassung, dass zwar die Kläger der Darlegungslast nachgekommen seien, jedoch aufgrund der sehr kurzen Codes bei einem Großteil der Rechner ein Sachverständigengutachten nötig sei, weil das Gericht aufgrund der fehlenden Fachkenntnis nicht alleine einschätzen könne, ob die entsprechenden Programmierleistungen völlig banal seien oder jedenfalls noch eine solche individuelle Leistung des Programmierers erkennen lasse, dass man über den Schutz der sogenannten kleinen Münze Urheberrechtsschutz bejahen könne. Bei insgesamt 31 Rechnern der insgesamt über 400 Rechner war das OLG der Meinung, dass eine umfangreichere und für jeden erkennbare Programmierleistung vorliege, weshalb das OLG sich in der Lage sah, auch ohne Einschaltung eines Sachverständigen urheberrechtlichen Schutz zu bejahen. Bei den übrigen Rechnern war dies nach Auffassung des OLG nicht der Fall. Weil im vorliegenden Fall die Kläger offenbar kein Beweisangebot durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hatten, waren die Kläger nach Auffassung des Gerichts beweisfällig geblieben, sodass die Klage zum überwiegenden Teil abgewiesen wurde.

Da nur bei 31 von über 400 Rechnern Schutz bejaht worden war, gelangte das OLG zur Bejahung eines Schadensersatzes in Höhe von € 3.100,00. Angesetzt wurde hier ein Betrag in Höhe von € 100,00 pro Rechner. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Haftung von YouTube für Nutzerinhalte

Seit über einem Jahrzehnt streitet u.a. ein Hamburger Musikproduzent mit YouTube vor deutschen Gerichten um die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen YouTube für Inhalte von Nutzervideos haftet, u.a. auch um die Frage, ob YouTube auf Zahlung von Schadensersatz haften kann.

Der BGH hat dem EuGH dazu diverse Vorlagenfragen gestellt, der EuGH im Juni 2021 hat dann entschieden, dass Plattformen wie YouTube, aber auch Sharehosting-Plattformen die Inhalte von Nutzer-Videos zwar nicht selbst öffentlich wiedergeben. Jedoch könne anderes gelten, wenn diese Unternehmen über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beitrügen, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen und auf der Plattform z.B. Hilfsmittel anbietet, die zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind oder ein solches Teilen wissentlich fördert (EuGH, Urteil vom 22.06.2021, Az.: C-682/18 und C-683/18).

In Anbetracht dessen urteilte der BGH nun, dass auch eine Haftung von YouTube und Co. nicht nur auf Unterlassung, sondern auch u.a. auf Schadenersatz bestehen könne. Da nicht feststand, ob die jeweiligen Plattformen geeignete technische Maßnahmen getroffen hatten, wurden die Verfahren an die zuständigen Oberlandesgerichte zurückverwiesen.

Zugleich wies der BGH darauf hin, dass das OLG im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens auch zu prüfen habe, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe nach dem seit 01.08.2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (sog. Urheber-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) vorliegen (BGH, Urteile vom 02.06.2022, Az.: I ZR 140/15, I ZR 53/17, I ZR 54/17, I ZR 55/17, I ZR 56/17, I ZR 57/17 und I ZR 135/18).

Dies bedeutet, dass es vermutlich in den nächsten Monaten eine erste Entscheidung zu den Pflichten eines Plattformbetreibers nach dem neuen UrhDaG geben wird.

BGH zur Frage, was unter dem Begriff „recht viele Personen“ zu verstehen ist.

Der BGH (Urteil vom 27.05.2021, Az.: I ZR 119/20) musste über einen Sachverhalt entscheiden, der als Folge einer Abmahnung wegen der Verletzung von Urheberrechten an Fotografien vorkommen kann:

Ein Fotograf mahnt wegen der Verletzung eines Urheberrechts an einer Fotografie ab, weil das Foto auf einer Webseite benutzt wird. Der Webseitenbetreiber gibt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Im Folgenden wird das entsprechende Foto zwar von der Webseite entfernt, nicht jedoch vom Server gelöscht, aus dem Cache von Suchmaschinen entfernt etc., so dass das Foto über das Internet noch auffindbar ist. Typisch an diesen Fällen ist, dass die Aufrufbarkeit z.B. nur durch Eingabe eines direkten, sehr langen Links möglich ist. In solchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen wurde, also eine Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes zu bezahlen ist.

Zahlreiche Gerichte haben dies in den letzten Jahren bejaht. Im letzten Jahr hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 16.06.2020 (ZUM-RD 2020, 508) Gegenteiliges entschieden: Es setzte sich dabei mit der Frage auseinander, ob in einem solchen Fall tatsächlich eine „öffentliche Zugänglichmachung“ vorliegt. Dabei stützte sich das OLG Frankfurt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den Voraussetzungen dieser öffentlichen Zugänglichmachung. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es u.a. erforderlich, dass bei einer öffentlichen Zugänglichmachung ein bestimmtes Werk „recht vielen Personen“ zugänglich gemacht wird. Dabei hat es der EuGH stets offengelassen, was unter „recht viele Personen“ zu verstehen ist. Das OLG Frankfurt war nun der Auffassung, dass jedenfalls dann keine „recht viele Personen“ vorliegen, wenn z.B. ein Foto nur über die Eingabe eines direkten Links, welcher 70 Zeichen umfasst, aufrufbar ist. Ganz nach dem – sicherlich naheliegenden – Motto: „Kein Mensch wird einen solchen langen Link kennen und in seinen Browser eingeben“.

Der unterlegene Rechteinhaber legte Revision ein, so dass der BGH nun die Entscheidung des OLG Frankfurt zu prüfen hatte. Der BGH bestätigte die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt: einen solchen Link in den Browser eingeben werden nur Personen, die die entsprechende Web-Adresse vorher gekannt haben. Und dieser Personenkreis sei so begrenzt, dass man unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung in solchen Fällen nicht von „recht vielen Personen“ ausgehen könne.

Leider blieb eine wichtige, praxisrelevante Frage offen:

Nämlich die Antwort auf die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn z.B. die Fotografie auch über eine Suchmaschine, z.B. über die Google-Bildersuche, noch auffindbar ist. Der BGH musste sich deshalb nicht mit dieser Problemstellung befassen, weil in dem zugrundeliegenden Fall dieses Argument verspätet vorgebracht worden ist, weswegen dieses Argument im Rahmen der Urteilsfindung nicht mehr zu berücksichtigen war.

Und deshalb bleibt es auch trotz dieser Entscheidung wichtig, dass z.B. nach Abgabe einer Unterlassungserklärung der Webseitenbetreiber dafür Sorge trägt, dass das Foto aus dem Cache der Suchmaschinen verschwindet und das Foto auch tatsächlich vom eigenen Server unwiderruflich gelöscht wird.

Werk der bildenden Kunst als unwesentliches Beiwerk in einem Unternehmensvideo?

Das Landgericht Flensburg musste sich in seinem Urteil vom 07.05.2021, Az.: 8 O 37/21, mit zwei interessanten Fragen befassen:

Zunächst ging es um den Schutzumfang eines Werkes der bildenden Kunst und sodann um die Frage, ob ein Werk der bildenden Kunst, welches in einem Ladenlokal an der Wand hängt und somit in einem Unternehmensvideo auf Instagram zu sehen ist, ein „unwesentliches Beiwerk“ darstellt oder nicht.

In dem vom Landgericht zu entscheidenden einstweiligen Verfügungsverfahren machte die dortige Verfügungsklägerin, eine Künstlerin, mehrere Unterlassungsansprüche geltend. Die dortige Verfügungsbeklagte war Inhaberin eines Kosmetik- und Nagelstudios. Während der Corona-Pandemie, als sie das Ladenlokal schließen musste, beschäftigte sich die Verfügungsbeklagte mit Malerei. Dabei nahm sie sich für ein eigenes Bild ein Werk der Verfügungsklägerin „zum Vorbild“, sie „malte das Original ab“ und hängte dieses „abgemalte Bild“ an die Wand ihres Kosmetik- und Nagelstudios. Nach Wiedereröffnung ihres Studios fertigte die Verfügungsbeklagte ein Video in ihrem Ladenlokal an, auf welchem im Hintergrund das von ihr „abgemalte Bild“ an der Wand zu sehen war. Dieses Video wurde dann auf Instagram veröffentlicht. In dem ca. 2 1/2 Minuten andauernden Video war dieses Bild im Hintergrund ungefähr die Hälfte der Zeit zu sehen.

In dem Fall ging es nun um zwei Fragen:

Hat die Betreiberin des Kosmetik- und Nagelstudios durch das „Abmalen“ das Vervielfältigungsrecht der Künstlerin verletzt?

Liegt durch die Veröffentlichung des Instagram-Videos zudem eine Verletzung des Rechts der sog. öffentlichen Zugänglichmachung vor oder ist das Bild im Hintergrund „nur unwesentliches Beiwerk“?

Die Frage, ob bzw. wann ein unwesentliches Beiwerk i.S.d. § 57 UrhG vorliegt oder nicht, wird häufig diskutiert und ist vor allem im Bereich Film und Fotografie relevant. Handelt es sich nämlich um ein solches unwesentliches Beiwerk, darf z.B. auf einem Foto oder in einem Video/Film das Werk benutzt werden, ohne dass der Urheber um Zustimmung gefragt werden bzw. eine Vergütung dafür bezahlt werden muss. Um den Urheber zu schützen, vertritt die ständige Rechtsprechung eine strenge Linie bei der Prüfung dieser Ausnahmebestimmung: Nur in Ausnahmefällen, wenn quasi das im Hintergrund zu sehende Werk für den Gesamteindruck bedeutungslos ist, kann von einem solchen unwesentlichen Beiwerk ausgegangen werden.

Das Landgericht bejahte sowohl eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts wie auch des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung.

Da gerade bildende Künstler bei der Gestaltung ihrer Werke völlig frei und keinerlei Zwängen unterworfen sind, war das Landgericht der Auffassung, dass das Originalbild der Verfügungsklägerin urheberrechtlich als Werk der bildenden Kunst geschützt sei. Da das „abgemalte Bild“ der Studiobetreiberin die charakterischen Züge des Originals aufwies, nahm das Landgericht eine Vervielfältigung des Originals an. Meiner Meinung nach liegt keine Vervielfältigung, sondern eine – dann allerdings auch rechtswidrige – Bearbeitung vor, weil doch Unterschiede der Bilder zu erkennen sind. Hier sind die Bilder der beiden Prozessparteien gegenübergestellt.

Auch bei der Frage, ob das im Video im Hintergrund zu sehende Bild sodann ein unwesentliches Beiwerk sei oder nicht, vertrat das Landgericht, wie sehr viele Gerichte, eine strenge Rechtsauffassung: Nur in Ausnahmefällen liege ein „unwesentliches Beiwerk“ vor. Von einer Unwesentlichkeit könne nur dann ausgegangen werden, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könne, ohne dass dies dem Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung in irgendeiner Weise beeinflusst werde, so das Landgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH. Da im vorliegenden Fall für gut die Hälfte der Zeit das Bild im Hintergrund zu sehen und auch von erheblicher Größe sei, präge das im Hintergrund hängende Bild auch den ästhetischen Eindruck des Videos jedenfalls mit, weswegen kein unwesentliches Beiwerk vorliegen könne, so das Landgericht.

ASIN und das Marken- und Urheberrecht

Die Plattform Amazon ist für zahlreiche Händler ein wichtiger Bestandteil ihrer Verkaufsaktivitäten. Viele Händler verkaufen nicht nur über den eigenen Onlineshop, sondern auch über Amazon.

Aufgrund einiger Besonderheiten bei Amazon hat sich fast schon eine eigene „Amazon-Rechtsprechung“ entwickelt. Bei einer dieser Besonderheiten handelt es sich um die bei Amazon so bezeichnete ASIN (=Amazon Standard Identification Number). Jede ASIN ist individuell und wird nur einem Produkt zugeordnet, somit dient sie zur eindeutigen Identifizierung eines Produktes aus dem gesamten Warenbestand. Umgekehrt bedeutet dies auch, dass ein konkretes Produkt keine zwei ASIN haben darf.

In der „Richtlinie zur ASIN-Erstellung“ von Amazon heißt es u.a.:

„Richtlinie zur Erstellung doppelter ASINs:

Die Erstellung einer neuen ASIN für ein Produkt, das bereits im Amazon-Katalog vorhanden ist, ist nicht gestattet und kann dazu führen, dass Ihnen die Verkaufsberechtigung oder die Berechtigung für die Erstellung von ASINs vorübergehend oder dauerhaft entzogen wird.“

Unter einer ASIN zu einem bestimmten Produkt werden daher in aller Regel alle Händler mit ihrem Angebot gelistet, die dasselbe Produkt verkaufen.

Um Vorteile für sich zu erlangen, gab und gibt es Versuche von manchen Händlern, über das Marken- und Urheberrecht eine bestimmte ASIN für sich zu monopolieren.

Dazu gibt es zwei aktuelle Entscheidungen:

In einem aktuellen Urteil des OLG Köln vom 26.03.2021, Az.: 6 U 11/21 – „American Food and Drinks“, ging es um einen markenrechtlichen Aspekt:

Grundlage war ein einstweiliges Verfügungsverfahren. Die dortige Antragstellerin war Inhaberin einer Wortmarke und verkaufte über Amazon u.a. aus den USA importierte Lebensmittel.

Für eines dieser aus den USA importierten Lebensmittel legte die Antragstellerin des Verfahrens bei Amazon eine eigene ASIN an und gab bei den insoweit notwendigen Angaben zur „Marke“, unter der die Angebote gelistet werden, nicht die Herstellerbezeichnung/Markenbezeichnung des US-Lebensmittels, sondern die eigene Wortmarke an.

Ein Wettbewerber, der ebenfalls dieses Lebensmittel aus den USA importierte und über Amazon verkaufen wollte, hing sich – entsprechend den Amazon-Richtlinien – an die von der Antragstellerin angelegte ASIN an. Die Antragstellerin war sodann der Auffassung, dass es sich hierbei um eine Markenverletzung handle und nahm den Wettbewerber auf Unterlassung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung in Anspruch.

Das OLG Köln hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung allerdings wegen Rechtsmissbrauch zurückgewiesen.

Nach Auffassung des OLG liege zwar eine Markenverletzung vor, weil durch das „Anhängen“ an die ASIN die entsprechende Wortmarke der Antragstellerin benutzt werde.

Allerdings sei die Geltendmachung des Markenrechts in diesem Fall rechtsmissbräuchlich, und zwar unter dem Gesichtspunkt des sog. Behinderungswettbewerbs.

Aufgrund der Vorgaben von Amazon, insbesondere auch zu den Konsequenzen der Erstellung einer doppelten ASIN, die jedem Amazon-Händler bekannt seien bzw. sein müssten, wäre es im vorliegenden Fall für die Wettbewerberin der Antragstellerin unmöglich, dieses von ihr ebenfalls aus den USA importierte Lebensmittel über Amazon zu verkaufen. Darüber hinaus sei nämlich zu berücksichtigen, dass das US-amerikanische Lebensmittel zwar unter der Marke der Antragstellerin angelegt worden sei, es sich tatsächlich aber bei der „Marke“ nicht um ein Produkt der Antragstellerin, sondern eines US-amerikanischen Herstellers handele.

Eine weitere Entscheidung, dieses Mal zu einem urheberrechtlichen Thema, erging vom OLG Frankfurt im Beschluss vom 18.03.2021, Az.: 6 W 8/18.

Auch in diesem Fall ging es um einen Streit unter Wettbewerbern. Beide Parteien boten auf Amazon Druckertoner und Druckertinte an.

In dem beim OLG Frankfurt anhängigen Verfahren ging es um ein Ordnungsmittelverfahren. Die dortige Antragstellerin hatte bereits gegen die Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil sich die dortige Antragsgegnerin ebenfalls ein Amazon-Angebot mit einer bestimmten ASIN „angehängt“ hatte und dort von der Antragstellerin selbst gefertigte Produktbilder zu sehen waren.

Nachdem dies erneut passierte, beantragte die Antragstellerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen ihren Wettbewerber.

In diesem Verfahren war also bereits eine Unterlassungsverfügung ergangen, so dass die obige Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit sich hier nicht mehr stellen konnte.

Vielmehr ging es hier um Verschuldensfragen, also ob die dortige Antragsgegnerin aufgrund des erneuten Anhängens an eine ASIN und damit an eine erneute öffentliche Zugänglichmachung von Produktbildern der Antragstellerin ein Ordnungsgeld verwirkt hat. Dies ist nur dann möglich, wenn ein persönliches Verschulden vorliegt.

Das OLG Frankfurt bejahte sowohl einen Verstoß wie auch ein Verschulden. In diesem Ordnungsmittelverfahren berief sich die Antragsgegnerin darauf, dass sie sich nicht bewusst an eine ASIN der Antragstellerin angehängt habe, sondern dass dies der Programmalgorithmus von Amazon veranlasst habe. Und die Antragsgegnerin habe auf diesen Programmrhythmus von Amazon keinerlei Einfluss, weshalb ihr auch kein persönliches Verschulden gemacht werden könne.

Das OLG Frankfurt sah dies anders und war der Auffassung, dass jeder Händler, der über Amazon verkaufe, diesen Algorithmus bei Amazon kenne und auch damit rechnen müsse, dass ein eingestelltes Angebot von Amazon, quasi automatisch, einem anderen Angebot und einer anderen ASIN zugeordnet werden könne. Daher sei jeder Händler verpflichtet, die von ihm selbst eingestellten Angebote regelmäßig zu überprüfen. Dies sei hier nicht geschehen, weswegen auch Verschulden vorliege. Immerhin stufte das OLG das Verschulden in diesem Fall als sehr gering ein, weswegen es die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von „nur“ EUR 500,00 für angemessen erachtete. Das OLG hat also versucht, über die Höhe des Ordnungsgeldes die insoweit durchaus auch strikte Prüf- und Kontrollpflicht eines Amazon-Verkäufers in den Griff zu bekommen.

Gleichwohl zeigt dieses Ordnungsmittelverfahren und insbesondere auch die Tatsache, dass ein Ordnungsgeld verhängt wurde, dass es in einer solchen Sache sicherlich sinnvoller ist, sich bereits gegen einen Unterlassungsanspruch, gestützt auf Marken- oder Urheberrecht, im Zusammenhang mit ASIN direkt zur Wehr zu setzen, um ein Unterlassungsurteil zu verhindern.