EuGH-Urteil zu Fotos im Internet

Die einfachsten Sachverhalte beinhalten oft die schwierigsten Rechtsfragen.

Der Sachverhalt, der dem aktuellen Urteil des EuGH vom 07.08.2018, Az.: C-161/17, zugrunde liegt, ist ein solcher:

Für ein Referat verwendete ein Schüler ein Foto der spanischen Stadt Cordoba. Dieses Foto stammte ursprünglich von der Webseite eines Reiseportals. Die Schule veröffentlichte das Referat des Schülers auf ihrer Internetseite. Zwar war eine Art Quellenhinweis vorhanden – in dem Referat wurde auf das Reiseportal hingewiesen. Jedoch holte weder der Schüler noch die Schule Nutzungsrechte beim Fotografen ein. So kam es wie es kommen musste: Der Fotograf entdeckte die Nutzung seines Fotos und mahnte ab. Die Begründung: Er habe nur dem Reiseportal ein Nutzungsrecht eingeräumt, nicht jedoch der Schule. Daher verlangte er Unterlassung und Zahlung von Schadenersatz in Höhe von EUR 400,00.

Das Landgericht gab der Klage statt. Schließlich landete der Fall beim Bundesgerichtshof (BGH), der darin auch eine Urheberrechtsverletzung sah. Allerdings sah sich der BGH veranlasst, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH diesem im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens diverse Fragen zur Beantwortung vorzulegen. Rechtlich geht es um die Frage, ob durch die Nutzung des Fotos im Referat und des Einstellens des Referats auf der Internetseite der Schule ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19 a UrhG vorliegt oder nicht.

Wenn man sich den oben dargestellten Sachverhalt vor Augen führt, fragt man sich zunächst, weshalb überhaupt ein Streit über die Frage entbrannt ist, ob hier eine Urheberrechtsverletzung vorliegt oder nicht. Der „gesunde Menschenverstand“ sagt einem, dass man sich nicht einfach irgendwelcher Fotos, die im Internet veröffentlicht worden sind, zur Bebilderung eigener Werke bedienen kann. Würde man dies für zulässig erachten, wäre dies ein herber Schlag nicht nur für Fotografen, sondern auch für alle Kreativen. Denn dies hätte zur Konsequenz, dass urheberrechtlich geschützte Werke, die mit Zustimmung des Urhebers einmal im Internet veröffentlicht worden sind, von jedermann frei genutzt werden könnten.

Der BGH sah sich gleichwohl zu der Vorlage an den EuGH gezwungen, weil der EuGH zu der Auslegung der „öffentlichen Zugänglichmachung“ bei Framing und Verlinkung Definitionen verwendet hatte, aus denen man schließen könnte, dass so etwas zulässig ist. Für das Verlinken oder Framen andernorts abrufbarer urheberrechtlich geschützter Inhalte hat der EuGH nämlich entschieden, dass das Verlinken und Framen (prinzipiell) zulässig ist und hierfür ein Prüfungsschema entwickelt, das er bewusst nach allen Seiten offenhält, indem er diverse Kriterien in Wechselwirkung zueinander anwendet und diese Kriterien (eventuell auch bewusst) aber sehr unbestimmt gehalten sind. Kurz gefasst kann man die Position des EuGH so zusammenfassen, dass eine öffentliche Wiedergabe (und damit auch eine öffentliche Zugänglichmachung) vorliegt, wenn entweder ein geschütztes Werk unter Verwendung eines neuen technischen Verfahrens wiedergegeben wird oder aber wenn ein „neues Publikum“ erreicht wird. Also ein solches, an das der Urheber nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte.

In Anbetracht dieser Definition entschied der EuGH, dass sowohl Framing als auch Linking (im Prinzip) immer möglich ist und bei einer Verlinkung auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk bzw. beim Framing eines urheberrechtlich geschützten Werkes keine Urheberrechtsverletzung vorliegt. In Anbetracht dieser offenen Definition verwundert es dann nicht, dass sich die beklagte Schule auf den Standpunkt stellte, dass keine öffentliche Wiedergabe vorliege, weil durch die Nutzung des Fotos im Rahmen des Referats kein neues technisches Verfahren verwendet worden sei bzw. auch kein „neues Publikum“ erreicht worden sei. Denn das „Publikum“ sei immer dasselbe, nämlich die Nutzer des Internets.

Entsetzen bei den Kreativen brach spätestens dann aus, als der Generalanwalt sich in seinem Schlussantrag der Argumentation der Schule anschloss und ebenfalls die Auffassung vertrat, dass durch die Nutzung des Fotos im Referat kein „neues Publikum“ erreicht werde, weshalb keine öffentliche Zugänglichmachung vorliege. Das Entsetzen war durchaus berechtigt, weil in ca. 70 bis 80 % aller Fälle der EuGH sich der Rechtsauffassung des Generalanwalts anschließt.

Zum Glück für alle Kreativen und Urheber entschied der EuGH aber in diesem Fall anders.

Der EuGH urteilte, dass seine Rechtsprechung zum Framing und Verlinken beim Hochladen eines Werkes nicht greife. Entscheidend dafür sei die fehlende Kontrolle des Rechteinhabers über die weitere Verwendung. Bei einer Veröffentlichung eines Fotos auf einer anderen Webseite werde es dem Urheber unmöglich gemacht, jedenfalls aber sehr erschwert, die neue Wiedergabe des Fotos zu beenden. Bei einer bloßen Verlinkung bzw. beim Framing sei dies anders: Werde das Werk nach Setzen des Links bzw. nach dem Framen von der ursprünglichen Internetseite entfernt, führt auch der Link bzw. das Framing ins Leere.

Bei einem eigenständigen Upload habe aber der Urheber keine Kontrolle mehr über die Nutzung seines Werkes und durch diese unabhängige Nutzung des Werkes werde ein „neues Publikum“ erreicht, nämlich die Nutzer der Webseite (in diesem Fall der Schule).

Auch wenn die Argumentation „etwas gekünstelt“ klingt, im Kern ist sie natürlich richtig. Daher können alle Kreativen (und nicht nur die Fotografen) aufatmen: Nach wie vor können solche Rechtsverletzungen verfolgt werden.

Wettbewerbsrechtliche Haftung für Links

Gleich zu Beginn des Jahres wurden nunmehr die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015, Az.: l ZR 74/14 – „Haftung für Hyperlink“, veröffentlicht.

Das Urteil beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob bzw. unter welchen Umständen ein Unternehmer für das Setzen eines sogenannten Hyperlinks auf die Webseite eines Dritten haftet, wenn auf der Webseite des Dritten wettbewerbswidrige Inhalte abrufbar sind.

Zunächst die gute Nachricht: Auch wenn das Setzen eines Links eine geschäftliche Handlung darstellen kann begründet allein die Setzung eines solchen Links noch keine generelle Verantwortlichkeit für die dort abrufbaren Inhalte.

Allerdings kann sich unter gewissen Voraussetzungen gleichwohl eine Haftung ergeben:

Zum einen, wenn sich der Unternehmer die Informationen auf der verlinkten Webseite zu Eigen macht, weil die dortigen Ausführungen gezielt zur eigenen Werbung eingesetzt werden. In diesem Fall haftet der Unternehmer für die verlinkten Inhalte wie für eigene Inhalte und damit unmittelbar als sogenannter Störer.

Zum anderen kann dem Unternehmer, der auf eine Webseite Dritter verlinkt, unter gewissen Umständen eine Verletzung von Prüfpflichten vorgeworfen werden. Zu dem Umfang dieser Prüfpflichten führt der Bundesgerichtshof in Tz. 24 des Urteils aus:

„Der Umfang der Prüfungspflichten, die denjenigen treffen, der einen Hyperlink setzt oder aufrechterhält, richtet sich insbesondere nach dem Gesamtzusammenhang, in dem der Hyperlink verwendet wird, dem Zweck des Hyperlinks sowie danach, welche Kenntnis der den Link Setzende von Umständen hat, die dafür sprechen, dass die Webseite oder der Internetauftritt, auf die der Link verweist, rechtswidrigem Handeln dienen, und welche Möglichkeiten er hat, die Rechtswidrigkeit dieses Handelns in zumutbarer Weise zu erkennen. Auch dann, wenn beim Setzen des Hyperlinks keine Prüfungspflicht verletzt wird, kann eine Haftung begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrechterhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, etwa nach einer Abmahnung oder Klageerhebung, ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird.“

Mit anderen Worten:

Wer einen Link zu einer Webseite eines Dritten setzt, muss sich diese Webseite des Dritten zumindest anschauen.

Ist eine Rechtsverletzung oder ein Wettbewerbsverstoß auf der Seite des Dritten nicht offensichtlich erkennbar, kann verlinkt werden.

Wird der Unternehmer dann z.B. aufgrund einer Abmahnung oder eines Anschreibens darauf aufmerksam gemacht, dass sich auf der Webseite des Dritten wettbewerbswidrige oder sonstige rechtsverletzende Inhalte befinden, muss er die Sache erneut prüfen.

Entfernt der Unternehmer dann den Link, hat er alles getan, was getan werden musste. Er muss insbesondere keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgeben und die Kosten der Abmahnung nicht ersetzen.

Wird der Link aber nicht entfernt, haftet der Unternehmer ab diesem Zeitpunkt für die verlinkten Inhalte wie für eigene Inhalte.

Der Bundesgerichtshof hat damit die Haftung für das Setzen eines Links ausgestaltet wie die Haftung von Foren- und Chat-Betreiber bzw. für Betreiber von Social-Media-Plattformen, die üblicherweise auch erst dann haften, wenn sie auf eine Rechtsverletzung aufmerksam gemacht wurden und trotz Hinweis die Rechtsverletzung nicht entfernen.