Der BGH (Urteil vom 27.05.2021, Az.: I ZR 119/20) musste über einen Sachverhalt entscheiden, der als Folge einer Abmahnung wegen der Verletzung von Urheberrechten an Fotografien vorkommen kann:
Ein Fotograf mahnt wegen der Verletzung eines Urheberrechts an einer Fotografie ab, weil das Foto auf einer Webseite benutzt wird. Der Webseitenbetreiber gibt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Im Folgenden wird das entsprechende Foto zwar von der Webseite entfernt, nicht jedoch vom Server gelöscht, aus dem Cache von Suchmaschinen entfernt etc., so dass das Foto über das Internet noch auffindbar ist. Typisch an diesen Fällen ist, dass die Aufrufbarkeit z.B. nur durch Eingabe eines direkten, sehr langen Links möglich ist. In solchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen wurde, also eine Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes zu bezahlen ist.
Zahlreiche Gerichte haben dies in den letzten Jahren bejaht. Im letzten Jahr hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 16.06.2020 (ZUM-RD 2020, 508) Gegenteiliges entschieden: Es setzte sich dabei mit der Frage auseinander, ob in einem solchen Fall tatsächlich eine „öffentliche Zugänglichmachung“ vorliegt. Dabei stützte sich das OLG Frankfurt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den Voraussetzungen dieser öffentlichen Zugänglichmachung. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es u.a. erforderlich, dass bei einer öffentlichen Zugänglichmachung ein bestimmtes Werk „recht vielen Personen“ zugänglich gemacht wird. Dabei hat es der EuGH stets offengelassen, was unter „recht viele Personen“ zu verstehen ist. Das OLG Frankfurt war nun der Auffassung, dass jedenfalls dann keine „recht viele Personen“ vorliegen, wenn z.B. ein Foto nur über die Eingabe eines direkten Links, welcher 70 Zeichen umfasst, aufrufbar ist. Ganz nach dem – sicherlich naheliegenden – Motto: „Kein Mensch wird einen solchen langen Link kennen und in seinen Browser eingeben“.
Der unterlegene Rechteinhaber legte Revision ein, so dass der BGH nun die Entscheidung des OLG Frankfurt zu prüfen hatte. Der BGH bestätigte die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt: einen solchen Link in den Browser eingeben werden nur Personen, die die entsprechende Web-Adresse vorher gekannt haben. Und dieser Personenkreis sei so begrenzt, dass man unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung in solchen Fällen nicht von „recht vielen Personen“ ausgehen könne.
Leider blieb eine wichtige, praxisrelevante Frage offen:
Nämlich die Antwort auf die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn z.B. die Fotografie auch über eine Suchmaschine, z.B. über die Google-Bildersuche, noch auffindbar ist. Der BGH musste sich deshalb nicht mit dieser Problemstellung befassen, weil in dem zugrundeliegenden Fall dieses Argument verspätet vorgebracht worden ist, weswegen dieses Argument im Rahmen der Urteilsfindung nicht mehr zu berücksichtigen war.
Und deshalb bleibt es auch trotz dieser Entscheidung wichtig, dass z.B. nach Abgabe einer Unterlassungserklärung der Webseitenbetreiber dafür Sorge trägt, dass das Foto aus dem Cache der Suchmaschinen verschwindet und das Foto auch tatsächlich vom eigenen Server unwiderruflich gelöscht wird.