Werk der bildenden Kunst als unwesentliches Beiwerk in einem Unternehmensvideo?

Das Landgericht Flensburg musste sich in seinem Urteil vom 07.05.2021, Az.: 8 O 37/21, mit zwei interessanten Fragen befassen:

Zunächst ging es um den Schutzumfang eines Werkes der bildenden Kunst und sodann um die Frage, ob ein Werk der bildenden Kunst, welches in einem Ladenlokal an der Wand hängt und somit in einem Unternehmensvideo auf Instagram zu sehen ist, ein „unwesentliches Beiwerk“ darstellt oder nicht.

In dem vom Landgericht zu entscheidenden einstweiligen Verfügungsverfahren machte die dortige Verfügungsklägerin, eine Künstlerin, mehrere Unterlassungsansprüche geltend. Die dortige Verfügungsbeklagte war Inhaberin eines Kosmetik- und Nagelstudios. Während der Corona-Pandemie, als sie das Ladenlokal schließen musste, beschäftigte sich die Verfügungsbeklagte mit Malerei. Dabei nahm sie sich für ein eigenes Bild ein Werk der Verfügungsklägerin „zum Vorbild“, sie „malte das Original ab“ und hängte dieses „abgemalte Bild“ an die Wand ihres Kosmetik- und Nagelstudios. Nach Wiedereröffnung ihres Studios fertigte die Verfügungsbeklagte ein Video in ihrem Ladenlokal an, auf welchem im Hintergrund das von ihr „abgemalte Bild“ an der Wand zu sehen war. Dieses Video wurde dann auf Instagram veröffentlicht. In dem ca. 2 1/2 Minuten andauernden Video war dieses Bild im Hintergrund ungefähr die Hälfte der Zeit zu sehen.

In dem Fall ging es nun um zwei Fragen:

Hat die Betreiberin des Kosmetik- und Nagelstudios durch das „Abmalen“ das Vervielfältigungsrecht der Künstlerin verletzt?

Liegt durch die Veröffentlichung des Instagram-Videos zudem eine Verletzung des Rechts der sog. öffentlichen Zugänglichmachung vor oder ist das Bild im Hintergrund „nur unwesentliches Beiwerk“?

Die Frage, ob bzw. wann ein unwesentliches Beiwerk i.S.d. § 57 UrhG vorliegt oder nicht, wird häufig diskutiert und ist vor allem im Bereich Film und Fotografie relevant. Handelt es sich nämlich um ein solches unwesentliches Beiwerk, darf z.B. auf einem Foto oder in einem Video/Film das Werk benutzt werden, ohne dass der Urheber um Zustimmung gefragt werden bzw. eine Vergütung dafür bezahlt werden muss. Um den Urheber zu schützen, vertritt die ständige Rechtsprechung eine strenge Linie bei der Prüfung dieser Ausnahmebestimmung: Nur in Ausnahmefällen, wenn quasi das im Hintergrund zu sehende Werk für den Gesamteindruck bedeutungslos ist, kann von einem solchen unwesentlichen Beiwerk ausgegangen werden.

Das Landgericht bejahte sowohl eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts wie auch des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung.

Da gerade bildende Künstler bei der Gestaltung ihrer Werke völlig frei und keinerlei Zwängen unterworfen sind, war das Landgericht der Auffassung, dass das Originalbild der Verfügungsklägerin urheberrechtlich als Werk der bildenden Kunst geschützt sei. Da das „abgemalte Bild“ der Studiobetreiberin die charakterischen Züge des Originals aufwies, nahm das Landgericht eine Vervielfältigung des Originals an. Meiner Meinung nach liegt keine Vervielfältigung, sondern eine – dann allerdings auch rechtswidrige – Bearbeitung vor, weil doch Unterschiede der Bilder zu erkennen sind. Hier sind die Bilder der beiden Prozessparteien gegenübergestellt.

Auch bei der Frage, ob das im Video im Hintergrund zu sehende Bild sodann ein unwesentliches Beiwerk sei oder nicht, vertrat das Landgericht, wie sehr viele Gerichte, eine strenge Rechtsauffassung: Nur in Ausnahmefällen liege ein „unwesentliches Beiwerk“ vor. Von einer Unwesentlichkeit könne nur dann ausgegangen werden, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könne, ohne dass dies dem Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung in irgendeiner Weise beeinflusst werde, so das Landgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH. Da im vorliegenden Fall für gut die Hälfte der Zeit das Bild im Hintergrund zu sehen und auch von erheblicher Größe sei, präge das im Hintergrund hängende Bild auch den ästhetischen Eindruck des Videos jedenfalls mit, weswegen kein unwesentliches Beiwerk vorliegen könne, so das Landgericht.

Kennzeichnungspflicht bei sog. Influencer-Werbung

Eines der meist diskutierten Themen derzeit ist die Frage, inwieweit sog. Influencer verpflichtet sind, ihre Beiträge z.B. auf Instagram oder YouTube mit Hinweisen wie „Werbung“ oder „Anzeige“ zu versehen.

So hat z.B. das OLG Celle mit Urteil vom 28.06.2017 entschieden, dass eine solche Kennzeichnungspflicht generell dann bestehe, wenn der Influencer für die Bewerbung der Produkte vom Partner Geld erhalte (siehe Newsmeldung vom 30.08.2017).

Dem Wettbewerbsverband – Verband sozialer Wettbewerb (VSW) – war dies nicht genug.

Der Verband ist nämlich der Auffassung, dass auch dann, wenn ein Influencer keine Gegenleistung erhält, Anpreisungen und Verlinkungen zu Waren ohne entsprechende Kennzeichnung wettbewerbswidrig seien. Mit dieser Argumentation hatte der VSW schon bereits vor dem LG Berlin sowie dem LG Osnabrück einstweilige Verfügungsverfahren gewonnen. In einem aktuellen Fall ging der VSW mit identischer Argumentation gegen die Influencerin und Ehefrau von Mats Hummels, Cathy Hummels, vor dem LG München I vor. Nachdem der VSW zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, legte Cathy Hummels über ihre Anwälte Widerspruch ein und es kam zur mündlichen Verhandlung. Dort hat das Gericht laut Berichten die Rechtsauffassung vertreten, dass eine Kennzeichnungspflicht nur für solche Waren bestehe, für die der Influencer auch tatsächlich eine Gegenleistung erhalte. Nur dann könne man von Werbung und damit von einer Kennzeichnungspflicht ausgehen.

Offenbar durch Rücknahme des Widerspruchs wurde das einstweilige Verfügungsverfahren abgeschlossen. Sowohl der VSW wie auch Cathy Hummels haben angekündigt, dass sie diese Angelegenheit nun in einem Hauptsacheverfahren und nötigenfalls auch vom BGH klären lassen wollen.

Kennzeichnung von Werbung auf Instagram

Das OLG Celle hat sich mit der Kennzeichnungspflicht von Werbung auf Instagram befasst ( Urteil vom 08.06.2017, Az.: 13 U 53/16).

In dem Urteil wird ausgeführt, was nicht ausreichend ist:

Die bekannte Drogeriekette Rossmann arbeitete mit einem Instagram-Influencer zusammen, der folgendes postete:

„An alle Sparfüchse: AUFGEPASST! NUR morgen gibt es in allen (…) Filialen von #(…) & im Online Shop 40% Rabatt auf Augen Make-Up! Viel Spaß beim Einkaufen! (…). Mascara &     M. N. Y. The R. N. Lidschatten Palette

#blackfriyay #ad #eyes #shopping #rabatt #40prozent“

Das OLG Celle war der Meinung, dass die Werbung nicht ausreichend gekennzeichnet sei, so dass unlautere Schleichwerbung vorliege.

Dies wurde an zwei Punkten festgemacht: zum einen daran, dass der Werbehinweis #ad mit anderen Hashtags kombiniert und nicht besonders hervorgehoben sei, zum anderen sei es nicht ausreichend, den Werbehinweis am Ende des Textes zu platzieren.

Mit der umstritten Frage, ob eine ausreichende Kennzeichnung von Werbung durch Verwendung von #ad gegeben ist, setzte sich das Gericht nicht auseinander, sondern lies die Antwort auf diese Frage offen.