In unserem Blogartikel vom 16. Juli 2025 hatten wir ausführlich das wegweisende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2025 (Az.: III ZR 109/24) analysiert. Der BGH hatte darin erstmals klargestellt, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auch auf reine B2B-Coachings Anwendung finden kann – mit erheblichen Auswirkungen auf viele Anbieter von Online-Trainings.
Nun liegen zwei weitere Entscheidungen vor, die diese Linie bestätigen und weiter konkretisieren:
OLG Köln: Kein Raum für enge Auslegung des FernUSG
Mit Hinweisbeschluss vom 8. August 2025 (Az.: 21 U 13/25) hat das OLG Köln klargestellt, dass Online-Coachings mit Videolektionen und Live-Coachings unter das FernUSG fallen, selbst wenn der Teilnehmer Unternehmer ist. Maßgeblich sei allein, dass der Unterricht entgeltlich, räumlich getrennt und mit einer Überwachung des Lernerfolgs verbunden ist.
Das Gericht betont: Eine Einschränkung des Begriffs der „räumlichen Trennung“ – etwa durch die Forderung nach überwiegend asynchroner Vermittlung – lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Auch rein synchrone Live-Videocoachings erfüllen das Tatbestandsmerkmal, wenn sich Lehrender und Lernender nicht im selben Raum befinden. Die Anforderungen an die „Überwachung des Lernerfolgs“ seien niedrig und schon erfüllt, wenn es Gelegenheiten für Rückfragen und individuelle Bewertungen gibt – etwa durch Messenger-Kommunikation, Live-Coachings oder strukturierte Feedbacks. Im Beschluss schreibt das OLG explizit:
„Der gesetzliche Zweck des Fernunterrichtsgesetzes, den Fernunterrichtsinteressenten vor Angeboten von geringer Qualität zu schützen, rechtfertigt die Einbeziehung des Angebots von Online-Unterricht. Denn Online-Unterricht kann im Vergleich zu Präsenzunterricht mit verhältnismäßig geringem Aufwand durchgeführt und über das Internet verbreitet werden. Das Bedürfnis, die Teilnehmer vor unseriösen Anbietern zu schützen, ist bei Videokonferenzen deutlich größer als bei Präsenzveranstaltungen, nachdem für Präsenzveranstaltungen Investitionen in die Räume erforderlich sind, was unseriöse Anbieter abschrecken kann.“
BGH: Schwerpunkt auf Wissensvermittlung ist entscheidend
In seinem Urteil vom 2. Oktober 2025 (Az.: III ZR 173/24) hat der Bundesgerichtshof seine Linie nochmals präzisiert. Entscheidend sei, ob der Vertrag auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten gerichtet ist – unabhängig davon, ob dies systematisch-didaktisch aufbereitet ist oder ob der Teilnehmer Verbraucher oder Unternehmer ist.
Der BGH bewertet das Programm „E-Commerce Master Club“ als Fernunterricht im Sinne des FernUSG. Der lebenslange Zugang zu Videomodulen sei als asynchroner Unterricht zu werten, die begleitenden Coaching-Calls ergänzten diesen nur. Auch hier bejaht der BGH die „Überwachung des Lernerfolgs“, weil Q&A-Sessions, Support-Gruppen und die Möglichkeit zur individuellen Rückfrage vertraglich vorgesehen waren.
Besonders deutlich: Auch Unternehmer fallen unter den Schutzbereich des FernUSG, denn sie seien gerade im Bereich der beruflichen Neuorientierung oft ebenso schutzbedürftig wie Verbraucher.
Reform des FernUSG: Abschaffung oder Digitalisierung?
Parallel zur Rechtsprechung hat sich auch die politische Diskussion über das FernUSG deutlich intensiviert:
- Der Nationale Normenkontrollrat hat öffentlich die ersatzlose Abschaffung des FernUSG empfohlen. Nur wenige Schutzregelungen – wie etwa das Kündigungsrecht – sollten in das allgemeine Vertragsrecht (BGB) überführt werden.
- Auch der Bundesverband der Fernstudienanbieter fordert eine grundlegende Neuregelung, da das FernUSG aus dem Jahr 1977 den heutigen digitalen Coaching- und Lernformaten nicht mehr gerecht werde.
- Beim Deutschen Bundestag liegt eine Stellungnahme zur „Änderung des FernUSG“ vor. Konkrete Gesetzesentwürfe sind jedoch bislang nicht veröffentlicht worden.
- Es ist daher mit einer Modernisierung oder Reform in der kommenden Legislaturperiode zu rechnen – Anbieter sollten sich frühzeitig darauf einstellen.
Fazit für Teilnehmer von Online-Coachings: Stärkere Rückforderungsmöglichkeiten
Für Kunden von Online-Coachings ergibt sich aus der aktuellen Rechtslage eine klare Verbesserung ihrer rechtlichen Stellung:
- Verträge über Online-Coachings ohne Zulassung nach dem FernUSG können nichtig sein – auch bei rein unternehmerischer Teilnahme.
- Die Gerichte stellen klar: Schon bei einfachen Feedback-Formaten und synchronem Online-Unterricht liegt Fernunterricht vor – mit entsprechenden Schutzrechten für die Teilnehmer.
- Teilnehmer können auf dieser Basis bereits gezahlte Gebühren rückfordern, wenn die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt sind.
- Dies gilt besonders dann, wenn keine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) vorliegt und der Anbieter keine ausreichende Belehrung oder Lernkontrollmechanismen bietet.
BGH, Urteil vom 02.10.2025, Az.: III ZR 173/24, veröffentlicht in MIR 2025, Dok. 07
OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 08.08.2025, Az.: 21 U 13/25