In einer Pressemitteilung vom 26.11.2015 berichtet der BGH über zwei Urteile, die an diesem Tag verkündet worden sind.
In beiden Fällen ging es um die Haftung von sogenannten Access-Providern. Bei Access-Providern handelt es sich um Anbieter von Internetzugängen, wie z. B. die Telekom, die auch Beklagte in einem der Verfahren war.
Es stellte sich die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Access-Provider zur Sperrung von Zugriffsmöglichkeiten auf Internetangebote in Anspruch genommen werden können. Gegenstand der Urteile ist also die schon seit langer Zeit viel diskutierte sogenannte Netzsperre.
Kläger der jeweiligen Verfahren waren zum einen die GEMA, zum anderen Tonträgerhersteller. Die Kläger machten jeweils geltend, dass auf Internetseiten von Filehostern bzw. Filesharing-Netzwerkbetreibern urheberrechtlich geschützte Werke illegal zum Download angeboten worden waren. Das Problem in solchen Fällen ist, dass die Rechteinhaber gegen die eigentlichen Betreiber der urheberrechtsverletzenden Seiten häufig nicht vorgehen können, weil diese ihre Seiten und ihre Internetdomains im Ausland hosten, so dass praktisch kein Zugriff für die Rechteinhaber besteht.
Fraglich war daher, ob die Rechteinhaber auch gegen den Access-Provider vorgehen können, so dass auf diesem Wege die rechtsverletzenden Seiten vom Netz genommen werden.
Das Problem einer solchen Netzsperre ist, dass hier das „Alles oder Nichts“-Prinzip gilt: Anders als bei einem Vorgehen z. B. gegen einen sogenannten Content-Provider (z. B. Facebook, eBay etc.) können hier nicht gezielt einzelne Inhalte vom Internetangebot entfernt werden, sondern es geht um „alles oder nichts“: Entweder verschwindet das gesamte Internetangebot oder es ist vollständig noch abrufbar.
Aufgrund dieser sehr weitreichenden Konsequenzen einer solchen Netzsperre wird ein solches Mittel vielfach abgelehnt. Auch die Vorinstanzen hatten die jeweiligen Klagen der Rechteinhaber abgewiesen.
Der BGH bestätigte nun diese Klageabweisungen zwar im Ergebnis.
Allerdings deutet der BGH in seiner Presseerklärung zumindest an, dass unter bestimmten, wenn auch sehr strengen Voraussetzungen solche Netzsperren möglich sind.
Eine solche Sperre kann nach Meinung des BGH angebracht sein, wenn das betreffende Internetangebot ausschließlich oder zum großen Teil aus urheberrechtsverletzenden Inhalten besteht, die Seite also fast ausschließlich den Zweck hat, illegal urheberrechtlich geschützte Inhalte zu vermitteln und wenn der Rechteinhaber auch vor Ort alles Erforderliche unternommen hat, um seine Rechte im Ausland durchzusetzen. Der BGH präzisiert seine Auffassung dahingehend, dass es auch ggfs. erforderlich ist, dass vor Ort die Behörden eingeschaltet, gerichtliche Schritte eingeleitet, Detekteien beauftragt werden etc. Sind diese Schritte erfolglos, kommt eine Netzsperre in Betracht.
Auch wenn die Voraussetzungen hoch sind: In seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH die Netzsperre nicht grundsätzlich abgelehnt, so dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass zukünftig ein Gericht zugunsten der Rechteinhaber entscheidet, falls die Voraussetzungen dafür vorliegen.
Zunächst müssen aber die vollständigen Entscheidungsgründe abgewartet werden, weil bislang nur die Pressemitteilung vorliegt. Darüber hinaus ist es auch denkbar, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) anders entscheiden wird, wenn dieser über Netzsperren zu befinden hat. Schließlich ist die Netzsperre auch ein viel diskutiertes Thema in der Politik, so dass ggfs. auch gesetzgeberische Entwicklungen noch folgen werden.