Wie in unseren News am 23.12.2015 berichtet, hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt mit Urteil vom 22.12.2015, Az.: 11 O 84/14, entschieden, dass in einem qualitativ selektiven Vertriebssystem das Verbot des Verkaufs für Händler über die Plattform amazon.de zulässig ist, das Verbot zur Bewerbung in Preissuchmaschinen dagegen nicht.
Nachdem am 23.12.2015 nur die Pressemitteilung des OLG veröffentlicht worden ist, liegen nunmehr auch die Entscheidungsgründe vor.
Dem Urteil liegt ein Streit zwischen dem Hersteller von Funktionsrucksäcken mit einem Händler zu Grunde, der einen Online-Versandhandel und ein großes Ladengeschäft betreibt, in dem unter anderem auch die Funktionsrucksäcke des Herstellers verkauft werden. Der Hersteller der Funktionsrucksäcke vertreibt seine Produkte im Rahmen eines sog. qualitativ selektives Vertriebssystem. Das heißt, dass der Hersteller objektive Kriterien für Händler aufstellt, die diese erfüllen müssen, damit sie die Waren des Herstellers verkaufen dürfen. Werden diese objektiven Kriterien diskriminierungsfrei angewendet und bestehen berechtigte Gründe für das Erfordernis eines solchen selektiven Vertriebs, so sind qualitativ selektive Vertriebssysteme kartellrechtlich unbedenklich. In dem vorliegenden Fall gab es in dem Vertriebsvertrag eine Klausel, die es den Händlern verbot, die Produkte über die Plattform amazon.de zu verkaufen. Zudem wurde die Teilnahme an Preissuchmaschinen unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt, der vom Hersteller sehr restriktiv ausgeübt wurde. Der Händler akzeptierte diese Klauseln nicht und klagte auf Belieferung.
Das OLG hatte nun zu prüfen, ob diese beiden Verbote kartellrechtlich wirksam sind oder nicht.
In dem Urteil wird das Spannungsverhältnis zwischen Markenrecht einerseits und Kartellrecht andererseits deutlich. Auf der einen Seite das Interesse des Markenherstellers am Image der Marke und an einer Kontrolle der Vertriebswege. Auf der anderen Seite das Kartellrecht und die Freiheit des Wettbewerbs, welche durch solche Klauseln eingeschränkt wird.
Das Gericht hielt zunächst das Vertriebsverbot für Amazon zulässig. Interessant ist dabei die Begründung: So führt das Gericht aus, dass der Kunde, der bei Amazon kauft, auch dann davon ausgeht, dass der eigentliche Verkäufer Amazon ist, wenn er die entsprechenden Waren über den Amazon-Marketplace erwirbt. Damit werde dem Hersteller ein Händler, nämlich Amazon, „untergeschoben“, der die Vorgaben des qualitativ selektiven Vertriebssystems eigentlich nicht erfüllt. Dem Hersteller sei es auch nicht zuzumuten, den Wettbewerb aktiv so zu fördern, dass er den Vertrieb über Amazon-Marketplace erlaubt, um damit kleineren und mittleren Händlern bessere Absatzmöglichkeiten im Vergleich zu größeren Händlern einzuräumen, so das Gericht.
Bei dem Zustimmungsvorbehalt bei Preissuchmaschinen wurde dem Hersteller zunächst nicht die Klausel als solche zum Verhängnis, sondern die Art und Weise der Anwendung des Zustimmungsvorbehalts. Im vorliegenden Fall hatte der klagende Händler nämlich bei dem Hersteller angefragt, ob er bei insgesamt acht aufgelisteten Preissuchmaschinen das Produkt bewerben dürfe. Ohne größere Begründung lehnte der Hersteller dies pauschal ab. Weil andere, größere Händler die Produkte des Herstellers in einzelnen Preissuchmaschinen beworben hatten und der Hersteller letztendlich nicht nachvollziehbar erklären konnte, weshalb er bei dem klagenden Händler pauschal alle Preissuchmaschinen abgelehnt hatte, dies bei den anderen Händlern aber nicht getan hatte, war das OLG der Auffassung, dass der Hersteller die Klausel nicht diskriminierungsfrei ausgeübt habe.
Zudem war das Gericht der Meinung, dass ein Verbot des Bewerbens in Preissuchmaschinen kartellrechtlich unzulässig sei. Anders als bei Amazon stelle sich die Situation bei Preissuchmaschinen nämlich so dar, dass auf der Seite der Preissuchmaschine das Produkt selbst nicht verkauft, sondern der Interessent auf die Webseite des Händlers weitergeleitet werde. Letztendlich landet der also der potenzielle Käufer auf der Webseite des Händlers, wo dann die qualitativen Kriterien des Herstellers erfüllt werden.
Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, die beim Bundesgerichtshof (BGH) unter dem Aktenzeichen KZR 3/16 anhängig ist.
Der Streit, der vor dem OLG Frankfurt entschieden wurde, hat eine große praktische Bedeutung: Denn es ist derzeit noch nicht endgültig geklärt, welche Vorgaben ein Hersteller einem Händler beim Onlinevertrieb machen kann und welche kartellrechtlich unzulässig sind.
Klar ist, dass das generelle Verbot des Onlinevertriebs fast immer kartellrechtlich unzulässig ist. So etwas dürfte nur in sehr wenigen Ausnahmefällen möglich sein, wenn es z. B. um die Gesundheit der Kunden geht, also eine konkrete Beratung vor Ort zwingend erforderlich ist.
Dagegen zulässig ist eine Vorgabe des Herstellers, dass ein Händler mindestens ein stationäres Ladengeschäft unterhalten muss. Es ist also für den Hersteller möglich, dass unter bestimmten Umständen ein reiner Onlinevertrieb eines Händlers ausgeschlossen wird.
Auch kann der Hersteller dem Händler qualitative Vorgaben für den Onlineshop machen, wie z. B. die Vorgabe bestimmter Bezahlmöglichkeiten, die Art und Weise der Präsentation der Produkte auf der Webseite etc.
Umstritten ist bislang die Frage, ob ein Hersteller einem Händler generell untersagen kann, über Portale wie Amazon oder eBay die Produkte zu verkaufen. Neben den OLG Frankfurt waren bereits das OLG Karlsruhe und das OLG München der Auffassung, dass ein Hersteller einem Händler den Verkauf z.B. über eBay untersagen darf. Das OLG Schleswig hielt dagegen eine solche Klausel für kartellrechtlich unzulässig. Das Berliner Kammergericht hielt eine solche Klausel generell für möglich, dann jedoch für unzulässig, wenn der Hersteller gleichzeitig seine Ware „offline“ in Discountern verkauft.
Endgültig Klarheit wird in diesem Punkt daher der BGH, ggfs. sogar der Europäische Gerichtshof (EuGH) bringen, wenn das Revisionsverfahren durchgeführt wird und dem EuGH entsprechende Fragen zur Entscheidung vorliegen werden.