BGH zu Kollagen-Trinkampullen: Schönheitsversprechen unter der Lupe

Ein Hersteller hatte seine Kollagen-Trinkampullen online mit Aussagen wie „Kollagen ist für das äußere Erscheinungsbild verantwortlich“ und „Viele Studien belegen die Verbesserung von Hautfeuchtigkeit, -elastizität und -dichte“ beworben. Ein Verbraucherschutzverband klagte, weil diese Aussagen aus seiner Sicht gegen die europäische Health-Claims-Verordnung verstoßen.

Die Health-Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006

Die Health-Claims-Verordnung (HCVO) regelt, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel zulässig sind. Grundsatz: Solche Angaben sind nur erlaubt, wenn sie in einer EU-weiten Positivliste ausdrücklich zugelassen sind. Ziel ist es, Verbraucher vor irreführender Werbung zu schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Gesundheitsbezogene Angaben sind laut Verordnung Aussagen, die einen Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit suggerieren – etwa zur Unterstützung von Körperfunktionen wie Haut, Gelenken, Immunsystem.

Abgrenzung zu „Beauty-Claims“

Sogenannte „Beauty-Claims“ beziehen sich auf das äußere Erscheinungsbild – etwa Aussagen wie „für ein strahlendes Hautbild“ oder „unterstützt die Schönheit von innen“. Solche Aussagen fallen nicht automatisch unter die HCVO, solange sie keinen Bezug zu einer Körperfunktion oder Gesundheit herstellen.

Der BGH hat in seinem Urteil jedoch klargestellt, dass die Grenze fließend ist: Wird ein ästhetisches Ergebnis mit physiologischen Wirkmechanismen verknüpft (z. B. Elastizität, Feuchtigkeit, Hautdichte), liegt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO vor. Die Folge: Ohne Zulassung sind solche Aussagen unzulässig.

Der BGH bejahte daher für drei Aussagen einen Verstoß gegen die HCVO. Die Aussagen stellten gesundheitsbezogene Angaben dar und seien daher unzulässig, weil sie nicht auf der EU-Liste zugelassener Angaben stehen. Besonders relevant ist die Einschätzung des Gerichts, dass selbst Aussagen, die auch einen Beauty-Effekt suggerieren, rechtlich als gesundheitsbezogen gelten können – und damit die strengen Vorgaben der HCVO erfüllen müssen.

Drei andere Aussagen ließ der BGH hingegen zu, weil sie keine konkrete gesundheitsbezogene Wirkung behaupteten oder lediglich die Zusammensetzung des Produkts beschrieben.

Warum ist das wichtig für Unternehmer?

Das Urteil verdeutlicht, dass Werbeaussagen über Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sehr genau geprüft werden müssen – insbesondere dann, wenn sie eine Wirkung auf den Körper suggerieren. Aussagen zur Hautelastizität, -feuchtigkeit oder gar zur „Verjüngung“ fallen schnell in den Bereich gesundheitsbezogener Angaben und sind damit nur zulässig, wenn sie durch die EU ausdrücklich zugelassen sind.

Entscheidend ist laut BGH nicht nur der Wortlaut einzelner Sätze, sondern der Gesamtkontext der Werbung. Die Werbung wird also nicht Satz für Satz isoliert betrachtet, sondern immer im Licht der Gesamtwirkung auf den Durchschnittsverbraucher.

Und wichtig: Jeder Verrstoß gegen die HCVO ist zugleich ein Wettbewerbsverstoß.

Fazit

Hersteller und Händler von Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln sollten bei gesundheits- oder schönheitsbezogenen Aussagen höchste Vorsicht walten lassen. Die Health-Claims-Verordnung setzt enge Grenzen, und Verstöße können schnell zu kostspieligen Abmahnungen und Gerichtsverfahren führen.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 09.10.2025
Aktenzeichen: I ZR 135/24
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 26943

„Kein Alkohol ist auch keine Lösung“ – außer vor Gericht

Die Toten Hosen haben es besungen, und jetzt hat es auch die deutsche Justiz erkannt: Kein Alkohol ist auch keine Lösung. Zumindest dann nicht, wenn es um die Bewerbung von „alkoholfreien“ Getränken geht, die eben doch nicht ganz ohne sind – weder inhaltlich noch juristisch. Zwei Urteile zeigen, wie schnell aus einem Null-Komma-Null bzw. Null-Komma-nichts ein Problem werden kann.


Fall 1: Der „gesunde“ Wein aus Schweinfurt

Die Firma Senzowine hatte im Internet für ihre entalkoholisierten Weine geworben: „Der ideale Begleiter für alle, die gesund und bewusst genießen.“ Klingt harmlos. Klingt nach Lifestyle. Klingt nach einem Abend mit Couscous-Salat und Yoga. Aber: Laut Landgericht Schweinfurt (AZ: Az. 5 HK O 23/24) ist das eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Health-Claims-Verordnung – und damit verboten.

Warum? Weil der Verbraucher daraus schließen könnte, dass alkoholfreier Wein gesund sei. Und das ist er laut Gericht nicht. Zumindest nicht gesund genug, um damit werben zu dürfen. Dass der Wein „alkoholfrei“ ist, hilft da wenig, denn auch „alkoholfrei“ heißt in der Praxis meist „< 0,5% Vol.“. Also doch ein Schuss Wahrheit im Glas.


Fall 2: Der „Gin“ ohne Promille aus Braunschweig

Noch trockener (also rechtlich) ging es beim LG Braunschweig (AZ: 22 O 2566/23) zu. Dort hatte ein Hersteller ein Getränk als „alkoholfreien Gin“ mit „0,0% Vol.“ verkauft. Das Problem: Gin ist laut EU-Spirituosenverordnung ein Getränk mit mindestens 37,5% Alkohol. Punkt. Wer also etwas verkauft, das so riecht, schmeckt oder heißt wie Gin, aber keinen Tropfen Ethanol enthält, darf es trotzdem nicht so nennen. Selbst wenn’s aus dem Kupferkessel kommt.

Zusätzlich fehlten auch Zutatenverzeichnis und Nährwerttabelle – ein klarer Verstoß gegen die Lebensmittelkennzeichnungspflichten. Und das Ganze kam auch noch in einer Glasflasche ohne Pfand. Triple-Foul.


Was lernen wir daraus?

  1. Wer „alkoholfrei“ schreibt, muss aufpassen: Es darf nicht „gesund“ wirken, und es darf schon gar kein Alkohol mehr drin sein. Nicht einmal ein halbes Prozent.
  2. Wer „Gin“ sagt, muss liefern: Mindestens 37,5% – sonst ist der Begriff tabu.
  3. Verpackung, Zutaten, Nährwerte? Auch alkoholfreie Hochstapler müssen die Basics der Kennzeichnung einhalten.

Fazit: Wer ohne Promille wirbt, sollte einen klaren Kopf behalten

Die deutschen Gerichte machen ernst mit der Regulierung „alkoholfreier“ Getränke. Zwischen Lifestyle-Versprechen und juristischer Wirklichkeit liegt oft nur ein Halbsatz. Und manchmal auch ein halbes Promille. Wer als Hersteller von Genussmitteln glaubt, sich mit kreativem Wording an den Regeln vorbeimogeln zu können, landet schneller vor Gericht als auf dem Markt.

Oder wie es die Toten Hosen sagen würden: Kein Alkohol ist auch keine Lösung. Aber bei der Werbung besser als ein Verfahren wegen Irreführung.


Gerichtliche Informationen:

  • Landgericht Schweinfurt, Urteil vom 19.03.2025, Az. 5 HK O 23/24,
  • Landgericht Braunschweig, Urteil vom 16.10.2024, Az. 22 O 2566/23