Markenrecht an der Grenze: Wer trägt die Kosten, wenn die Klage sich erledigt?

Die Einfuhr von Produkten aus dem Ausland, die mutmaßlich Markenrechte verletzen, ist ein bekanntes Problem für Unternehmen. Eine beliebte Methode, hiergegen vorzugehen, ist die sogenannte Grenzbeschlagnahme. In einem aktuellen Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main ging es jedoch weniger um die Markenverletzung selbst, sondern vielmehr um eine wichtige Frage des Verfahrensrechts: Wer muss die Kosten eines Gerichtsverfahrens tragen, wenn der Klagegrund bereits vor Einreichung der Klage entfällt?

Der Ausgangspunkt: Eine Handyhülle und die Grenzbeschlagnahme

Ein Verbraucher bestellte im Internet eine Handyhülle in China, die mit den bekannten Louis Vuitton-Marken versehen war. Die Lieferung wurde vom Hauptzollamt Frankfurt am Main im Rahmen einer Grenzbeschlagnahme angehalten, da der Verdacht einer Markenverletzung bestand.

Der Zoll informierte sowohl den Markeninhaber (Louis Vuitton) als auch den Käufer. Zunächst widersprach der Käufer der Vernichtung der Ware. Kurz darauf, nachdem er sich über die Rechtslage informiert hatte, stimmte er jedoch direkt gegenüber dem Zoll der Vernichtung zu.

Der Markeninhaber wusste davon nichts. Er hatte den Käufer zuvor aufgefordert, die Zustimmung zur Vernichtung zu erklären, um eine Klage zu vermeiden. Als die Frist verstrich und der Markeninhaber keine Rückmeldung erhielt, reichte er Klage ein. Erst danach erfuhr er vom Zoll, dass der Käufer der Vernichtung bereits zugestimmt hatte. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.

Der zentrale Streitpunkt: Wer trägt nun die Kosten des Rechtsstreits? Das Landgericht hatte die Kosten zunächst dem Käufer auferlegt, weil es davon ausging, dieser habe die Klage veranlasst, indem er den Markeninhaber nicht über seine Zustimmung zur Vernichtung informierte.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Keine Informationspflicht

Das OLG Frankfurt am Main sah das anders und änderte die Entscheidung des Landgerichts. Nach Ansicht der Richter des OLG ist die Grenzbeschlagnahme nach der Produkpiraterie-Verordnung so ausgestaltet, dass die Kommunikation primär zwischen den Beteiligten und der Zollbehörde stattfindet.

Das Gericht stellte klar, dass zwischen dem Markeninhaber und dem privaten Einführer, der die Ware zu persönlichen Zwecken bestellt hat, kein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht. Eine Markenverletzung liegt bei der Einfuhr von Waren zu privaten Zwecken nicht vor. Auch eine Beihilfe zur Markenverletzung des chinesischen Anbieters verneinte das Gericht.

Daher besteht auch keine allgemeine Pflicht des Käufers, den Markeninhaber über die Zustimmung zur Vernichtung zu informieren. Eine solche Informationspflicht könnte sich nur aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben, wofür jedoch eine besondere Rechtsbeziehung notwendig wäre. Eine unberechtigte Aufforderung, wie sie der Markeninhaber an den Käufer schickte, begründet eine solche Beziehung aber gerade nicht.

Das OLG urteilte, dass der Käufer keinen Anlass für die Klage gegeben habe. Der Markeninhaber hätte vor Einreichung der Klage beim Zoll nachfragen müssen, um den Status der Ware zu klären. Das Unterlassen einer solchen Rückfrage geht zu seinen Lasten. Die Kosten des Gerichtsverfahrens musste daher der klagende Markeninhaber tragen.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für Markeninhaber. Zwar bietet die Grenzbeschlagnahme ein effektives Mittel gegen Produktpiraterie. Das Vorgehen bei der Abwicklung solcher Fälle muss jedoch sorgfältig geplant werden. Im Falle einer Klage auf Zustimmung zur Vernichtung besteht für den Beklagten – einen privaten Käufer, der die Ware zu privaten Zwecken importiert – keine gesetzliche Pflicht, den Markeninhaber über die Zustimmung gegenüber dem Zoll zu informieren.

Wer als Unternehmen voreilig klagt, ohne sich über den aktuellen Stand bei der Zollbehörde zu informieren, riskiert, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, auch wenn die Klage sich formell erledigt.

Gericht: OLG Frankfurt am Main, 6. Zivilsenat
Datum: 31.07.2025
Aktenzeichen: 6 W 99/25

Kein Erschöpfungsschutz bei Import aus der Türkei: Der BGH stärkt Markeninhaber

Mit Urteil vom 3. Juli 2025 (Az. I ZR 226/24) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Markenrecht beim Import von Waren aus der Türkei in die EU nicht als erschöpft gilt – auch wenn es sich um Originalware handelt.

Der Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht – kurz erklärt

Der sogenannte „Erschöpfungsgrundsatz“ ist ein zentrales Prinzip im Immaterialgüterrecht. Er besagt: Hat ein Markeninhaber ein Produkt mit seiner Marke rechtmäßig in den Verkehr gebracht – oder wurde dies mit seiner Zustimmung getan – so kann er den Weiterverkauf oder die weitere Verbreitung dieses konkreten Produkts grundsätzlich nicht mehr untersagen. Sein Verfügungsrecht über dieses einzelne Exemplar ist damit „erschöpft“.

Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Markenrecht, sondern auch bei anderen Schutzrechten wie dem Urheberrecht oder dem Patentrecht. Auch dort verliert der Rechtsinhaber nach dem ersten rechtmäßigen Inverkehrbringen eines konkreten Produkts die Kontrolle über dessen Weitergabe – jedenfalls innerhalb des vorgesehenen Erschöpfungsgebiets.

Im Markenrecht ist dieses Erschöpfungsgebiet allerdings klar begrenzt: Es erstreckt sich ausschließlich auf den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Eine Erschöpfung tritt nur ein, wenn das Produkt innerhalb dieses Gebiets in den Verkehr gebracht wurde.


Sachverhalt & Verfahrensgang

Ein türkisches Unternehmen vertreibt seinen Kaffee unter der bekannten Marke „Kurukahveci Mehmet Efendi“. Der Kaffee wird in der Türkei hergestellt und dort in Verkehr gebracht. Ein deutscher Großhändler importierte diese Originalware ohne Zustimmung des Markeninhabers nach Deutschland und vertrieb sie weiter – mit der identischen Marke.

Der Markeninhaber klagte auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten – und erhielt in allen Instanzen Recht.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

1. Keine Erschöpfung bei Inverkehrbringen außerhalb des EWR

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte klar: Die unionsrechtliche Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 der Unionsmarkenverordnung (UMV) tritt nur ein, wenn die Ware vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung innerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurde. Der Vertrieb in der Türkei – als Drittstaat – erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Damit hatte die Klägerin das Recht, sich der Einfuhr und dem Vertrieb in Deutschland zu widersetzen. Auch die Tatsache, dass es sich um Originalware handelte, änderte daran nichts.

2. Keine Ausnahme durch das Assoziierungsabkommen EU-Türkei

Die Beklagte argumentierte, dass die Einfuhrbeschränkung gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei verstoße, insbesondere gegen das dort geregelte Verbot sogenannter „Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen“.

Doch der BGH wies auch dieses Argument zurück. Die unionsrechtliche Regelung zur Erschöpfung sei durch das Abkommen ausdrücklich gedeckt. Denn sowohl das Zusatzprotokoll als auch der Beschluss Nr. 1/95 des Assoziationsrats lassen Ausnahmen zum Schutz des gewerblichen Eigentums zu. Genau dieser Schutz sei hier betroffen.

Der Schutz des Markenrechts genieße daher Vorrang. Die unionsrechtlich einheitliche Regelung sei sachlich gerechtfertigt, verhältnismäßig und diene der Rechtssicherheit im Binnenmarkt.


Was bedeutet das für Unternehmen?

  • Vorsicht bei Parallelimporten: Auch wenn es sich um Originalprodukte handelt, dürfen diese nicht ohne Zustimmung des Markeninhabers in die EU importiert werden, wenn sie aus einem Drittstaat stammen.
  • Klares Territorialprinzip: Die Erschöpfung des Markenrechts gilt nur für den EWR. Ein Inverkehrbringen in Drittstaaten – wie hier die Türkei – begründet keine Erschöpfung in der EU.
  • Markenschutz bleibt stark: Markeninhaber haben weiterhin das Recht, über den erstmaligen Vertrieb ihrer Produkte innerhalb des EWR zu entscheiden – auch dann, wenn sie identische Ware außerhalb des EWR selbst verkaufen.

Fazit

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung die Rechte von Markeninhabern erneut deutlich gestärkt. Die unionsrechtliche Erschöpfung ist strikt auf den EWR beschränkt. Unternehmen, die mit Drittstaaten handeln, müssen das beachten. Das Urteil sorgt für rechtliche Klarheit und stärkt die einheitliche Anwendung des Markenrechts im Binnenmarkt – ohne Sonderwege für bestimmte Länder oder Importeure.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum der Entscheidung: 3. Juli 2025
Aktenzeichen: I ZR 226/24