Irreführende Werbung auf Ticket-Marktplätzen: Wenn „Originalpreis“ und „Weiterverkauf“ in die Irre führen

Unternehmer, die Online-Marktplätze betreiben, stehen vor einer besonderen Herausforderung. Sie müssen nicht nur eine technische Plattform bereitstellen, sondern auch sicherstellen, dass die dort getätigten Angaben den strengen Anforderungen des Lauterkeitsrechts genügen. Das Landgericht Karlsruhe (AZ: 13 O 78/24 KfH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Verantwortlichkeit eines Betreibers eines Ticket-Zweitmarktes konkretisiert und dabei wichtige Grundsätze für den digitalen Handel festgelegt.

Der Fall: Ticketkauf mit Tücken

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein gegen den Betreiber eines bekannten Online-Marktplatzes für Veranstaltungstickets. Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei zentrale Punkte:

  1. Die Personalisierung von Tickets: Für ein Konzert wurden Tickets angeboten, die personalisiert waren. Das bedeutet, der Zutritt zur Veranstaltung ist nur der Person gestattet, deren Name auf dem Ticket steht. Trotz dieses Umstands warb die Plattform mit dem Hinweis „can resell if plans change“ (kann weiterverkauft werden, wenn sich Pläne ändern). Dies erweckte den Eindruck, die Tickets könnten problemlos weiterverkauft werden, was aber gerade nicht der Fall war.
  2. Der „Originalpreis“: Bei einem anderen Konzert wurde ein sogenannter „Originalpreis“ für die Tickets angegeben, der deutlich höher lag als der tatsächliche Erstmarktpreis des Veranstalters. Die Plattform hatte diese Angabe ungeprüft von den Verkäufern übernommen, was den potenziellen Käufern suggerierte, sie würden ein besonders günstiges Angebot erwerben.

Das Gericht musste entscheiden, ob der Marktplatzbetreiber für diese irreführenden Angaben haftbar ist, obwohl er die Tickets nicht selbst verkauft.

Die Entscheidung: Klare Verantwortlichkeit für Plattformbetreiber

Das Landgericht Karlsruhe gab dem Verbraucherschutzverein in den wesentlichen Punkten recht. Es stellte fest, dass die Plattform in beiden Fällen unlauter handelte.

  • Haftung für fehlende Hinweise: Das Gericht sah den Hinweis auf die Personalisierung als eine wesentliche Information im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Das Risiko, mit einem nicht auf den eigenen Namen lautenden Ticket abgewiesen zu werden, stellt für den Käufer einen erheblichen Nachteil dar. Die Aussage, ein Ticket könne problemlos weiterverkauft werden, ist unter diesen Umständen irreführend und unzulässig. Es reicht nicht aus, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinzuweisen, dass man die Angaben der Verkäufer nicht prüft.
  • Irreführung durch den „Originalpreis“: Die Verwendung des Begriffs „Originalpreis“ ohne den klaren Hinweis, dass es sich dabei um eine ungeprüfte Angabe des Verkäufers handelt, wertete das Gericht als Irreführung. Der Begriff „Original“ erweckt den Eindruck, der angegebene Preis sei der vom Veranstalter festgesetzte wahre Preis. Dies schaffe, so das Gericht, eine Täuschung über den tatsächlichen Preis und damit eine Irreführung des Verbrauchers.

Das Gericht betonte, dass die Haftung eines Marktplatzbetreibers umso größer wird, je mehr er die Gestaltung der Plattform über ein reines „Kleinanzeigen-Erscheinungsbild“ hinaus verantwortet. Eine professionell aufgemachte Plattform, die eigene Elemente wie den „Originalpreis“ oder Hinweise zur Weiterverkäuflichkeit hinzufügt, kann sich nicht hinter dem Argument verstecken, sie sei nur ein neutraler Vermittler. Sie übernimmt eine eigene Verantwortung für die Richtigkeit der präsentierten Informationen.

Interessant ist, dass die Klage in einem Punkt abgewiesen wurde. Die geforderte Information über Altersbeschränkungen wurde vom Gericht nicht als „wesentliche Information“ eingestuft. Begründung: Für einen durchschnittlichen Verbraucher, der ein Konzert der betroffenen Band besucht, ist die Annahme, Minderjährige würden alleine das Konzert besuchen, nicht realistisch. Die Plattform richtete sich zudem nicht primär oder ausschließlich an Minderjährige.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle Betreiber von Online-Marktplätzen. Sie verdeutlicht, dass eine rein passive Rolle im E-Commerce immer schwieriger wird.

  • Unternehmen müssen bei der Gestaltung ihrer Plattformen sorgfältig vorgehen. Eigene Beschreibungen oder Funktionen, die den Anschein einer Überprüfung oder Bestätigung der Angaben Dritter erwecken, können zu einer eigenen Haftung führen.
  • Wenn wesentliche Informationen, die für die Kaufentscheidung relevant sind, fehlen oder irreführend dargestellt werden, kann der Marktplatzbetreiber direkt in die Verantwortung genommen werden.
  • Ein allgemeiner Haftungsausschluss in den AGB reicht nicht aus, um sich vor den Ansprüchen des Lauterkeitsrechts zu schützen. Transparenz ist hier das oberste Gebot.

Gericht: Landgericht Karlsruhe
Datum: 24.09.2025
Aktenzeichen: 13 O 78/24 KfH
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 24182