„Alkoholfreier Gin“ ist unzulässig – Der EuGH zieht klare Grenzen

In unseren Beiträgen vom 07.08.2025, vom 13.08.2025 und vom 12.11.2025 haben wir uns mit Urteilen zu der Frage auseinandergesetzt, ob Hersteller alkoholfreier Alternativen zu klassischen Spirituosen Begriffe wie Gin, Rum oder Whiskey verwenden dürfen – etwa in Form von Zusätzen wie „alkoholfrei“ oder „Alternative“.

Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 13.11.2025 (Rs. C‑563/24) ein deutliches Signal gesendet: Die Verwendung der Bezeichnung „alkoholfreier Gin“ ist unionsrechtlich verboten.

Hintergrund des Falls

Auslöser des Verfahrens war eine Unterlassungsklage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen die PB Vi Goods GmbH, die ein alkoholfreies Getränk unter der Bezeichnung „Virgin Gin Alkoholfrei“ vertrieben hatte. Das Landgericht Potsdam legte dem EuGH die Frage vor, ob ein solches Verbot gegen die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 der EU‑Grundrechtecharta verstoße – insbesondere, weil das Produkt klar als alkoholfrei gekennzeichnet war und keine Irreführung beabsichtigt sei.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH urteilte eindeutig:

  • Die Bezeichnung „Gin“ ist rechtlich geschützt und darf nur für Produkte verwendet werden, die die Voraussetzungen der Spirituosenverordnung (EU) 2019/787 erfüllen.
  • Dazu gehört insbesondere ein Mindestalkoholgehalt von 37,5 % vol. sowie die Herstellung durch Aromatisierung von Ethylalkohol mit Wacholderbeeren.
  • Ein Produkt, das keinen Alkohol enthält, kann diese Kriterien nicht erfüllen – unabhängig davon, ob Zusätze wie „alkoholfrei“ verwendet werden.

Warum diese Entscheidung wichtig ist

Der EuGH bestätigt, was sich bereits aus der bisherigen deutschen Rechtsprechung ergeben hat:

  1. Geschützte Begriffe wie „Gin“ oder „Rum“ dürfen nicht zur Beschreibung alkoholfreier Getränke verwendet werden, selbst wenn dem Begriff Zusätze wie „alkoholfrei“ oder „Alternative“ beigefügt werden.
  2. Die Verbrauchererwartung an Produkte mit Bezeichnungen wie „Gin“ ist klar: Sie enthalten Alkohol und erfüllen ein traditionelles Herstellungsverfahren.
  3. Die Abgrenzung dient auch dazu, Trittbrettfahren zu verhindern – etwa wenn alkoholfreie Produkte vom Ruf traditioneller Spirituosen profitieren wollen, ohne deren Qualitätsstandards einzuhalten.

Empfehlungen für Hersteller

Die Entscheidung bedeutet konkret:

  • Produkte ohne Alkohol dürfen nicht mit geschützten Spirituosenbezeichnungen vermarktet werden – auch nicht in Kombination mit Zusätzen wie „0 %“, „alkoholfrei“ oder „Free“.
  • Hersteller alkoholfreier Alternativen sollten auf eigene, neutrale oder fantasievolle Produktbezeichnungen zurückgreifen – etwa „Botanical Drink“, „Wacholdergetränk“ oder „Virgin Spirit“.
  • Marken‑ und Produktkommunikation müssen genauestens geprüft werden – insbesondere Etiketten, Verpackung, Online-Shops und Werbematerialien.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH setzt einen Schlusspunkt hinter eine umstrittene Praxis und dazu gehöriger Urteile. Wer alkoholfreie Alternativen zu Spirituosen vertreibt, darf keine geschützten Spirituosen-Begriffe verwenden – auch nicht in vermeintlich entschärfter Form.

Für Unternehmen bedeutet das: Rechtssicherheit gibt es nur mit klarer Kennzeichnung und eigener Produktidentität.

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Datum: 13.11.2025
Aktenzeichen: C-563/24
Fundstelle: BeckRS 2025, 30303

LG Hamburg: Neue Entscheidung zu „alkoholfreien“ Spirituosen-Alternativen – geschützte Bezeichnungen wie „Rum“ oder „Gin“ tabu

In unserem Beitrag vom 07.08.2025 hatten wir bereits über die rechtlichen Fallstricke bei der Werbung für alkoholfreie Getränke berichtet. Nun liegt eine weitere Entscheidung zu diesem Themenkomplex vor: Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 24.07.2025, Az. 416 HKO 51/23) hat klargestellt, dass geschützte Spirituosenbezeichnungen wie „Rum“, „Gin“ oder „Whiskey“ auch für alkoholfreie Alternativen nicht verwendet werden dürfen – selbst wenn sie mit Zusätzen wie „This is not…“ versehen sind.

Hintergrund
Ein Hersteller vertrieb alkoholfreie Getränke mit Formulierungen wie „This is not Rum“ und „Alkoholfreie Alternative zu Gin“. Die Produkte enthielten maximal 0,5 % vol. Alkohol und wurden aus einer entalkoholisierten Basisessenz hergestellt. Ein Branchenverband sah hierin einen Verstoß gegen die EU-Spirituosenverordnung (VO (EU) 2019/787), die die Verwendung solcher Begriffe nur für Produkte erlaubt, die sämtliche Anforderungen – einschließlich eines Mindestalkoholgehalts – erfüllen.

Kernaussagen des Gerichts

  • Absoluter Schutz: Geschützte Bezeichnungen dürfen nicht in der Aufmachung oder Werbung verwendet werden, wenn die gesetzlichen Spezifikationen nicht erfüllt sind – unabhängig davon, ob ein relativierender Zusatz („not“, „Art“, „Typ“) beigefügt wird.
  • Keine Ausnahmeregelung: Die Voraussetzungen von Art. 12 VO (EU) 2019/787 waren nicht erfüllt, da keine Spirituose im Sinne der Verordnung als Bestandteil eingesetzt wurde, sondern nur eine entalkoholisierte Essenz.
  • Wettbewerbsrechtlicher Verstoß: Die Verwendung stellt einen Rechtsbruch i.S.d. § 3a UWG dar.
  • Fortbestehende Wiederholungsgefahr: Geänderte Etiketten genügen nicht, solange keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird.

Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung unterstreicht erneut, dass Hersteller alkoholfreier Alternativen sehr vorsichtig mit der Wahl ihrer Produktbezeichnungen sein müssen. Wer auf geschützte Spirituosenkategorien Bezug nimmt, ohne die strengen Anforderungen der EU-Verordnung zu erfüllen, riskiert Abmahnungen und gerichtliche Unterlassungsurteile.


Gericht: Landgericht Hamburg
Datum: 24.07.2025
Aktenzeichen: 416 HKO 51/23

„Kein Alkohol ist auch keine Lösung“ – außer vor Gericht

Die Toten Hosen haben es besungen, und jetzt hat es auch die deutsche Justiz erkannt: Kein Alkohol ist auch keine Lösung. Zumindest dann nicht, wenn es um die Bewerbung von „alkoholfreien“ Getränken geht, die eben doch nicht ganz ohne sind – weder inhaltlich noch juristisch. Zwei Urteile zeigen, wie schnell aus einem Null-Komma-Null bzw. Null-Komma-nichts ein Problem werden kann.


Fall 1: Der „gesunde“ Wein aus Schweinfurt

Die Firma Senzowine hatte im Internet für ihre entalkoholisierten Weine geworben: „Der ideale Begleiter für alle, die gesund und bewusst genießen.“ Klingt harmlos. Klingt nach Lifestyle. Klingt nach einem Abend mit Couscous-Salat und Yoga. Aber: Laut Landgericht Schweinfurt (AZ: Az. 5 HK O 23/24) ist das eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Health-Claims-Verordnung – und damit verboten.

Warum? Weil der Verbraucher daraus schließen könnte, dass alkoholfreier Wein gesund sei. Und das ist er laut Gericht nicht. Zumindest nicht gesund genug, um damit werben zu dürfen. Dass der Wein „alkoholfrei“ ist, hilft da wenig, denn auch „alkoholfrei“ heißt in der Praxis meist „< 0,5% Vol.“. Also doch ein Schuss Wahrheit im Glas.


Fall 2: Der „Gin“ ohne Promille aus Braunschweig

Noch trockener (also rechtlich) ging es beim LG Braunschweig (AZ: 22 O 2566/23) zu. Dort hatte ein Hersteller ein Getränk als „alkoholfreien Gin“ mit „0,0% Vol.“ verkauft. Das Problem: Gin ist laut EU-Spirituosenverordnung ein Getränk mit mindestens 37,5% Alkohol. Punkt. Wer also etwas verkauft, das so riecht, schmeckt oder heißt wie Gin, aber keinen Tropfen Ethanol enthält, darf es trotzdem nicht so nennen. Selbst wenn’s aus dem Kupferkessel kommt.

Zusätzlich fehlten auch Zutatenverzeichnis und Nährwerttabelle – ein klarer Verstoß gegen die Lebensmittelkennzeichnungspflichten. Und das Ganze kam auch noch in einer Glasflasche ohne Pfand. Triple-Foul.


Was lernen wir daraus?

  1. Wer „alkoholfrei“ schreibt, muss aufpassen: Es darf nicht „gesund“ wirken, und es darf schon gar kein Alkohol mehr drin sein. Nicht einmal ein halbes Prozent.
  2. Wer „Gin“ sagt, muss liefern: Mindestens 37,5% – sonst ist der Begriff tabu.
  3. Verpackung, Zutaten, Nährwerte? Auch alkoholfreie Hochstapler müssen die Basics der Kennzeichnung einhalten.

Fazit: Wer ohne Promille wirbt, sollte einen klaren Kopf behalten

Die deutschen Gerichte machen ernst mit der Regulierung „alkoholfreier“ Getränke. Zwischen Lifestyle-Versprechen und juristischer Wirklichkeit liegt oft nur ein Halbsatz. Und manchmal auch ein halbes Promille. Wer als Hersteller von Genussmitteln glaubt, sich mit kreativem Wording an den Regeln vorbeimogeln zu können, landet schneller vor Gericht als auf dem Markt.

Oder wie es die Toten Hosen sagen würden: Kein Alkohol ist auch keine Lösung. Aber bei der Werbung besser als ein Verfahren wegen Irreführung.


Gerichtliche Informationen:

  • Landgericht Schweinfurt, Urteil vom 19.03.2025, Az. 5 HK O 23/24,
  • Landgericht Braunschweig, Urteil vom 16.10.2024, Az. 22 O 2566/23