OLG Hamburg: Keine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung bei Modeschmuck

In einem Streit um die Nachahmung von Designs der bekannten „Geo-Cube“-Schmuckserie hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 06.02.25, AZ: 15 U 43/24) entschieden, dass die beanstandeten Produkte der Beklagten keine unlautere Nachahmung im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG darstellen. Die Klage auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wurde vollständig abgewiesen.

Hintergrund:
Die Klägerin – Herstellerin der seit 2005 vertriebenen „Geo-Cube“-Serie – sah ihre Schmuckdesigns durch drei von der Beklagten über „otto.de“ angebotene Halsketten verletzt. Diese orientierten sich gestalterisch ebenfalls an geometrischen Formen, insbesondere Würfeln, und ahmten die Anordnung der Elemente nach.

Produkt der Klägerin:

Produkt der Beklagten:

Was war streitig?
Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass ihre „Kernmodelle“ durch die besondere Kombination hochwertiger Materialien, geometrischer Formen (insb. Würfel, Zylinder, Metallplättchen) und Farbvarianten wettbewerbliche Eigenart aufweisen. Die Beklagte bestritt dies und verwies auf zahlreiche ähnliche Designs im Marktumfeld.

Wesentliche Erwägungen des Gerichts:

  • Wettbewerbliche Eigenart: Das Gericht erkannte eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart des Klagemusters an – begründet durch die spezifische Kombination und Wiederholung der Designelemente und den hochwertigen Gesamteindruck. Einzelne Elemente wie Würfel oder Zylinder sind jedoch freihaltungsbedürftig und für sich genommen nicht schutzfähig.
  • Keine unlautere Nachahmung: Die angegriffenen Produkte stellten nach Auffassung des Senats zwar eine nachschaffende Nachahmung dar, wichen jedoch in Qualität, Preis und Ausführung sichtbar ab. Entscheidend: Es lag keine „nahezu identische“ Nachahmung vor.
  • Keine Herkunftstäuschung: Weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Herkunftstäuschung konnte festgestellt werden. Die angesprochenen Verkehrskreise würden aufgrund der erkennbaren qualitativen Unterschiede, des günstigeren Preises sowie der Anbieterkennzeichnung („Tr.schmuck“) nicht annehmen, es handele sich um Originalware oder eine Zweitlinie der Klägerin.
  • Keine unlautere Rufausnutzung: Auch insoweit verneinte das Gericht eine Unlauterkeit: Der bloße Umstand, dass eine ähnliche Gestaltung verwendet wird, genügt nicht, um eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des Originals anzunehmen.

Fazit für Unternehmer:
Diese Entscheidung betont, dass bei modischen Produkten wie Schmuck nur die konkrete Ausgestaltung – nicht jedoch die gestalterische Idee selbst – wettbewerbsrechtlich geschützt ist. Wer gestalterisch ähnliche Produkte anbietet, sollte auf Unterschiede im Gesamteindruck, Qualität, Preissegment und Kennzeichnung achten. Nur nahezu identische Kopien hochwertiger Designs können unlauter sein – bloße Anlehnungen sind zulässig.

Klagezustellung über DENIC-Zustellungsbevollmächtigten ist wirksam – LG Düsseldorf stoppt missbräuchliche Domainregistrierung

Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 10.02.2025 – 38 O 162/24, GRUR-RS 2025, 6859 und REWIS RS 2025, 73) hat mit Versäumnisurteil einem bekannten US-amerikanischen Anbieter von Fitnessprodukten Recht gegeben, der sich gegen die missbräuchliche Registrierung der Domain „roguefitness.de“ durch ein ausländisches Unternehmen wehrte. Besonders bedeutsam: Das Gericht bestätigt ausdrücklich die Wirksamkeit der Klagezustellung über einen nach DENIC-Bedingungen benannten Zustellungsbevollmächtigten – auch für verfahrenseinleitende Schriftstücke.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin vertreibt unter der Marke „ROGUE FITNESS“ weltweit Fitnessgeräte und betreibt die Domain „roguefitness.com“. Sie ist Inhaberin einer seit 2011 eingetragenen Unionsmarke gleichen Namens. Die Beklagte, ein im Ausland ansässiges Unternehmen, hatte die Domain „roguefitness.de“ registriert und über einen Domain-Parking-Service mit Werbung Dritter versehen. Zudem konnte über ein Kontaktformular Interesse am Kauf der Domain bekundet werden.

Trotz Abmahnungen verweigerte die Beklagte die Freigabe. Der von ihr benannte Zustellungsbevollmächtigte in Deutschland bestritt zunächst, zur Entgegennahme verfahrenseinleitender Schriftstücke befugt zu sein. Das LG Düsseldorf wies diese Auffassung zurück und bejahte die Wirksamkeit der Zustellung über den Bevollmächtigten nach § 171 ZPO in Verbindung mit § 3 Abs. 4 der DENIC-Domainbedingungen.

Die Entscheidung

Das Gericht stellte fest, dass die Domainregistrierung allein dem Zweck diente, von der Klägerin Geld für die Freigabe der Domain zu erhalten. Dies sei ein klarer Missbrauch des ansonsten freien Domainrechts. Die Nutzung der Domain „roguefitness.de“ wurde als gezielte unlautere Behinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG bewertet.

Gleichzeitig legte das Gericht in ausführlicher Begründung dar, dass im Rahmen der Domainbedingungen der DENIC benannte Zustellungsbevollmächtigte zur Entgegennahme aller gerichtlichen Zustellungen – einschließlich der Klage – bevollmächtigt sei. Diese Auslegung schaffe Rechtssicherheit für die effektive Rechtsverfolgung gegen im Ausland ansässige Domaininhaber.

Konsequenzen

Das Gericht untersagte der Beklagten die Nutzung der Domain „roguefitness.de“ und verpflichtete sie zur Verzichtserklärung gegenüber der DENIC. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft angedroht. Zudem trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil hat über den konkreten Fall hinaus hohe Relevanz: Es stellt klar, dass Unternehmen Domaininhaber im Ausland erfolgreich belangen können, wenn diese in Deutschland Zustellungsbevollmächtigte gemäß DENIC-Bedingungen benannt haben. Die Entscheidung beseitigt Unsicherheiten über die Reichweite solcher Bevollmächtigungen und stärkt damit die Position von Markeninhabern im Kampf gegen rechtsmissbräuchliche Domainregistrierungen.

OLG Bamberg: Unzulässige Gestaltung der Ticketversicherung auf eventim.de – Dark Pattern verletzt Verbraucherrechte

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat mit Urteil vom 5. Februar 2025 einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die Ticketplattform CTS Eventim teilweise stattgegeben. Es ging um die visuelle und funktionale Gestaltung des Angebots einer kostenpflichtigen Ticketversicherung im Bestellprozess auf eventim.de. Nach Ansicht des Gerichts verstößt die Plattform mit ihrer sogenannten „Empfehlungsseite“ gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit der europäischen Verordnung über digitale Dienste (DSA).​ Gegenstand des Verfahrens waren u.a. sog. Dark Patterns.

Was sind „Dark Patterns“?

„Dark Patterns“ sind Gestaltungsmuster in Benutzeroberflächen, die gezielt darauf ausgelegt sind, Nutzer zu bestimmten Entscheidungen zu drängen – meist zugunsten des Unternehmens. Typische Beispiele sind:

  • Nagging: wiederholte Aufforderungen zur Entscheidung, obwohl der Nutzer bereits eine Auswahl getroffen hat.
  • Framing: visuelle Hervorhebungen oder suggestive Formulierungen, die eine Option attraktiver erscheinen lassen als andere.
  • Trickfragen oder versteckte Kosten: verwirrende Formulierungen oder Zusatzangebote, die schwer zu erkennen oder zu umgehen sind.

Solche Praktiken beeinträchtigen die Fähigkeit der Nutzer, freie und informierte Entscheidungen zu treffen. Der Digital Services Act (DSA) verbietet bestimmte Dark Patterns ausdrücklich, um Verbraucher besser zu schützen.

Hintergrund des Falls: Die Gestaltung der Ticketversicherung

Eventim bietet beim Ticketkauf optional eine Ticketversicherung an. Diese wird in einer farblich hervorgehobenen Weise präsentiert. Wird sie nicht ausgewählt, erscheint beim Weiterklicken zur Kasse ein zusätzliches Fenster („Empfehlungsseite“), in dem die Nutzer erneut zur Entscheidung über die Versicherung aufgefordert werden. Dabei ist der Button zur Ablehnung mit „Ich trage das volle Risiko“ beschriftet.​

Die Klage des vzbv

Der vzbv beantragte, Eventim die konkrete Gestaltung der Versicherungsoption zu untersagen, da diese gegen Art. 25 der DSA verstoße. Im Detail kritisierte er zwei Punkte:​

  1. Die farbliche Hervorhebung der Versicherungsoption auf der Bestellseite.​
  2. Die wiederholte Aufforderung zur Auswahl der Ticketversicherung auf der „Empfehlungsseite“, insbesondere in Kombination mit der suggestiven Button-Beschriftung.​

Das Urteil im Detail

Das OLG Bamberg gab der Klage nur teilweise statt:​

  • Antrag zur Bestellseite: Abgewiesen. Zwar liege ein „Framing“ im Sinne der DSA vor – also eine unneutrale Präsentation –, jedoch sei die Schwelle einer „maßgeblichen Beeinträchtigung“ der Entscheidungsfreiheit nicht überschritten. Ein durchschnittlicher, informierter Nutzer könne erkennen, dass es sich um ein freiwilliges Zusatzangebot handelt.​
  • Antrag zur Empfehlungsseite: Stattgegeben. Das Gericht sah hier ein sogenanntes „Dark Pattern“ im Sinne von Art. 25 Abs. 3 lit. b) DSA – konkret ein „Nagging“: Die Nutzer werden erneut zur Entscheidung aufgefordert, obwohl sie bereits keine Versicherung gewählt hatten. In Kombination mit der Angabe „Ich trage das volle Risiko“ entsteht ein bedrohliches Szenario, das die Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinflusst. Dieses Vorgehen sei auch nach §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG unzulässig.​

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt deutlich: Anbieter von Online-Diensten müssen bei der Gestaltung ihrer Nutzeroberflächen auf Neutralität achten. Wiederholte Nachfragen oder suggestive Formulierungen können unzulässig sein, wenn sie die Entscheidungsfreiheit der Nutzer spürbar beeinträchtigen. Die Entscheidung stellt ein wichtiges Signal für die Anwendung des Digital Services Act dar und konkretisiert die Anforderungen an sogenannte Dark Patterns.​

Abwerben von Kunden durch Subunternehmer

Das OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.1.‌2016 , AZ 6 U 21/15, musste über die Frage entscheiden, ob bzw. wann die Abwerbung von Kunden durch einen Subunternehmer wettbewerbswidrig war bzw. gegen eine vertragliche Vertraulichkeitsklausel verstößt.

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien einen Vertrag geschlossen, in dem es u.a. hieß, dass der beklagte ehemalige Subunternehmer der Klägerin „den Vertrag und alle Informationen, die nur eine Partei über das Unternehmen des jeweils anderen erlangt, vertraulich zu behandeln“ habe. Trotz dieser Klausel trat der beklagte ehemalige Subunternehmer an Kunden der Auftraggeberin und Klägerin heran und bot diesen Kunden seine Leistung direkt an.

Die Klägerin war der Auffassung, dass dies gegen die Klausel verstoße und zudem wettbewerbswidrig sei.

Das OLG Frankfurt wies die Klage ab: Die Abwerbung von Kunden eines Mitbewerbers könne zwar unter dem Gesichtspunkt der Behinderung unlauter sein, wenn hierzu wertvolles Adressmaterial verwendet wird, das dem Abwerbenden anvertraut worden war. Als anvertrautes Adressmaterial in diesem Sinne seien jedoch nicht Adressen von Unternehmen anzusehen, die öffentlich zugänglich und – wenn auch mit gewissem Aufwand – über das Internet abrufbar seien, so das Gericht.

Ein durchaus fragwürdige Entscheidung: obwohl sich der beklagte Subunternehmer illoyal verhalten hatte, wurde dies vom OLG „durchgewunken“. Sofern sich diese Auffassung durchsetzt, höhlt diese Rechtsprechung gängige Kundenschutzklauseln letztlich aus.