Die Verlockung ist groß: Mit Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Stimmen bekannter Persönlichkeiten heute fast perfekt imitieren. Ein YouTuber nutzte diese Technologie für seine Videos – und wurde nun vom Landgericht Berlin zur Kasse gebeten. Ein wegweisendes Urteil, das Unternehmer und Content Creator unbedingt kennen sollten, da es die rechtlichen Leitplanken für den Einsatz von KI-Stimm-Klonen absteckt. Das Urteil wurde vom Kollegen Kai Jüdemann erwirkt und kann hier downgeloadet werden.
Der Fall: KI-Stimme für politische Satire mit kommerziellem Hintergrund
Ein Betreiber eines YouTube-Kanals mit 190.000 Abonnenten untermalte zwei seiner Videos mit einer KI-generierten Stimme. Diese klang täuschend echt wie die eines sehr bekannten deutschen Synchronsprechers, der unter anderem einem weltberühmten Hollywood-Schauspieler seine Stimme leiht.
In den Videos, die sich satirisch mit der damaligen Regierung auseinandersetzten, wurde am Ende jeweils auf den Online-Shop des YouTubers verwiesen. Der Synchronsprecher, dessen Stimme ohne sein Wissen und seine Zustimmung imitiert wurde, sah dadurch seine Rechte verletzt. Er mahnte den YouTuber ab und forderte Unterlassung sowie Schadensersatz für die unrechtmäßige Nutzung seiner Stimme.
Der YouTuber verteidigte sich mit mehreren Argumenten: Er habe nicht die originale Stimme, sondern lediglich eine „synthetische Imitation“ genutzt, für die er bei der KI-Software eine Nutzungslizenz erworben habe. Außerdem seien die Videos als Satire einzuordnen und damit von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt.
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin: Persönlichkeitsrecht gilt auch im KI-Zeitalter
Das Landgericht Berlin folgte der Argumentation des YouTubers nicht und verurteilte ihn zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 4.000 Euro (2.000 Euro pro Video) sowie zum Ersatz der Anwaltskosten.
Die zentralen Punkte der Urteilsbegründung waren:
- Recht an der eigenen Stimme wird durch KI-Klon verletzt: Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Stimme von einem menschlichen Imitator nachgeahmt oder von einer KI geklont wird. Entscheidend ist allein die Erkennbarkeit und die daraus resultierende Gefahr, dass das Publikum die Stimme dem Original-Sprecher zuordnet. Genau dies war hier der Fall, wie auch Kommentare unter den Videos zeigten, in denen der Name des Sprechers fiel.
- Kommerzielle Interessen überwiegen die Satirefreiheit: Zwar hatten die Videos einen satirischen Inhalt, doch die bekannte Stimme diente nicht der inhaltlichen Auseinandersetzung. Vielmehr wurde sie als „Zugpferd“ eingesetzt, um die Videos attraktiver zu machen, Klickzahlen zu steigern und letztlich den Umsatz des angeschlossenen Online-Shops zu fördern. Dieser kommerzielle Zweck stand im Vordergrund. Die Kunst- und Meinungsfreiheit rechtfertigt es nicht, die Persönlichkeitsrechte anderer für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen.
- Lizenz vom KI-Anbieter ist rechtlich wertlos: Der Einwand des YouTubers, er habe eine Lizenz vom KI-Dienstleister erworben, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Eine solche Lizenz ist unwirksam, solange der KI-Anbieter nicht nachweisen kann, dass der Sprecher selbst der Erstellung und kommerziellen Verwertung seines Stimm-Klons zugestimmt hat. Die alleinige Verfügungsgewalt über den kommerziellen Wert der Stimme liegt beim Inhaber des Persönlichkeitsrechts.
- Schadenersatz als „fiktive Lizenzgebühr“: Wer ein Persönlichkeitsrecht kommerziell nutzt, muss sich so behandeln lassen, als hätte er um Erlaubnis gefragt. Der Schaden wird dann in Höhe der Lizenzgebühr berechnet, die vernünftige Vertragspartner für eine solche Nutzung vereinbart hätten. Auf Basis der Aussage eines Zeugen, der den Sprecher seit Jahren vermittelt, schätzte das Gericht eine angemessene Vergütung von mindestens 2.000 Euro pro Video.
Was dieses Urteil für Unternehmer und Content Creator bedeutet
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist eine deutliche Warnung an alle, die mit KI-generierten Inhalten arbeiten:
- Keine prominenten Stimm-Klone ohne Einwilligung: Verwenden Sie niemals KI-generierte Stimmen, die bekannte Schauspieler, Sprecher oder andere Persönlichkeiten imitieren, ohne deren ausdrückliche und nachweisbare Zustimmung.
- Vorsicht bei Lizenzen von KI-Plattformen: Verlassen Sie sich nicht blind auf die Nutzungsbedingungen von KI-Anbietern. Sie als Nutzer stehen in der Haftung, wenn die Plattform nicht die erforderlichen Rechte vom ursprünglichen Rechteinhaber eingeholt hat.
- Risiko der falschen Zuordnung: Bedenken Sie, dass Sie nicht nur das Recht an der Stimme verletzen, sondern auch den Eindruck einer Kooperation oder Unterstützung erwecken können. Dies wiegt besonders schwer, wenn die Inhalte (z. B. politische Äußerungen, Werbung für bestimmte Produkte) dem Ruf des Betroffenen schaden könnten.
Das Urteil stärkt die Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum und macht klar, dass auch fortschrittlichste Technologie kein Freibrief für Rechtsverletzungen ist.
Gericht: Landgericht Berlin II
Datum: 20.08.2025
Aktenzeichen: 2 O 202/24