Boris Becker vs. Oliver Pocher und eine juristische Definition von Satire

Das Landgericht Offenburg hatte über einen Rechtsstreit zwischen Boris Becker und Oliver Pocher zu entscheiden (Urteil vom 15.11.2022, Az.: 2 O 20/21).

In der RTL-Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“ im Oktober 2020 wurde ein Beitrag unter dem Slogan „Make Boris rich again“ ausgestrahlt, in dem zu Spenden für Boris Becker aufgerufen wurde, weil über dessen Vermögen in Großbritannien das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die eingesammelten „Spenden“ – ein dreistelliger Betrag – sollten Boris Becker übergeben werden, der jedoch die Annahme des Geldes verweigerte.

Oliver Pocher erfand daher einen „Modepreis“, welcher Boris Becker angeblich zukommen sollte. In der Preistrophäe war das gesammelte Bargeld versteckt, so dass bei der Preisübergabe Boris Becker das Geld übergeben werden sollte. Boris Becker wusste nichts davon.

Boris Becker erhob gegen Oliver Pocher vor dem Landgericht Offenburg eine Klage auf Unterlassung, weil er sich durch den Beitrag und insbesondere durch die Täuschung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sah.

In der vorgenommenen Abwägung entschied das Landgericht jedoch, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit, welche Oliver Pocher für sich in Anspruch nehmen konnte, das Persönlichkeitsrecht von Boris Becker überwiege. Denn bei dem Fernsehbeitrag handle es sich um Satire.

Das Landgericht Offenburg hat dabei die (juristische) Definition von „Satire“ sehr gut herausgearbeitet. In Rdnr. 111 des Urteil heißt es:

Jedoch stellt sich die Täuschung des Klägers hinsichtlich der eigentlichen Hintergründe der Preisverleihung als der satirischen Berichterstattung zuzurechnendes Stilmittel dar. Satire arbeitet mit unterschiedlichen Elementen bzw. Stilfiguren, denen gemein ist, dass sie zu Überzeichnungen und Übertreibungen neigen, die typischerweise zu Lasten desjenigen gehen, der Gegenstand der satirischen Darstellung ist. Neben der Übertreibung (BVerfG, Beschluss vom 03.06.1987 — 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369-382; BGH, Urteil vom 10.01.2017 – VI ZR 562/15, juris Rn. 14; Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2017, C. Das Persönlichkeitsrecht Rn. C67) und der Zuspitzung (LG München I, Urteil vom 30.10.2015 – 9 O 5780/16, AfP 2016, 89 (91) sind als weitere Stilmittel der Satire die Ironie (OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2004 – 3 U 168/03, juris Rn. 30; Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl.2017, B. Persönlichkeitsrechte Rn. 472), die Verfremdung bzw. Verzerrung (BVerfG, Beschluss vom 03.06.1987 – 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369-382; BGH, Urteil vom 10.01.2017 – VI ZR 562/15, juris Rn. 14; Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2017, C. Das Persönlichkeitsrecht Rn. C67), der Spott (OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2004, – 3 U 168/03, juris Rn. 30) und schließlich auch der – gegebenenfalls auch bösartige – Scherz (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2016 – I ZR 9/15, juris Rn. 33; BGH, Urteil vom 26.10.2006 – I ZR 182/04, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 03.06.1986 – VI ZR 102/85, juris Rn. 19, 21) anerkannt. Nachdem es der Satire insoweit wesenseigen ist, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten, werden gerade im Bereich der Satire die Grenzen des guten Geschmacks und des einwandfreien Sprachgebrauchs oftmals überschritten, wobei eine „Niveaukontrolle“ gleichwohl nicht stattfinden darf (BGH, Urteil vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99, juris Rn. 43 m.w.N.). Die vorliegende Täuschung des Klägers über die wahren Hintergründe der Preisverleihung ist als Bestandteil der satirischen Berichterstattung anzusehen, hinsichtlich derer sich der Beklagte auf das Grundrecht der Meinungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann.“

Auch sah das Landgericht kein berechtigtes Interesse von Boris Becker verletzt, weswegen die Unterlassungsklage scheiterte.

Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung bei sog. Selbstöffnung eines Prominenten

Der BGH musste über einen auf YouTube veröffentlichten Medienbericht über Spekulationen der Presse über eine Beziehung von Luke Mockridge urteilen (BGH, Urteil vom 02.08.2022, Az.: VI ZR 26/21).

2018 wurde in den Medien, u.a. in einem YouTube-Video, über eine Beziehung des Comedian und Moderators Luke Mockridge mit der Comedian und Podcasterin Ines Anioli spekuliert. Auslöser der Spekulationen waren Urlaubspostings beider Personen auf Social-Media-Kanälen, die den Schluss nahelegten, dass sich die beiden zu diesem Zeitpunkt an ein und demselben Ort aufhielten, obwohl beide auf keinem der Postings gemeinsam zu sehen waren.

Zu dem damaligen Zeitpunkt hatten die beiden Prominenten ihre Beziehung noch nicht öffentlich gemacht.

Gegen diese Berichterstattung ging Luke Mockridge vor und ihm wurde zunächst auch Recht gegeben.

Der BGH sah dies allerdings anders.

Da sich Luke Mockridge zuvor bereits selbst in Interviews zu seinen Beziehungen und seinem Privatleben geäußert und er die Postings – in diesem Fall auf Instagram – selbst vorgenommen hatte und weil es auffällige Übereinstimmung seiner Postings und den Postings von Ines Anioli gab, lag, so der BGH, der Schluss nahe, dass sich beide Personen zusammen im Urlaub befanden. Daher sah der BGH das Persönlichkeitsrecht nicht als verletzt an. Auch die Spekulation darüber, ob beide Personen eine Beziehung haben, sei nicht persönlichkeitsrechtsverletzend, weil Luke Mockridge sich zuvor selbst über seine Beziehungen und sein Liebesleben in Interviews geäußert habe. Daher bestand auch ein öffentliches Interesse an dem Privatleben von Luke Mockridge und seinen Beziehungen, weshalb in dem vorliegenden Fall die Pressefreiheit vorgehe, so der BGH.

Dieser Fall beschäftigt sich mit der sog. Selbstöffnung von Prominenten:

Bei der Frage, ob jemand gegen die Presse vorgehen kann, wenn dort über das Privat- und Liebesleben berichtet wird, spielt es eine große Rolle, wie sich diese Person zuvor selbst in den Medien verhalten hat:

Wer Medien „den Blick ins Schlafzimmer“ gewährt, kann sich eventuell später nicht mehr wehren, wenn diese Berichterstattung zum Anlass genommen wird, ausführlich über das Privat- und Liebesleben zu berichten. Wer also gegen eine ausufernde Presseberichterstattung über das Privatleben vorgehen will, muss darauf achten, dass er keine Interviews über sein Privatleben gibt.

Unzulässige Datenerhebungen von Onlineshops

Laut einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 09.11.2021 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 09.11.2021 die Klage einer Online-Versandapotheke gegen einen Bescheid des Landesdatenschutzbeauftragten von Niedersachsen abgewiesen.

Der Landesdatenschutzbeauftragte beanstandete zweierlei:

Zum einen die Abfrage der Online-Apotheke nach dem Geburtsdatum des Kunden. Zum anderen die Angabe einer Anrede, weil lediglich die Auswahlmöglichkeiten „Herr/Frau“ zur Verfügung standen.

Das Verwaltungsgericht gab dem Landesdatenschutzbeauftragten Recht:

Da es nicht ersichtlich sei, dass das Geburtsdatum für die Abwicklung einer Bestellung notwendig sei, weil diese nicht eine altersspezifische Beratung erforderten, verstoße die Erhebung des Geburtsdatums gegen das in der DSGVO normierte Prinzip der Datenminimierung. Demzufolge bedürfe es einer expliziten Einwilligung des Kunden in die Erhebung und Verarbeitung des Geburtsdatums, die nicht eingeholt worden sei.

Bezüglich der geschlechterspezifischen Anrede „Herr/Frau“ verständigten sich die Parteien darauf, dass der Onlineshop die zusätzliche Auswahloption „ohne Angabe“ einfügen müsse, woraufhin über diesen Punkt nicht mehr entschieden werden musste.

Auch das Landgericht Frankfurt/Main hatte sich in einem Verfahren wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits mit der Frage der gendergerechten Ansprache eines Kunden zu befassen (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 03.12.2020, Az.: 2-13 O 131/20, openJur 2020, 79049).

In dem vom Landgericht Frankfurt entschiedenen Fall hatte eine (so in den Urteilsgründen bezeichnete) „klagende Person“ einen Anspruch auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtverletzung gegen einen Onlineshop geltend gemacht. Wer dort bestellen wollte, musste bei dem Bestellformular ebenfalls die Anrede auswählen, wobei auch hier lediglich die Auswahlmöglichkeiten „Herr“ oder „Frau“ zur Verfügung gestanden hatten. Da die in diesem Verfahren „klagende Person“ eine „nicht binäre Geschlechtsidentität“ besaß, sah sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung, Zahlung einer Geldentschädigung und Erstattung von Abmahnkosten.

Das Landgericht bejahte zwar eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, war jedoch der Auffassung, dass darin keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung liege, die einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gewähre, egal, ob dieser Anspruch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder auf Persönlichkeitsrechtsverletzung gestützt werde. Gleichwohl musste der Onlineshop zumindest einen Teil der Abmahnkosten erstatten.

Onlineshops sollten daher dringend prüfen, ob sie im Rahmen des Bestellprozesses

– > unnötige Daten, wie z.B. das Geburtsdatum, eines Bestellers erheben, obwohl das Geburtsdatum für die Bestellung nicht erforderlich ist

und

-> entweder komplett auf die Auswahl einer Anredemöglichkeit verzichten oder zumindest eine dritte Möglichkeit z.B. „ohne Angabe“ oder „Neutral“ einfügen.

Beide oben genannten Fälle zeigen, dass dies sowohl Ansprüche von potentiellen Kunden wie aber auch vor allem ein Vorgehen von Landesdatenschutzbeauftragten auslösen können.

Die Kuh und das Foto

Das Amtsgericht Köln hatte über einen eher ungewöhnlichen Fall zu entscheiden. Geklagte hatte eine Bäuerin, die Eigentümerin einer Kuh war. Die Beklagte bewarb mit einem Foto dieser Kuh einen Event. Dafür wollte die Klägerin einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von EUR 2.000,00.

Das AG Köln wies die Klage ab (AZ 111 C 33/10). Durch das Fotografieren der Kuh werde nicht in Eigentumsrechte der Halterin der Kuh eingegriffen, so das Gericht. Auch könne durch das Foto der Kuh kein Rückschluss auf die Klägerin gezogen werden, so dass auch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Halterin ausscheide, urteilte das Gericht weiter. Dies ist sicherlich der interessanteste Satz aus dem Urteil und lädt zu allerlei Assoziationen ein…

Nicht geprüft wurde die Frage, ob die Kuh ein eigenes Persönlichkeitsrecht inne hat….