Rufschädigung durch falsche Behauptung im Fernsehen

Das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 02.04.2025 – Az. 324 O 134/25) hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren auf Antrag von Sahra Wagenknecht und ihrer Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) untersagt, eine bestimmte Aussage aus der ARD-Talkshow „Caren Miosga“ weiterhin in der Mediathek verfügbar zu halten. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Persönlichkeitsrechte im Kontext medialer Berichterstattung.

Der Fall: Was war passiert?

In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ vom 9. März 2025 behauptete eine Teilnehmerin, Sahra Wagenknecht betreibe einen Telegram-Kanal, über den sie „auf Russisch, eins zu eins an das russische Volk bzw. an Herrn Putin“ ihre Botschaften richte. Diese Äußerung wurde im Rahmen einer politischen Diskussion ab Minute 57:32 der Sendung gemacht und war weiterhin über die ARD-Mediathek abrufbar.

Sahra Wagenknecht sowie ihre Partei sahen hierin eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung und beantragten den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den NDR, gerichtet auf die Unterlassung der weiteren Verbreitung dieser Äußerung.

Die Entscheidung: Unterlassungsanspruch wegen unwahrer Tatsachenbehauptung

Das Landgericht Hamburg folgte dem Antrag in vollem Umfang. Es sah in der streitgegenständlichen Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, den sozialen Geltungsanspruch der Antragsteller erheblich zu beeinträchtigen.

Die Kammer stellte klar, dass das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller sowohl durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als auch durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Der Umstand, dass die Äußerung durch eine Dritte in einer Live-Sendung getätigt wurde, ändere nichts daran, dass der NDR jedenfalls für die fortgesetzte Verbreitung in der Mediathek verantwortlich sei. Ein medienrechtliches „Archiv-Privileg“ greife hier nicht, insbesondere da der NDR nachweislich Kenntnis von der Unwahrheit der Aussage hatte.

Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss betont erneut die Pflichten von Medienanbietern bei der fortgesetzten Bereitstellung von Inhalten über Mediatheken. Zwar können sie für Live-Äußerungen Dritter nicht ohne Weiteres haftbar gemacht werden, sehr wohl aber für deren spätere Verbreitung, wenn sie nachweislich rechtswidrig sind. Für Medienschaffende bedeutet dies eine gesteigerte Prüfungspflicht bei archivierten Sendungen.

Kunstfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht: OLG Hamburg bestätigt Schutz fiktiver Romanfiguren trotz realer Vorbilder

In einem viel beachteten Beschluss hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18. März 2025, AZ: 7 W 23/25, BeckRS 2025, 6014068) klargestellt, dass die Kunstfreiheit eines Romans auch dann überwiegen kann, wenn reale Personen als Vorbilder erkennbar sind – solange die Darstellung als fiktional erkennbar bleibt und keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt.

Der Fall

Ein prominentes Galeristenpaar aus Berlin verlangte im Eilverfahren die Unterlassung der Veröffentlichung des Romans „Innerstädtischer Tod“. Sie sahen sich in den Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ wiedererkannt und machten eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte geltend. Die Figuren wiesen zahlreiche Parallelen zu den Antragstellern auf – unter anderem betreiben beide Paare eine Galerie in einer ehemaligen Kirche, und gegen den Antragsteller zu 1) wurden – wie im Roman – Vorwürfe sexueller Übergriffe öffentlich erhoben.

Die Entscheidung

Das OLG wies die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung zurück. Es bestätigte die Entscheidung des LG Hamburg vom 24. Februar 2025 (Az. 324 O 44/25) und stellte sich auf die Seite der Kunstfreiheit:

  • Erkennbarkeit allein genügt nicht: Auch wenn die Antragsteller als reale Vorbilder identifiziert werden können, führt dies nicht automatisch zu einem Unterlassungsanspruch. Entscheidend sei die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit.
  • Keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung: Die Romanfiguren seien deutlich fiktionalisiert, wiesen Unterschiede zu den Antragstellern auf (z. B. kein gemeinsames Kind, abweichende Altersstruktur, andere Galeriearchitektur) und seien eingebettet in ein vielschichtiges literarisches Werk mit wechselnden Perspektiven und Themenkomplexen.
  • Fiktionaler Charakter erkennbar: Der Roman erhebe keinen Faktizitätsanspruch, bezeichne sich explizit als fiktiv und enthalte einen „Disclaimer“, der auf die künstlerische Gestaltung verweist. Die Leser würden den Text als literarische Fiktion und nicht als Tatsachenbericht wahrnehmen.
  • Keine Verletzung der Intimsphäre: Selbst die expliziten Szenen – wie eine Affäre zwischen der Romanfigur „Eva-Kristin Raspe“ und einem Künstler – seien klar als Fiktion erkennbar und dienten literarischen Zwecken.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Kunstfreiheit und gibt Verlagen sowie Autoren mehr Sicherheit im Umgang mit realitätsnahen literarischen Werken. Auch wenn reale Personen als Vorbilder dienen, ist entscheidend, dass das Werk insgesamt als Fiktion erkennbar bleibt und keine schwerwiegende Herabwürdigung oder Bloßstellung erfolgt. Gleichzeitig mahnt das OLG zur sorgfältigen Abwägung im Einzelfall, insbesondere wenn sensible Lebensbereiche wie Sexualität oder Gesundheit betroffen sind.

Die vom Gericht entwickelten Abwägungsgrundsätze gelten nicht nur für Romane, sondern lassen sich grundsätzlich auch auf andere Kunstformen wie Theaterstücke oder Filme übertragen. Entscheidend ist stets, ob ein Werk einen Faktizitätsanspruch erhebt oder sich als Fiktion zu erkennen gibt. Auch bei filmischen Darstellungen, die an reale Ereignisse oder Personen angelehnt sind, ist daher zu prüfen, ob eine ausreichende Verfremdung vorliegt und der fiktionale Charakter deutlich wird.

OLG Dresden zur Haftung von Arbeitgeberbewertungsportalen

Die Klägerin, ein mittelständisches Logistikunternehmen, hatte sich gegen eine negative Bewertung auf dem Arbeitgeberbewertungsportal „kununu.de“ gewandt. Die anonyme Bewertung beschrieb den Arbeitgeber als „schlechtesten Arbeitgeber aller Zeiten“ und kritisierte unter anderem den Umgang mit Mitarbeitern sowie eine hohe Fluktuation.

Die Klägerin machte geltend, dass die Bewertung irreführend sei, da die bewertende Person kein Beschäftigungsverhältnis mit ihr gehabt habe. Die Betreiberin des Portals, die Beklagte, weigerte sich, die Bewertung zu löschen, bot jedoch an, die Bewertung unter einer separaten Unternehmensseite zu belassen.

Das Landgericht Leipzig (Az. 08 O 1770/23) hatte die Beklagte zunächst zur Löschung der Bewertung verurteilt. Dagegen legte die Betreiberin von kununu.de Berufung ein.

Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden hob das Urteil des Landgerichts Leipzig auf und wies die Klage ab. Das Gericht entschied, dass:

  1. Die Interessen des bewerteten Unternehmens vorrangig sind, wenn nachgewiesen wird, dass kein Beschäftigungsverhältnis bestand.
  2. Das Portal Prüfpflichten hat, wenn ein Unternehmen rügt, dass die bewertende Person kein Beschäftigungsverhältnis hatte.
  3. Der Umfang der Prüfpflichten im Einzelfall abzuwägen ist, wobei der Portalbetreiber nicht verpflichtet ist, die Identität des Bewertenden offenzulegen.
  4. Die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen war, indem sie interne Prüfungen durchführte und glaubhafte Belege für ein Beschäftigungsverhältnis vorlegte.

Bedeutung für Unternehmen:

Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeberbewertungsportale nicht automatisch für jede negative Bewertung haften. Allerdings haben Portalbetreiber Prüfpflichten, wenn die Authentizität einer Bewertung bestritten wird. Unternehmen können sich gegen falsche Bewertungen wehren, müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte liefern.

Für Arbeitgeber bedeutet dies:

  • – Eine pauschale Rüge, dass derjenige, der bewertet hat, nicht im Unternehmen beschäftigt war, reicht nicht immer aus – es sollten weitere Argumente vorgebracht werden, die sich inhaltlich mit der Bewertung auseinander setzen.
  • – Betreiber von Bewertungsplattformen müssen eine sorgfältige Prüfung vornehmen, jedoch keine personenbezogenen Daten des Bewertenden offenlegen.

OLG Dresden, Urteil vom 17.12.2024 – 4 U 744/24
Fundstelle: openJur 2025, 8077

Boris Becker vs. Oliver Pocher und eine juristische Definition von Satire

Das Landgericht Offenburg hatte über einen Rechtsstreit zwischen Boris Becker und Oliver Pocher zu entscheiden (Urteil vom 15.11.2022, Az.: 2 O 20/21).

In der RTL-Sendung „Pocher – gefährlich ehrlich“ im Oktober 2020 wurde ein Beitrag unter dem Slogan „Make Boris rich again“ ausgestrahlt, in dem zu Spenden für Boris Becker aufgerufen wurde, weil über dessen Vermögen in Großbritannien das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die eingesammelten „Spenden“ – ein dreistelliger Betrag – sollten Boris Becker übergeben werden, der jedoch die Annahme des Geldes verweigerte.

Oliver Pocher erfand daher einen „Modepreis“, welcher Boris Becker angeblich zukommen sollte. In der Preistrophäe war das gesammelte Bargeld versteckt, so dass bei der Preisübergabe Boris Becker das Geld übergeben werden sollte. Boris Becker wusste nichts davon.

Boris Becker erhob gegen Oliver Pocher vor dem Landgericht Offenburg eine Klage auf Unterlassung, weil er sich durch den Beitrag und insbesondere durch die Täuschung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sah.

In der vorgenommenen Abwägung entschied das Landgericht jedoch, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit, welche Oliver Pocher für sich in Anspruch nehmen konnte, das Persönlichkeitsrecht von Boris Becker überwiege. Denn bei dem Fernsehbeitrag handle es sich um Satire.

Das Landgericht Offenburg hat dabei die (juristische) Definition von „Satire“ sehr gut herausgearbeitet. In Rdnr. 111 des Urteil heißt es:

Jedoch stellt sich die Täuschung des Klägers hinsichtlich der eigentlichen Hintergründe der Preisverleihung als der satirischen Berichterstattung zuzurechnendes Stilmittel dar. Satire arbeitet mit unterschiedlichen Elementen bzw. Stilfiguren, denen gemein ist, dass sie zu Überzeichnungen und Übertreibungen neigen, die typischerweise zu Lasten desjenigen gehen, der Gegenstand der satirischen Darstellung ist. Neben der Übertreibung (BVerfG, Beschluss vom 03.06.1987 — 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369-382; BGH, Urteil vom 10.01.2017 – VI ZR 562/15, juris Rn. 14; Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2017, C. Das Persönlichkeitsrecht Rn. C67) und der Zuspitzung (LG München I, Urteil vom 30.10.2015 – 9 O 5780/16, AfP 2016, 89 (91) sind als weitere Stilmittel der Satire die Ironie (OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2004 – 3 U 168/03, juris Rn. 30; Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl.2017, B. Persönlichkeitsrechte Rn. 472), die Verfremdung bzw. Verzerrung (BVerfG, Beschluss vom 03.06.1987 – 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369-382; BGH, Urteil vom 10.01.2017 – VI ZR 562/15, juris Rn. 14; Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2017, C. Das Persönlichkeitsrecht Rn. C67), der Spott (OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2004, – 3 U 168/03, juris Rn. 30) und schließlich auch der – gegebenenfalls auch bösartige – Scherz (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2016 – I ZR 9/15, juris Rn. 33; BGH, Urteil vom 26.10.2006 – I ZR 182/04, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 03.06.1986 – VI ZR 102/85, juris Rn. 19, 21) anerkannt. Nachdem es der Satire insoweit wesenseigen ist, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten, werden gerade im Bereich der Satire die Grenzen des guten Geschmacks und des einwandfreien Sprachgebrauchs oftmals überschritten, wobei eine „Niveaukontrolle“ gleichwohl nicht stattfinden darf (BGH, Urteil vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99, juris Rn. 43 m.w.N.). Die vorliegende Täuschung des Klägers über die wahren Hintergründe der Preisverleihung ist als Bestandteil der satirischen Berichterstattung anzusehen, hinsichtlich derer sich der Beklagte auf das Grundrecht der Meinungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann.“

Auch sah das Landgericht kein berechtigtes Interesse von Boris Becker verletzt, weswegen die Unterlassungsklage scheiterte.

Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung bei sog. Selbstöffnung eines Prominenten

Der BGH musste über einen auf YouTube veröffentlichten Medienbericht über Spekulationen der Presse über eine Beziehung von Luke Mockridge urteilen (BGH, Urteil vom 02.08.2022, Az.: VI ZR 26/21).

2018 wurde in den Medien, u.a. in einem YouTube-Video, über eine Beziehung des Comedian und Moderators Luke Mockridge mit der Comedian und Podcasterin Ines Anioli spekuliert. Auslöser der Spekulationen waren Urlaubspostings beider Personen auf Social-Media-Kanälen, die den Schluss nahelegten, dass sich die beiden zu diesem Zeitpunkt an ein und demselben Ort aufhielten, obwohl beide auf keinem der Postings gemeinsam zu sehen waren.

Zu dem damaligen Zeitpunkt hatten die beiden Prominenten ihre Beziehung noch nicht öffentlich gemacht.

Gegen diese Berichterstattung ging Luke Mockridge vor und ihm wurde zunächst auch Recht gegeben.

Der BGH sah dies allerdings anders.

Da sich Luke Mockridge zuvor bereits selbst in Interviews zu seinen Beziehungen und seinem Privatleben geäußert und er die Postings – in diesem Fall auf Instagram – selbst vorgenommen hatte und weil es auffällige Übereinstimmung seiner Postings und den Postings von Ines Anioli gab, lag, so der BGH, der Schluss nahe, dass sich beide Personen zusammen im Urlaub befanden. Daher sah der BGH das Persönlichkeitsrecht nicht als verletzt an. Auch die Spekulation darüber, ob beide Personen eine Beziehung haben, sei nicht persönlichkeitsrechtsverletzend, weil Luke Mockridge sich zuvor selbst über seine Beziehungen und sein Liebesleben in Interviews geäußert habe. Daher bestand auch ein öffentliches Interesse an dem Privatleben von Luke Mockridge und seinen Beziehungen, weshalb in dem vorliegenden Fall die Pressefreiheit vorgehe, so der BGH.

Dieser Fall beschäftigt sich mit der sog. Selbstöffnung von Prominenten:

Bei der Frage, ob jemand gegen die Presse vorgehen kann, wenn dort über das Privat- und Liebesleben berichtet wird, spielt es eine große Rolle, wie sich diese Person zuvor selbst in den Medien verhalten hat:

Wer Medien „den Blick ins Schlafzimmer“ gewährt, kann sich eventuell später nicht mehr wehren, wenn diese Berichterstattung zum Anlass genommen wird, ausführlich über das Privat- und Liebesleben zu berichten. Wer also gegen eine ausufernde Presseberichterstattung über das Privatleben vorgehen will, muss darauf achten, dass er keine Interviews über sein Privatleben gibt.

BGH zur Darlegungs- und Beweispflicht bei Unternehmensbewertungen

Für viele Unternehmer sind die Möglichkeiten zur Bewertung des Unternehmens oder von dessen Waren- oder Dienstleistungen ab und zu auch mit Ärger verbunden:

Gerade negative Bewertungen werden häufig von Personen abgegeben, die unter einem Pseudonym bewerten. Und anhand der häufig nur kurzen Bewertungstexte lässt sich für den Unternehmer nicht nachvollziehen, wer konkret die negative Bewertung abgegeben hat. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn in der negativen Bewertung Behauptungen aufgestellt sind, die offensichtlich nicht zutreffend sind.

In einem solchen Fall bleibt dann nur das Vorgehen gegen denjenigen, der die Bewertungsplattform betreibt.

Schon vor einigen Jahren hat der BGH für solche Fälle ein Prozedere entwickelt:

Das bewertete Unternehmen muss sich beim Portalbetreiber unter Angabe von konkreten Darlegungen um die Löschung der Bewertung bemühen. Nach Eingang der Beschwerde beim Portalbetreiber hat dieser die Beschwerde an denjenigen, der die Bewertung verfasst hat, weiterzuleiten. Auch wenn kein Name des Bewerters dem Betreiber bekannt war, so ist es bei (fast) allen Portalbetreibern notwendig, dass jedenfalls vom Bewerter eine E-Mail-Adresse hinterlegt wird.

Der Bewerter muss dann aufgefordert werden, innerhalb einer kurzen, aber angemessenen Frist auf die Beschwerde des Unternehmens Stellung zu nehmen. Geht keine Stellungnahme des Bewerters ein, hat der Portalbetreiber davon auszugehen, dass die Beschwerde inhaltlich zutreffend ist und die negative Bewertung muss gelöscht werden.

Geht eine Stellungnahme ein, hat der Portalbetreiber die Stellungnahme an das beschwerdeführende Unternehmen weiterzuleiten, welches wiederum darauf erwidern kann. Nach Erwiderung muss der Portalbetreiber schließlich entscheiden, ob er die Darlegungen des Unternehmens oder des Bewerters für überzeugend hält. Löscht das Portal die negative Bewertung nicht, so hat es ab diesem Zeitpunkt auch für mögliche Ansprüche des bewerteten Unternehmens einzustehen.

Im Rahmen dieses Prozedere stellt sich häufig die Frage, welche konkreten Darlegungen die Beschwerde des bewerteten Unternehmens enthalten muss, wie ausführlich also diese Beschwerde gegenüber dem Portalbetreiber und dem Bewerter begründet sein musste. Diverse Portalbetreiber haben an diese Darlegungslast des Unternehmens durchaus hohe Hürden gestellt.

Nun hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 09.08.2022, Az.: VI ZR 1244/20, erfreulicherweise diese Darlegungslast für Unternehmen vereinfacht:

In dem vorliegenden Fall (hier: Hotelbewertungsportal) reicht nämlich nach Auffassung des BGH die Rüge des bewerteten Unternehmens, einer Bewertung liege kein Gäste- bzw. Kundenkontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist das bewertete Unternehmen grundsätzlich nicht verpflichtet, so der BGH. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Bewertung konkrete beschreibende Angaben enthalte, die dem bewerteten Unternehmen anhand der konkreten Angaben es ermöglichen, nachzuvollziehen, wer die Person ist, die die Bewertung abgegeben habe. Liegen der negativen Bewertung nur allgemeine abwertende Sätze zugrunde, wie z.B. „Der Service war schlecht“ etc., reicht dies für eine konkrete Identifizierung des Bewertenden nicht aus, so dass für das bewertete Unternehmen es also zunächst genügt, gegenüber dem Portalbetreiber zu behaupten, der Bewerter sei niemals zuvor Kunde beim bewerteten Unternehmen gewesen. Sodann muss das Portal den oben beschriebenen Prozess in Gang setzen.

Eine erhebliche Erleichterung für Unternehmen, die negativ bewertet worden sind.

Unzulässige Datenerhebungen von Onlineshops

Laut einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 09.11.2021 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 09.11.2021 die Klage einer Online-Versandapotheke gegen einen Bescheid des Landesdatenschutzbeauftragten von Niedersachsen abgewiesen.

Der Landesdatenschutzbeauftragte beanstandete zweierlei:

Zum einen die Abfrage der Online-Apotheke nach dem Geburtsdatum des Kunden. Zum anderen die Angabe einer Anrede, weil lediglich die Auswahlmöglichkeiten „Herr/Frau“ zur Verfügung standen.

Das Verwaltungsgericht gab dem Landesdatenschutzbeauftragten Recht:

Da es nicht ersichtlich sei, dass das Geburtsdatum für die Abwicklung einer Bestellung notwendig sei, weil diese nicht eine altersspezifische Beratung erforderten, verstoße die Erhebung des Geburtsdatums gegen das in der DSGVO normierte Prinzip der Datenminimierung. Demzufolge bedürfe es einer expliziten Einwilligung des Kunden in die Erhebung und Verarbeitung des Geburtsdatums, die nicht eingeholt worden sei.

Bezüglich der geschlechterspezifischen Anrede „Herr/Frau“ verständigten sich die Parteien darauf, dass der Onlineshop die zusätzliche Auswahloption „ohne Angabe“ einfügen müsse, woraufhin über diesen Punkt nicht mehr entschieden werden musste.

Auch das Landgericht Frankfurt/Main hatte sich in einem Verfahren wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits mit der Frage der gendergerechten Ansprache eines Kunden zu befassen (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 03.12.2020, Az.: 2-13 O 131/20, openJur 2020, 79049).

In dem vom Landgericht Frankfurt entschiedenen Fall hatte eine (so in den Urteilsgründen bezeichnete) „klagende Person“ einen Anspruch auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtverletzung gegen einen Onlineshop geltend gemacht. Wer dort bestellen wollte, musste bei dem Bestellformular ebenfalls die Anrede auswählen, wobei auch hier lediglich die Auswahlmöglichkeiten „Herr“ oder „Frau“ zur Verfügung gestanden hatten. Da die in diesem Verfahren „klagende Person“ eine „nicht binäre Geschlechtsidentität“ besaß, sah sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung, Zahlung einer Geldentschädigung und Erstattung von Abmahnkosten.

Das Landgericht bejahte zwar eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, war jedoch der Auffassung, dass darin keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung liege, die einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gewähre, egal, ob dieser Anspruch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder auf Persönlichkeitsrechtsverletzung gestützt werde. Gleichwohl musste der Onlineshop zumindest einen Teil der Abmahnkosten erstatten.

Onlineshops sollten daher dringend prüfen, ob sie im Rahmen des Bestellprozesses

– > unnötige Daten, wie z.B. das Geburtsdatum, eines Bestellers erheben, obwohl das Geburtsdatum für die Bestellung nicht erforderlich ist

und

-> entweder komplett auf die Auswahl einer Anredemöglichkeit verzichten oder zumindest eine dritte Möglichkeit z.B. „ohne Angabe“ oder „Neutral“ einfügen.

Beide oben genannten Fälle zeigen, dass dies sowohl Ansprüche von potentiellen Kunden wie aber auch vor allem ein Vorgehen von Landesdatenschutzbeauftragten auslösen können.

Zu-Eigen-Machen von Äußerungen durch Betreiber eines Bewertungsportals

Mit Urteil vom Urteil vom 4. April 2017 – AZ: VI ZR 123/16 – hat der BGH seine Rechtsprechung zur Haftung von Bewertungsportalen weiter präzisiert.

In dem entschiedenen Fall hatte das Bewertungsportal auf ein Löschungsersuchen eines Betroffenen inhaltliche Änderungen an dem Text der Bewertung vorgenommen, ohne dies mit der Person abzusprechen, die die Bewertung online gestellt hatte. Das betroffene Unternehmen war auch mit dem abgeänderten Text nicht einverstanden und klagte.

Die Instanzgerichte und nun auch der BGH gaben der Klage statt.

Das Bewertungsportal habe die Äußerungen auf die Rüge der Klägerin inhaltlich überprüft und auf sie Einfluss genommen, indem es selbständig – insbesondere ohne Rücksprache mit dem Autoren der Bewertung – entschieden habe, welche Äußerungen es abändere oder entferne und welche es beibehalte, so das Gericht.

Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände habe das beklagte Portal somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen. Da es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handele, habe das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten, so das Fazit des BGH.