OLG Brandenburg: Eigentümerinteresse überwiegt Urheberrecht beim Abriss eines Baukunstwerks

Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Potsdam plante den Abriss eines fünfgeschossigen Mehrfamilienhauses („T.-Haus“), das Teil eines größeren Wohnensembles ist und von den beklagten Architekten entworfen wurde. Aufgrund gravierender Baumängel war das Gebäude seit Jahren unbewohnbar und wirtschaftlich nicht mehr sanierbar. Ein Neubau mit 90 Wohnungen sollte an dessen Stelle treten.

Die Architekten beriefen sich auf ihr Urheberrecht (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 14 UrhG) und sahen im geplanten Abriss eine unzulässige Entstellung ihres Werkes.

Klage und Entscheidung:
Die Klägerin erhob eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass den Architekten keine urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche gegen den Abriss zustehen. Das Landgericht Potsdam gab der Klage statt. Die Berufung der Architekten vor dem OLG Brandenburg blieb erfolglos.

Kernaussagen des Urteils:
Das OLG bestätigte, dass das T.-Haus sowie die Gesamtanlage urheberrechtlich geschützte Werke der Baukunst darstellen. Der geplante Abriss stellt eine Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG dar. Dennoch überwiegt im Rahmen einer Interessenabwägung das Eigentümerinteresse:

  • Das Gebäude ist aufgrund erheblicher Baumängel unbewohnbar und wirtschaftlich nicht sanierbar.
  • Der geplante Neubau dient dem öffentlichen Interesse an bezahlbarem Wohnraum.
  • Die Architekten haben das Werk entgeltlich geschaffen und müssen mit Änderungswünschen des Eigentümers rechnen.
  • Die Nutzung des Grundstücks für den sozialen Wohnungsbau ist ein legitimes Ziel, das höher zu bewerten ist als der Erhalt des bestehenden Gebäudes.

Das Gericht betonte, dass das Urheberrecht bei Bauwerken nicht zu einer faktischen „Unveränderbarkeit“ führen dürfe, wenn berechtigte Interessen des Eigentümers entgegenstehen.

Fazit:
Das Urteil verdeutlicht, dass selbst urheberrechtlich geschützte Bauwerke unter bestimmten Voraussetzungen abgerissen werden dürfen. Entscheidend ist eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen. Eigentümer müssen nicht jede denkbare Sanierungsmöglichkeit ausschöpfen, wenn ein Neubau wirtschaftlich und städtebaulich sinnvoller erscheint.

Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
Datum der Entscheidung: 22.10.2024
Aktenzeichen: 6 U 58/22
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 199