OLG Hamburg: „Wir sind Papst“ ist urheberrechtlich geschützt

Die bekannte Schlagzeile „Wir sind Papst“, die 2005 nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt XVI. auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung erschien, genießt urheberrechtlichen Schutz. Dies entschied das OLG Hamburg am 29. August 2024 und bestätigte damit weitgehend eine einstweilige Verfügung, mit der das Verlagshaus Axel Springer gegen die unerlaubte Lizenzierung von Bildmaterial auf einer Stockfoto-Plattform vorging.

Hintergrund des Falls

Die Axel Springer Deutschland GmbH erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Betreiberin der Stockfoto-Plattform alamy.com. Diese bot unter anderem Fotos zur Lizenzierung an, auf denen die bekannte Schlagzeile „Wir sind Papst“ auf einem großformatigen Fassadenplakat zu sehen war. Der Verlag sah darin eine Verletzung seiner urheberrechtlichen und markenrechtlichen Schutzrechte.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Hamburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Hamburg in wesentlichen Teilen:

  • Urheberrechtlicher Schutz der Schlagzeile: Das Gericht erkannte der Schlagzeile „Wir sind Papst“ Werkqualität zu. Sie hebe sich deutlich von allgemein gehaltenen Formeln wie „Wir sind Weltmeister“ ab und weise die erforderliche Schöpfungshöhe auf. Damit sei sie als Sprachwerk geschützt.
  • Zur Marke: Die Nutzung von Bilddateien, die die Verfügungsmarke prominent darstellen, wurde als markenrechtswidrig angesehen, insbesondere wenn sie zur Lizenzierung für Marketingzwecke angeboten werden. In den Varianten, bei denen die Marke nicht im Vordergrund steht, verneinte das Gericht jedoch eine Markenverletzung.
  • Keine Berufung auf Panoramafreiheit: Diese Schranke greife nicht, da das Plakat nicht dauerhaft im öffentlichen Raum installiert war.

Begründung der Schutzfähigkeit

Das OLG Hamburg führte mehrere Gründe für die Schutzfähigkeit der Schlagzeile an:

  • Kreative Leistung des Autors: Der Journalist Georg Streiter habe mit der Schlagzeile eine prägnante Zusammenfassung des Ereignisses und der damit verbundenen Emotionen geschaffen. Die Verwendung des Stilmittels „totum pro parte“ unterstreiche die Individualität der Formulierung.
  • Abgrenzung zu anderen Slogans: Im Gegensatz zu Slogans wie „Wir sind Weltmeister“ sei „Wir sind Papst“ nicht durch einfache Substitution ersetzbar, etwa durch „Deutschland ist Papst“, ohne den Sinn zu verändern.
  • Anerkennung in Fachkreisen: Die Schlagzeile habe eine besondere Bekanntheit und kulturelle Prägung erreicht, was als Indiz für ihre Originalität gewertet wurde.

Kommentar

Die Entscheidung des OLG Hamburg, der Schlagzeile „Wir sind Papst“ Urheberrechtsschutz zuzuerkennen, steht im Spannungsverhältnis zur bisherigen Rechtsprechung, die bei kurzen Wortfolgen und Slogans eine hohe Zurückhaltung hinsichtlich der Schutzfähigkeit zeigt.

Traditionell wird betont, dass kurze Slogans oder Tweets mangels ausreichender Schöpfungshöhe keinen Urheberrechtsschutz genießen. Ein Beispiel ist der Beschluss des LG Bielefeld zu einem Tweet mit pointierter Formulierung, dem die Schutzfähigkeit abgesprochen wurde. Das Gericht argumentierte, dass kurze Texte wie Tweets oder Werbeslogans in der Regel nicht genügend Gestaltungsspielraum bieten, um die notwendige Schöpfungshöhe zu erreichen.

Auch bei Werbeslogans ist die Rechtsprechung sehr zurückhaltend. In der Praxis ist davon auszugehen, dass Werbeslogans nur in Ausnahmefällen urheberrechtlich geschützt sind. Dies liegt daran, dass Slogans häufig aus allgemein gebräuchlichen Begriffen bestehen und daher nicht die erforderliche Individualität und Originalität aufweisen. Die Rechtsprechung betont, dass ein Slogan sich deutlich von alltäglichen Formulierungen abheben muss, um als schutzfähig zu gelten.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des OLG Hamburg als Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Zwar mag die Schlagzeile durch ihre Bekanntheit und den historischen Kontext eine besondere Stellung einnehmen, doch stellt sich die Frage, ob dies allein ausreicht, um die erforderliche Schöpfungshöhe zu begründen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung eine Einzelfallbewertung bleibt oder ob sie eine neue Richtung in der Rechtsprechung einleitet.

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Datum: 29.08.2024
Aktenzeichen: 5 U 116/23
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 181

Urheberrechtliche Unzulässigkeit von Luftbildaufnahmen mittels einer Drohne

Urteil vom 23. Oktober 2024 – I ZR 67/23

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass unter Zuhilfenahme einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken nicht der Panoramafreiheit unterfallen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen Buchverlag, in dem sie Führer zu Halden des Ruhrgebiets veröffentlicht. Darin enthalten sind mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen verschiedener Kunstinstallationen auf Bergehalden. Die Schöpfer dieser Installationen haben Wahrnehmungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Publikationen der Beklagten verletzten die an den Installationen bestehenden Urheberrechte, weil die Luftbildaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den zu zahlenden Schadensersatz herabgesetzt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat durch die Abbildung der als urheberrechtliche Werke geschützten Kunstinstallationen in das den Urhebern zustehende Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen. Die Vervielfältigung und Verbreitung von mit Hilfe einer Drohne angefertigten Luftaufnahmen sind keine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG erlaubten Nutzungen der dargestellten Werke. Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG geregelte Panoramafreiheit bezweckt die Freistellung der Nutzung von Werken, wenn und soweit sie Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßen- oder Landschaftsbildes sind. Die bei der Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG vor seinem unionsrechtlichen Hintergrund vorzunehmende Abwägung zwischen der Informations- und Kommunikationsfreiheit der Werknutzer mit dem berechtigten Interesse der Urheber, an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke tunlichst angemessen beteiligt zu werden, geht im Falle der Nutzung von mit Hilfe von Drohnen aus der Luft angefertigten Lichtbildern in Buchveröffentlichungen zugunsten des Interesses der Urheber der fotografierten Werke aus. Diese Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG schöpft in zulässiger Weise den bei Anwendung der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG bestehenden Spielraum aus.

Quelle. Pressemitteilung des BGH vom 23.10.2024

OLG Hamm zum Urheberrecht: Drohnenaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt

In einer urheberrechtlichen Streitigkeit zwischen der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und einem Verlag aus dem Ruhrgebiet hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm entschieden, dass mittels einer Drohne gefertigte Bildaufnahmen nicht von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit gedeckt sind.

Die klagende Verwertungsgesellschaft nimmt den beklagten Verlag auf Unterlassung, Schadensersatz und Abmahnkosten in Anspruch. In zwei von der Beklagten veröffentlichten Büchern werden Kunstwerke auf Bergehalden im Ruhrgebiet vorgestellt. Dabei hat die Beklagte auch Fotografien der im Streit stehenden Kunstwerke „Sonnenuhr mit Geokreuz“, „Spurwerkturm“, „Nachtzeichen“, „Himmelstreppe“, „Tetraeder“ und „Landmarke Geleucht“ verwendet, die mit einer Drohne aufgenommen wurden. Eine Lizenz von der Klägerin hat die Beklagte vor der Veröffentlichung dieser Bilder nicht erworben. Vielmehr vertritt die Beklagte die Auffassung, die Verwendung der Fotografien sei von der Panoramafreiheit des Urheberrechtsgesetzes gedeckt.

Das Landgericht Bochum hat der Klage insgesamt stattgegeben. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ihr Ziel auf Klageabweisung vor dem Oberlandesgericht Hamm weiterverfolgt. Abgesehen von einer geringfügigen Reduzierung des Schadensersatzes hat der für das Urheberrecht zuständige 4. Zivilsenat das Urteil des Landgerichts bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geregelte Panoramafreiheit gestatte zwar auch die gewerbliche Nutzung von hierunter fallenden Fotografien. Im Rahmen der Panoramafreiheit sei es nämlich zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, unter anderem mit Mitteln der Fotografie zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Auch befänden sich die hier in Rede stehenden Kunstwerke an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, da die Bergehalden, auf denen die Kunstwerke errichtet wurden, entweder selbst öffentlich zugänglich seien oder jedenfalls von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden könnten. Die Einschränkung des Urheberrechts durch die Panoramafreiheit, die eine unentgeltliche Nutzung gestatte, schließe jedoch nur diejenigen Perspektiven ein, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus bestehen. Hierzu gehöre nicht der Luftraum. Der Einsatz von Hilfsmitteln zur Erlangung einer anderen Perspektive sei nicht mehr von der Panoramafreiheit gedeckt. Dies habe der Bundesgerichtshof bereits für den Einsatz einer Leiter entschieden. Für den Einsatz einer Drohne könne nichts anderes gelten.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm muss die Beklagte die Wiedergabe der angegriffenen Drohnenbilder und deren Verbreitung unterlassen und der Klägerin Schadensersatz in Form einer Lizenzgebühr über 1.824 Euro sowie gut 2.000 Euro Abmahnkosten, jeweils zuzüglich Zinsen, zahlen. Da noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bewertung von Drohnenaufnahmen im Rahmen der Panoramafreiheit vorliegt, hat der Senat die Revision der Beklagten zugelassen. Die Beklagte hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, so dass das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm nicht rechtskräftig ist.

Urteil vom 27. April 2023 – 4 U 247/21

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 24.05.2023

Anmerkung:

Das Landgericht Frankfurt/Main hat mit Urteil vom 25.11.2020, Az.: 2-06 O 136/20, hatte anders entschieden, und geurteilt, dass die in § 59 UrhG normierte sog. Panoramafreiheit auch für Drohnenaufnahmen gelten soll. Ausführlich dazu meine News vom 15.12.2020

Panoramafreiheit greift auch bei Drohnenaufnahmen

Das Landgericht Frankfurt/Main hat mit Urteil vom 25.11.2020, Az.: 2-06 O 136/20, entschieden, dass die in § 59 UrhG normierte sog. Panoramafreiheit nun auch für Drohnenaufnahmen gelten soll.

Die Panoramafreiheit betrifft Film- und Fotoaufnahmen von insbesondere Werken der Baukunst und Werken der Bildenden Kunst. Nach § 59 UrhG ist es zulässig, z.B. Fotos oder Filme, auf denen urheberrechtlich geschützte Bauwerke zu sehen sind, zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben, wenn sich das Werk bleibend an öffentlichen Straßen oder öffentlichen Plätzen befindet. Diese Ausnahme wurde bislang sehr streng von der Rechtsprechung ausgelegt. So war es z.B. die Meinung zahlreicher Gerichte, dass die Panoramafreiheit nur dann eingreift, wenn das Foto oder der Film von einer Stelle aus angefertigt wurde, die jedermann zur Verfügung steht. § 59 UrhG war daher schon dann nicht mehr anwendbar, wenn Hilfsmittel eingesetzt wurden, z.B. einen Kamerakran, oder aber das urheberrechtlich geschützte Bauwerk z.B. vom Dach oder Dachgeschoss des gegenüberliegenden Gebäudes fotografiert wurde und dieser Ort aber nicht für jedermann öffentlich zugänglich war.

Nach dieser strengen Rechtsauffassung sind natürlich auch Bilder, die mittels Drohnen aufgenommen wurden, nicht von einer Stelle aus angefertigt, die jedermann zugänglich ist, so dass Drohnenbilder von Bauwerken nicht unter die Panoramafreiheit fallen.

Dieser Rechtsauffassung ist nun das Landgericht in einem ausführlich und gut begründeten Urteil entgegengetreten.

In dem vom Landgericht entschiedenen Fall ging es um Fotoaufnahmen, die von einer Drohne von einer Autobahnbrücke angefertigt worden sind.

So ist das Landgericht der Auffassung, dass bei Auslegung dieser Schrankenvorschrift auch technische Entwicklungen der letzten Jahre berücksichtigt werden müssen. Dabei beruft sich das Landgericht auf eine Entscheidung des Gesetzgebers, welcher das bis 1990 geltende Verbot, von einem Luftfahrzeug aus außerhalb des Fluglinienverkehrs ohne behördliche Erlaubnisse Luftbildaufnahmen zu fertigen, aufgehoben hatte, weil angesichts der heutigen Satelliten- und Fototechnik der Grund für diese Vorschrift längst entfallen sei.

So sei der Einsatz von Drohnen und Satelliten eben auch heutzutage nicht unüblich, weshalb es deshalb gerechtfertigt sei, die Ausnahmenvorschrift auch auf solche Aufnahmen auszudehnen.

Im vorliegenden Fall kam es also gar nicht mehr darauf an, ob die Autobahnbrücke tatsächlich ein urheberrechtlich geschütztes Bauwerk war oder eben nicht. Denn nach Auffassung des Landgerichts sind die mittels der Drohne angefertigten Fotos der Brücke auch ohne Zustimmung z.B. des Architekten frei verwertbar.