OLG München zu vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Softwareanbieters

Das OLG München (Beschluss vom 08.08.2022, Az.: 20 U 3236/22) musste in einem Streit zwischen einem Anbieter von Software (hier: Buchungssoftware für Hotels) und einem Kunden über den Umfang und die Reichweite von Aufklärungspflichten eines Softwareanbieters entscheiden.

Die dortige Klägerin bot eine Standardsoftwarelösung für Hotelbuchungen als „Software as a Service“ an. Kurz nach Installation stellte das beklagte Boardinghouse fest, dass die von der Klägerin installierte Software diverse Funktionen, die für die Beklagte wichtig waren, nicht enthielt.

Da trotz Mangelrüge keine Anpassungsarbeiten stattfanden, kündigte die Beklagte und die Klägerin forderte u.a. die Zahlung von Lizenzgebühren.

Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Nach Einlegung der Berufung und Begründung derselben durch die Klägerin erließ das OLG München einen Hinweisbeschluss, wonach nach Auffassung des OLG die Berufung unbegründet ist.

Streitig war u.a. die Frage, welche Funktionen die Software zu erfüllen hatte, ein entsprechendes Pflichtenheft oder dergl. gab es nicht.

Das OLG hat im Rahmen des Beschlusses darauf hingewiesen, dass ein Anbieter einer Standardsoftware vor Vertragsschluss selbst zunächst klären müsse, welcher Art des Betrieb sein Kunde führt und welche Anforderungen die Software im Betrieb des Kunden erfüllen soll. Dies gelte auch dann, wenn kein Pflichtenheft vorliege, so das OLG. Denn der Softwareanbieter sei als (einziger) Fachkundiger überhaupt in der Lage, eine solche Aufklärung zu leisten. Sofern der Softwareanbieter dies unterlasse, gehe dies zu seinen Lasten, so das Gericht.

Das Gericht hat also aufgrund der – nach Auffassung des Gerichts einseitigen – Fachkunde eines Softwareanbieters vorvertragliche Aufklärungspflichten konstruiert, und zwar u.a. dahingehend, dass ein Softwareanbieter von sich aus zunächst selbst prüfen muss, ob „seine Software“ überhaupt auf dem System des Kunden lauffähig ist und alle vom Kunden gewünschte Anforderungen erfüllt.

Da auch der Softwareanbieter dafür beweispflichtig ist, dass er diese vorvertraglichen Aufklärungspflichten erfüllt hat, bleibt es einem Softwareanbieter dann – aus seiner Sicht leider – nicht erspart, eine solche vorvertragliche Aufklärung auch sauber zu dokumentieren.

Dekompilierung von Software zur Fehlerbehebung

Der EuGH hat mit Urteil vom 06.10.2021, Az.: C-13/20, entschieden, dass ein Anwender urheberrechtlich geschützte Software dekompilieren darf, um Programmfehler, die die Ablauffähigkeit der Software beeinträchtigten, selbst zu beheben.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Rechtsstreit zwischen einer Behörde und einem Softwareanbieter. Beide Parteien konnten sich auf die Bedingungen zur Durchführung der Fehlerbehebung durch den Hersteller nicht einigen. Die Behörde hat dann auf Eigeninitiative das Programm dekompiliert und den Fehler selbst behoben. Wer sich wundert, weil in einem Satz das Wort „Behörde“ und „Eigeninitiative“ vorkommt: Es handelte sich um eine belgische Behörde und das dem EuGH-Verfahren vorausgegangene Verfahren spielte sich in Belgien ab.

Der EuGH gab der belgischen Behörde Recht. Dabei berief sich der EuGH auf die sog. Computerprogramm-Richtlinie der EU aus dem Jahre 1991 (Richtlinie 91/250/EWG). Dort ist u.a. festgeschrieben, dass das Vervielfältigen und Übersetzen von Programmen nicht der Zustimmung des Urhebers bedarf, wenn dies für eine Fehlerbehebung notwendig ist. Der EuGH hat in der aktuellen Entscheidung auch explizit das Dekompilieren und das sog. Reverse Engineering eingeschlossen, da bei urheberrechtlich geschützter Software anders eine Fehlerbehebung nicht möglich sei. Da die entsprechenden Vorgaben aus der Computerprogramm-Richtlinie auch in deutsches Recht (§§ 69c, 69d UrhG) umgesetzt worden sind, hat die Entscheidung des EuGH auch Auswirkungen auf das deutsche Urheberrecht.