Vorsicht bei Schutzrechtsmeldungen auf Amazon: OLG Nürnberg stärkt Anspruch auf Anwaltskostenerstattung bei unberechtigter Verwarnung

Wenn ein Händler auf Amazon unberechtigt wegen angeblicher Produktfälschungen gemeldet wird, kann das nicht nur den Umsatz empfindlich treffen – es kann für den Verwarnenden auch rechtlich teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (AZ: 3 U 136/25), das sich mit der Erstattung von Anwaltskosten nach einer sogenannten Schutzrechtsverwarnung beschäftigt hat.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler bot unter dem Namen „M.“ Produkte auf Amazon an. Die Gegenseite, ebenfalls Spielwarenanbieterin mit einem eigenen Shop auf derselben Plattform, meldete zwei seiner Angebote als Fälschungen einer geschützten Marke. Amazon reagierte prompt mit einer Sperre der betroffenen Artikel. Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines bekannten Lizenzherstellers – eine Markenverletzung lag nicht vor.

Der Händler versuchte zunächst, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Nachdem mehrere Kontaktversuche erfolglos blieben, beauftragte er eine Anwältin, die am 16. Januar 2024 eine Abmahnung aussprach und unter anderem die Erstattung der dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten forderte.

Das Urteil des OLG Nürnberg

In zweiter Instanz entschied das OLG Nürnberg zugunsten des Händlers:

  • Die Schutzrechtsverwarnung war unberechtigt.
  • Der Kläger kann Schadenersatz verlangen.
  • Die Abmahnkosten in Höhe von 1.295,43 Euro sind zu erstatten.
  • Die Widerklage der Gegenseite, mit der diese ihre Verteidigungskosten ersetzt haben wollte, wurde abgewiesen.

Warum diese Entscheidung wichtig ist

Das Urteil klärt eine wichtige Rechtsfrage: Muss eine Abmahnung, die sich auch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützt, die strengen formalen Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 13 UWG) erfüllen, damit die Abmahnkosten erstattungsfähig sind?

Die klare Antwort des Gerichts: Nein – jedenfalls dann nicht, wenn es sich (auch) um ein Anspruchsschreiben wegen eines deliktischen Eingriffs in den Gewerbebetrieb handelt. Denn eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen solchen Eingriff darstellen, für den der Verwarnte Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann. Und zwar unabhängig davon, ob das Abmahnschreiben im Sinne des Wettbewerbsrechts vollständig ist.

Die Lehren für Unternehmer

1. Wer unberechtigt meldet, haftet: Wird ein Händler durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung in seinem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt, kann er nicht nur Unterlassung, sondern auch Ersatz seiner Anwaltskosten verlangen.

2. Anspruchsschreiben brauchen keine UWG-Vollständigkeit: Bei einem auf Deliktsrecht (§ 823 BGB) gestützten Vorgehen müssen nicht sämtliche Anforderungen des § 13 UWG eingehalten werden – das gilt auch, wenn das Schreiben zusätzlich auf wettbewerbsrechtliche Aspekte Bezug nimmt.

3. Kein Rückgriff bei berechtigtem Anspruchsschreiben: Wer selbst rechtswidrig eine Schutzrechtsverwarnung ausspricht, kann die eigenen Verteidigungskosten nicht vom Geschädigten ersetzt verlangen – auch dann nicht, wenn dessen Abmahnschreiben formale Mängel aufweist.

Fazit

Unternehmer, die auf Plattformen wie Amazon tätig sind, sollten sich bewusst sein, dass unüberlegte oder unbegründete Markenmeldungen schwerwiegende rechtliche Folgen haben können. Wer unberechtigt agiert, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch Reputations- und Umsatzverluste. Umgekehrt gilt: Wer unrechtmäßig gemeldet wird, hat gute Chancen, seine Kosten ersetzt zu bekommen – auch ohne perfekte Abmahnung.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

Unberechtigte Markenbeschwerde bei Amazon – OLG Nürnberg stärkt Händlerrechte

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 3 U 136/25) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die insbesondere Onlinehändler betrifft, die über Plattformen wie Amazon verkaufen. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Händler gegen unberechtigte Markenbeschwerden vorgehen kann – insbesondere, ob und wann die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten ersetzt werden müssen.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler verkaufte seit Jahren unter der Bezeichnung „M.“ Plüschtiere auf Amazon. Eine Mitbewerberin, die über eine Wort-Bildmarke „Teddys Rothenburg“ verfügte, meldete zwei Produkte des Klägers bei Amazon als Markenfälschungen. Amazon reagierte prompt mit einer Sperrung der Angebote.

Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines unabhängigen Markenherstellers. Der Händler versuchte mehrfach, eine einvernehmliche Lösung mit der Mitbewerberin zu erzielen – vergeblich. Erst nach Einschaltung einer Anwältin und einer Abmahnung lenkte die Beklagte ein und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gleichwohl verweigerte sie die Übernahme der Abmahnkosten und erhob im Gegenteil sogar Widerklage.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das Oberlandesgericht Nürnberg gab dem Händler umfassend Recht und stellte klar:

  • Die Markenbeschwerde war unberechtigt
    Es lag keine Markenverletzung vor. Die Anzeige bei Amazon war daher als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu werten, die einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellt.
  • Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz
    Die Folge der unberechtigten Beschwerde war die Sperrung der Verkaufsangebote – mit potenziellen Umsatzverlusten. Der Kläger konnte daher die Feststellung verlangen, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht.
  • Die Abmahnkosten sind zu ersetzen
    Auch wenn das anwaltliche Schreiben nicht alle Anforderungen an eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erfüllte, handelte es sich um ein sogenanntes Anspruchsschreiben zur Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs. Dafür gelten andere Maßstäbe: Entscheidend ist, ob die Rechtsverfolgung aus Sicht des Betroffenen erforderlich und angemessen war – was das Gericht bejahte.
  • Die Widerklage der Beklagten war unbegründet
    Die Beklagte konnte ihre eigenen Anwaltskosten nicht ersetzt verlangen, weil ihr Verhalten die Schutzrechtsverletzung nicht rechtfertigte. Selbst wenn das Abwehrschreiben des Klägers formale Mängel hatte, bleibt der Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung davon unberührt.
  • Die Feststellungsklage war zulässig
    Obwohl eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang hat, durfte der Kläger in diesem Fall auf Feststellung klagen. Eine konkrete Schadenshöhe war zum Zeitpunkt der Klage noch nicht bezifferbar, etwa wegen möglicher Folgen für die Amazon-Bewertungen oder zukünftige Umsätze.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist ein deutliches Signal an Markeninhaber, bei Beschwerden über angebliche Fälschungen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Die Schwelle zur Schutzrechtsverwarnung ist im Kontext von Plattformen wie Amazon schnell überschritten. Wer hier leichtfertig agiert, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen – einschließlich der Pflicht zur Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz.

Gleichzeitig schafft das Urteil Rechtssicherheit für betroffene Händler: Selbst wenn sie mit anwaltlicher Hilfe reagieren und die formalen Anforderungen an eine Abmahnung nicht vollständig einhalten, können sie ihre Kosten ersetzt verlangen – sofern es um die Abwehr eines deliktischen Eingriffs geht.

Fazit

Unberechtigte Markenbeschwerden bei Amazon sind kein Kavaliersdelikt. Wer Mitbewerber fälschlich beschuldigt und dadurch deren Geschäft beeinträchtigt, haftet – sowohl auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz. Onlinehändler sollten daher nicht zögern, gegen solche Eingriffe juristisch vorzugehen.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108