OLG Bamberg: Unzulässige Gestaltung der Ticketversicherung auf eventim.de – Dark Pattern verletzt Verbraucherrechte

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat mit Urteil vom 5. Februar 2025 einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die Ticketplattform CTS Eventim teilweise stattgegeben. Es ging um die visuelle und funktionale Gestaltung des Angebots einer kostenpflichtigen Ticketversicherung im Bestellprozess auf eventim.de. Nach Ansicht des Gerichts verstößt die Plattform mit ihrer sogenannten „Empfehlungsseite“ gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit der europäischen Verordnung über digitale Dienste (DSA).​ Gegenstand des Verfahrens waren u.a. sog. Dark Patterns.

Was sind „Dark Patterns“?

„Dark Patterns“ sind Gestaltungsmuster in Benutzeroberflächen, die gezielt darauf ausgelegt sind, Nutzer zu bestimmten Entscheidungen zu drängen – meist zugunsten des Unternehmens. Typische Beispiele sind:

  • Nagging: wiederholte Aufforderungen zur Entscheidung, obwohl der Nutzer bereits eine Auswahl getroffen hat.
  • Framing: visuelle Hervorhebungen oder suggestive Formulierungen, die eine Option attraktiver erscheinen lassen als andere.
  • Trickfragen oder versteckte Kosten: verwirrende Formulierungen oder Zusatzangebote, die schwer zu erkennen oder zu umgehen sind.

Solche Praktiken beeinträchtigen die Fähigkeit der Nutzer, freie und informierte Entscheidungen zu treffen. Der Digital Services Act (DSA) verbietet bestimmte Dark Patterns ausdrücklich, um Verbraucher besser zu schützen.

Hintergrund des Falls: Die Gestaltung der Ticketversicherung

Eventim bietet beim Ticketkauf optional eine Ticketversicherung an. Diese wird in einer farblich hervorgehobenen Weise präsentiert. Wird sie nicht ausgewählt, erscheint beim Weiterklicken zur Kasse ein zusätzliches Fenster („Empfehlungsseite“), in dem die Nutzer erneut zur Entscheidung über die Versicherung aufgefordert werden. Dabei ist der Button zur Ablehnung mit „Ich trage das volle Risiko“ beschriftet.​

Die Klage des vzbv

Der vzbv beantragte, Eventim die konkrete Gestaltung der Versicherungsoption zu untersagen, da diese gegen Art. 25 der DSA verstoße. Im Detail kritisierte er zwei Punkte:​

  1. Die farbliche Hervorhebung der Versicherungsoption auf der Bestellseite.​
  2. Die wiederholte Aufforderung zur Auswahl der Ticketversicherung auf der „Empfehlungsseite“, insbesondere in Kombination mit der suggestiven Button-Beschriftung.​

Das Urteil im Detail

Das OLG Bamberg gab der Klage nur teilweise statt:​

  • Antrag zur Bestellseite: Abgewiesen. Zwar liege ein „Framing“ im Sinne der DSA vor – also eine unneutrale Präsentation –, jedoch sei die Schwelle einer „maßgeblichen Beeinträchtigung“ der Entscheidungsfreiheit nicht überschritten. Ein durchschnittlicher, informierter Nutzer könne erkennen, dass es sich um ein freiwilliges Zusatzangebot handelt.​
  • Antrag zur Empfehlungsseite: Stattgegeben. Das Gericht sah hier ein sogenanntes „Dark Pattern“ im Sinne von Art. 25 Abs. 3 lit. b) DSA – konkret ein „Nagging“: Die Nutzer werden erneut zur Entscheidung aufgefordert, obwohl sie bereits keine Versicherung gewählt hatten. In Kombination mit der Angabe „Ich trage das volle Risiko“ entsteht ein bedrohliches Szenario, das die Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinflusst. Dieses Vorgehen sei auch nach §§ 3 Abs. 2, 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG unzulässig.​

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt deutlich: Anbieter von Online-Diensten müssen bei der Gestaltung ihrer Nutzeroberflächen auf Neutralität achten. Wiederholte Nachfragen oder suggestive Formulierungen können unzulässig sein, wenn sie die Entscheidungsfreiheit der Nutzer spürbar beeinträchtigen. Die Entscheidung stellt ein wichtiges Signal für die Anwendung des Digital Services Act dar und konkretisiert die Anforderungen an sogenannte Dark Patterns.​

„Green Claims“ – Umweltbezogene Werbung

Da die Bedeutung des Umwelt- und Klimaschutzes in den letzten Jahren immer größer wurde hat auch die Werbung mit umweltbezogenen Begriffen immer größere Bedeutung eingenommen.

Auch deshalb haben sich bereits in Deutschland die Gerichte mit solcher umweltbezogener Werbung befassen müssen, und zwar unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten. Insbesondere die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ hat die Gerichte in den letzten Jahren beschäftigt, also die Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen mit „Klimaneutralität“ geworben werden darf, exemplarisch siehe hierzu meine Newsmeldung vom 16.11.2022:

In Folge dieser zunehmenden Bedeutung hat sich nun die EU der Sache angenommen und will für eine EU-einheitliche Regelung der Zulässigkeit der Verwendung solcher sog. Green Claims sorgen. Derzeit sind zwei Richtlinien geplant bzw. in Umsetzung:

Zum einen die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel – sog. EMPCO-Richtlinie. Zum anderen die Green-Claims-Richtlinie.

Während die EMPCO-Richtlinie kürzlich vom EU-Parlament und vom Rat beschlossen wurde, befindet sich die Green-Claims-Richtlinie noch im Gesetzgebungsprozess. Der finale Text steht noch nicht fest.

Die EMPCO-Richtlinie muss noch in deutsches Recht transformiert werden und wird voraussichtlich Mitte 2026 in Kraft treten.

Mit der Verabschiedung der Green-Claims-Richtlinie im Laufe des Jahres wird jedenfalls gerechnet; hier ist eine Umsetzung und das Wirksamwerden der Richtlinie ebenfalls entweder für das Jahr 2026 oder dann spätestens 2027 geplant.

Die EMPCO-Richtlinie hat rein wettbewerbsrechtlichen Charakter: Sie ergänzt künftig die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Letztere wurde bereits vor längerem in das deutsche Recht überführt und zwar als Anhang zum UWG. Dieser Anhang enthält eine „Schwarze Liste“ für Werbemaßnahmen, die stets und ohne Ausnahme wettbewerbswidrig sind.

Die Vorgaben der EMPCO-Richtlinie sollen dann diese „Schwarze Liste“ entsprechend ergänzen um umweltbezogene Aussagen, was zur Folge hat, dass die Verwendung umweltbezogener Aussagen aus der „Schwarzen Liste“ ebenfalls stets und ohne Ausnahme unzulässig und damit wettbewerbswidrig sein wird.

Folgende wesentliche Ergänzungen wird die „Schwarze Liste“ erhalten:

  • Das Verbot von allgemeinen Umweltaussagen, wie z.B. „umweltfreundlich“ oder „klimafreundlich“ für die das werbende Unternehmen keine „hervorragende Umweltleistung“ nachweisen kann.
  • Verbot der Verwendung von „Nachhaltigkeitssiegeln“, welche nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurden. Eigene, von einem Unternehmen entwickelte „Umweltlabels“, „Umweltsiegel“ oder „Nachhaltigkeitslabel“ dürfen dann nicht mehr ohne Weiteres verwendet werden.
  • Verbot von Umweltaussagen zum gesamten Produkt oder zum gesamten Unternehmen, wenn die Umweltleistung nur einen bestimmten Aspekt des Produkts oder nur eine bestimmte Tätigkeit des Unternehmens betrifft.
  • Verbot der Behauptung, dass ein Produkt aufgrund der Kompensation von Treibhausgasemissionen eine neutrale, reduzierte oder positive Auswirkung auf die Umwelt in Bezug auf Treibhausgasemissionen hat. Hierunter fallen künftig dann Aussagen wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ etc.
  • Bei Umweltaussagen in Bezug auf künftige Umweltleistungen (Beispiel: „Unser Unternehmen wird bis 2030 klimaneutral sein“) gelten dann als irreführend, wenn das Unternehmen, welches damit wirbt, keine klaren, objektiven, öffentlich zugängliche und überprüfbare Verpflichtungen getroffen hat, die in einem detaillierten und realistischen Umsetzungsplan dargelegt sind, der messbare und zeitlich festgelegte Zielvorgaben aufweist. Dieser Umsetzungsplan muss zudem regelmäßig von einem unabhängigen Sachverständigen überprüft werden und die Ergebnisse müssen öffentlich zugänglich sein.

Diese „per se“-Verbote gelten voraussichtlich ab Mitte 2026.

Die Green-Claims-Richtlinie soll dann ergänzend grundsätzliche Regelungen für sämtliche umweltbezogene Werbung enthalten.

Danach soll künftig nur dann eine umweltbezogene Werbeaussage zulässig sein, wenn diese einer externen Bewertung unterzogen worden ist. Diese Bewertung muss auf anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen beruhen und belegen, dass die beworbenen Umweltauswirkungen erheblich sind. Diese Begleitinformationen zu solchen umweltbezogenen sog. Green Claims müssen dann zusammen mit dem Green Claim veröffentlicht werden (z.B. über einen Link oder mittels eines QR-Codes).

Schließlich sollen EU-weit einheitliche Standards für Umweltsiegel und -labels eingeführt werden: Diese Siegel und Labels müssen vor der Nutzung von einer unabhängigen Prüfstelle geprüft und zertifiziert werden.

Neben den wettbewerbsrechtlichen Bezügen der Green-Claims-Richtlinie werden dort voraussichtlich auch – vergleichbar mit der DSGV oder dem DSA – auch Sanktionen wie z.B. Bußgelder für werbende Unternehmen enthalten sein.

Da der aktuelle Richtlinientext noch nicht feststeht, ist unklar, ob die Green-Claims-Richtlinie für alle werbenden Unternehmen gilt oder ob es Ausnahmen für kleinere oder mittlere Unternehmen geben wird.

Auch wenn es noch etwas dauern wird mit der Geltung der neuen EU-weiten Regelungen:

Es bietet sich natürlich bereits jetzt an, bei umweltbezogener Werbung und bei Verwendung solcher Green Claims diese neuen Regelungen bereits im Auge zu haben bzw. geplante oder künftige Green Claims auf diese Voraussetzungen hin zu überprüfen und abzustimmen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass Gerichte auch bei der aktuellen Prüfung solcher Green Claims bereits jetzt auf die geplanten strengeren Vorgaben Bezug nehmen werden.