BGH zur Verwechslungsgefahr bei Werktiteln: „Nie wieder keine Ahnung“

Der BGH, Urteil vom 07.05.25, I ZR 143/24, bestätigt die enge Auslegung des Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 i.V.m. § 15 MarkenG und verneint eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Titel einer Fernsehserie und einem gleichnamigen Sachbuch.

Sachverhalt: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (Klagepartei) hatte den Titel ihrer Bildungs-Fernsehreihe „Nie wieder keine Ahnung“ im Jahr 2009 zur Titelsicherung angemeldet. Unter diesem Titel wurden zwei Staffeln über Malerei und Architektur ausgestrahlt. Begleitend wurden Onlineinhalte und Unterrichtsmaterialien angeboten. Zudem erschien ein begleitendes Buch, das nicht mehr lieferbar ist.

Ein Verlag (Beklagte) veröffentlichte 2021 ein gleichnamiges Sachbuch, geschrieben von Moderatoren einer Kindersendung, das sich thematisch mit Politik, Wirtschaft und Kultur beschäftigt. Die Rundfunkanstalt sah darin eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte und klagte u.a. auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Vernichtung.

Entscheidung: Der BGH wies die Revision der Rundfunkanstalt gegen die klageabweisende Berufungsentscheidung des OLG Stuttgart zurück.

Begründung: Zwar liege in beiden Fällen ein Werktitel vor, der grundsätzlich schutzfähig sei. Trotz identischem Titel beständen erhebliche Unterschiede in den Werkarten (TV-Serie vs. Sachbuch). Diese „Werkkategorien“ seien so verschieden, dass keine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne vorliege – der Verkehr werde das Buch nicht für eine Sendefolge halten.

Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne setze voraus, dass der Werktitel hinreichend bekannt ist und ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Werken besteht. Beides verneinte der BGH: Die von der Klägerin vorgetragenen Zuschauer- und Zugriffszahlen belegten keine hinreichende Bekanntheit. Zudem bestehe kein enger sachlicher Zusammenhang, da die Werke unterschiedliche Themengebiete behandeln.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Bekanntheitsschutzes (§ 15 Abs. 3 MarkenG) sei der Titel nicht schutzfähig, da es an der erforderlichen Bekanntheit fehle. Weitere Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Rückruf und Vernichtung scheiterten ebenfalls.

Fazit: Der BGH bekräftigt die strengen Voraussetzungen für den Werktitelschutz. Identische Titel allein reichen nicht aus, wenn die Werke unterschiedlichen Kategorien angehören und keine hinreichende Bekanntheit oder Werknähe besteht. Unternehmen, die Titelschutz geltend machen wollen, müssen nicht nur den Titel sichern, sondern auch dessen Nutzung und Bekanntheit gut dokumentieren.

Das Urteil verdeutlicht auch, dass insbesondere bei Cross-Media-Projekten (z.B. TV-Serie oder Film und begleitende Buchveröffentlichungen) der Titelschutz nur greift, wenn eine klare Werknähe und Bekanntheit bestehen. Eine bloße Titelidentität schützt nicht vor anderweitiger Nutzung durch Dritte, wenn die Werke in unterschiedlichen Medienkategorien verortet sind. Aufgrund des engen Schutzumfangs des Werktitelschutzes kann es daher in der Praxis empfehlenswert sein, Titel auch als Marke anzumelden, um einen umfassenderen Schutz zu erreichen.

Streit um „Dschinghis Khan“

Alle älteren Leser werden sich sicherlich erinnern und die Songs „Dschinghis Khan“ und „Moskau“ sofort im Ohr haben: Anlässlich des Eurovision Song Contests 1979 wurde vom bekannten deutschen Musikproduzenten und -komponisten Ralph Siegel die Musikgruppe „Dschinghis Khan“ zusammengestellt. Mit dem gleichnamigen Song belegte die Gruppe damals Platz 4.

1985 trennte sich die Musikgruppe.

2005 kam es zu einer Reunion der Band, bei der zahlreiche Gründungsmitglieder mitwirkten, u.a. der Leadsänger der Ursprungsformation.

2014 schied dann dieses Gründungsmitglied wegen Unstimmigkeiten aus und tritt seitdem selbst unter dem Namen „Dschinghis Khan“ auf. Da das damalige Gründungsmitglied vorwiegend in Osteuropa musikalisch tätig war, störte sich Ralph Siegel daran zunächst nicht.

Anlässlich der Fußball-WM 2018 in Russland entschied sich Ralph Siegel, sein Projekt „Dschinghis Khan“ wiederzubeleben, und zwar mit dem damaligen Hit „Moskau“.

Der damalige Leadsänger, der zwischenzeitlich Inhaber einer Wort-/Bildmarke war, versuchte im Anschluss, Auftritte dieser, von Ralph Siegel initiierten neuen Formation zu verhindern.

Das Landgericht München I hatte nun einen Rechtsstreit zwischen Ralph Siegel als Kläger und dem damaligen Leadsänger als Beklagten zu entscheiden. Insbesondere ging es um die Frage, wem die Rechte am Bandnamen „Dschinghis Khan“ ursprünglich zustanden und ob diese Rechte durch Auflösung der Band erloschen sind oder eben nicht.

Kennzeichenrechtlich standen sich also ein sog. Unternehmenskennzeichenrecht aus § 5 MarkenG und ein Markenrecht, nämlich die Wort-/Bildmarke des damaligen Leadsängers, gegenüber. Entscheidend war damit, wer die älteren Rechte inne hat.

Das Landgericht München I entschied nun mit Urteil vom 27.07.2021, Az.: 33 O 6282/19, dass Ralph Siegel die älteren Rechte zustehen.

Das Landgericht war zunächst der Meinung, dass Inhaber des Unternehmenskennzeichenrechts im vorliegenden Fall nicht die Musikgruppe „Dschinghis Kahn“, sondern deren Schöpfer Ralph Siegel sei. Darüber hinaus sei das damalige Unternehmenskennzeichenrecht aus dem Jahre 1979 auch nicht erloschen. Als Grund hierfür verwies das Landgericht auf Besonderheiten aus der Musikbranche, weil nämlich auch nach Auflösung der Band Tonträger dieser Band weiterverkauft worden seien. Alleine deshalb könne nicht von einem Erlöschen des Unternehmenskennzeichenrechts ausgegangen werden, so das Landgericht.

Dieser Rechtsstreit betrifft eine, speziell in der Musikbranche interessante und noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage:

Wem steht eigentlich ein „Recht am Bandnamen“ zu und vor allem: Erlischt dieses Recht am Namen der Band, wenn sich die Band auflöst oder eines oder mehrere Mitglieder aus der Band ausscheiden?

Gibt es keine Vereinbarung zwischen den Bandmitgliedern oder dem „Schöpfer“ der Band und den Bandmitgliedern, so lässt sich durchaus auch die Rechtsauffassung vertreten, dass mit „Auflösung“ der Band auch das Unternehmenskennzeichenrecht erlischt. Denn bei einer Band handelt es sich in aller Regel um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Und sofern es keine gegensätzlichen vertraglichen Vereinbarungen gibt, erlischt die GbR entweder mit Ausscheiden eines Mitglieds oder mit der Liquidation der GbR. Wenn nun also das BGB die Auflösung der GbR vorsieht, so lässt sich durchaus argumentieren, dass damit auch das Unternehmenskennzeichenrecht dieser GbR erlischt. So hatte es z.B. das OLG München im Jahre 1998 entschieden, als es um den Namen eines Trios ging, welches vor allem durch Live-Auftritte eine Bekanntheit erlangt hatte.

Um solche Streitigkeiten von vornherein nicht entstehen zu lassen, sollte daher jede Band, die professionell Musik machen möchte, nach Gründung in einem GbR- oder Band-Vertrag auch die Folgen der Auflösung oder das Ausscheiden von Mitgliedern aus der Band und die Auswirkungen auf den Band-Namen regeln.

Ob der damalige Leadsänger Berufung gegen das Urteil des Landgerichts einlegen wird, ist noch nicht bekannt. Unter rechtlichen Aspekten wäre es sicherlich interessant, wenn der Rechtsstreit am Ende vom Bundesgerichtshof entschieden werden würde, um zu diesem Thema ein Grundsatzurteil zu haben.

Marken auf Amazon

Der unter anderem für das Marken- und Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 2018 in zwei Verfahren zur Zulässigkeit der Verwendung von Marken und Unternehmenskennzeichen in der Suchfunktion einer Internethandelsplattform entschieden.

Das Verfahren I ZR 138/16:

Die Klägerin ist exklusive Lizenznehmerin der Marke „ORTLIEB“. Sie vertreibt unter dieser Marke wasserdichte Taschen und Transportbehälter.

Die Beklagten sind Gesellschaften des Amazon-Konzerns. Die Beklagte zu 3 ist technische Betreiberin der Internetseite „amazon.de“. Die Beklagte zu 2 betreibt die unter dieser Internetseite aufrufbare Plattform „Amazon Marketplace“, auf der Dritte ihre Waren anbieten können. Die Beklagte zu 1 ist für die Angebote von Waren verantwortlich, die mit dem Hinweis „Verkauf und Versand durch Amazon“ versehen sind.

Die Klägerin bietet ihre Produkte nicht über die Plattform „amazon.de“ an, sondern vermarktet diese über ein selektives Vertriebssystem. Sie wendet sich dagegen, dass nach einer Eingabe des Suchbegriffs „Ortlieb“ in die plattforminterne Suchmaschine in der Trefferliste auch Angebote von Produkten anderer Hersteller erscheinen, und zwar sowohl Angebote der Beklagten zu 1 als auch Angebote von Drittanbietern. Sie sieht in den angezeigten Treffern eine Verletzung des Rechts an der Marke „ORTLIEB“ und nimmt die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Beklagte zu 3 benutzt die Marke „ORTLIEB“ in der eigenen kommerziellen Kommunikation, weil sie die Suchmaschine so programmiert hat, dass bei Eingabe der Marke eine Trefferliste zu dem Zweck generiert wird, den Internetnutzern Produkte zum Erwerb anzubieten. Die Beklagte zu 3 wird dabei als Beauftragte der Beklagten zu 1 und 2 tätig. Diese Nutzung der Marke kann die Klägerin nur untersagen, wenn nach Eingabe der Marke als Suchwort in der Ergebnisliste Angebote von Produkten gezeigt werden, bei denen der Internetnutzer nicht oder nur

schwer erkennen kann, ob sie von dem Markeninhaber oder von einem Dritten stammen. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, wie der Internetnutzer die im Verfahren vorgelegte und von der Klägerin beanstandete Trefferliste versteht, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit diese Feststellungen nachgeholt werden.

Vorinstanzen:

LG München – Urteil vom 18. August 2015 – 33 O 22637/14

OLG München – Urteil vom 12. Mai 2016 – 29 U 3500/15

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 14 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1. ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, (…)

(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

Das Verfahren I ZR 201/16:

Die Klägerin, die goFit Gesundheit GmbH, ist in Österreich geschäftsansässig und vertreibt unter der Bezeichnung „goFit Gesundheitsmatte“ in Deutschland eine Fußreflexzonenmassagematte, die wie ein Kieselstrand gestaltet ist.

Die Beklagte betreibt die Internetseite www.amazon.de, über die sowohl Produkte des Amazon-Konzerns als auch Produkte von Drittanbietern vertrieben werden. Die Fußreflexzonenmassagematte der Klägerin wird auf der Internetseite www.amazon.de nicht angeboten.

Am 18. August 2014 stellte die Klägerin fest, dass bei Eingabe des Suchbegriffs „goFit“ oder „gofit“ in die Suchmaske der Internetseite www.amazon.de automatisch in einem Drop-Down-Menü unter anderem die Suchwortvorschläge „gofit matte“, „gofit gesundheitsmatte“ oder „gofit Fußreflexzonenmassagematte“ erscheinen.

Die Klägerin hat in den automatischen Suchwortvorschlägen in erster Linie eine Verletzung ihres Firmenschlagworts „goFit“, hilfsweise eine wettbewerbswidrige Irreführung der Verbraucher gesehen. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Das Landgericht hat der auf eine Verletzung des Unternehmenskennzeichens gestützten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass die Unternehmensbezeichnung der Klägerin „goFit“ in Deutschland geschützt ist. Die Beklagte benutzt dieses Zeichen als Betreiberin der Internetseite www.amazon.de, in die die Suchfunktion eingebettet ist, selbst in ihrer kommerziellen Kommunikation. Jedoch liegt in der Verwendung des Unternehmenskennzeichens in der automatischen Suchwortvervollständigung keine Beeinträchtigung der Funktion des Zeichens, auf das Unternehmen der Klägerin hinzuweisen. Die Frage, ob die nach Auswahl einer der Suchwortvorschläge angezeigte Trefferliste zu beanstanden ist, war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, weil sich die Klägerin ausschließlich gegen die Suchwortvorschläge und nicht gegen die Ausgestaltung der Trefferliste gewandt hat.

Die Verwendung des Unternehmenskennzeichens der Klägerin bei der automatischen Vervollständigung von Suchwörtern ist auch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die angezeigten Suchwortvorschläge beim Internetnutzer nicht den – unzutreffenden – Eindruck hervorrufen, dass er das betreffende Produkt auf der Internethandelsplattform finden wird.

Vorinstanzen:

LG Köln – Urteil vom 24. Juni 2016 – 84 O 13/15

OLG Köln – Urteil vom 12. August 2016 – 6 U 110/15

Pressemitteilung des BGH vom 16.02.2018