BGH-Urteil: Verweis auf Online-AGB in postalischer Vertragsanbahnung ist unwirksam

Die Digitalisierung vereinfacht viele Geschäftsprozesse. Ein gängiges Vorgehen ist es, bei postalisch angebahnten Verträgen für die Details auf die online verfügbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu verweisen. Dieses Vorgehen spart Papier und Aufwand. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einer solchen Vorgehensweise nun in einer Entscheidung eine Absage erteilt. Die Begründung dafür ist für die Vertragsgestaltung von Unternehmen von grundsätzlicher Bedeutung.

Der zugrundeliegende Sachverhalt

Ein Telekommunikationsunternehmen bewarb einen DSL-Anschluss mittels Postwurfsendungen. Ein Vertragsschluss konnte durch das Ausfüllen und postalische Zurücksenden eines beigefügten Formulars erfolgen. In diesem Formular fand sich die Klausel: „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“.

Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen die Verwendung dieser Klausel. Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Düsseldorf, gab der Klage statt und begründete dies im Wesentlichen mit einem unzumutbaren „Medienbruch“. Es sei einem Verbraucher nicht zuzumuten, bei einem per Post geschlossenen Vertrag für die Lektüre der AGB auf das Internet zugreifen zu müssen. Der BGH bestätigte das Ergebnis, wählte aber einen anderen juristischen Weg.

Die Entscheidung des BGH: Fokus auf Transparenz statt Medienbruch

Der Bundesgerichtshof stufte die Klausel ebenfalls als unwirksam ein, ließ die Frage des Medienbruchs jedoch ausdrücklich offen. Die Richter legten den Fokus stattdessen auf die Formulierung der Klausel selbst und wandten den Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung an.

Nach diesem Grundsatz wird eine Klausel im Verbandsklageverfahren so ausgelegt, wie sie von einem rechtlich unbedarften Kunden im für ihn ungünstigsten, aber noch denkbaren Fall verstanden werden könnte. Die Klausel „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“ stellt nach Ansicht des BGH eine dynamische Verweisung dar.

Dies bedeutet, die Klausel verweist nicht auf eine bestimmte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fixierte Version der AGB. Stattdessen könnte sie so verstanden werden, dass das Unternehmen die online hinterlegten AGB jederzeit einseitig ändern kann und die jeweils aktuelle Fassung automatisch für den bestehenden Vertrag Geltung beansprucht. Damit würde sich der Klauselverwender ein weitreichendes Recht zur einseitigen Vertragsänderung vorbehalten.

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Eine solche Möglichkeit zur einseitigen Vertragsanpassung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für den Vertragspartner ist bei Vertragsschluss nicht klar und vorhersehbar, welche Rechte und Pflichten ihn zukünftig treffen werden. Das wirtschaftliche Risiko ist für ihn nicht abschätzbar. Eine Klausel, die derart weitreichende, unbestimmte Änderungsmöglichkeiten eröffnet, benachteiligt den Vertragspartner unangemessen und ist folglich unwirksam.

Konsequenzen aus dem Urteil für die Vertragspraxis

  1. Pauschale AGB-Verweise sind riskant: Auf pauschale Verweise, die lediglich eine URL zu einer AGB-Seite ohne Versionsangabe enthalten, sollte verzichtet werden. Die Gefahr einer Einstufung als unzulässige dynamische Verweisung ist hoch.
  2. Statische Einbeziehung ist erforderlich: Es muss sichergestellt werden, dass eine konkrete, datierbare Version der AGB Vertragsbestandteil wird.
    • Bei Offline-Verträgen: Der sicherste Weg bleibt das Beifügen eines Ausdrucks der AGB.
    • Bei Online-Verträgen: Hier empfiehlt sich die Einbindung der AGB als festes, speicherbares Dokument (z.B. PDF) und die Einholung einer Bestätigung des Kunden (z.B. per Checkbox), dass die AGB in einer bestimmten, klar bezeichneten Version akzeptiert werden.
  3. Anforderungen an Änderungsklauseln: Sogenannte Änderungs- und Anpassungsklauseln in AGB, die spätere Modifikationen ermöglichen sollen, unterliegen strengen Transparenzanforderungen. Grund, Umfang und Voraussetzungen für eine Änderung müssen darin präzise beschrieben sein.

Fazit

Die Entscheidung des BGH stärkt das Transparenzgebot und den Schutz von Vertragspartnern vor überraschenden, einseitigen Vertragsänderungen. Für Unternehmen unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, die eigenen Prozesse zur Einbindung von AGB kritisch zu prüfen und auf eine klare, faire und rechtssichere Gestaltung zu achten.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 10.07.2025
Aktenzeichen: III ZR 59/24

Seit 01.07.2022: Der „Kündigungsbutton“

Seit Freitag, 01.07.2022, gelten neue Regelungen zur Kündigung von Verbraucherverträgen bei sog. Dauerschuldverhältnissen. Dazu wurde ein neuer § 312k in das BGB aufgenommen.

Diese Vorschrift regelt den sog. Kündigungsbutton.

Diese Regelung trifft sog. Dauerschuldverhältnisse mit Verbrauchern, also Verträge, die darauf gerichtet sind, dass ein Unternehmer gegen regelmäßige Zahlungen seine Leistungen erbringt.

Ausgenommen von der Vorschrift sind lediglich

  • Verträge, für deren Kündigung gesetzlich ausschließlich eine strengere Form als die Textform vorgesehen ist und
  • Verträge über Finanzdienstleistungen und Webseiten, die Finanzdienstleistungen betreffen.

Wichtig:

Es kommt nicht darauf an, dass der Vertrag mit dem Verbraucher auch online geschlossen wurde. Entscheidend ist allein, dass es Verbrauchern ermöglicht wird, einen entsprechenden Vertrag auch online abzuschließen.

Beispiel Fitnessstudio:

Ist es möglich, einen Vertrag mi einem Fitnessstudio sowohl online wie auch vor Ort abzuschließen, muss das Fitnessstudio auch den Kunden, die die Verträge vor Ort abgeschlossen haben, die Möglichkeit bieten, über den Kündigungsbutton den entsprechenden Vertrag zu kündigen. Der Kündigungsbutton – im Gesetz „Kündigungsschaltfläche“ genannt – muss gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden anderen eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Bei Anklicken des Buttons muss sie den Verbraucher unmittelbar zu einer Bestätigungsseite führen, die

1. den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht, Angaben zu machen,

a) zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund,

b) zu seiner Identität,

c) zur Bezeichnung des Vertrages,

d) zum Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll,

e) zur schnellen elektronischen Übermittlung der Kündigungsbestätigung an ihn und

2. eine Bestätigungsschaltfläche enthalten, über deren Anklicken der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar als mit nichts anderem als den Wörtern „Jetzt kündigen“ oder mit einer anderen entsprechend eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Nachdem der Verbraucher den Kündigungsbutton angeklickt hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Inhalt sowie Datum und Uhrzeit des Zugangs der Kündigungserklärung, sowie den Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, sofort auf elektronischem Wege in Textform bestätigen.

Wichtig:

Falls ein Unternehmer keinen solchen Kündigungsbutton zur Verfügung stellt, kann der Verbraucher einen Vertrag jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, § 312k Abs. 6 BGB.

Bei der Formulierung des Bestätigungsmails des Unternehmers an den Verbraucher sollte aufgepasst werden. Die Bestätigungsmail sollte die Kündigung als solche nicht bestätigen, sondern lediglich den Zugang und die vom Verbraucher angegebenen Kündigungsgründe. Der Unternehmer sollte sich deshalb meiner Meinung nach in der Bestätigungsmail die Option offenhalten, dass gerade in Fällen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung der Unternehmer die Kündigung und deren Berechtigung noch zu prüfen hat.