AGB im B2B-Bereich: Vertragsbindung über 48 Monate zulässig – aber nicht die Vorleistungspflicht

Wie weit dürfen AGB bei langfristigen Verträgen im B2B-Bereich gehen?

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (Urteil vom 17.01.2025 – 1 U 37/24, NJW-RR 2025, 370; WRP 2025, 529–532) hat in einem aktuellen Urteil entschieden: Vertragslaufzeiten von vier Jahren sind zulässig – die Verpflichtung zur vollständigen Vorleistung über diese Laufzeit ist es nicht. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Radiowerbung, sondern haben erhebliche Bedeutung für alle Arten von Dauerschuldverhältnissen zwischen Unternehmen.

Der Fall: Vertragsbindung und Zahlungsmodalitäten im Streit

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Unternehmen einen Vertrag über die regelmäßige Ausstrahlung eines Werbemediums mit einer Laufzeit von 48 Monaten abgeschlossen. Der Vertrag verlängerte sich automatisch um weitere vier Jahre, sofern nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wurde. Zudem war vereinbart, dass der gesamte Betrag für die Vertragslaufzeit im Voraus zu zahlen sei. Die Vertragspartnerin kündigte vorzeitig und verweigerte die Zahlung für die zweite Laufzeitperiode. Der Anbieter verlangte daraufhin die gesamte Summe.

Die Entscheidung: Differenzierte Prüfung von Vertragslaufzeit und Vergütungsregelung

Das OLG Schleswig beurteilte die Vertragslaufzeit und die automatische Verlängerung als zulässig – selbst bei einer Bindung über insgesamt acht Jahre. Maßgeblich sei, dass es sich um einen unternehmerischen Vertrag handelt und keine Regelung des § 309 BGB greife, der für Verbraucherverträge bestimmte Klauseln verbietet. Eine langfristige Bindung sei bei entsprechenden wirtschaftlichen Interessen des Verwenders – etwa für Vertriebs- oder Produktionskosten – gerechtfertigt.

Anders sieht es jedoch bei der Zahlungsregelung aus: Die Verpflichtung zur vollständigen Vorleistung über die gesamte Laufzeit sei unwirksam. Das Gericht verwies auf das gesetzliche Leitbild des Werkvertragsrechts (§ 641 BGB), wonach Zahlungen regelmäßig erst mit Abnahme der Leistung geschuldet sind. Eine pauschale Vorleistung über mehrere Jahre benachteilige die Kundin unangemessen. Der Anbieter könne stattdessen monatlich anteilige Abschlagszahlungen verlangen.

Relevanz für die Praxis: Nicht nur Radiowerbung betroffen

Auch wenn das Urteil auf einen Vertrag über Radiowerbung zurückgeht – seine Tragweite reicht weit darüber hinaus. Die Entscheidung betrifft alle Dauerschuldverhältnisse im unternehmerischen Geschäftsverkehr, bei denen Leistungen über längere Zeiträume hinweg erbracht werden – etwa in den Bereichen IT-Dienstleistungen, Software-as-a-Service (SaaS), Beratungsverträge oder Facility Management.

Für Verwender von AGB bedeutet das:

  • Lange Vertragslaufzeiten sind grundsätzlich möglich, müssen aber sachlich begründet und transparent gestaltet sein.
  • Automatische Vertragsverlängerungen dürfen nicht zu mehrdeutigen oder übermäßigen Bindungen führen.
  • Vereinbarungen zur Vorleistungspflicht über Jahre hinweg sind unzulässig, wenn sie dem Vertragspartner jede Möglichkeit nehmen, Druck auf die ordnungsgemäße Leistungsausführung auszuüben.

Fazit

Das Urteil des OLG Schleswig stärkt die Position von Vertragspartnern in B2B-Dauerschuldverhältnissen. Unternehmen, die AGB verwenden, sollten ihre Vertragsmuster kritisch prüfen – insbesondere bei langfristigen Laufzeiten und Zahlungsmodalitäten. Denn auch im Geschäftsverkehr unter Profis gelten Schranken für die AGB-Gestaltung.

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ kann auch im Markenrecht gelten

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ hat schon Friedrich Schiller in seinem berühmten Gedicht „Das Lied von der Glocke“ angeraten. Nach dem Urteil des Landgerichts München I (Urteil vom 11.10.2022, Az.: 33 O 10784/21) hätten dies nun auch die Parteien im bekannten Streit um die Marke „Spezi“ zwischen den Brauereien Paulaner und Riegele 1974 tun sollen.

1974 hatten die Unternehmen eine Vereinbarung getroffen, wonach Paulaner die Bezeichnung „Spezi“ unter bestimmten Umständen nutzen darf.

Nachdem das „Spezi“ von Paulaner in den letzten Jahren zu einem sehr großen Verkaufserfolg wurde, kündigte Riegele die 1974 getroffene Vereinbarung und bot Paulaner den Abschluss eines neuen Lizenzvertrages an, allerdings dieses Mal mit der Bezahlung von Lizenzgebühren von Paulaner an Riegele.

Paulaner wies die Kündigung zurück und erhob Feststellungsklage vor dem Landgericht München I.

Erstinstanzlich bekam Paulaner nun Recht:

Riegele wertete die 1974 geschlossene Vereinbarung als Lizenzvertrag. Das Landgericht allerdings ist der Rechtsauffassung, dass es sich bei der 1974 geschlossenen Vereinbarung um eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung handelt.

Der – auch hier maßgebliche – Unterschied:

Während Lizenzverträge in der Regel ordentlich kündbar sind, gilt dies nicht für solche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen.

Abgrenzungsvereinbarungen sind im Markenrecht gängig: Kann eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken nicht ausgeschlossen werden, so schließen die jeweiligen Markeninhaber häufig zur Vermeidung von langwierigen Streitigkeiten, insbesondere vor Markenämtern, solche Vereinbarungen ab. In einer solchen Abgrenzungsvereinbarung werden dann die jeweiligen Pflichten der Parteien und die Abgrenzung der jeweiligen Marken zueinander festgehalten.

Das Landgericht legte die 1974 geschlossene Vereinbarung zwischen den Brauereien als eine solche Abgrenzungsvereinbarung aus. Das Landgericht München I entschied, dass solche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht ordentlich kündbar seien. Denn die Schutzdauer eingetragener Marken könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden, so das Gericht. Mit der Vereinbarung 1974 sei eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen, so das Landgericht weiter. Im Vertrauen auf diese endgültige Beilegung habe dann Paulaner erhebliche Investitionen in den Aufbau der eigenen Marke getroffen.

Ein Grund zur fristlosen Kündigung der Abgrenzungsvereinbarung aus wichtigem Grund lag nach Auffassung des Landgerichts nicht vor. Das Gericht führt hierzu in seinem Urteil aus:

„Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen und wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.“

Ein sehr deutlicher Hinweis des Gerichts auf die eigentliche Motivationslage von Riegele für die Kündigung.

Wer also künftig Abgrenzungsvereinbarungen abschließt, sollte daran denken, dass diese Abgrenzungsvereinbarung ordentlich nicht kündbar ist und „auf ewig“ geschlossen wird. Wer das nicht möchte, müsste dann an den Abschluss eines konkreten Lizenzvertrages denken. bei der Formulierung der Verträge sollte darauf auch entsprechend Wert gelegt werden.

Seit 01.07.2022: Der „Kündigungsbutton“

Seit Freitag, 01.07.2022, gelten neue Regelungen zur Kündigung von Verbraucherverträgen bei sog. Dauerschuldverhältnissen. Dazu wurde ein neuer § 312k in das BGB aufgenommen.

Diese Vorschrift regelt den sog. Kündigungsbutton.

Diese Regelung trifft sog. Dauerschuldverhältnisse mit Verbrauchern, also Verträge, die darauf gerichtet sind, dass ein Unternehmer gegen regelmäßige Zahlungen seine Leistungen erbringt.

Ausgenommen von der Vorschrift sind lediglich

  • Verträge, für deren Kündigung gesetzlich ausschließlich eine strengere Form als die Textform vorgesehen ist und
  • Verträge über Finanzdienstleistungen und Webseiten, die Finanzdienstleistungen betreffen.

Wichtig:

Es kommt nicht darauf an, dass der Vertrag mit dem Verbraucher auch online geschlossen wurde. Entscheidend ist allein, dass es Verbrauchern ermöglicht wird, einen entsprechenden Vertrag auch online abzuschließen.

Beispiel Fitnessstudio:

Ist es möglich, einen Vertrag mi einem Fitnessstudio sowohl online wie auch vor Ort abzuschließen, muss das Fitnessstudio auch den Kunden, die die Verträge vor Ort abgeschlossen haben, die Möglichkeit bieten, über den Kündigungsbutton den entsprechenden Vertrag zu kündigen. Der Kündigungsbutton – im Gesetz „Kündigungsschaltfläche“ genannt – muss gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden anderen eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Bei Anklicken des Buttons muss sie den Verbraucher unmittelbar zu einer Bestätigungsseite führen, die

1. den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht, Angaben zu machen,

a) zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund,

b) zu seiner Identität,

c) zur Bezeichnung des Vertrages,

d) zum Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll,

e) zur schnellen elektronischen Übermittlung der Kündigungsbestätigung an ihn und

2. eine Bestätigungsschaltfläche enthalten, über deren Anklicken der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar als mit nichts anderem als den Wörtern „Jetzt kündigen“ oder mit einer anderen entsprechend eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Nachdem der Verbraucher den Kündigungsbutton angeklickt hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Inhalt sowie Datum und Uhrzeit des Zugangs der Kündigungserklärung, sowie den Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, sofort auf elektronischem Wege in Textform bestätigen.

Wichtig:

Falls ein Unternehmer keinen solchen Kündigungsbutton zur Verfügung stellt, kann der Verbraucher einen Vertrag jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, § 312k Abs. 6 BGB.

Bei der Formulierung des Bestätigungsmails des Unternehmers an den Verbraucher sollte aufgepasst werden. Die Bestätigungsmail sollte die Kündigung als solche nicht bestätigen, sondern lediglich den Zugang und die vom Verbraucher angegebenen Kündigungsgründe. Der Unternehmer sollte sich deshalb meiner Meinung nach in der Bestätigungsmail die Option offenhalten, dass gerade in Fällen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung der Unternehmer die Kündigung und deren Berechtigung noch zu prüfen hat.