Unternehmer, die Online-Vergleichsportale für Werbung nutzen oder selbst betreiben, stehen oft vor der Frage: Wie transparent muss Werbung gekennzeichnet sein? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 27. August 2025 gibt hierzu wichtige und praxisrelevante Antworten. Es zeigt, dass ein kleines „Anzeige“ oft nicht ausreicht, während ein selbstvergebener „Tarif-Tipp“ unter bestimmten Umständen zulässig sein kann.
Der Fall: Stromanbieter gegen Vergleichsportal
Ein Stromlieferant verklagte den Betreiber eines bekannten Online-Vergleichsportals für Stromtarife. Der Kläger beanstandete zwei Aspekte des Internetauftritts im einstweiligen Verfügungsverfahren:
- Versteckte Werbung: Nach einer Suchanfrage zeigte das Portal an den obersten beiden Positionen (sogenannte „0-Positionen“) bezahlte Werbeplatzierungen an. Diese waren zwar mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet, allerdings nur in kleiner, unauffälliger Schrift am Rand des farblich hervorgehobenen Angebotsfeldes. Die eigentlichen, neutralen Suchergebnisse erschienen erst weiter unten auf der Seite, nachdem der Nutzer scrollen musste.
- Irreführender „Tarif-Tipp“: Eines der Werbeangebote war zusätzlich mit einem siegelartigen Symbol mit der Aufschrift „TARIF-TIPP Top Service“ versehen. Der Kläger sah darin eine Irreführung der Verbraucher, da nicht ersichtlich war, auf welcher Grundlage diese besondere Empfehlung beruhte. Er vermutete, es handle sich um eine rein bezahlte Hervorhebung.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe
Das Gericht traf eine differenzierte Entscheidung und gab der Klage nur teilweise statt.
1. Unzureichende Kennzeichnung von Werbung ist unzulässig
Hinsichtlich der Kennzeichnung der Werbeplätze in den 0-Positionen bestätigte das OLG die Entscheidung der Vorinstanz: Die Gestaltung war unlauter und damit wettbewerbswidrig.
Die Richter stuften die unzureichende Kennzeichnung als einen sogenannten „Per-se-Verstoß“ ein. Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist es stets unzulässig, Suchergebnisse anzuzeigen, ohne bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen für ein höheres Ranking „eindeutig offenzulegen“.
Das Gericht befand, dass die Kennzeichnung im vorliegenden Fall alles andere als eindeutig war. Folgende Gründe waren ausschlaggebend:
- Zu unauffällig: Das Wort „Anzeige“ war im Verhältnis zu anderen, blickfangartigen Elementen wie dem Preis oder dem großen, farbigen Button „ZUM ANGEBOT“ viel zu klein und unscheinbar platziert.
- Gesamteindruck zählt: Die farbliche Hervorhebung der Werbeplätze und zusätzliche Siegel erweckten beim Verbraucher den Eindruck, es handele sich um besonders passende Empfehlungen des Portals und nicht um gekaufte Werbung.
- Platzierung und Scrolling: Da die „echten“ Suchergebnisse mit der Überschrift „Ihre ermittelten Ergebnisse“ erst nach dem Scrollen sichtbar wurden, bestand eine hohe Gefahr, dass Nutzer die obersten Treffer für die besten Ergebnisse halten und ihre Entscheidung treffen, ohne je von deren Werbecharakter zu erfahren.
Das OLG stellte klar: Der kommerzielle Zweck muss für den durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher auf den ersten Blick und ohne Anstrengung erkennbar sein. Eine Verwechslungsgefahr mit neutralen Suchergebnissen muss ausgeschlossen werden.
2. Ein „Tarif-Tipp“ des Portals ist keine neutrale Prüfung
Überraschender für viele mag die Entscheidung zum „TARIF-TIPP“ sein. Hier hob das OLG das Verbot der Vorinstanz auf und erlaubte die Verwendung des Symbols.
Die Begründung liegt in der Erwartungshaltung der Verbraucher. Das Gericht argumentierte, dass ein „TARIF-TIPP“, der erkennbar vom Portalbetreiber selbst stammt, nicht mit einem offiziellen Prüf- oder Gütesiegel einer neutralen, unabhängigen Stelle (wie z. B. Stiftung Warentest) verwechselt werden könne.
Verbraucher wissen, dass Vergleichsportale kommerzielle Interessen verfolgen und ihr Geld unter anderem mit Provisionen oder Werbung verdienen. Daher bringen sie einer Eigenempfehlung des Portals von vornherein nicht dasselbe Vertrauen entgegen wie einem neutralen Testergebnis. Die Empfehlung wird eher als subjektive Anpreisung und nicht als das Ergebnis einer objektiven, nach strengen Kriterien durchgeführten Prüfung verstanden.
Daher sei die Information, nach welchen genauen Kriterien der „Tipp“ vergeben wird, für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht so wesentlich, dass ihr Vorenthalten eine Irreführung darstelle. Das Gericht sah die Auszeichnung als eine Form des zulässigen (Fremd-)Lobs an, solange nicht fälschlicherweise behauptet wird, sie beruhe auf einer objektiven Prüfung.
Praktische Konsequenzen für Unternehmer
- Für Portalbetreiber und Online-Shops: Prüfen Sie die Kennzeichnung von Werbung und gesponserten Inhalten kritisch. Ein versteckter Hinweis genügt nicht. Die Offenlegung muss so gestaltet sein, dass sie nicht übersehen werden kann. Im Zweifel gilt: lieber zu deutlich als zu dezent.
- Für Werbetreibende: Achten Sie darauf, wie Ihre Anzeigen auf fremden Plattformen dargestellt werden. Eine unzureichende Kennzeichnung durch den Portalbetreiber kann auch auf Sie als Werbenden zurückfallen.
- Für alle Unternehmen: Subjektive Empfehlungen oder eigene „Tipps“ sind rechtlich weniger problematisch als die Werbung mit Begriffen, die eine objektive Prüfung suggerieren („geprüft“, „zertifiziert“, „Testsieger“). Sobald der Eindruck einer neutralen Instanz erweckt wird, gelten extrem strenge Transparenzanforderungen.
Dieses Urteil unterstreicht erneut die wachsende Bedeutung von Transparenz im Online-Marketing. Gerichte legen die gesetzlichen Anforderungen an eine klare Offenlegung von Werbung zunehmend streng aus.
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Datum: 27.08.2025
Aktenzeichen: 6 U 12/25