Google-Zusammenfassungen durch Künstliche Intelligenz: Eine Gefahr für faire Sichtbarkeit im Netz?

Seit März 2025 experimentiert Google mit einem neuen Feature in seiner Suchmaschine: der sogenannten „Übersicht mit KI“. Dabei handelt es sich um automatisch generierte Zusammenfassungen von Inhalten, die bei vielen Suchanfragen ganz oben auf der Ergebnisseite erscheinen – noch vor den klassischen Links zu Webseiten. Für den Nutzer mag dies bequem erscheinen, denn er erhält direkt eine schnelle Antwort. Doch für Inhalteanbieter, insbesondere kleinere Verlage, Ratgeberportale und Nachrichtenseiten, ist diese Praxis hochproblematisch: Die Sichtbarkeit ihrer Inhalte sinkt, der Traffic bricht ein, teils um bis zu 40 Prozent.

Was zunächst wie eine technische (und praktische) Neuerung wirkt, hat inzwischen eine handfeste juristische Dimension angenommen. Ende Juni 2025 reichte ein Zusammenschluss unabhängiger britischer Verlage – die Independent Publishers Alliance – eine förmliche Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission sowie bei der britischen Wettbewerbsbehörde ein. Der Vorwurf: Google missbrauche seine marktbeherrschende Stellung, um eigene Inhalte – also die KI-generierten Zusammenfassungen – gegenüber originären Angeboten zu bevorzugen.

Was ist eine Kartellbeschwerde?

Bei einer Kartellbeschwerde handelt es sich um ein förmliches Verfahren zur Prüfung, ob ein Unternehmen durch sein Verhalten den Wettbewerb einschränkt oder verzerrt. Im Zentrum stehen die europäischen Kartellrechtsnormen, insbesondere Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Diese Vorschrift untersagt es marktbeherrschenden Unternehmen, ihre Stellung zum Nachteil anderer Marktteilnehmer auszunutzen. Genau das werfen die Verlage Google vor: Die Inhalte anderer Anbieter würden ungefragt genutzt, gleichzeitig aber im Ranking verdrängt – zugunsten der eigenen KI-Zusammenfassungen.

Daneben kommt auch der sogenannte Digital Markets Act (DMA) ins Spiel. Dieses relativ neue EU-Gesetz verpflichtet große Plattformen – sogenannte Gatekeeper – zur Fairness im Wettbewerb. Unter anderem dürfen sie eigene Angebote nicht bevorzugt darstellen, wenn dies zu Lasten anderer Anbieter geht. Da Google die Overviews prominent über den klassischen Links platziert, könnte dies als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des DMA gewertet werden.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die mangelnde Transparenz der Algorithmen, die für die Zusammenfassungen verantwortlich sind. Der Digital Services Act (DSA) schreibt für große Plattformen vor, dass deren Empfehlungssysteme nachvollziehbar und risikoangepasst ausgestaltet sein müssen. Nutzer und Inhalteanbieter sollen verstehen können, wie Inhalte ausgewählt und dargestellt werden. Bei Googles KI-Overviews ist dies bislang kaum möglich.

Medienvielfalt in Gefahr?

Ein besonders heikler Punkt ist die Auswirkung auf die journalistische Vielfalt im Netz. Wenn originäre Inhalte an Sichtbarkeit verlieren und durch algorithmisch generierte Kurzfassungen ersetzt werden, droht womöglich eine Aushöhlung des Informationsangebots. Der European Media Freedom Act (EMFA), ein weiteres EU-Gesetz, will genau das verhindern. Die aktuelle Entwicklung bei Google steht daher auch unter medienpolitischer Beobachtung.

In einem Bericht der Legal Tribune Online wird über das Verfahren ausführlich berichtet. Dort wird auch die Forderung der Verlage nach einstweiligen Maßnahmen erläutert. Ziel ist es, die KI-Zusammenfassungen zumindest vorübergehend zu stoppen, um irreversible Schäden – etwa durch dauerhaft verlorene Reichweite – abzuwenden. Ob die EU-Kommission tatsächlich eine solche Maßnahme ergreifen wird, ist derzeit offen. Erfahrungsgemäß sind einstweilige Verfügungen im Kartellrecht selten und an hohe Hürden gebunden.

Urheberrecht als flankierender Hebel?

Auch aus urheberrechtlicher Sicht sind die AI Overviews nicht unproblematisch. Denn anders als klassische Chatbots analysiert Googles KI Inhalte nicht auf Basis eines festgelegten Trainingsdatensatzes, sondern greift bei jeder Anfrage in Echtzeit auf öffentlich zugängliche Webseiten zurück. Technisch handelt es sich dabei um einen Vervielfältigungsvorgang – und der ist urheberrechtlich grundsätzlich zustimmungspflichtig.

Zwar erlaubt das deutsche Urheberrecht nach §§ 44b UrhG unter bestimmten Bedingungen das sogenannte Text- und Data-Mining. Doch diese Ausnahme greift nur, wenn der Rechteinhaber nicht ausdrücklich widerspricht – etwa durch eine robots.txt-Datei. Das Problem: Wer einen solchen Widerspruch einlegt, verschwindet derzeit nicht nur aus den KI-Zusammenfassungen, sondern auch aus den regulären Suchergebnissen. Eine gezielte Sperre allein gegen KI-Zugriffe ist bislang nicht möglich.

Ab August 2026 könnte sich dies ändern. Dann tritt eine neue Vorschrift des europäischen AI Act in Kraft. Sie verpflichtet Anbieter generativer KI dazu, ihre Crawler technisch unterscheidbar zu machen. Webseitenbetreiber könnten dann gezielt den Zugriff für KI-Tools sperren, ohne gleich komplett aus dem Index zu fliegen. Ob dies in der Praxis den gewünschten Effekt hat, ist offen.

Fazit: Zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit

Die Beschwerde gegen Google zeigt deutlich: Mit der zunehmenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz geraten bisherige Marktmechanismen ins Wanken. Plattformen wie Google verwandeln sich von Vermittlern zu eigenen Inhaltsanbietern – mit massiver Marktmacht. Das Kartellrecht, der DMA, der DSA und der EMFA bieten der EU-Kommission rechtliche Instrumente, um hier steuernd einzugreifen.

Gleichzeitig muss beachtet werden, dass überzogene regulatorische Maßnahmen auch Risiken bergen: Eine übermäßige Einschränkung von KI-Funktionalitäten könnte die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im globalen Technologiewettbewerb schwächen. Wenn Plattformen wie Google bei innovativen Formaten blockiert werden, könnte dies Investitionen in europäische KI-Projekte abschrecken. Auch Nutzer profitieren durchaus von gut funktionierenden, kompakten Zusammenfassungen – etwa bei schnellen Informationsbedürfnissen oder in der mobilen Nutzung.

Verarbeitung von Nutzerdaten für KI-Training: OLG Köln weist Verfügungsantrag gegen Meta-Tochter ab

Nachdem Meta im April 2025 ankündigte, öffentlich zugängliche Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern für das Training eines KI-Modells verwenden zu wollen, wurde dies bereits breit diskutiert. Nun liegt die vollständige Entscheidung des OLG Köln vor.

Ein Verbraucherschutzverband beantragte im Eilverfahren:

  1. Untersagung des KI-Trainings mit öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten aus Facebook und Instagram – gestützt auf berechtigtes Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO).
  2. Hilfsweise Verbot der Zusammenführung solcher Daten aus beiden Diensten ohne Einwilligung – gemäß Art. 5 Abs. 2 DMA.

Der „Digital Markets Act“ (DMA) ist eine EU-Verordnung, die faire Wettbewerbsbedingungen auf digitalen Plattformmärkten schaffen soll. Sie richtet sich an besonders mächtige Internetunternehmen (sog. „Torwächter“) und legt ihnen spezifische Verhaltenspflichten auf. Unter anderem verbietet der DMA das Zusammenführen personenbezogener Daten aus verschiedenen Plattformdiensten, wenn keine wirksame Einwilligung der Nutzer vorliegt.

OLG Köln: Gesamtabweisung der Anträge

Das Gericht lehnte beide Anträge ab:

  • Kein DMA-Verstoß: Eine rein unspezifische Einbindung in einen KI-Datensatz stellt keine „gezielte Zusammenführung“ im Sinne des DMA dar.
  • DSGVO – berechtigtes Interesse bejaht: Meta verfolge legitime Zwecke beim KI-Training; die Mittel seien angemessen und keine mildere Alternative gegeben.
  • Transparenz & Opt-out: Ab 26. Juni 2024 sei die Nutzung öffentlich bewusst erfolgt und Nutzer konnten per Widerspruch oder Profiländerung aktiv intervenieren.

Gerichtliche Schwerpunktsetzung

  • Sensible Daten: Selbst sensible Infos aus öffentlichen Beiträgen könne nach Art. 9 Abs. 2 lit. e DSGVO zulässig sein – sofern solche Daten aktiv veröffentlicht wurden.
  • Rolle der Aufsichtsbehörden: Im Verfahren wurden die irische Datenschutzaufsicht, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie der Europäische Datenschutzausschuss angehört. Keine dieser Behörden hatte Einwände gegen das aktualisierte Konzept von Meta.

Bewertung für Unternehmer & Plattformbetreiber

  • Leitlinie für KI-Projekte: Öffentlich zugängliche Inhalte dürfen – unter Bedingungen – auch ohne Einwilligung genutzt werden.
  • Erforderliche Voraussetzungen: Vollständige Transparenz, leicht umsetzbares Opt-out, technische Maßnahmen zur De-Identifikation.
  • Rechtliche Grenzen: Das Urteil ist einstweilig; im Hauptsacheverfahren könnten strengere Anforderungen folgen, besonders bei sensiblen Informationen oder Profilbildung.
  • DMA bleibt im Fokus: Höhere instanzliche Klärung nötig, wenn Gerätearten aus verschiedenen Plattformen individuell personalisiert zusammengeführt werden.

Fazit

Das OLG Köln stärkt temporär die Position von KI-Anbietern, indem es öffentlich verwendete Nutzer-Daten unter klaren Bedingungen erlaubt. Dennoch bleibt Wachsamkeit geboten: Hauptsacheverfahren, künftige Gesetzgebung (s. AI-VO) und mögliche Entwicklungen in Bezug auf sensible Daten oder Profiling können die Rechtslage erneut verschärfen. Dieses Urteil liefert einen plausiblen Rahmen – aber keine umfassende Legalisierung.

Es ist zudem wichtig zu beachten, dass sich das Gericht in dieser Entscheidung ausschließlich mit datenschutzrechtlichen und DMA-rechtlichen Fragen befasst hat. Urheberrechtliche Aspekte – etwa ob die Verwendung von Fotos, Texten oder Videos für KI-Training zulässig ist – waren nicht Gegenstand der Entscheidung und bleiben daher unbeantwortet. Das OLG Köln stärkt temporär die Position von KI-Anbietern, indem es öffentlich verwendete Nutzer-Daten unter klaren Bedingungen erlaubt. Dennoch bleibt Wachsamkeit geboten: Hauptsacheverfahren, künftige Gesetzgebung (s. AI-VO) und mögliche Entwicklungen in Bezug auf sensible Daten oder Profiling können die Rechtslage erneut verschärfen. Dieses Urteil liefert einen plausiblen Rahmen – aber keine umfassende Legalisierung.