Unberechtigte Markenbeschwerde bei Amazon – OLG Nürnberg stärkt Händlerrechte

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 3 U 136/25) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die insbesondere Onlinehändler betrifft, die über Plattformen wie Amazon verkaufen. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Händler gegen unberechtigte Markenbeschwerden vorgehen kann – insbesondere, ob und wann die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten ersetzt werden müssen.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler verkaufte seit Jahren unter der Bezeichnung „M.“ Plüschtiere auf Amazon. Eine Mitbewerberin, die über eine Wort-Bildmarke „Teddys Rothenburg“ verfügte, meldete zwei Produkte des Klägers bei Amazon als Markenfälschungen. Amazon reagierte prompt mit einer Sperrung der Angebote.

Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines unabhängigen Markenherstellers. Der Händler versuchte mehrfach, eine einvernehmliche Lösung mit der Mitbewerberin zu erzielen – vergeblich. Erst nach Einschaltung einer Anwältin und einer Abmahnung lenkte die Beklagte ein und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gleichwohl verweigerte sie die Übernahme der Abmahnkosten und erhob im Gegenteil sogar Widerklage.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das Oberlandesgericht Nürnberg gab dem Händler umfassend Recht und stellte klar:

  • Die Markenbeschwerde war unberechtigt
    Es lag keine Markenverletzung vor. Die Anzeige bei Amazon war daher als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu werten, die einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellt.
  • Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz
    Die Folge der unberechtigten Beschwerde war die Sperrung der Verkaufsangebote – mit potenziellen Umsatzverlusten. Der Kläger konnte daher die Feststellung verlangen, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht.
  • Die Abmahnkosten sind zu ersetzen
    Auch wenn das anwaltliche Schreiben nicht alle Anforderungen an eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erfüllte, handelte es sich um ein sogenanntes Anspruchsschreiben zur Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs. Dafür gelten andere Maßstäbe: Entscheidend ist, ob die Rechtsverfolgung aus Sicht des Betroffenen erforderlich und angemessen war – was das Gericht bejahte.
  • Die Widerklage der Beklagten war unbegründet
    Die Beklagte konnte ihre eigenen Anwaltskosten nicht ersetzt verlangen, weil ihr Verhalten die Schutzrechtsverletzung nicht rechtfertigte. Selbst wenn das Abwehrschreiben des Klägers formale Mängel hatte, bleibt der Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung davon unberührt.
  • Die Feststellungsklage war zulässig
    Obwohl eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang hat, durfte der Kläger in diesem Fall auf Feststellung klagen. Eine konkrete Schadenshöhe war zum Zeitpunkt der Klage noch nicht bezifferbar, etwa wegen möglicher Folgen für die Amazon-Bewertungen oder zukünftige Umsätze.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist ein deutliches Signal an Markeninhaber, bei Beschwerden über angebliche Fälschungen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Die Schwelle zur Schutzrechtsverwarnung ist im Kontext von Plattformen wie Amazon schnell überschritten. Wer hier leichtfertig agiert, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen – einschließlich der Pflicht zur Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz.

Gleichzeitig schafft das Urteil Rechtssicherheit für betroffene Händler: Selbst wenn sie mit anwaltlicher Hilfe reagieren und die formalen Anforderungen an eine Abmahnung nicht vollständig einhalten, können sie ihre Kosten ersetzt verlangen – sofern es um die Abwehr eines deliktischen Eingriffs geht.

Fazit

Unberechtigte Markenbeschwerden bei Amazon sind kein Kavaliersdelikt. Wer Mitbewerber fälschlich beschuldigt und dadurch deren Geschäft beeinträchtigt, haftet – sowohl auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz. Onlinehändler sollten daher nicht zögern, gegen solche Eingriffe juristisch vorzugehen.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

Keine Markenverletzung trotz identischem Namen: OLG Frankfurt entscheidet im Fall „TERRA GRECA“

Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei ähnliche Wort-Bildmarken mit dem identischen Wortbestandteil „TERRA GRECA“. Die Klägerin, ein griechischer Nudelhersteller, wurde von der Beklagten, Inhaberin einer EU-Marke für diverse Lebensmittel (nicht aber Teigwaren), wegen angeblicher Markenrechtsverletzung abgemahnt. Gegenstand der Abmahnung war der Vertrieb von „Penne“-Nudeln durch einen deutschen Importeur unter Verwendung des Zeichens „TERRA GRECA“.

Die Klägerin wehrte sich gegen diese Abmahnung und begehrte Unterlassung, Auskunft und Kostenerstattung – mit Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt (Urteil vom 06.02.2025, AZ: 6 U 277/21) wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main. Die Richter stellten fest, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den streitgegenständlichen Zeichen besteht – trotz identischen Wortbestandteils und begrifflicher sowie klanglicher Übereinstimmung.

1. Verwechslungsgefahr verneint

Entscheidend war aus Sicht des Gerichts, dass es sich bei „TERRA GRECA“ um eine beschreibende Angabe („griechisches Land“) handelt, der Verkehr also eher an die Herkunft denkt als an ein bestimmtes Unternehmen. Die Bildbestandteile der Zeichen unterschieden sich zudem deutlich in Gestaltung, Farbe und Gesamtwirkung. Aufgrund der lediglich geringen Ähnlichkeit der Waren – die Marken der Beklagten schützen keine Teigwaren – und des Kaufs „auf Sicht“ (typisch bei Lebensmitteln), war eine Verwechslung ausgeschlossen.

2. Unberechtigte Abnehmerverwarnung

Die Abmahnung durch die Beklagte stellte nach Auffassung des Gerichts einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar (§§ 823, 1004 BGB analog). Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse daran, ihre Geschäftsbeziehungen zu schützen. Die Schutzrechtsverwarnung war mangels Rechtsverletzung unberechtigt.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht, dass markenrechtliche Abmahnungen sorgfältig geprüft werden müssen – insbesondere dann, wenn das Zeichen einen stark beschreibenden Charakter hat und die betroffenen Waren nicht identisch oder hochgradig ähnlich sind. Für Hersteller und Händler bedeutet dies: Auch bei gleichlautenden Zeichen sind Markenkollisionen nicht automatisch gegeben – vor allem, wenn typische Alltagswaren wie Nudeln „auf Sicht“ gekauft werden.