Marktmissbrauch durch grundlose Seitensperre: OLG Düsseldorf stärkt Rechte von Kulturverein gegenüber Social-Media-Plattform

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einem bemerkenswerten Urteil entschieden, dass die Sperrung der Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf durch Meta ohne vorherige Anhörung und ohne nachvollziehbare Begründung einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt und somit gegen das deutsche Kartellrecht verstößt.

Hintergrund des Falls:

Im Dezember 2021 wurde die Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf, eines gemeinnützigen Kulturvereins, von Meta ohne Vorwarnung und ohne Angabe konkreter Gründe gesperrt. Die Sperrung erfolgte mutmaßlich aufgrund eines Bildes aus dem Film „Der Schamane und die Schlange“, das indigene Personen im Lendenschurz zeigt. Dieses Bild könnte von automatisierten Systemen fälschlicherweise als Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook bewertet worden sein.

Trotz mehrfacher Versuche des Vereins, eine Begründung für die Sperrung zu erhalten oder eine Überprüfung zu veranlassen, blieb Meta untätig. Erst im Mai 2023 wurde die Seite ohne weitere Erläuterung wieder freigeschaltet.

Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf und verurteilte Meta zur Unterlassung solcher Sperren in der beanstandeten Form.

Die Richter stellten fest, dass Meta mit der Sperrung ohne vorherige Information und Anhörung gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB verstoßen hat. Meta habe damit seine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt missbraucht und den Verein unzulässig behindert.

Zudem erkannte das Gericht einen Eingriff in die Grundrechte des Vereins, insbesondere in die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 GG.

Besondere Aspekte der Entscheidung:

  • Marktbeherrschende Stellung von Meta: Das Gericht bestätigte, dass Meta auf dem relevanten Markt eine marktbeherrschende Stellung innehat und daher besonderen kartellrechtlichen Verpflichtungen unterliegt.
  • Unzulässigkeit der Gerichtsstandklausel: Meta berief sich auf eine Klausel in den Nutzungsbedingungen, wonach Rechtsstreitigkeiten in Irland auszutragen seien. Das OLG Düsseldorf wies dieses Argument zurück und erklärte, dass kartellrechtliche Ansprüche nicht durch solche Klauseln ausgeschlossen werden können.
  • Verweis auf BGH-Rechtsprechung: Das OLG bezog sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sperrung von Nutzerkonten auf Plattformen und betonte, dass auch private Plattformen Grundrechte beachten müssen.

Fazit:

Diese Entscheidung ist besonders relevant für Unternehmen, Vereine und Organisationen, die soziale Netzwerke geschäftlich nutzen. Sie zeigt, dass Plattformbetreiber nicht nach Belieben Seiten sperren dürfen, insbesondere wenn sie auf dem relevanten Markt keine echte Konkurrenz haben. Wer geschäftlich auf Social Media angewiesen ist, hat unter bestimmten Voraussetzungen einen kartellrechtlichen Anspruch auf fairen Zugang – und kann sich gegen willkürliche Sperrungen wehren.

Empfehlung für Unternehmer:

Unternehmen und Organisationen, die auf soziale Netzwerke angewiesen sind, sollten:

  • Sicherstellen, dass sie über alternative Kommunikationskanäle verfügen, um im Falle einer Sperrung handlungsfähig zu bleiben.
  • Dokumentieren, wenn ihnen der Zugang zu sozialen Netzwerken grundlos oder ohne Anhörung verwehrt wird.
  • Frühzeitig rechtlichen Rat einholen, um mögliche kartellrechtliche Ansprüche zu prüfen und durchzusetzen.

Das Urteil des OLG Düsseldorf setzt ein klares Zeichen gegen die willkürliche Sperrung von Nutzerkonten durch marktbeherrschende Plattformen und stärkt die Rechte der Nutzer im digitalen Raum.

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Datum: 2. April 2025
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 5/24
Zitierung: REWIS RS 2025, 2746

Vorübergehende Sperrung eines Facebook-Accounts wegen „Hassrede“ rechtmäßig

Das OLG Dresden musste über die Rechtsmäßigkeit einer zwischenzeitlichen Sperrung eines Facebook-Accounts durch Facebook entscheiden. Facebook sperrte den Account des Klägers für 30 Tage, weil dieser lt. Facebook gegen die „Gemeinschaftsstandards“ von Facebook verstoßen habe, weil der Tatbestand der „Hassrede“ erfüllt sei.

Der Kläger hatte über seinen Facebook-Account Folgendes gepostet:

„Wo lebst denn Du, von den 1.300 Kinderehen, Morden, Ehrenmorden, Vergewaltigungen von Goldstücken, Kinderarmut und Altersarmut hast Du noch nichts mitbekommen?“

Facebook entfernte das Posting und sperrte den Kläger für 30 Tage.

Dagegen wehrte sich der Kläger zunächst vor dem Landgericht Chemnitz. Das Landgericht war der Meinung, dass die Sperrung des Facebook-Accounts rechtmäßig sei, weil in den sog. Gemeinschaftsstandards von Facebook festgelegt sei, dass eine Sperrung erfolgen könne, wenn eine sog. Hassrede vorläge und dieser Tatbestand hier erfüllt sei. Der Kläger wollte dies nicht akzeptieren und wehrte sich mit der Berufung gegen das Urteil zum OLG Dresden.  

In einem Hinweisbeschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 U 1471/19, ist das Oberlandesgericht der Auffassung, dass die Berufung des Klägers offensichtlich unbegründet ist, also die Sperrung des Accounts rechtmäßig erfolgte.

Zunächst ging es um die Frage, ob die sog. Gemeinschaftsstandards von Facebook überhaupt wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Da der Kläger die Nutzungsbedingungen und auch eine spätere Änderung der Nutzungsbedingungen durch Anklicken eines sog. Pop-Up-Fensters zustimmte, sah das Oberlandesgericht die Einbeziehung der Nutzungsbedingungen als wirksam an.

Das Gericht ist dann der Auffassung, dass die Klausel in den Nutzungsbedingungen, wonach ein Facebook-Account zeitweise gesperrt werden kann, wenn gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen wird, insbesondere eine sog. Hassrede vorliegt, wirksam ist.

Eine solche Klausel sei weder überraschend noch benachteilige sie den Nutzer unangemessen. Zudem sei die Definition der „Hassrede“ in den Gemeinschaftsstandards von Facebook hinreichend bestimmt.

So falle unter den Begriff der „Hassrede“ jede Art von „entmenschlichender Sprache“ in Bezug auf eine konkrete Personengruppe. Und dieser Tatbestand sei durch das Posting des Klägers auch erfüllt worden. Indem er Asylsuchenden pauschal unterstelle, dass diese Straftaten von beträchtlicher Bedeutung begehen, bediene sich der Kläger einer solchen entmenschlichender Sprache, weswegen Facebook berechtigt gewesen sei, das Posting zu entfernen und den Kläger vorübergehend zu sperren. Die in den Nutzungsbedingungen vorgesehene 30-tägige Sperrung sei verhältnismäßig und benachteilige den Kläger nicht unangemessen.