Das Landgericht Berlin II, AZ 15 O 260/22, hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage befasst, wann das bloße Abrufbarsein eines urheberrechtlich geschützten Musikwerks über eine ausländische Website in Deutschland als Urheberrechtsverletzung gilt.
Worum ging es?
Zwei Musikverlage hatten gegen eine Schweizer Kantonalbank geklagt. Die Bank hatte ein Imagevideo produzieren lassen, das mit Musik eines bekannten Komponisten unterlegt war. Dieses Video war auf mehreren Internetseiten der Bank sowie ihrem YouTube-Kanal eingestellt – allesamt ohne sogenannte Geoblockingsperren. Theoretisch war das Video also auch aus Deutschland abrufbar.
Die Klägerinnen verlangten Schadensersatz in Millionenhöhe und umfangreiche Auskünfte, da sie meinten, dass bereits die Möglichkeit des Abrufs in Deutschland eine Urheberrechtsverletzung begründe.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht stellte zunächst klar:
- Zuständigkeit: Das Gericht kann nur über Ansprüche entscheiden, soweit es um mutmaßliche Rechtsverletzungen in Deutschland geht. Für andere Länder ist die Schweizer Gerichtsbarkeit zuständig.
- Rechtliche Prüfung: Die bloße Abrufbarkeit einer Website in Deutschland genügt nicht, um eine urheberrechtliche öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des deutschen Urheberrechts anzunehmen.
- Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Anbieter gezielt ein deutsches Publikum ansprechen wollte.
- Solche Anhaltspunkte können z.B. eine deutsche Sprache, explizite Werbung für Deutschland, Liefermodalitäten nach Deutschland oder eine erkennbare Nutzeranzahl aus Deutschland sein.
Im konkreten Fall stellte das Gericht fest:
- Die Bank hatte weder eine deutsche Niederlassung noch deutsche Werbemaßnahmen.
- Der Anteil deutscher Zugriffe auf die Websites lag nachweislich bei unter 1 % oder gar bei null.
- Auch der Werbefilm selbst war nicht gezielt für den deutschen Markt bestimmt.
Daher fehle es an dem erforderlichen „wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug“.
Die Klage scheiterte somit.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil macht deutlich, dass Urheberrechtsinhaber genau darlegen müssen, dass ein klarer Bezug zu Deutschland besteht, wenn sie gegen Anbieter aus dem Ausland vorgehen. Allein die technische Möglichkeit, Inhalte in Deutschland abzurufen, reicht nicht aus.
Für Unternehmen mit internationalem Online-Auftritt bedeutet das:
- Solange die Angebote nicht gezielt auf deutsche Nutzer zugeschnitten sind, drohen in Deutschland in der Regel keine urheberrechtlichen Risiken.
- Dies gilt selbst bei bekannten Marken oder Inhalten, wenn die Nutzung auf andere Märkte ausgerichtet ist.
Andererseits zeigt die Entscheidung, dass bei einer gezielten Ansprache deutscher Kunden (z.B. durch deutsche Sprache, deutsche Domains oder gezielte Werbung) sehr wohl Ansprüche in Deutschland geltend gemacht werden können.
Gericht: Landgericht Berlin II
Datum der Entscheidung: 28.08.2024
Aktenzeichen: 15 O 260/22
Fundstelle: ZUM 2025, 541