Persönlichkeitsrecht schlägt Pressefreiheit: OLG Köln verbietet identifizierende Verdachtsberichterstattung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az. 15 U 208/25) zugunsten des Persönlichkeitsschutzes entschieden und mehreren Medien die weitere Verbreitung identifizierender Verdachtsberichterstattung untersagt. Im Zentrum des Falls stand ein Musiker, dem in mehreren Presseartikeln vorgeworfen wurde, sexuelle Kontakte zu jugendlichen Orgelschülern gesucht zu haben.

Was war passiert?

Mehrere Medien hatten in Print- und Onlineberichten Vorwürfe gegen den Antragsteller, einen Musiker, veröffentlicht. Die Artikel griffen dabei Ergebnisse eines internen Untersuchungsberichts der evangelischen Kirche auf, formulierten jedoch eigene Recherchen, Bewertungen und Schlussfolgerungen. Der Musiker sah sich dadurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und erwirkte beim Landgericht Siegen eine teilweise einstweilige Verfügung. Gegen dieses Urteil legten beide Seiten Berufung ein.

Kernaussagen des OLG Köln

Das OLG Köln gab dem Musiker nun umfassend Recht. Das Gericht stellte klar, dass die beanstandeten Äußerungen in vollem Umfang unzulässig seien. Es untersagte den Medien die Verbreitung der Aussagen unter Androhung hoher Ordnungsmittel.

Die Begründung:

  • Eigene Äußerung der Medien: Die betroffenen Berichte waren nicht bloße Wiedergabe fremder Aussagen, sondern eigene journalistische Darstellung – das heißt: Die Medien waren voll verantwortlich.
  • Identifizierende Berichterstattung: Da der Musiker namentlich und eindeutig erkennbar war, greift die Berichterstattung tief in dessen Persönlichkeitsrecht ein, insbesondere weil sie strafrechtlich oder moralisch belastende Vorwürfe enthielt.
  • Fehlende Stellungnahme des Betroffenen: Die Medien hatten den Betroffenen vor Veröffentlichung nicht zur Stellungnahme aufgefordert – ein zwingender Bestandteil zulässiger Verdachtsberichterstattung. Dass der Musiker sich zwei Jahre zuvor im Rahmen eines anderen Verfahrens nicht äußern wollte, entband die Redaktionen nicht von einer erneuten Kontaktaufnahme.
  • Falsche Darstellung: Eine der zentralen Aussagen, wonach der Musiker sexuelle Handlungen mit Jugendlichen eingeräumt habe, entsprach nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Wahrheit.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil betont erneut die hohen Anforderungen an die sogenannte Verdachtsberichterstattung. Medien dürfen über mögliche Verfehlungen nur berichten, wenn:

  • ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt,
  • keine Vorverurteilung erfolgt,
  • der Betroffene vorher angehört wird,
  • und seine Sichtweise in der Berichterstattung auch tatsächlich sichtbar gemacht wird.

Vor allem letzteres wurde im vorliegenden Fall verletzt. Eine nachträgliche Möglichkeit zur Stellungnahme reicht nicht aus, um diesen Fehler zu heilen.

Fazit

Das Urteil des OLG Köln stellt klar: Die Pressefreiheit endet dort, wo die Persönlichkeitsrechte Einzelner in rechtswidriger Weise verletzt werden. Wer über Verdachtsmomente berichtet, muss sorgfältig arbeiten – besonders wenn Namen genannt werden.


Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum: 23.10.2025
Aktenzeichen: 15 U 208/25