Die Tücken der Abmahnung: Warum die Mitbewerbereigenschaft präzise darlegen werden muss

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen gehören für viele Unternehmen zum Alltag. Sie dienen dazu, unlauteres Verhalten von Konkurrenten schnell und kosteneffizient abzustellen. Doch eine Abmahnung ist nur dann wirksam, wenn sie den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Urteil erneut klargestellt, wie wichtig die korrekte Begründung der eigenen Berechtigung zur Abmahnung ist. Dies ist eine wichtige Entscheidung für alle Unternehmer, die selbst aktiv gegen unlautere Konkurrenten vorgehen oder sich gegen Abmahnungen wehren müssen.


Was war passiert?

Ein Online-Nachrichten-Portal mahnte einen Konkurrenten wegen einer irreführenden Werbeaussage ab. In der Abmahnung wurde lediglich pauschal darauf hingewiesen, dass die Parteien Mitbewerber seien, da sie beide Online-Nachrichten für dieselbe Region anbieten und um denselben Kundenkreis konkurrieren. Der abgemahnte Konkurrent erkannte zwar den Verstoß an, weigerte sich jedoch, die Kosten für die Abmahnung zu übernehmen. Er war der Ansicht, die Abmahnung sei unwirksam, weil die Mitbewerbereigenschaft nicht ausreichend dargelegt wurde. Stattdessen forderte er seinerseits die Erstattung seiner eigenen Anwaltskosten für die Verteidigung gegen die Abmahnung.


Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main

Das Landgericht Frankfurt am Main gab dem abgemahnten Unternehmen Recht. Es wies nicht nur die Klage auf Erstattung der Abmahnkosten ab, sondern verurteilte den Abmahnenden zur Zahlung der Anwaltskosten für die Verteidigung.

Grundlage des Urteils ist § 13 Absatz 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Diese Vorschrift verlangt, dass die Abmahnung klar und verständlich die Anspruchsberechtigung begründen muss. Das bedeutet, der Abmahnende muss darlegen, warum er überhaupt berechtigt ist, eine Abmahnung auszusprechen.

Das Gericht stellte klar, dass eine bloße Behauptung, man sei Mitbewerber, nicht ausreicht. Es müssen konkrete Umstände vorgetragen werden, die belegen, dass man selbst in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt.

Im vorliegenden Fall hatte der Abmahnende dies versäumt. Er gab lediglich die Art seiner Tätigkeit an, lieferte aber keinerlei Informationen zum Umfang seiner Geschäftstätigkeit oder der Dauer seiner Marktpräsenz. Es fehlten Angaben, die eine Tätigkeit in „nicht unerheblichem Maße“ belegen würden, wie zum Beispiel die URL der Website, eine grobe Anzahl monatlicher Aufrufe oder eine ungefähre Umsatzangabe.

Das Gericht bestätigte seine bereits am 10.04.2025 in einer anderen Sache vertretene Rechtsauffassung, dass solche pauschalen Angaben nicht genügen. Das Urteil steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung anderer Gerichte. Wir haben bereits am 27.08.2025 über ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 04.10.2024 berichtet, das ebenfalls entschieden hat, dass in jeder Abmahnung Ausführungen zum konkreten Wettbewerbsverhältnis gemacht werden müssen. Das Landgericht Frankfurt liegt mit dieser Entscheidung voll auf dieser Linie.


Fazit und Empfehlung für Unternehmer

Dieses Urteil ist ein Weckruf für alle Unternehmer. Wer abmahnt, muss sicherstellen, dass die Abmahnung formal korrekt ist. Eine unzureichende Begründung der Mitbewerbereigenschaft kann nicht nur zum Verlust des Anspruchs auf Kostenerstattung führen, sondern auch dazu, dass man selbst die Anwaltskosten des Gegners tragen muss. Dies kann zu einem teuren Bumerang werden.

Achten Sie bei der Formulierung einer Abmahnung daher immer darauf, folgende Punkte präzise und nachvollziehbar darzulegen:

  • Wer Sie sind: Nennen Sie Ihr Unternehmen und Ihre Rechtsform.
  • Was Sie tun: Beschreiben Sie Ihre konkrete Geschäftstätigkeit, Ihre angebotenen Produkte oder Dienstleistungen.
  • Seit wann Sie am Markt sind: Geben Sie einen Hinweis auf die Dauer Ihrer Geschäftstätigkeit.
  • Ihr Marktvolumen: Verzichten Sie auf geheime Unternehmensdaten wie genaue Umsätze. Jedoch sind grobe Angaben (z.B. „mehr als X Kunden pro Jahr“, „Umsatz im niedrigen sechsstelligen Bereich“) oder Kennzahlen wie die Anzahl der Website-Aufrufe hilfreich, um die „nicht unerhebliche“ Geschäftstätigkeit zu belegen.

Eine professionell erstellte Abmahnung ist entscheidend für den Erfolg Ihrer Rechtsdurchsetzung und hilft, teure Überraschungen zu vermeiden.


Gericht: Landgericht Frankfurt am Main, 6. Zivilkammer
Datum: 02.07.2025
Aktenzeichen: 2-06 O 116/25
Fundstelle: REWIS RS 2025, 3820

Teurer Formfehler: OLG Köln verweigert Erstattung von Abmahnkosten

Eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist ein scharfes Schwert. Wer unlauter wirbt oder handelt, muss mit einer Unterlassungsaufforderung und der Übernahme der Anwaltskosten des Konkurrenten rechnen. Doch was passiert, wenn die Abmahnung selbst fehlerhaft ist? Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass formale Mängel in der Abmahnung dazu führen können, dass der Abmahnende auf seinen Kosten sitzen bleibt – selbst wenn der Wettbewerbsverstoß tatsächlich vorlag.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Unternehmen aus der Nahrungsergänzungsmittel-Branche mahnte einen Konkurrenten wegen verschiedener Werbeaussagen und der Kennzeichnung eines seiner Produkte ab. Die Abmahnung war in der Sache erfolgreich: Das Landgericht und später rechtskräftig das OLG Köln bestätigten den Unterlassungsanspruch. Der Abgemahnte musste die beanstandeten Handlungen einstellen.

Der Knackpunkt lag jedoch bei den Abmahnkosten in Höhe von fast 5.000 Euro. Das abmahnende Unternehmen forderte diese Summe vom Konkurrenten zurück. Das Gericht lehnte dies jedoch ab. Der Grund: Die Abmahnung erfüllte nicht die seit einigen Jahren verschärften gesetzlichen Anforderungen.

Die Entscheidung des OLG Köln: Keine Kosten ohne klare Angaben

Das Gericht stellte fest, dass die Abmahnung gegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt. Nach dieser Vorschrift muss ein abmahnender Mitbewerber in seiner Abmahnung „klar und verständlich“ darlegen, warum er überhaupt anspruchsberechtigt ist.

Es reicht nicht mehr aus, pauschal zu behaupten, man sei ein „Mitbewerber“. Der Gesetzgeber verlangt seit der UWG-Reform konkrete Angaben zur eigenen Marktstellung. Der Abmahnende muss belegen, dass er „in nicht unerheblichem Maße“ Waren oder Dienstleistungen vertreibt.

Im vorliegenden Fall hatte das abmahnende Unternehmen in seinem Schreiben lediglich darauf verwiesen, „bekanntermaßen“ eine Mitbewerberin zu sein und zitierte eine ältere Gerichtsentscheidung, in der es selbst einmal Partei war. Dies genügte dem OLG Köln nicht. Das Gericht führte aus:

  • Konkrete Angaben zur Geschäftstätigkeit sind Pflicht: Der Abmahnende muss zumindest ansatzweise seine eigene Geschäftstätigkeit beschreiben. Er muss darlegen, in welchem Umfang er am Markt tätig ist. Als Beispiele nennt das Gesetz „Größenkategorien der Zahl der Verkäufe“.
  • Wissen des Gegners ist unerheblich: Das Argument, der Abgemahnte wisse doch ohnehin, dass man ein ernstzunehmender Konkurrent sei, ließ das Gericht nicht gelten. Der Gesetzgeber habe bewusst formale Anforderungen geschaffen, um missbräuchliche Abmahnungen zu verhindern, die primär dem Geldverdienen dienen. Diese formalen Hürden können nicht durch das angebliche Wissen des Empfängers umgangen werden.
  • Folge des Formfehlers ist klar: Werden diese formalen Anforderungen nicht erfüllt, entfällt der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten komplett.

Praxistipp für Unternehmer

Die Entscheidung des OLG Köln hat erhebliche praktische Konsequenzen für jeden Unternehmer:

  1. Wenn Sie eine Abmahnung aussprechen: Stellen Sie sicher, dass Ihr Anwalt in das Abmahnschreiben konkrete und nachvollziehbare Angaben zu Ihrer eigenen Geschäftstätigkeit aufnimmt. Beschreiben Sie, dass und in welchem Umfang Sie konkurrierende Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Pauschale Floskeln sind riskant und können dazu führen, dass Sie trotz berechtigter Abmahnung Ihre Anwaltskosten selbst tragen müssen.
  2. Wenn Sie eine Abmahnung erhalten: Lassen Sie die Abmahnung nicht nur inhaltlich, sondern auch auf formale Mängel prüfen. Fehlen Angaben zur Marktposition des Abmahnenden? Ist nicht klar ersichtlich, inwiefern dieser ein ernsthafter Wettbewerber ist? Dann könnte der Anspruch auf Kostenerstattung unberechtigt sein. Dies ist ein wichtiger Hebel für die Verteidigung und kann Ihre Verhandlungsposition erheblich stärken.

Dieses Urteil zeigt einmal mehr, dass im Wettbewerbsrecht Details entscheidend sind. Ein formaler Fehler kann den Unterschied zwischen der erfolgreichen Durchsetzung von Ansprüchen und einem teuren Pyrrhussieg ausmachen.


Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum: 04.10.2024
Aktenzeichen: 6 U 46/24
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 298

Vorsicht bei Schutzrechtsmeldungen auf Amazon: OLG Nürnberg stärkt Anspruch auf Anwaltskostenerstattung bei unberechtigter Verwarnung

Wenn ein Händler auf Amazon unberechtigt wegen angeblicher Produktfälschungen gemeldet wird, kann das nicht nur den Umsatz empfindlich treffen – es kann für den Verwarnenden auch rechtlich teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (AZ: 3 U 136/25), das sich mit der Erstattung von Anwaltskosten nach einer sogenannten Schutzrechtsverwarnung beschäftigt hat.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler bot unter dem Namen „M.“ Produkte auf Amazon an. Die Gegenseite, ebenfalls Spielwarenanbieterin mit einem eigenen Shop auf derselben Plattform, meldete zwei seiner Angebote als Fälschungen einer geschützten Marke. Amazon reagierte prompt mit einer Sperre der betroffenen Artikel. Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines bekannten Lizenzherstellers – eine Markenverletzung lag nicht vor.

Der Händler versuchte zunächst, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Nachdem mehrere Kontaktversuche erfolglos blieben, beauftragte er eine Anwältin, die am 16. Januar 2024 eine Abmahnung aussprach und unter anderem die Erstattung der dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten forderte.

Das Urteil des OLG Nürnberg

In zweiter Instanz entschied das OLG Nürnberg zugunsten des Händlers:

  • Die Schutzrechtsverwarnung war unberechtigt.
  • Der Kläger kann Schadenersatz verlangen.
  • Die Abmahnkosten in Höhe von 1.295,43 Euro sind zu erstatten.
  • Die Widerklage der Gegenseite, mit der diese ihre Verteidigungskosten ersetzt haben wollte, wurde abgewiesen.

Warum diese Entscheidung wichtig ist

Das Urteil klärt eine wichtige Rechtsfrage: Muss eine Abmahnung, die sich auch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützt, die strengen formalen Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 13 UWG) erfüllen, damit die Abmahnkosten erstattungsfähig sind?

Die klare Antwort des Gerichts: Nein – jedenfalls dann nicht, wenn es sich (auch) um ein Anspruchsschreiben wegen eines deliktischen Eingriffs in den Gewerbebetrieb handelt. Denn eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen solchen Eingriff darstellen, für den der Verwarnte Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann. Und zwar unabhängig davon, ob das Abmahnschreiben im Sinne des Wettbewerbsrechts vollständig ist.

Die Lehren für Unternehmer

1. Wer unberechtigt meldet, haftet: Wird ein Händler durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung in seinem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt, kann er nicht nur Unterlassung, sondern auch Ersatz seiner Anwaltskosten verlangen.

2. Anspruchsschreiben brauchen keine UWG-Vollständigkeit: Bei einem auf Deliktsrecht (§ 823 BGB) gestützten Vorgehen müssen nicht sämtliche Anforderungen des § 13 UWG eingehalten werden – das gilt auch, wenn das Schreiben zusätzlich auf wettbewerbsrechtliche Aspekte Bezug nimmt.

3. Kein Rückgriff bei berechtigtem Anspruchsschreiben: Wer selbst rechtswidrig eine Schutzrechtsverwarnung ausspricht, kann die eigenen Verteidigungskosten nicht vom Geschädigten ersetzt verlangen – auch dann nicht, wenn dessen Abmahnschreiben formale Mängel aufweist.

Fazit

Unternehmer, die auf Plattformen wie Amazon tätig sind, sollten sich bewusst sein, dass unüberlegte oder unbegründete Markenmeldungen schwerwiegende rechtliche Folgen haben können. Wer unberechtigt agiert, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch Reputations- und Umsatzverluste. Umgekehrt gilt: Wer unrechtmäßig gemeldet wird, hat gute Chancen, seine Kosten ersetzt zu bekommen – auch ohne perfekte Abmahnung.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

BGH: Keine Vollstreckung aus alten Unterlassungstiteln ohne Listeneintrag – IDO unterliegt

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17. Juli 2025, I ZR 243/24, entschieden, dass Wirtschaftsverbände, die nicht in die Liste qualifizierter Verbände nach § 8b UWG eingetragen sind, keine älteren wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel mehr vollstrecken dürfen. Der Fall betraf den IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. – und stellt eine konsequente Fortführung der Linie dar, die wir bereits in unserem Beitrag vom 14. Mai 2025 zum OLG Köln beschrieben haben.

Hintergrund: Listeneintragung als Voraussetzung für Anspruchsberechtigung

Seit dem 1. Dezember 2021 dürfen nur noch solche Verbände wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen, die beim Bundesamt für Justiz in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die Übergangsregelung des § 15a UWG schützt lediglich die Klagebefugnis in bereits anhängigen Verfahren – nicht jedoch das Recht, aus älteren Titeln zu vollstrecken. Diese Abgrenzung ist entscheidend.

Der Fall: Vollstreckungsversuch durch den IDO

Der IDO hatte im Jahr 2020 gegen ein Handelsunternehmen aus dem Bereich Tierbedarf einen Unterlassungstitel erstritten. Im Jahr 2024 beantragte der Verband ein Ordnungsgeld wegen angeblicher Zuwiderhandlung. Das betroffene Unternehmen erhob daraufhin Vollstreckungsabwehrklage mit der Begründung, dem IDO fehle es mangels Listeneintragung an der erforderlichen Sachbefugnis.

Während das Landgericht die Klage für begründet hielt, wies das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage ab. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und stellte klar: Ohne Listeneintrag ist keine Vollstreckung zulässig.

Unsere Einschätzung der Entscheidung

Der BGH betont: Ein Unterlassungstitel wirkt in die Zukunft. Wer im Zeitpunkt der Vollstreckung nicht mehr anspruchsberechtigt ist, kann aus einem Titel auch dann nicht mehr vollstrecken, wenn dieser vor der Gesetzesänderung ergangen ist. Die Übergangsregelung des § 15a UWG bezieht sich ausdrücklich nur auf Klageverfahren, nicht auf Zwangsvollstreckung.

Diese Klarstellung schafft dringend benötigte Rechtssicherheit für Unternehmen, die sich nach Jahren mit alten Titeln konfrontiert sehen. Die Entscheidung ist zugleich eine klare Absage an die Praxis des IDO, mit veralteten Unterlassungstiteln weiter Druck auf Unternehmen auszuüben.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Wir empfehlen Unternehmern, bei jedem Vollstreckungsversuch durch einen Verband zu prüfen, ob dieser überhaupt noch in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen ist. Ist das nicht der Fall, bestehen gute Erfolgsaussichten für eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO.

Auch bestehende Unterlassungsverpflichtungen – insbesondere gegenüber dem IDO – sollten erneut geprüft werden. Wie wir bereits in unserem Beitrag vom 14. Mai 2025 zum OLG Köln gezeigt haben, können diese gegebenenfalls wirksam gekündigt werden.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum der Entscheidung: 17. Juli 2025
Aktenzeichen: I ZR 243/24

Unberechtigte Markenbeschwerde bei Amazon – OLG Nürnberg stärkt Händlerrechte

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 3 U 136/25) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die insbesondere Onlinehändler betrifft, die über Plattformen wie Amazon verkaufen. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Händler gegen unberechtigte Markenbeschwerden vorgehen kann – insbesondere, ob und wann die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten ersetzt werden müssen.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler verkaufte seit Jahren unter der Bezeichnung „M.“ Plüschtiere auf Amazon. Eine Mitbewerberin, die über eine Wort-Bildmarke „Teddys Rothenburg“ verfügte, meldete zwei Produkte des Klägers bei Amazon als Markenfälschungen. Amazon reagierte prompt mit einer Sperrung der Angebote.

Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines unabhängigen Markenherstellers. Der Händler versuchte mehrfach, eine einvernehmliche Lösung mit der Mitbewerberin zu erzielen – vergeblich. Erst nach Einschaltung einer Anwältin und einer Abmahnung lenkte die Beklagte ein und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gleichwohl verweigerte sie die Übernahme der Abmahnkosten und erhob im Gegenteil sogar Widerklage.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das Oberlandesgericht Nürnberg gab dem Händler umfassend Recht und stellte klar:

  • Die Markenbeschwerde war unberechtigt
    Es lag keine Markenverletzung vor. Die Anzeige bei Amazon war daher als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu werten, die einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellt.
  • Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz
    Die Folge der unberechtigten Beschwerde war die Sperrung der Verkaufsangebote – mit potenziellen Umsatzverlusten. Der Kläger konnte daher die Feststellung verlangen, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht.
  • Die Abmahnkosten sind zu ersetzen
    Auch wenn das anwaltliche Schreiben nicht alle Anforderungen an eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erfüllte, handelte es sich um ein sogenanntes Anspruchsschreiben zur Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs. Dafür gelten andere Maßstäbe: Entscheidend ist, ob die Rechtsverfolgung aus Sicht des Betroffenen erforderlich und angemessen war – was das Gericht bejahte.
  • Die Widerklage der Beklagten war unbegründet
    Die Beklagte konnte ihre eigenen Anwaltskosten nicht ersetzt verlangen, weil ihr Verhalten die Schutzrechtsverletzung nicht rechtfertigte. Selbst wenn das Abwehrschreiben des Klägers formale Mängel hatte, bleibt der Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung davon unberührt.
  • Die Feststellungsklage war zulässig
    Obwohl eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang hat, durfte der Kläger in diesem Fall auf Feststellung klagen. Eine konkrete Schadenshöhe war zum Zeitpunkt der Klage noch nicht bezifferbar, etwa wegen möglicher Folgen für die Amazon-Bewertungen oder zukünftige Umsätze.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist ein deutliches Signal an Markeninhaber, bei Beschwerden über angebliche Fälschungen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Die Schwelle zur Schutzrechtsverwarnung ist im Kontext von Plattformen wie Amazon schnell überschritten. Wer hier leichtfertig agiert, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen – einschließlich der Pflicht zur Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz.

Gleichzeitig schafft das Urteil Rechtssicherheit für betroffene Händler: Selbst wenn sie mit anwaltlicher Hilfe reagieren und die formalen Anforderungen an eine Abmahnung nicht vollständig einhalten, können sie ihre Kosten ersetzt verlangen – sofern es um die Abwehr eines deliktischen Eingriffs geht.

Fazit

Unberechtigte Markenbeschwerden bei Amazon sind kein Kavaliersdelikt. Wer Mitbewerber fälschlich beschuldigt und dadurch deren Geschäft beeinträchtigt, haftet – sowohl auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz. Onlinehändler sollten daher nicht zögern, gegen solche Eingriffe juristisch vorzugehen.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108