US-Urteil zu Anthropic und urheberrechtlich geschützten Büchern – Was bedeutet das für Deutschland?

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) erfordert enorme Datenmengen – oft in Form urheberrechtlich geschützter Texte. Doch was darf verwendet werden? Wann ist eine Nutzung rechtlich zulässig? Ein aktuelles Urteil aus den USA gibt darauf teils überraschende Antworten – mit wichtigen Implikationen für den deutschen Rechtsraum.

Der Fall: Anthropic und das KI-Training mit Millionen Büchern

Das US-Unternehmen Anthropic, Betreiber des LLM-Systems „Claude“, hatte Millionen Bücher zum Training seines Sprachmodells genutzt – teils aus legalen, teils aus illegalen Quellen. Drei Autoren klagten wegen Urheberrechtsverletzung. Das zuständige Bundesgericht (Northern District of California, Urteil vom 23.06.2025 – Az. C 24-05417 WHA) entschied differenziert:

  • Erlaubt: Training mit rechtmäßig gekauften und digitalisierten Büchern – die Nutzung sei „transformativ“ und falle unter „Fair Use“.
  • Erlaubt: Digitalisierung von Printbüchern zur internen Nutzung – als zulässiger Formatwechsel.
  • Nicht erlaubt: Aufbau einer digitalen Bibliothek mit Pirateriekopien – hierfür gebe es keine rechtliche Grundlage.

Fair Use – die US-Schranke im Überblick

Das US-Recht kennt eine offene Schranke namens „Fair Use“. Ob eine Nutzung erlaubt ist, wird anhand dieser vier Kriterien bewertet:

  1. Zweck der Nutzung (kommerziell oder gemeinnützig; transformativ?)
  2. Art des Werkes (Sachbuch oder Fiktion?)
  3. Umfang der Nutzung
  4. Auswirkungen auf den Marktwert des Originals

Diese Bewertung erfolgt stets im Einzelfall und lässt dem Gerichtsspielraum – das unterscheidet das US-System deutlich vom deutschen.

Und wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Das deutsche Urheberrecht enthält keine offene Fair-Use-Klausel, sondern streng definierte gesetzliche Ausnahmen:

§ 44a UrhG – Technisch bedingte Vervielfältigungen

Erlaubt sind nur flüchtige Kopien, etwa beim Streaming oder Caching. Gezielte Speicherung zur Analyse (z. B. für KI) ist davon nicht erfasst – das hat zuletzt auch das LG Hamburg (Urt. v. 27.09.2024 – 310 O 227/23) bestätigt.

§ 60d UrhG – Data Mining für wissenschaftliche Zwecke

Diese Vorschrift erlaubt Text- und Data-Mining – jedoch ausschließlich für nicht-kommerzielle Forschungseinrichtungen. Unternehmen können sich hierauf nicht berufen.

§ 44b UrhG – Kommerzielles Data Mining mit Opt-Out-Möglichkeit

Erlaubt automatisiertes Auslesen (TDM) durch Unternehmen – sofern der Rechteinhaber dem nicht widersprochen hat (z. B. durch maschinenlesbaren Hinweis). Wichtig: Die verwendeten Daten dürfen nicht dauerhaft gespeichert werden.

Was bedeutet das für Unternehmen, die LLMs trainieren möchten?

  • Der Einsatz von urheberrechtlich geschützten Texten bedarf einer sorgfältigen Prüfung.
  • Pirateriequellen sind rechtlich ausgeschlossen – unabhängig vom Verwendungszweck.
  • Für kommerzielle TDM-Prozesse kann § 44b UrhG einen rechtlichen Rahmen bieten – vorausgesetzt, die rechtlichen Voraussetzungen (kein Widerspruch, spätere Löschung) werden eingehalten.
  • Eine pauschale Ausnahme wie im US-amerikanischen „Fair Use“ existiert nicht.

Fazit

Die Entscheidung aus den USA zeigt: KI-Training mit urheberrechtlich geschützten Inhalten kann zulässig sein – aber es kommt auf den Zweck, die Herkunft der Daten und die Nutzungsart an. In Deutschland gelten klare Regeln: Wer mit urheberrechtlich geschützten Werken arbeitet, braucht entweder eine Lizenz oder muss sich genau innerhalb der gesetzlichen Schranken bewegen.

Fortbildungspflichten für Unternehmen beim Einsatz von KI

Der sog. AI-Act der EU – auch als KI-Verordnung oder als KI-Gesetz bezeichnet – ist bereits letztes Jahr am 01.08.2024 in Kraft getreten. Die relevanten Pflichten aus dem AI-Act treten aber erst nach und nach in Kraft, u.a. zum 02.02.2025, zum 02.08.2025 und am 02.08.2026.

Bei dem AI-Act handelt es sich um eine EU-Verordnung, die unmittelbar in allen Ländern der EU in Kraft tritt und – vergleichbar mit der DSGVO oder dem Digital Services Act (DSA) – keiner Umsetzung in ein deutsches Gesetz bedarf.

In der Presse und speziell in den sozialen Medien ist in letzter Zeit eine Diskussion über eine am 02.02.2025 in Kraft tretende Pflicht entbrannt, und zwar über die Verpflichtung aus Art. 4 des AI-Acts.

Der in der Diskussion stehende Art. 4 des AI-Acts verpflichtet „Anbieter“ und „Betreiber“ von KI-Systemen dazu, dass sie dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Mitarbeiter – unabhängig davon, ob es sich um Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter handelt – über ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügen. Sprich: Die Mitarbeiter müssen zu KI-Themen geschult werden.

Diskutiert wird nun die Frage, ob davon alle Unternehmen betroffen sind, die KI in irgendeiner Form einsetzen oder ihren Mitarbeitern erlauben, KI zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben zu benutzen, egal ob es sich um ein Large Language Model wie ChatGPT handelt oder um sog. Diffusion Models, wie z.B. Midjourney oder DALL-E.

Die Pflicht aus Art. 4 AI-Act adressiert zunächst die Anbieter von KI-Systemen. Nach der Definition des Anbieters in Art. 3 Nr. 3 AI Act fallen darunter Unternehmen, die KI-Systeme oder KI-Modelle entwickeln und in Verkehr bringen. Im Falle von ChatGPT wäre also der „Anbieter“ im Sinne dieser Vorschrift OpenAI.

Die Pflicht aus Art. 4 AI Act trifft aber auch den „Betreiber“. Nach Art. 3 Nr. 4 AI-Act ist der „Betreiber“ eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder sonstige Stelle, die ein KI-System in eigener Verantwortung verwendet, es sei denn, das KI-System wird nur zur persönlichen und nicht zur beruflichen Tätigkeit verwendet.

Legt man diese Definition weit aus, so würde tatsächlich z.B. jegliches Unternehmen darunterfallen, das den Einsatz von KI im Unternehmen ermöglicht.

Allerdings wird anhand des Tatbestandsmerkmals „in eigener Verantwortung“ geschlussfolgert, dass damit nicht jegliche Unternehmen, deren Mitarbeiter KI nutzen, gemeint sind. Hiernach gelten nur Unternehmen als „Betreiber“, die „Kontrolle“ über das eingesetzte KI-System haben. Ein Unternehmen, das ein KI-System lediglich als „Black Box“ einsetzt, ohne die Funktionsweise und die Auswirkungen zu verstehen oder zu beeinflussen, dürfte deshalb nicht als „Betreiber“ im Sinne des AI-Acts gelten.

Auch ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern z.B. die Nutzung von ChatGPT oder Midjourney als Arbeitshilfe gestattet, dürfte daher noch kein „Betreiber“ sein. Setzt das Unternehmen aber z.B. eigene, bei ChatGPT erstellte sog. GPTs, die auf eine eigene Wissensdatenbank zugreifen, ein und bindet diesen eigens erstellten GPTs über eine Schnittstelle z.B. zur Beantwortung von Kundenanfragen auf die eigene Webseite ein, sieht dies wahrscheinlich anders aus.

Die Beantwortung dieser Frage ist also nicht einfach. Da der AI-Act so konzipiert ist, dass jedes Unternehmen anhand der gesetzlichen Regelungen sich selbst einstufen und einschätzen muss, bedeutet dies natürlich, dass jedes Unternehmen anhand dieser leider sehr unscharfen Kriterien prüfen sollte, ob er unter den Begriff des „Betreibers“ fallen kann oder nicht.

Fällt ein Unternehmen unter den Begriff des „Betreibers“, so muss es konkrete Maßnahmen zur Förderung der KI-Kompetenz seiner Mitarbeiter in die Wege leiten. Zu diesen Maßnahmen können die Durchführung von Schulungen oder Workshops gehören, aber auch die Entwicklung interner Richtlinien, in denen klare Vorgaben für den Einsatz von KI-Systemen im Unternehmen festgehalten werden. Sollte ein Unternehmen unsicher sein, wie es sich selbst einzuschätzen hat und daher sicherheitshalber z.B. Fortbildungsmaßnahmen seiner Mitarbeiter ins Auge fassen, ist gleichwohl kein Grund zur Hektik, obwohl die Pflicht bereits Anfang Februar greift:

Aktuell steht noch gar nicht fest, welche Behörde in Deutschland die Umsetzung und Einhaltung der Pflichten aus dem AI-Act überwachen wird. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass dies noch vor der anstehenden Bundestagswahl geschehen wird.

Auch wenn Verstöße gegen die Pflichten aus dem AI-Act theoretisch mit Bußgeldern sanktioniert werden können, so gibt es also aktuell noch gar keine Behörde in Deutschland, die diese Bußgelder verhängen könnte.