GEMA klagt gegen Suno: Was bedeutet das für KI-generierte Musik und das Urheberrecht?

Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) hat Klage gegen das US-amerikanische KI-Unternehmen Suno Inc. eingereicht. Suno bietet ein KI-Tool an, das mithilfe von einfachen Anweisungen (sogenannten Prompts) Audioinhalte erzeugen kann. Die GEMA wirft Suno vor, geschützte Aufnahmen aus ihrem Repertoire ohne Lizenz verwendet zu haben, was eine Urheberrechtsverletzung darstelle. Konkret geht es darum, dass die KI Audioinhalte generiere, die bekannten Songs wie „Forever Young“, „Atemlos“ oder „Daddy Cool“ zum Verwechseln ähnlich sein sollen.

Was sind die Vorwürfe der GEMA?

  • Urheberrechtsverletzung: Die GEMA argumentiert, dass Suno durch die Nutzung der Werke ihrer Mitglieder das Urheberrecht verletze. Dies betreffe sowohl die Erstellung der Aufnahmen in den Systemen von Suno als auch die Nutzung der Originalwerke zum Trainieren der KI.
  • Fehlende Vergütung: Die GEMA kritisiert, dass Suno das Repertoire der GEMA systematisch für das Training ihres Musiktools genutzt und dieses nun kommerziell verwertet habe, ohne die Urheber finanziell zu beteiligen.
  • Forderung nach einem fairen Miteinander: Die GEMA betont, dass eine partnerschaftliche Lösung mit KI-Unternehmen nur mit der Einhaltung von Grundregeln eines fairen Miteinanders möglich sei, einschließlich des Erwerbs von Lizenzen.

Was fordert die GEMA?

Die GEMA fordert eine faire Vergütung für die Nutzung der Werke ihrer Mitglieder. Sie schlägt ein „Zwei-Säulen“-Lizenzmodell vor:

  • Vergütung für das KI-Training: Die GEMA verlangt, dass 30 Prozent der Netto-Einnahmen von Suno an die Urheber fließen, inklusive einer Mindestvergütung.
  • Beteiligung an generierten Werken: Die GEMA ist der Ansicht, dass die generierten Werke so stark auf den Originalwerken basieren, dass die Urheber auch an deren Nutzung beteiligt werden müssen.

Rechtliche Herausforderungen

Das Verfahren wirft wichtige Fragen in Bezug auf das Urheberrecht auf:

  • Rechtmäßigkeit des KI-Trainings: War das Training der Suno-KI mit urheberrechtlich geschützten Werken rechtmäßig? Das Urheberrechtsgesetz erlaubt in bestimmten Fällen das „Text- und Data Mining“ (§§ 44b, 60d UrhG), also die automatisierte Analyse digitaler Werke zur Mustererkennung. Allerdings gibt es hier Einschränkungen, insbesondere wenn die Urheber der Nutzung ihrer Werke für das KI-Training widersprochen haben.
  • Nutzungsvorbehalt: Entscheidend ist, ob die GEMA einen wirksamen Nutzungsvorbehalt erklärt hat. Seit 2021 erlaubt § 44b UrhG Text- und Data Mining, es sei denn, die Urheber haben dem „maschinenlesbar“ widersprochen. Ob ein solcher Widerspruch in maschinenlesbarer Form vorliegt, ist jedoch umstritten.
  • Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe: Die GEMA argumentiert, dass bereits die Generierung der KI-Songs eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe darstellt. KI-Systeme arbeiten jedoch nicht mit exakten Kopien, sondern mit statistischen Mustern.
  • Pflichten der KI-Anbieter: Nach dem AI Act müssen Anbieter von Mehrzweck-KI-Systemen wie Suno eine Strategie zur Einhaltung des EU-Urheberrechts vorlegen.

LG Hamburg: Nutzung von Bildern für KI-Training

Das Landgericht Hamburg hat sich in einem Urteil vom 27.09.2024 (Az. 310 O 227/23) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Training von KI-Systemen zulässig ist. Das Gericht hat entschieden, dass die Schrankenregelung des § 44a UrhG (vorübergehende Vervielfältigungshandlungen) für Trainingszwecke von KI nicht anwendbar ist.

  • Keine Flüchtigkeit: Das Gericht argumentierte, dass die Speicherung der Werke auf den Servern des KI-Herstellers nicht „flüchtig“ im Sinne des Gesetzes sei.
  • Keine Begleitfunktion: Das Herunterladen der Bilddateien zur Analyse sei kein bloß begleitender Prozess, sondern ein bewusster Beschaffungsprozess.

Allerdings tendierte das LG Hamburg in seiner Entscheidung dazu, dass ein Nutzungsvorbehalt in natürlicher Sprache (z.B. in AGB) genügen müsse, um die Nutzung eines Werkes für KI-Training zu untersagen. Dies könnte auch für die Klage der GEMA relevant sein, da es fraglich ist, ob die GEMA bzw. ihre Mitglieder einen solchen maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt rechtzeitig erklärt haben.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Die Klage der GEMA gegen Suno ist ein Präzedenzfall. Es ist noch unklar, wie die Gerichte die Nutzungsvorbehalte der Urheber bewerten werden. Das Urteil könnte richtungsweisende Antworten auf die Frage geben, wie mit KI-generierter Musik und dem Urheberrecht umzugehen ist.

Parallele in den USA

Auch in den USA gibt es ähnliche Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit KI-Training und Urheberrecht.

  • Ein US-Gericht, der District Court of Delaware, hat im Fall Thomson Reuters ./. Ross Intelligence entschieden, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Training einer KI nicht unter die „Fair Use“-Doktrin fällt, wenn das KI-Training kommerziellen Zwecken dient und sich negativ auf den Wert des geschützten Werks auswirkt.
  • Dieses Urteil könnte Auswirkungen auf KI-Anbieter haben, die in den USA tätig sind. Bemerkenswert ist, dass das Gericht die meisten Gerichtsentscheidungen, auf die sich KI-Unternehmen bislang berufen haben, als „irrelevant“ abgelehnt hat.
  • Die Entscheidung des US-Gerichts betraf einen Fall, in dem eine KI-Suchmaschine mit urheberrechtlich geschützten Headnotes trainiert wurde. Das Gericht argumentierte, dass die Nutzung nicht „transformierend“ sei, da die KI lediglich ein Konkurrenzprodukt erstellen sollte. Dies könnte ein wichtiger Unterschied zur generativen KI sein, die neue und transformative Werke schaffen kann. Das Gericht betonte, dass Ross mit seiner KI direkt mit Westlaw konkurrieren wollte, was ausreiche, um eine Marktbeeinträchtigung festzustellen. Es sei unerheblich, ob Reuters bereits KI-Trainingsdaten vermarkte – die Möglichkeit, dies zu tun, sei rechtlich schutzwürdig.

Auswirkungen für Deutschland

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtslage im Bereich der KI-generierten Musik, aber auch bei Texten, Grafiken etc., entwickeln wird.

Die mit der Nutzung von urheberrechtlichen Inhalten zu Trainingszwecken verbundenen urheberrechtlichen Fragen werden vermutlich erst in einigen Jahren höchstrichterlich geklärt werden. Es könnte sein, dass sich bis dahin entweder der Gesetzgeber entschließt, das Thema neu zu regeln (und dann, so ist meine Vermutung, eine „KI-Abgabe“ einführt, die an Verwertungsgesellschaften wie die GEMA zu zahlen ist) oder es zu Vereinbarungen zwischen Anbietern von KI und Verwertungsgesellschaften kommen wird.

Nochmals: Fortbildungspflichten für Unternehmen beim Einsatz von KI

Ende Januar habe ich darüber berichtet, dass ab dem 02.02.2025 die in Art. 4 des AI-Acts statuierte Fortbildungspflicht für  „Anbieter“ und „Betreiber“ von KI-Systemen in Kraft getreten ist.

Wer wissen möchte, wie sich die EU die Dokumentation dieser Verpflichtung vorstellt: seit Anfang Februar hat das EU-AI Office eine pdf-Datei dazu veröffentlicht, in welcher beispielhaft Unternehmen und deren Dokumentation dazu zu lesen ist.

Fortbildungspflichten für Unternehmen beim Einsatz von KI

Der sog. AI-Act der EU – auch als KI-Verordnung oder als KI-Gesetz bezeichnet – ist bereits letztes Jahr am 01.08.2024 in Kraft getreten. Die relevanten Pflichten aus dem AI-Act treten aber erst nach und nach in Kraft, u.a. zum 02.02.2025, zum 02.08.2025 und am 02.08.2026.

Bei dem AI-Act handelt es sich um eine EU-Verordnung, die unmittelbar in allen Ländern der EU in Kraft tritt und – vergleichbar mit der DSGVO oder dem Digital Services Act (DSA) – keiner Umsetzung in ein deutsches Gesetz bedarf.

In der Presse und speziell in den sozialen Medien ist in letzter Zeit eine Diskussion über eine am 02.02.2025 in Kraft tretende Pflicht entbrannt, und zwar über die Verpflichtung aus Art. 4 des AI-Acts.

Der in der Diskussion stehende Art. 4 des AI-Acts verpflichtet „Anbieter“ und „Betreiber“ von KI-Systemen dazu, dass sie dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Mitarbeiter – unabhängig davon, ob es sich um Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter handelt – über ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügen. Sprich: Die Mitarbeiter müssen zu KI-Themen geschult werden.

Diskutiert wird nun die Frage, ob davon alle Unternehmen betroffen sind, die KI in irgendeiner Form einsetzen oder ihren Mitarbeitern erlauben, KI zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben zu benutzen, egal ob es sich um ein Large Language Model wie ChatGPT handelt oder um sog. Diffusion Models, wie z.B. Midjourney oder DALL-E.

Die Pflicht aus Art. 4 AI-Act adressiert zunächst die Anbieter von KI-Systemen. Nach der Definition des Anbieters in Art. 3 Nr. 3 AI Act fallen darunter Unternehmen, die KI-Systeme oder KI-Modelle entwickeln und in Verkehr bringen. Im Falle von ChatGPT wäre also der „Anbieter“ im Sinne dieser Vorschrift OpenAI.

Die Pflicht aus Art. 4 AI Act trifft aber auch den „Betreiber“. Nach Art. 3 Nr. 4 AI-Act ist der „Betreiber“ eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder sonstige Stelle, die ein KI-System in eigener Verantwortung verwendet, es sei denn, das KI-System wird nur zur persönlichen und nicht zur beruflichen Tätigkeit verwendet.

Legt man diese Definition weit aus, so würde tatsächlich z.B. jegliches Unternehmen darunterfallen, das den Einsatz von KI im Unternehmen ermöglicht.

Allerdings wird anhand des Tatbestandsmerkmals „in eigener Verantwortung“ geschlussfolgert, dass damit nicht jegliche Unternehmen, deren Mitarbeiter KI nutzen, gemeint sind. Hiernach gelten nur Unternehmen als „Betreiber“, die „Kontrolle“ über das eingesetzte KI-System haben. Ein Unternehmen, das ein KI-System lediglich als „Black Box“ einsetzt, ohne die Funktionsweise und die Auswirkungen zu verstehen oder zu beeinflussen, dürfte deshalb nicht als „Betreiber“ im Sinne des AI-Acts gelten.

Auch ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern z.B. die Nutzung von ChatGPT oder Midjourney als Arbeitshilfe gestattet, dürfte daher noch kein „Betreiber“ sein. Setzt das Unternehmen aber z.B. eigene, bei ChatGPT erstellte sog. GPTs, die auf eine eigene Wissensdatenbank zugreifen, ein und bindet diesen eigens erstellten GPTs über eine Schnittstelle z.B. zur Beantwortung von Kundenanfragen auf die eigene Webseite ein, sieht dies wahrscheinlich anders aus.

Die Beantwortung dieser Frage ist also nicht einfach. Da der AI-Act so konzipiert ist, dass jedes Unternehmen anhand der gesetzlichen Regelungen sich selbst einstufen und einschätzen muss, bedeutet dies natürlich, dass jedes Unternehmen anhand dieser leider sehr unscharfen Kriterien prüfen sollte, ob er unter den Begriff des „Betreibers“ fallen kann oder nicht.

Fällt ein Unternehmen unter den Begriff des „Betreibers“, so muss es konkrete Maßnahmen zur Förderung der KI-Kompetenz seiner Mitarbeiter in die Wege leiten. Zu diesen Maßnahmen können die Durchführung von Schulungen oder Workshops gehören, aber auch die Entwicklung interner Richtlinien, in denen klare Vorgaben für den Einsatz von KI-Systemen im Unternehmen festgehalten werden. Sollte ein Unternehmen unsicher sein, wie es sich selbst einzuschätzen hat und daher sicherheitshalber z.B. Fortbildungsmaßnahmen seiner Mitarbeiter ins Auge fassen, ist gleichwohl kein Grund zur Hektik, obwohl die Pflicht bereits Anfang Februar greift:

Aktuell steht noch gar nicht fest, welche Behörde in Deutschland die Umsetzung und Einhaltung der Pflichten aus dem AI-Act überwachen wird. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass dies noch vor der anstehenden Bundestagswahl geschehen wird.

Auch wenn Verstöße gegen die Pflichten aus dem AI-Act theoretisch mit Bußgeldern sanktioniert werden können, so gibt es also aktuell noch gar keine Behörde in Deutschland, die diese Bußgelder verhängen könnte.