Unfreiwillig entblößt – OLG Frankfurt gewährt Geldentschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzung

Ein Model wird auf dem Laufsteg fotografiert – das wäre zunächst kein ungewöhnlicher Vorgang. Doch was passiert, wenn dabei ein abrutschendes Oberteil zu einer unfreiwilligen Entblößung führt und das entsprechende Bild trotz ausdrücklichen Widerspruchs veröffentlicht wird? Mit einem aktuellen Urteil vom 17. Juli 2025 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 16 U 7/24) eine klare Grenze gezogen: Das Persönlichkeitsrecht überwiegt – und kann eine Geldentschädigung rechtfertigen.

Der Fall: „Busen-Blitzer“ wider Willen

Die Klägerin, ein 22-jähriges Model, lief im Rahmen einer Frankfurter Modewoche ihren ersten professionellen Laufsteg. An der letzten Station des „Walks“ sollte sie – wie zuvor eingeübt – vor einem Sponsorenaufsteller posieren. In diesem Moment hatte sie nicht bemerkt, dass ihr Oberteil nach unten gerutscht war. Ein Fotograf hielt die Pose samt entblößter linker Brust auf einem Bild fest.

Obwohl die Klägerin sich ausdrücklich gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen hatte, erschien das Foto in Print und Online bei einer großen Boulevardzeitung. Die Beklagte hatte es mit dem reißerischen Hinweis auf einen „Busen-Blitzer“ veröffentlicht. Nach erfolgter Unterlassungsklage verlangte das Model eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000 Euro. Das Landgericht sprach ihr 5.000 Euro zu, das OLG Frankfurt reduzierte den Betrag auf 3.000 Euro.

Persönlichkeitsrecht kontra Pressefreiheit

Das OLG stellte unmissverständlich klar: Die Klägerin habe nicht in die Veröffentlichung des Bildes eingewilligt. Ihre Einwilligung bezog sich lediglich auf Aufnahmen der einstudierten Posen mit bedeckter Brust. Das abrutschende Oberteil – und damit die Entblößung – sei offensichtlich unfreiwillig erfolgt. Auch aus dem eigenen Beitrag der Zeitung ging hervor, dass der Vorfall als unbeabsichtigt erkannt wurde.

Die Veröffentlichung verletze daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin in schwerwiegender Weise. Besonders ins Gewicht fiel, dass es sich um den ersten öffentlichen Auftritt der jungen Frau handelte und sie durch die mediale Verbreitung in ihrem moralisch-sittlichen Empfinden gedemütigt wurde.

Warum „nur“ 3.000 Euro?

Das Gericht erkannte zwar die Persönlichkeitsrechtsverletzung an, sah aber keine nachhaltigen Folgen. Die Klägerin habe sich – so das OLG – auf ihrem eigenen Instagram-Kanal durchaus freizügig präsentiert. Das Gericht interpretierte dies dahingehend, dass die Belastung durch das streitgegenständliche Foto nicht existenzerschütternd gewesen sei. Zudem sei kein konkreter Nachweis für berufliche oder soziale Benachteiligungen durch das Bild erfolgt.

Dennoch betonte das Gericht, dass die Veröffentlichung gegen journalistische Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Die hohe Auflage der Zeitung und die bundesweite Verbreitung wurden ebenfalls negativ gewertet.

Fazit für die Praxis

Das Urteil zeigt: Die Veröffentlichung entblößender Fotos ohne Einwilligung – auch wenn sie im öffentlichen Raum entstanden sind – kann einen empfindlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen. Für Medienunternehmen bedeutet das: Eine sorgfältige Prüfung ist unerlässlich. Der „öffentliche Auftritt“ eines Menschen ist kein Freibrief zur uneingeschränkten Berichterstattung – vor allem nicht, wenn die Entblößung erkennbar unbeabsichtigt geschah.


Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Datum der Entscheidung: 17.07.2025
Aktenzeichen: 16 U 7/24

Fotoveröffentlichung bei Demonstrationen gestattet – OLG Nürnberg stärkt Pressefreiheit

Ausgangslage & Sachverhalt

Ein Foto, aufgenommen im Oktober 2022 auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen, zeigt den Kläger inmitten einer kapellenartigen Kundgebung mit Skelettsymbolik und plakativen Slogans („Die Impfung wirkt! TODSICHER“). Die Aufnahme wurde etwa fünf Monate später in einem Online-Artikel zur gesellschaftlichen Debatte über Corona-Maßnahmen verwendet. Der Kläger klagte – das Landgericht wies diese ab; das OLG Nürnberg, Beschluss vom 4.11.2024 (AZ: 3 U 1585/24), bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Basis & Prüfungsmaßstab

Nach §§ 22, 23 KunstUrhebergesetz (KUG) ist die Veröffentlichung von Bildnissen bei Versammlungen im zeitgeschichtlichen Kontext zulässig, sofern kein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird:

  • § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erlaubt Fotos von öffentlichen Versammlungen – hierzu zählen auch Demonstrationen.
  • § 23 Abs. 2 KUG wiederum schränkt ein, wenn die Abbildung entstellt oder aus ihrem Kontext gerissen ist. In diesem Fall ist ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt.

Das OLG stellte in seinem Beschluss klar:

  1. Auf Demonstrationen ist ein breites Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
  2. Der Kläger wurde nicht isoliert oder entstellt präsentiert, sondern als Teil eines repäsentativen Bildausschnitts.
  3. Die Veröffentlichung erfolgte in einem gesellschaftlich relevanten und redaktionell integrierten Kontext, ohne tendenziöse Ausgestaltung des Bildnutzens.

Kernaussage des Gerichts

Die Veröffentlichung war insgesamt rechtmäßig:

  • Die Demonstration war zeitgeschichtliches Ereignis.
  • Der Bildausschnitt war journalistisch angemessen und nicht vereinzelt auf die Person gerichtet.
  • Kein entschädigungswürdiges Persönlichkeitsrechtsinteresse lag vor.

Praxisrelevanz für Medien & Fotografen

  1. Demonstrationen = Versammlungen: möglichst breit dokumentieren – erlaubt nach KUG.
  2. Kontextbezug essentiell: journalistisch eingebettete Berichterstattung ist entscheidend.
  3. Keine Einzelstellung: Betroffene dürfen nicht isoliert hervorgehoben werden.
  4. Priorität des Informationsinteresses: gesellschaftlicher Diskurs über Corona-Maßnahmen rechtfertigt Bildnutzung.

Fazit & Handlungsempfehlung

Für redaktionelle Medien ist das Urteil ein klares Signal:

  • Bildaufnahmen bei öffentlichen Kundgebungen sind in den meisten Fällen zulässig.
  • Entscheidend bleibt die kontextgerechte Nutzung – keinen Fokus auf Einzelpersonen, keine Entstellung und eindeutiger zeitgeschichtlicher Bezug.
  • Wer solche Fotos nutzt, sollte ein kurzes juristisches Faktencheck-Label im Impressum oder Bildnachweis beifügen, um eigene Rechtsrisiken niedrig zu halten.

Das OLG Nürnberg liefert klare Leitlinien für den Umgang mit Fotos von Demonstrationen in redaktionellen Medien und stärkt das Recht auf Berichterstattung im öffentlichen Interesse.

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 4. November 2024
Aktenzeichen: 3 U 1585/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 323

Die Kuh und das Foto

Das Amtsgericht Köln hatte über einen eher ungewöhnlichen Fall zu entscheiden. Geklagte hatte eine Bäuerin, die Eigentümerin einer Kuh war. Die Beklagte bewarb mit einem Foto dieser Kuh einen Event. Dafür wollte die Klägerin einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von EUR 2.000,00.

Das AG Köln wies die Klage ab (AZ 111 C 33/10). Durch das Fotografieren der Kuh werde nicht in Eigentumsrechte der Halterin der Kuh eingegriffen, so das Gericht. Auch könne durch das Foto der Kuh kein Rückschluss auf die Klägerin gezogen werden, so dass auch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Halterin ausscheide, urteilte das Gericht weiter. Dies ist sicherlich der interessanteste Satz aus dem Urteil und lädt zu allerlei Assoziationen ein…

Nicht geprüft wurde die Frage, ob die Kuh ein eigenes Persönlichkeitsrecht inne hat….