Vertragsstrafe nach dem Hamburger Brauch: OLG Hamm konkretisiert Umfang und Risiken für Unternehmen

Werbung für Biozidprodukte ohne Warnhinweis

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Unternehmen im Jahr 2015 eine Unterlassungserklärung abgegeben, in der es sich verpflichtete, künftig nicht mehr für bestimmte Biozidprodukte ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweis zu werben. Die Erklärung war „nach Hamburger Brauch“ abgegeben – also mit variabler Vertragsstrafe. Jahre später warb dasselbe Unternehmen erneut für ein anderes Biozidprodukt – ebenfalls ohne Warnhinweis. Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen den alten Unterlassungsvertrag und verlangte die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 6.000 Euro.

Was ist der „Hamburger Brauch“?

Wer eine wettbewerbswidrige Handlung begeht – etwa durch irreführende Werbung oder fehlende Pflichtangaben – wird oft abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. In vielen Fällen enthält diese keine fixe Vertragsstrafe (z. B. 5.000 €), sondern folgt dem sogenannten Hamburger Brauch: Danach verpflichtet sich der Abgemahnte, im Fall eines künftigen Verstoßes eine angemessene Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe der Abmahner nach billigem Ermessen festlegt. Ein Gericht kann diese Summe später überprüfen.

Dieser flexible Mechanismus erlaubt eine individuell angepasste Sanktion, birgt aber auch Risiken – insbesondere dann, wenn nicht klar ist, wie weit die Unterlassungspflicht eigentlich reicht. Genau mit dieser Frage hatte sich nun das Oberlandesgericht Hamm auseinanderzusetzen.

Der Beschluss: Vertragsstrafe auch für „kerngleiche“ Verstöße

Das OLG Hamm stellte in seinem Hinweisbeschluss klar, dass sich der Unterlassungsvertrag nicht nur auf die konkret genannten Produkte, sondern auf alle kerngleichen Verstöße bezieht. Entscheidend sei nicht die genaue Produktbezeichnung, sondern das charakteristische Verhalten – hier: die Werbung für ein kennzeichnungspflichtiges Biozidprodukt ohne Warnhinweis.

Wichtig: Die Beklagte hatte zwar ursprünglich nur drei Produkte konkret in ihrer Erklärung benannt, doch durch die begleitende Korrespondenz und das Verhalten nach Abgabe der Erklärung habe sie bei ihrem Gegner den Eindruck erweckt, dass auch gleichartige Verstöße (z. B. bei anderen Biozidprodukten) umfasst seien. Sie hätte – so das Gericht – diesen Eindruck klarstellend zurückweisen müssen, wenn sie etwas anderes gewollt hätte.

Die Konsequenz: Vertragsstrafe ist verdient – und wirksam

Die Höhe der Vertragsstrafe wurde vom Kläger auf 6.000 € festgelegt. Das Gericht hält diesen Betrag für billig und angemessen:

  • Die Werbung betraf ein gesundheitsrelevantes Produkt ohne gesetzlich geforderten Warnhinweis.
  • Die Beklagte ist ein besonders marktstarkes Unternehmen mit Milliardenumsatz.
  • Es war bereits der dritte Verstoß gegen dieselbe Unterlassungserklärung.
  • Die Strafe erfüllt den Zweck, künftige Verstöße wirksam zu verhindern.

Auch eine höhere Vertragsstrafe – etwa 10.000 Euro – wäre laut OLG Hamm nicht unbillig. Die Berufung der Beklagten hatte daher keine Aussicht auf Erfolg.

Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss zeigt deutlich, wie weitreichend eine Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch verstanden werden kann. Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein:

  • Kerngleiche Verstöße sind auch dann umfasst, wenn nur bestimmte Produkte in der Erklärung benannt sind – solange das charakteristische Verhalten gleich bleibt.
  • Wer den Umfang seiner Unterlassungspflicht einschränken will, muss dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen.
  • Eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung kann Unternehmen über Jahre binden – und Verstöße teuer werden lassen.

Besonders im Onlinehandel, wo Produktbeschreibungen schnell geändert oder automatisiert übernommen werden, ist Vorsicht geboten. Interne Kontrollmechanismen sollten nach Abgabe einer Unterlassungserklärung verschärft werden.

Fazit

Der Hamburger Brauch bietet Flexibilität – sowohl für Abmahner als auch für den Abgemahnten. Doch diese Flexibilität erfordert Klarheit: Wer sich nicht ausdrücklich einschränkt, haftet unter Umständen für alle kerngleichen Verstöße. Für Unternehmen ist das ein Weckruf, Unterlassungserklärungen nicht nur juristisch prüfen zu lassen, sondern auch intern klare Maßnahmen zur Vermeidung von Folgefehlern zu treffen. Der Fall des OLG Hamm unterstreicht: Eine unklare Erklärung kann zur teuren Falle werden.


Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Datum: 15.07.2025
Aktenzeichen: 4 U 11/25

Print-Unterlassung endet nicht im Papierkorb – Online gilt mit

Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln (26. Juni 2025, Az. 14 O 165/24) zeigt: Wer eine Unterlassungserklärung wegen unlizenzierter Bildnutzung abgibt, muss mit einer weiten Auslegung rechnen – selbst dann, wenn das ursprünglich abgemahnte Medium ein anderes war als die letztlich streitige Veröffentlichung.

Ein Online-Händler hatte eines seiner Produktfotos, das er selbst professionell erstellt hatte, ohne seine Zustimmung in der Printausgabe einer Zeitschrift entdeckt. Der verantwortliche Verlag, der über 100 verschiedene Titel vertreibt, gab nach einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Diese bezog sich auf die öffentliche Zugänglichmachung genau dieses Bildes.

Wenig später stellte sich heraus: Auch in einer anderen Zeitschrift desselben Verlages war das Foto erschienen – bereits vor Abgabe der Unterlassungserklärung. Diese Zeitschrift war zwar nicht mehr im Handel erhältlich, aber weiterhin über eine digitale Presseplattform abrufbar. Der Verlag meinte, das falle nicht mehr unter die Unterlassungspflicht – schließlich sei das Heft „veraltet“ und die Erklärung habe sich nur auf die konkret abgemahnte Zeitschrift bezogen.

Gericht: Wortlaut der Erklärung genügt nicht – maßgeblich ist der Inhalt

Das Landgericht Köln sah das anders. Zwar war die ursprüngliche Abmahnung auf die gedruckte Verbreitung in einer bestimmten Zeitschrift gerichtet – die daraufhin formulierte Unterlassungserklärung bezog sich aber ausdrücklich auf die „öffentliche Zugänglichmachung“ des Bildes. Damit war der Wortlaut technisch auf digitale Nutzungen im Sinne von § 19a UrhG gerichtet – obwohl der Streit eigentlich die Printnutzung betraf (§ 17 UrhG).

Deshalb war es erforderlich, die Erklärung nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen: Aus Sicht des Gerichts war klar, dass der Fotograf nicht nur eine bestimmte Veröffentlichung, sondern jede weitere Nutzung des Bildes unterbinden wollte – egal, ob gedruckt oder digital. Der Verlag hätte demnach prüfen müssen, ob das Bild noch in anderen Ausgaben verwendet wurde – und insbesondere über digitale Dienste weiterhin abrufbar war.

Fazit des Gerichts:

  • Die Unterlassungserklärung war umfassend auszulegen.
  • Auch die Nutzung in anderen, bereits veröffentlichten Heften ist umfasst, sofern diese noch digital abrufbar sind.
  • Der Verlag hätte aktiv auf die Plattform einwirken müssen, um die Inhalte dort entfernen zu lassen.

Resultat:

  • Vertragsstrafe: 6.000 €
  • Ersatz beider Abmahnkosten
  • Zinszahlungen
  • vollständige Kostentragung des Verfahrens durch den Verlag

Was Unternehmer daraus lernen sollten:

  • Unterlassungserklärungen gelten umfassend – nicht nur für das konkret abgemahnte Medium, sondern für jede gleichartige Nutzung.
  • Wer viele Inhalte über verschiedene Kanäle veröffentlicht, muss intern sicherstellen, dass Verstöße umfassend geprüft und abgestellt werden.
  • Digitale Nachverwertungen – etwa über Plattformen – müssen zwingend berücksichtigt werden.

Gericht: Landgericht Köln
Datum: 26. Juni 2025
Aktenzeichen: 14 O 165/24