BGH: Keine Vollstreckung aus alten Unterlassungstiteln ohne Listeneintrag – IDO unterliegt

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17. Juli 2025, I ZR 243/24, entschieden, dass Wirtschaftsverbände, die nicht in die Liste qualifizierter Verbände nach § 8b UWG eingetragen sind, keine älteren wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel mehr vollstrecken dürfen. Der Fall betraf den IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. – und stellt eine konsequente Fortführung der Linie dar, die wir bereits in unserem Beitrag vom 14. Mai 2025 zum OLG Köln beschrieben haben.

Hintergrund: Listeneintragung als Voraussetzung für Anspruchsberechtigung

Seit dem 1. Dezember 2021 dürfen nur noch solche Verbände wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen, die beim Bundesamt für Justiz in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die Übergangsregelung des § 15a UWG schützt lediglich die Klagebefugnis in bereits anhängigen Verfahren – nicht jedoch das Recht, aus älteren Titeln zu vollstrecken. Diese Abgrenzung ist entscheidend.

Der Fall: Vollstreckungsversuch durch den IDO

Der IDO hatte im Jahr 2020 gegen ein Handelsunternehmen aus dem Bereich Tierbedarf einen Unterlassungstitel erstritten. Im Jahr 2024 beantragte der Verband ein Ordnungsgeld wegen angeblicher Zuwiderhandlung. Das betroffene Unternehmen erhob daraufhin Vollstreckungsabwehrklage mit der Begründung, dem IDO fehle es mangels Listeneintragung an der erforderlichen Sachbefugnis.

Während das Landgericht die Klage für begründet hielt, wies das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage ab. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und stellte klar: Ohne Listeneintrag ist keine Vollstreckung zulässig.

Unsere Einschätzung der Entscheidung

Der BGH betont: Ein Unterlassungstitel wirkt in die Zukunft. Wer im Zeitpunkt der Vollstreckung nicht mehr anspruchsberechtigt ist, kann aus einem Titel auch dann nicht mehr vollstrecken, wenn dieser vor der Gesetzesänderung ergangen ist. Die Übergangsregelung des § 15a UWG bezieht sich ausdrücklich nur auf Klageverfahren, nicht auf Zwangsvollstreckung.

Diese Klarstellung schafft dringend benötigte Rechtssicherheit für Unternehmen, die sich nach Jahren mit alten Titeln konfrontiert sehen. Die Entscheidung ist zugleich eine klare Absage an die Praxis des IDO, mit veralteten Unterlassungstiteln weiter Druck auf Unternehmen auszuüben.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Wir empfehlen Unternehmern, bei jedem Vollstreckungsversuch durch einen Verband zu prüfen, ob dieser überhaupt noch in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen ist. Ist das nicht der Fall, bestehen gute Erfolgsaussichten für eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO.

Auch bestehende Unterlassungsverpflichtungen – insbesondere gegenüber dem IDO – sollten erneut geprüft werden. Wie wir bereits in unserem Beitrag vom 14. Mai 2025 zum OLG Köln gezeigt haben, können diese gegebenenfalls wirksam gekündigt werden.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum der Entscheidung: 17. Juli 2025
Aktenzeichen: I ZR 243/24

OLG Köln: Unterlassungsvertrag mit dem IDO-Verband wirksam gekündigt – Stärkung für Unternehmer gegen missbräuchliche Abmahnungen

Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass ein Unternehmen einen mit dem IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO-Verband) geschlossenen Unterlassungsvertrag wirksam außerordentlich kündigen kann, wenn der Verband nicht mehr die gesetzlichen Voraussetzungen für Abmahnungen erfüllt. Der IDO-Verband ist seit Jahren für seine massenhaften Abmahnungen bekannt und steht in der Kritik, rechtsmissbräuchlich zu handeln.

Worum ging es?

Die Klägerin hatte mit dem IDO-Verband in den Jahren 2015 und 2018 Unterlassungsverträge geschlossen, um wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Im April 2022 kündigte sie diese Verträge außerordentlich, da der IDO-Verband nicht in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen war – eine Voraussetzung, um weiterhin Abmahnungen aussprechen zu dürfen. Zudem bestehen Zweifel an der Seriosität früherer Abmahnungen des Verbandes.

Der IDO-Verband argumentierte, seine Klagebefugnis könne wiederaufleben, sobald er eingetragen werde, und berief sich auf die Übergangsvorschrift des § 15a UWG.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte die Kündigung für wirksam. Es erkannte das Fehlen der Eintragung als qualifizierten Verband als ausreichenden wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB an. Das Gericht stellte klar, dass auch Altunterlassungsverträge gekündigt werden können, wenn der Gläubiger – hier der IDO-Verband – seine gesetzlich vorgesehene Klagebefugnis verliert. Die Klägerin müsse es nicht hinnehmen, durch einen nicht mehr qualifizierten Verband weiter kontrolliert zu werden. Entscheidend sei der Zeitpunkt der Kündigung – und zu diesem war der Verband nicht mehr sachbefugt.

Hintergrund zum IDO-Verband

Der IDO-Verband ist seit Jahren für seine massenhaften Abmahnungen bekannt und steht in der Kritik, rechtsmissbräuchlich zu handeln. So hatte das OLG Hamm in einem Urteil festgestellt, dass die Abmahntätigkeit des IDO in der Vergangenheit rechtsmissbräuchlichen Charakter hatte. Der BGH hob dieses Urteil zwar auf, verwies den Fall aber zur erneuten Prüfung zurück und betonte die Notwendigkeit einer genauen Prüfung bei zahlreichen nicht weiterverfolgten Abmahnungen.

Zudem ist der IDO-Verband unter Online-Händlern für seine Umtriebigkeit berüchtigt. Eine Abmahnwelle folgt der nächsten – stets nach dem gleichen Muster. Immer wieder geht es um Wettbewerbsverstöße, die sich einfach aufspüren lassen und dann massenhaft abgemahnt werden.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung ist ein starkes Signal an Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich gegen Altverträge mit Abmahnverbänden wie dem IDO-Verband zur Wehr setzen wollen. Wer durch einen solchen Verband vor Inkrafttreten der UWG-Reform zur Unterlassung verpflichtet wurde, kann unter bestimmten Umständen die Vertragsbindung durch außerordentliche Kündigung lösen.

Fazit

Das Urteil des OLG Köln stärkt die Rechte von Unternehmen gegen missbräuchliche Abmahnpraktiken. Es zeigt deutlich, dass nur qualifizierte und gesetzeskonforme Verbände berechtigt sind, wettbewerbsrechtlich tätig zu werden. Abmahnvereine wie der IDO-Verband, die diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, können sich nicht auf alte Unterlassungsverträge stützen.

Hinweis: Die Entscheidung des OLG Köln ist noch nicht rechtskräftig.

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum der Entscheidung: 04.04.2025
Aktenzeichen: 6 U 116/24
Vorinstanz: LG Köln, Urteil vom 31.10.2024 – 33 O 127/24
Veröffentlichung: MIR 2025, Dok. 031