Urheberrechtsverletzung durch Inhaltsangabe eines Romans in Lehrerhandreichung

Das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.06.2024 – Az. 19 O 5537/23, ZUM-RD 2025, 146) hat entschieden, dass die Wiedergabe der kompletten Handlung eines Romans auf einer Seite in einer Lehrerhandreichung eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung darstellt. Die Entscheidung ist besonders relevant für Schulbuchverlage und Bildungseinrichtungen, die urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen von Unterrichtsmaterialien nutzen.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin ist ein Verlag, der umfassende Nutzungsrechte an einem Jugendroman mit dem Titel „E.“ hält. Die Beklagte, ein Schulbuchverlag, veröffentlichte eine Lehrerhandreichung mit umfangreichen Inhalten zu diesem Roman. Diese enthielt unter anderem eine ausführliche Inhaltsangabe sowie ein „Zitate-Spiel“ mit 20 wörtlich übernommenen Zitaten aus dem Buch. Die Klägerin mahnte die Beklagte zunächst ab und forderte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Nach einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde Klage erhoben auf Zahlung der Abmahnkosten sowie Auskunft und Schadensersatzfeststellung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Nürnberg-Fürth gab der Klage größtenteils statt:

  • Vervielfältigung der Fabel als Sprachwerk (§ 16 UrhG): Die Inhaltsangabe gibt die wesentlichen Handlungsstränge und Beziehungsgeflechte des Romans wieder und stellt damit eine Vervielfältigung eines geschützten Sprachwerks dar. Die Fabel ist eigenständig schutzfähig.
  • Unzulässige Nutzung wörtlicher Zitate (§ 51 UrhG): Die 20 wörtlich übernommenen Zitate aus dem Roman erfüllen nicht die Voraussetzungen der Zitatschranke, da es an einer eigenen Auseinandersetzung mit dem Originaltext fehlt.
  • Keine Anwendung der Schrankenregelungen (§§ 51a, 60b UrhG): Weder handelt es sich um eine Parodie, Karikatur oder ein Pastiche (§ 51a UrhG), noch liegt eine privilegierte Nutzung im Rahmen von Unterrichtsmedien (§ 60b UrhG) vor. Die Handreichung stellt keine Sammlung i.S.d. § 60b Abs. 3 UrhG dar, da sie sich ausschließlich auf ein einziges Werk konzentriert.
  • Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 UrhG): Das Gericht bejahte die Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund fahrlässigen Handelns – insbesondere weil vor Veröffentlichung kein rechtlicher Rat eingeholt wurde.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil verdeutlicht, dass eine Inhaltsangabe urheberrechtlich geschützter Werke, selbst in pädagogischem Kontext, rechtlich problematisch sein kann, wenn sie wesentliche schöpferische Elemente wiedergibt. Schulbuchverlage müssen bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien sorgfältig prüfen, ob die Nutzung urheberrechtlich zulässig ist oder eine Lizenz erforderlich wird. Besonders kritisch ist der Versuch, den urheberrechtlichen Schutz durch Berufung auf gesetzliche Schranken wie § 60b UrhG zu umgehen – dies greift nur bei echten „Sammlungen“ und nicht bei monografischen Lehrmaterialien.

Nächste Runde im Rechtsstreit „Metall auf Metall“

Wie in meinem Blog am 01.08.2019 berichtet, hatte der EuGH über Rechtsfragen entschieden, die der BGH ihm im Fall „Metall auf Metall“ zwischen Kraftwerk und Mosos P. zur Beantwortung vorgelegt hatte.

In dem seit über 20 Jahre schwelenden Rechtsstreit hat jetzt nun auch der BGH erneut entschieden. Die Details dazu können der Pressemitteilung des BGH vom 30.04.2020 entnommen werden.

Der BGH hat entschieden, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte.

Nun differenziert er zwischen Veröffentlichungen des Songs vor 2002 und nach 2002.

Grund hierfür ist, dass im Dezember 2002 eine EU-Richtlinie in Kraft trat, die das Urheberrecht europaweit harmonisierte. Daher unterteilte der BGH nun in die Rechtslage vor Dezember 2002 und nach Dezember 2002.

Dabei ist der BGH der Meinung, dass für sämtliche Verwertungshandlungen vor 2002 eine freie Benutzung i.S.d. § 24 UrhG vorliegt, also das Sampling zulässig war. Aber nach 2002 tendenziell keine zulässige Benutzung mehr gegeben ist.

Hintergrund dieser Unterscheidung ist der vom EuGH aufgestellte Grundsatz, dass § 24 UrhG, der die sog. freie Benutzung regelt, gegen die entsprechende Richtlinie verstoße und daher unwirksam sei.

Dabei legt der BGH nun die vom EuGH aufgezeigte Möglichkeit der Zulässigkeit von Samplings so aus, dass das in Betracht kommende sog. Zitatrecht im vorliegenden Fall nicht eingreift. So fehlt es wohl nach Auffassung des BGH an der vom EuGH genannten „Interaktion“ zwischen Original- und Samplingwerk.

Bislang liegt nur die Pressemitteilung vor, so dass ich noch nicht abschließend beurteilen kann, ob dies – wie die erste Entscheidung des BGH zu diesem Thema – quasi das endgültige Aus des Samplings ohne Einholung einer Zustimmung ist oder nicht. Tendenziell dürfte dem aber so sein. Der BGH bleibt also seiner alten Linie treu und sieht das Sampling unter urheberrechtlichen Aspekten sehr kritisch.

Der Rechtsstreit wurde aber zunächst an das OLG Hamburg zurückverwiesen, welches nun aufklären muss, ob es überhaupt Verwertungshandlungen nach 2002 gab. Ist dem der Fall, so muss das OLG Hamburg prüfen, ob ein Eingriff in die Leistungsschutzrechte von Kraftwerk vorliegt oder nicht. In Anbetracht der Vorgaben des BGH dürfte das OLG Hamburg dies wohl bejahen (müssen).

Vermutlich wird dann der Fall danach wiederum beim BGH landen. Ob dieser dann abschließend entscheiden wird oder ob Moses P. als derjenige, der vermutlich verlieren wird, wiederum versuchen wird, entweder beim Bundesverfassungsgericht oder sogar beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Entscheidung zu erwirken, muss abgewartet werden.

Ein schnelles Ende scheint jedenfalls nicht in Sicht.