Ein Blick in die DSGVO-Absurdität: Warum eine Google-Recherche 250 Euro kosten kann

Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 19. August 2025 (Az. 42 C 61/25) eine Entscheidung getroffen, die erneut zeigt, welche absurden Blüten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Praxis treiben kann.

Die Fallkonstellation: Recherche im Rechtsstreit

Ein Unternehmen hatte sich gegen eine Klage verteidigt, die von einem Kläger eingereicht wurde, der sich zuvor bei ihm beworben hatte. Um die Glaubwürdigkeit des Klägers zu überprüfen und einen möglichen Missbrauch zu klären, führte das Unternehmen eine Recherche durch – ganz einfach per Google. Dabei stieß es auf Informationen, die es für den Rechtsstreit als relevant ansah und in einem Schriftsatz vor Gericht verwendete. Was das Unternehmen jedoch versäumte: Es informierte den Kläger nicht unmittelbar über die durchgeführte Recherche.


Was das Gericht sagt: Der Recherche ist die Transparenz zu folgen

Das Gericht stellte fest, dass die Recherche an sich zulässig war, da sie der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens diente, nämlich der Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren. Das Amtsgericht Düsseldorf stellte klar, dass dies auch gilt, wenn die Ergebnisse der Google-Suche negative oder abwertende Inhalte über die betroffene Person zutage fördern.

Der entscheidende Haken, der die Verurteilung auslöste, war die fehlende Information des Klägers über die Datenerhebung. Nach Ansicht des Gerichts genügte es nicht, die Recherche-Ergebnisse lediglich im gerichtlichen Schriftsatz zu erwähnen. Das Unternehmen hätte den Kläger vielmehr „unverzüglich“ und „unmittelbar“ nach der Durchführung der Recherche über die Kategorien der verarbeiteten Daten informieren müssen.


Immaterieller Schaden ohne „Erheblichkeit“: Der Kontrollverlust genügt

Das Urteil unterstreicht, dass bereits ein einfacher Verstoß gegen die Informationspflicht einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz auslösen kann. Ein „erheblicher Nachteil“ der betroffenen Person ist dabei nicht erforderlich. Das Gericht beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach bereits der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellt, selbst wenn es zu keiner missbräuchlichen Verwendung gekommen ist.

Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Kläger in diesem Fall einen Schadensersatz von 250 Euro zusprach. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Recherche im Gegensatz zu anderen Fällen keine Außenwirkung hatte, da sie ausschließlich im Rahmen des Rechtsstreits stattfand. Zudem berücksichtigte das Gericht, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren geführt hatte und ein Datenschutzverstoß für ihn daher eine geringere „Strahlkraft“ habe.


Ein Fazit, das die Absurditäten der DSGVO offenlegt

Dieses Urteil ist ein beispielhafter Beweis für die Absurditäten der DSGVO. Es macht deutlich, dass selbst ein Unternehmen, das sich in einem Gerichtsverfahren wehrt und dafür im Internet frei verfügbare Informationen über den Kläger recherchiert, in eine DSGVO-Falle tappen kann. Die DSGVO verlangt hier nicht nur Transparenz, sie verlangt sie unverzüglich. Die Folgen sind bekannt: Auch wenn man alles richtig gemacht hat, kann man wegen eines Formfehlers zu Schadensersatz verurteilt werden.

An dieser Stelle drängt sich der Verweis auf unser Blog-Update vom 5. September 2025 auf. Dort haben wir bereits dargelegt, wie die aktuelle Rechtsprechung die DSGVO-Auswüchse weiter befeuert. Insbesondere sei hier auf das jüngste Urteil des EuGH vom 4. September 2025 (Az. C-655/23) verwiesen, das dem Trend des „Schadensersatzes ohne Schaden“ Tür und Tor öffnet und die Situation für Unternehmen noch weiter verschärft.


Gericht: Amtsgericht Düsseldorf
Datum: 19.08.2025
Aktenzeichen: 42 C 61/25
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 22886

BGH zur Bildberichterstattung im Wirecard-Skandal: Wenn ein Bild (doch) mehr sagt als tausend Worte

Im Zentrum der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2025, AZ: VI ZR 337/22, steht die Frage, ob ein Nachrichtenmagazin während eines laufenden Strafverfahrens das Foto eines Beschuldigten veröffentlichen darf. Anlass war ein SPIEGEL-Bericht über den Wirecard-Skandal, der mit einem unverpixelten Portraitfoto des ehemaligen Managers Oliver Bellenhaus bebildert war. Dieser hatte in der Vergangenheit die Wirecard-Tochtergesellschaft „CardSystems MiddleEast FZ-LLC“ geleitet, die eine zentrale Rolle in dem milliardenschweren Bilanzbetrug spielte.

Vorinstanzen: Bildberichterstattung zunächst untersagt

Das Landgericht München I und später das Oberlandesgericht München untersagten die Veröffentlichung des Fotos. Zwar erkannten beide Gerichte an, dass eine Namensnennung in einer Verdachtsberichterstattung zulässig sei, verneinten jedoch ein öffentliches Interesse an der bildlichen Identifizierung des Klägers. Sie betonten insbesondere die Gefahr einer Prangerwirkung und die Bedeutung der Unschuldsvermutung.

BGH: Öffentlichkeitsinteresse überwiegt im Einzelfall

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidungen auf. Die Richter stellten klar, dass im vorliegenden Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege. Der Wirecard-Skandal sei eines der größten Wirtschaftsverbrechen der Nachkriegsgeschichte und habe weit über den Finanzsektor hinaus politische und gesellschaftliche Relevanz entfaltet. Die Medienberichterstattung über zentrale Akteure sei daher von erheblichem öffentlichem Interesse.

Rolle des Klägers und freiwilliger Gang in die Öffentlichkeit

Besonders bedeutsam war für den BGH, dass der Kläger selbst die Öffentlichkeit suchte. Er hatte sich nicht nur freiwillig den Ermittlungsbehörden gestellt, sondern trat auch als Kronzeuge auf und entschuldigte sich öffentlich vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss. In dieser Situation könne sich der Kläger nicht auf einen vollständigen Schutz vor identifizierender Bildberichterstattung berufen.

Keine Verletzung berechtigter Interessen

Auch das konkrete Foto sah der BGH als unbedenklich an. Es handelte sich um eine sachliche Portraitaufnahme aus dem Jahr 2006, die keine entwürdigende oder verfälschende Wirkung entfaltete. Zudem hatte der Kläger ein vergleichbares Bild bereits selbst in einer Unternehmensbroschüre veröffentlicht. Eine zusätzliche Stigmatisierung durch die Veröffentlichung im SPIEGEL sei daher nicht anzunehmen.

Bedeutung für die Praxis: Pressefreiheit gestärkt

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Medienunternehmen, aber auch für Betroffene von Strafverfahren. Der BGH stellt klar: Auch während laufender Ermittlungen kann die Veröffentlichung eines unverpixelten Fotos zulässig sein – jedenfalls dann, wenn ein überragendes Informationsinteresse besteht, die Berichterstattung sachlich ist und der Betroffene bereits selbst in die Öffentlichkeit getreten ist.


Gericht: Bundesgerichtshof
Entscheidung vom: 27. Mai 2025
Aktenzeichen: VI ZR 337/22

Fotoveröffentlichung bei Demonstrationen gestattet – OLG Nürnberg stärkt Pressefreiheit

Ausgangslage & Sachverhalt

Ein Foto, aufgenommen im Oktober 2022 auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen, zeigt den Kläger inmitten einer kapellenartigen Kundgebung mit Skelettsymbolik und plakativen Slogans („Die Impfung wirkt! TODSICHER“). Die Aufnahme wurde etwa fünf Monate später in einem Online-Artikel zur gesellschaftlichen Debatte über Corona-Maßnahmen verwendet. Der Kläger klagte – das Landgericht wies diese ab; das OLG Nürnberg, Beschluss vom 4.11.2024 (AZ: 3 U 1585/24), bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Basis & Prüfungsmaßstab

Nach §§ 22, 23 KunstUrhebergesetz (KUG) ist die Veröffentlichung von Bildnissen bei Versammlungen im zeitgeschichtlichen Kontext zulässig, sofern kein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird:

  • § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erlaubt Fotos von öffentlichen Versammlungen – hierzu zählen auch Demonstrationen.
  • § 23 Abs. 2 KUG wiederum schränkt ein, wenn die Abbildung entstellt oder aus ihrem Kontext gerissen ist. In diesem Fall ist ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt.

Das OLG stellte in seinem Beschluss klar:

  1. Auf Demonstrationen ist ein breites Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
  2. Der Kläger wurde nicht isoliert oder entstellt präsentiert, sondern als Teil eines repäsentativen Bildausschnitts.
  3. Die Veröffentlichung erfolgte in einem gesellschaftlich relevanten und redaktionell integrierten Kontext, ohne tendenziöse Ausgestaltung des Bildnutzens.

Kernaussage des Gerichts

Die Veröffentlichung war insgesamt rechtmäßig:

  • Die Demonstration war zeitgeschichtliches Ereignis.
  • Der Bildausschnitt war journalistisch angemessen und nicht vereinzelt auf die Person gerichtet.
  • Kein entschädigungswürdiges Persönlichkeitsrechtsinteresse lag vor.

Praxisrelevanz für Medien & Fotografen

  1. Demonstrationen = Versammlungen: möglichst breit dokumentieren – erlaubt nach KUG.
  2. Kontextbezug essentiell: journalistisch eingebettete Berichterstattung ist entscheidend.
  3. Keine Einzelstellung: Betroffene dürfen nicht isoliert hervorgehoben werden.
  4. Priorität des Informationsinteresses: gesellschaftlicher Diskurs über Corona-Maßnahmen rechtfertigt Bildnutzung.

Fazit & Handlungsempfehlung

Für redaktionelle Medien ist das Urteil ein klares Signal:

  • Bildaufnahmen bei öffentlichen Kundgebungen sind in den meisten Fällen zulässig.
  • Entscheidend bleibt die kontextgerechte Nutzung – keinen Fokus auf Einzelpersonen, keine Entstellung und eindeutiger zeitgeschichtlicher Bezug.
  • Wer solche Fotos nutzt, sollte ein kurzes juristisches Faktencheck-Label im Impressum oder Bildnachweis beifügen, um eigene Rechtsrisiken niedrig zu halten.

Das OLG Nürnberg liefert klare Leitlinien für den Umgang mit Fotos von Demonstrationen in redaktionellen Medien und stärkt das Recht auf Berichterstattung im öffentlichen Interesse.

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 4. November 2024
Aktenzeichen: 3 U 1585/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 323