Architektenwerk oder Handwerk? LG Köln zum Urheberrecht an Innenraumgestaltung

In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht Köln (AZ: 14 O 145/23) zentrale Fragen zum Urheberrechtsschutz architektonischer Gestaltungen beantwortet – und dabei wichtige Maßstäbe für den Umgang mit Planungsleistungen, Fotografien und der öffentlichen Darstellung gelegt. Streitgegenstand war die Veröffentlichung professioneller Fotografien der Innenräume eines denkmalgeschützten Hofgebäudes im Internet und in Architekturmagazinen. Die beklagte Architektenfirma stellte das Projekt dabei so dar, als habe sie selbst die maßgebliche Umgestaltung vorgenommen.

Innenraumgestaltung als schutzfähiges Werk der Baukunst

Das Gericht betonte, dass auch eine Innenraumgestaltung urheberrechtlich geschützt sein kann. Entscheidend ist, dass die Gestaltung über reine Fachplanung hinausgeht und eine persönliche, kreative Entscheidung erkennen lässt.

Im vorliegenden Fall hatte das klagende Architekturbüro nach Überzeugung des Gerichts eine eigenständige, gestalterische Gesamtplanung vorgelegt – etwa durch die Kombination aus Sichtbeton, Treppenanlage und Galerie – und damit ein schutzfähiges Werk der Baukunst geschaffen.
Für die Außenansicht wurde der Urheberrechtsschutz dagegen verneint, weil sie im Wesentlichen aus denkmalrechtlichen Vorgaben resultierte und keinen eigenständigen schöpferischen Charakter hatte.

Damit stellt das Urteil klar:

  • Urheberrechtsschutz setzt keine spektakuläre Außenwirkung voraus.
  • Auch die Innenraumplanung kann bei hinreichender Individualität ein Werk im Sinne des Urheberrechts darstellen.
  • Der Denkmalschutz kann den kreativen Handlungsspielraum des Architekten erheblich einschränken und die Schutzfähigkeit mindern.

Veröffentlichung ohne Zustimmung verletzt Verwertungsrechte

Die Beklagte hatte die Innenraumfotos ohne Genehmigung online gestellt und zum Teil als Eigenleistung ausgegeben. Das LG Köln bejahte hier eine Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Eine bloße Nennung der Urheber hätte die Rechtsverletzung nicht beseitigt.

Die von der Beklagten in der Verhandlung angebotene Unterlassungserklärung war nach Auffassung des Gerichts unzureichend, da sie lediglich auf die Benennung der Architekten abzielte, nicht aber die Nutzung der Fotos selbst untersagte.

Kein Anspruch auf Gegendarstellung

Ein zentraler Streitpunkt war der Anspruch der klagenden Architekten, die Beklagte zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu verpflichten.
Hier hat das LG Köln dem Begehren jedoch eine klare Absage erteilt:

Gegendarstellungen sind vor allem presserechtliche Instrumente, nicht aber Bestandteil des Urheberrechts.

  • Das Urheberpersönlichkeitsrecht vermittelt primär einen Anspruch auf Urheberbenennung (§ 13 UrhG), nicht aber auf eine öffentlichkeitswirksame Gegendarstellung.
  • Die geforderte Gegendarstellung sei auch nicht geeignet, eine Rechtsverletzung dauerhaft zu beseitigen, da der Unterlassungsanspruch im Vordergrund stehe.

Das Urteil verdeutlicht damit die Grenzen urheberrechtlicher Ansprüche auf „Wiederherstellung der Ehre“. Wer als Architekt sein Werk nicht nur geschützt, sondern auch öffentlich richtig dargestellt sehen möchte, muss regelmäßig den Unterlassungs- und Benennungsanspruch geltend machen.

Schadensersatz nicht nach HOAI bemessen

Interessant ist zudem die Einschätzung des Gerichts zur Schadenshöhe:
Ein Lizenzanaloger Schadensersatz kann zwar beansprucht werden, jedoch nicht auf Basis der Honorarordnung für Architekten (HOAI). Diese regelt lediglich die Vergütung der Planungsleistung, nicht die Nutzung von Fotografien fertiger Werke. Das Gericht schätzte den Schadensersatz hier auf 10.000 €.


Gericht: Landgericht Köln
Datum der Entscheidung: 04.10.2024
Aktenzeichen: 14 O 145/23
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 279

OLG Brandenburg: Eigentümerinteresse überwiegt Urheberrecht beim Abriss eines Baukunstwerks

Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Potsdam plante den Abriss eines fünfgeschossigen Mehrfamilienhauses („T.-Haus“), das Teil eines größeren Wohnensembles ist und von den beklagten Architekten entworfen wurde. Aufgrund gravierender Baumängel war das Gebäude seit Jahren unbewohnbar und wirtschaftlich nicht mehr sanierbar. Ein Neubau mit 90 Wohnungen sollte an dessen Stelle treten.

Die Architekten beriefen sich auf ihr Urheberrecht (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 14 UrhG) und sahen im geplanten Abriss eine unzulässige Entstellung ihres Werkes.

Klage und Entscheidung:
Die Klägerin erhob eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass den Architekten keine urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche gegen den Abriss zustehen. Das Landgericht Potsdam gab der Klage statt. Die Berufung der Architekten vor dem OLG Brandenburg blieb erfolglos.

Kernaussagen des Urteils:
Das OLG bestätigte, dass das T.-Haus sowie die Gesamtanlage urheberrechtlich geschützte Werke der Baukunst darstellen. Der geplante Abriss stellt eine Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG dar. Dennoch überwiegt im Rahmen einer Interessenabwägung das Eigentümerinteresse:

  • Das Gebäude ist aufgrund erheblicher Baumängel unbewohnbar und wirtschaftlich nicht sanierbar.
  • Der geplante Neubau dient dem öffentlichen Interesse an bezahlbarem Wohnraum.
  • Die Architekten haben das Werk entgeltlich geschaffen und müssen mit Änderungswünschen des Eigentümers rechnen.
  • Die Nutzung des Grundstücks für den sozialen Wohnungsbau ist ein legitimes Ziel, das höher zu bewerten ist als der Erhalt des bestehenden Gebäudes.

Das Gericht betonte, dass das Urheberrecht bei Bauwerken nicht zu einer faktischen „Unveränderbarkeit“ führen dürfe, wenn berechtigte Interessen des Eigentümers entgegenstehen.

Fazit:
Das Urteil verdeutlicht, dass selbst urheberrechtlich geschützte Bauwerke unter bestimmten Voraussetzungen abgerissen werden dürfen. Entscheidend ist eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen. Eigentümer müssen nicht jede denkbare Sanierungsmöglichkeit ausschöpfen, wenn ein Neubau wirtschaftlich und städtebaulich sinnvoller erscheint.

Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
Datum der Entscheidung: 22.10.2024
Aktenzeichen: 6 U 58/22
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 199

Grönemeyer vs. CDU: Nutzung von Musik zu Wahlkampfzwecken

Kürzlich wurde in den Medien darüber berichtet, dass der bekannte Musiker Herbert Grönemeyer der CDU über seinen Anwalt untersagt hat, dessen Song „Zeit, dass sich was dreht“ für den Wahlkampf von Friedrich Merz zu nutzen.

Aus CDU-Kreisen war sodann zu lesen, dass die CDU für die Musik-Nutzung im Rahmen der Veranstaltung die entsprechenden Gebühren an die GEMA abgeführt habe.

In einem solchen Fall geht es aber nicht um die wirtschaftlichen Verwertungsrechte, die von der GEMA wahrgenommen werden, so z.B. das Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe über Lautsprecher.

Sondern es geht vielmehr um das Urheberpersönlichkeitsrecht bzw. das auch ausübenden Künstlern zustehende Künstlerpersönlichkeitsrecht.

Der BGH hat bereits mit Beschluss vom 11.05.2017, Az.: I ZR 147/16, GRUR-RR 2018, 61, festgestellt, dass jedenfalls in das Urheberpersönlichkeitsrecht eingegriffen werde, wenn Musik auf einer Wahlkampfveranstaltung einer verfassungswidrigen politischen Partei abgespielt werde.

Auch die bekannte Schlagersängerin Helene Fischer ist bereits erfolgreich gegen die NPD vorgegangen und hat dieser Partei untersagt, dass ihr Hit „Atemlos durch die Nacht“ auf politischen Veranstaltungen der Partei gespielt wird.

In den beiden entschiedenen Fällen ging es stets um besonders krasse Fälle, nämlich um die Nutzung eines Musikstücks auf Veranstaltungen einer rechtsextremen Partei.

Es stellt sich also die Frage, ob auch das Urheberpersönlichkeitsrecht einschlägig ist, wenn ein Musikstück von einer verfassungskonformen Partei, wie hier der CDU, benutzt wird und diese die GEMA-Gebühren für die öffentliche Wiedergabe bezahlt.

Der überwiegende Teil der Urheberrechtler geht allerdings davon aus, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht so weit reicht, dass es ein Urheber nicht hinnehmen muss, wenn seine Musik für eine Wahlkampfveranstaltung eingesetzt wird von einer Partei verwendet wird, welcher er nicht nahesteht, wie es wohl im vorliegenden Fall von Grönemeyer und der CDU ist.

„Jetzt geht´s los“ – aber nicht für die NPD

Der BGH hat mit jetzt veröffentlichtem Beschluss vom 11. Mai 2017 (AZ: I ZR 147/16) ein Urteil des OLG Jena bestätigt, wonach das Abspielen der Lieder „Wenn nicht jetzt, wann dann“ und „Jetzt geht’s los“ von der Kölner Band „Die Höhner“ bei NPD-Wahlkampfveranstaltungen das Urheberpersönlichkeitsrecht der Bandmitglieder verletzt.

Während des Landtagswahlkampfs 2014 in Thüringen hatte die NPD unter anderem die genannten Musikstücke abgespielt nachdem der Landesvorsitzende seine Wahlkampfrede gehalten hatte und in die Gespräche mit den Bürgern überleitete.

Der BGH führt dazu aus:

„Die Verwendung von Musikwerken im Wahlkampf einer politischen Partei, und sei es nur durch einen Transfer der von den Werken ausgehenden Stimmung, ist besonders geeignet, die Interessen der Urheber zu beeinträchtigen. Dabei muss der Urheber von Unterhaltungsmusik mit der Vereinnahmung durch verfassungsfeindliche Parteien nicht rechnen.“

Das Gericht hat bei der Abwägung auch die Verfassungsfeindlichkeit der NPD als Argument herangezogen. Ob ein Urheber sich auch dagegen wehren kann, wenn seine Musik für Wahlkampfveranstaltungen verfassungskonformer Parteien verwendet wird, der Urheber sich aber mit der Politik dieser Partei nicht identifiziert, bleibt offen.