Markenrecht und Onlinehandel: Kein Unterlassungsanspruch bei generierter Trefferliste ohne Markenverwendung

Wer eine Marke als Suchbegriff in einem Onlineshop oder auf einer Plattform eingibt, erwartet in der Regel passende Originalprodukte. Doch was passiert, wenn die Suchergebnisse ausschließlich Drittprodukte anzeigen, obwohl die Marke nicht in den Produktbeschreibungen auftaucht?

Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 07.08.2025, Az. 20 U 73/24) befasst und ein klares Signal gesetzt: Allein die Anzeige von Drittprodukten bei Eingabe eines markenrechtlich geschützten Begriffs führt nicht automatisch zu einer Markenrechtsverletzung.

Der Fall: Staubsaugerbeutel und Markenrechte

Die Klägerin, ein Hersteller von Staubsaugergeräten und -zubehör, ist Inhaberin einer eingetragenen Unionsmarke für Staubsaugerbeutel. Auf einer bekannten Handelsplattform wurde bei Eingabe dieser Marke eine Trefferliste mit Produkten eines Drittanbieters angezeigt – ohne Hinweis, dass es sich nicht um Originalware handelt. Die Produktbeschreibungen selbst enthielten die Marke nicht, sondern lediglich Formulierungen wie „geeignet für“ und den Hinweis „Kein Original“.

Die Klägerin warf dem Anbieter vor, die Marke als unsichtbares Keyword verwendet zu haben, um so von der Markenbekanntheit zu profitieren. Sie verlangte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.

Die Entscheidung: Keine Markenverletzung trotz Keyword-Nutzung

Das OLG Düsseldorf ließ offen, ob das Keyword tatsächlich durch die Beklagte gesetzt wurde. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre keine Markenrechtsverletzung gegeben. Entscheidend sei, ob durch die Anzeige der Angebote eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke erfolgt.

Nach Ansicht des Gerichts ist dies nicht der Fall: Ein durchschnittlicher Internetnutzer wisse, dass auf Handelsplattformen auch Drittprodukte bei Markensuchen angezeigt werden. Durch die Bezeichnungen „geeignet für“ und „kein Original“ sei für den Nutzer hinreichend erkennbar, dass es sich nicht um Originalware handelt. Auch die Tatsache, dass es sich um kompatible Beutel für ein Markenprodukt handelt, sei im Markt üblich und nicht per se irreführend.

Zudem liege keine sogenannte Störerhaftung vor: Die Beklagte habe keine Pflicht zur Kontrolle von automatisch generierten Suchergebnissen, solange sie diese nicht selbst beeinflusse.

Auch hervorzuheben ist, dass das Gericht auch keine Verpflichtung der Plattform oder des Anbieters sieht, bei der Eingabe eines markenrechtlich geschützten Begriffs darauf hinzuweisen, dass keine Originalprodukte gefunden wurden. Ein ausdrücklicher Hinweis wie „0 Treffer“ sei nicht erforderlich. Der Nutzer sei daran gewöhnt, dass bei Suchen nach Marken auch Alternativprodukte erscheinen, solange keine Irreführung vorliegt.

In Linie mit der Google-AdWords-Rechtsprechung

Das Urteil steht in einer Linie mit der etablierten Rechtsprechung zu Keyword-Advertising, insbesondere den bekannten Google-AdWords-Entscheidungen des EuGH und des Bundesgerichtshofs. Schon dort wurde klargestellt, dass die Nutzung fremder Marken als Keywords dann zulässig ist, wenn aus der Anzeige selbst für den Nutzer klar hervorgeht, dass keine wirtschaftliche Verbindung zum Markeninhaber besteht. Der Schutz der Herkunftsfunktion der Marke steht im Mittelpunkt. Genau diese Prüfung hat das OLG Düsseldorf vorgenommen und verneint, dass der angesprochene Durchschnittsnutzer von einer Verbindung zwischen der Beklagten und der Markeninhaberin ausgeht.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stellt klar: Die Verwendung eines Markennamens als Keyword ist nicht automatisch unzulässig. Im Gegenteil.

Es kommt auf die Gestaltung der Suchergebnisse und der Produktangebote an. Sofern aus der Darstellung eindeutig hervorgeht, dass es sich nicht um Originalprodukte handelt, liegt keine Markenverletzung vor.

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Datum: 07.08.2025
Aktenzeichen: 20 U 73/24

Irreführende Werbung auf Ticket-Marktplätzen: Wenn „Originalpreis“ und „Weiterverkauf“ in die Irre führen

Unternehmer, die Online-Marktplätze betreiben, stehen vor einer besonderen Herausforderung. Sie müssen nicht nur eine technische Plattform bereitstellen, sondern auch sicherstellen, dass die dort getätigten Angaben den strengen Anforderungen des Lauterkeitsrechts genügen. Das Landgericht Karlsruhe (AZ: 13 O 78/24 KfH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Verantwortlichkeit eines Betreibers eines Ticket-Zweitmarktes konkretisiert und dabei wichtige Grundsätze für den digitalen Handel festgelegt.

Der Fall: Ticketkauf mit Tücken

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein gegen den Betreiber eines bekannten Online-Marktplatzes für Veranstaltungstickets. Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei zentrale Punkte:

  1. Die Personalisierung von Tickets: Für ein Konzert wurden Tickets angeboten, die personalisiert waren. Das bedeutet, der Zutritt zur Veranstaltung ist nur der Person gestattet, deren Name auf dem Ticket steht. Trotz dieses Umstands warb die Plattform mit dem Hinweis „can resell if plans change“ (kann weiterverkauft werden, wenn sich Pläne ändern). Dies erweckte den Eindruck, die Tickets könnten problemlos weiterverkauft werden, was aber gerade nicht der Fall war.
  2. Der „Originalpreis“: Bei einem anderen Konzert wurde ein sogenannter „Originalpreis“ für die Tickets angegeben, der deutlich höher lag als der tatsächliche Erstmarktpreis des Veranstalters. Die Plattform hatte diese Angabe ungeprüft von den Verkäufern übernommen, was den potenziellen Käufern suggerierte, sie würden ein besonders günstiges Angebot erwerben.

Das Gericht musste entscheiden, ob der Marktplatzbetreiber für diese irreführenden Angaben haftbar ist, obwohl er die Tickets nicht selbst verkauft.

Die Entscheidung: Klare Verantwortlichkeit für Plattformbetreiber

Das Landgericht Karlsruhe gab dem Verbraucherschutzverein in den wesentlichen Punkten recht. Es stellte fest, dass die Plattform in beiden Fällen unlauter handelte.

  • Haftung für fehlende Hinweise: Das Gericht sah den Hinweis auf die Personalisierung als eine wesentliche Information im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Das Risiko, mit einem nicht auf den eigenen Namen lautenden Ticket abgewiesen zu werden, stellt für den Käufer einen erheblichen Nachteil dar. Die Aussage, ein Ticket könne problemlos weiterverkauft werden, ist unter diesen Umständen irreführend und unzulässig. Es reicht nicht aus, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinzuweisen, dass man die Angaben der Verkäufer nicht prüft.
  • Irreführung durch den „Originalpreis“: Die Verwendung des Begriffs „Originalpreis“ ohne den klaren Hinweis, dass es sich dabei um eine ungeprüfte Angabe des Verkäufers handelt, wertete das Gericht als Irreführung. Der Begriff „Original“ erweckt den Eindruck, der angegebene Preis sei der vom Veranstalter festgesetzte wahre Preis. Dies schaffe, so das Gericht, eine Täuschung über den tatsächlichen Preis und damit eine Irreführung des Verbrauchers.

Das Gericht betonte, dass die Haftung eines Marktplatzbetreibers umso größer wird, je mehr er die Gestaltung der Plattform über ein reines „Kleinanzeigen-Erscheinungsbild“ hinaus verantwortet. Eine professionell aufgemachte Plattform, die eigene Elemente wie den „Originalpreis“ oder Hinweise zur Weiterverkäuflichkeit hinzufügt, kann sich nicht hinter dem Argument verstecken, sie sei nur ein neutraler Vermittler. Sie übernimmt eine eigene Verantwortung für die Richtigkeit der präsentierten Informationen.

Interessant ist, dass die Klage in einem Punkt abgewiesen wurde. Die geforderte Information über Altersbeschränkungen wurde vom Gericht nicht als „wesentliche Information“ eingestuft. Begründung: Für einen durchschnittlichen Verbraucher, der ein Konzert der betroffenen Band besucht, ist die Annahme, Minderjährige würden alleine das Konzert besuchen, nicht realistisch. Die Plattform richtete sich zudem nicht primär oder ausschließlich an Minderjährige.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle Betreiber von Online-Marktplätzen. Sie verdeutlicht, dass eine rein passive Rolle im E-Commerce immer schwieriger wird.

  • Unternehmen müssen bei der Gestaltung ihrer Plattformen sorgfältig vorgehen. Eigene Beschreibungen oder Funktionen, die den Anschein einer Überprüfung oder Bestätigung der Angaben Dritter erwecken, können zu einer eigenen Haftung führen.
  • Wenn wesentliche Informationen, die für die Kaufentscheidung relevant sind, fehlen oder irreführend dargestellt werden, kann der Marktplatzbetreiber direkt in die Verantwortung genommen werden.
  • Ein allgemeiner Haftungsausschluss in den AGB reicht nicht aus, um sich vor den Ansprüchen des Lauterkeitsrechts zu schützen. Transparenz ist hier das oberste Gebot.

Gericht: Landgericht Karlsruhe
Datum: 24.09.2025
Aktenzeichen: 13 O 78/24 KfH
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 24182

Haftung von Plattformbetreibern: Urteil des Landgerichts Köln zu proaktiven Schutzpflichten bei Urheberrechtsverletzungen

Ein Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Juli 2025 präzisiert die Haftung von Betreibern von Online-Plattformen für Urheberrechtsverletzungen, die durch ihre Nutzer begangen werden. Demnach kann ein Betreiber als Täter haften, wenn er keine geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, um Rechtsverstöße wirksam zu bekämpfen, obwohl er mit deren Vorkommen allgemein rechnet.

Sachverhalt

Ein Fotograf klagte gegen die Betreiberin einer Vermittlungs-Plattform für private Flüge. Ein Pilot hatte auf der Plattform ein Angebot inseriert und dieses mit einem Foto des Klägers ohne dessen Erlaubnis bebildert. Der Kläger forderte die Plattformbetreiberin zur Unterlassung, zur Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung von Anwaltskosten auf.

Die Betreiberin argumentierte, sie sei als Host-Provider haftungsprivilegiert. Sie habe sich den Inhalt nicht zu eigen gemacht. In den Nutzungsbedingungen sowie durch einen Warnhinweis beim Upload-Vorgang würden Nutzer auf ihre Verantwortung für die Einhaltung von Urheberrechten hingewiesen. Nach Erhalt der Abmahnung sei die Entfernung des Fotos zudem unverzüglich veranlasst worden.

Entscheidungsgründe

Das Gericht verurteilte die Plattformbetreiberin. Eine Haftung ergab sich für das Gericht jedoch nicht aus dem Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), da dieses im vorliegenden Fall nicht anwendbar war. Die Plattform wurde als Online-Marktplatz im Sinne des Gesetzes qualifiziert, der primär Verträge vermittelt und nicht unter den engeren Anwendungsbereich des Gesetzes für Diensteanbieter zum Teilen von Online-Inhalten fällt.

Die Haftung wurde stattdessen auf die allgemeinen, von EuGH und BGH entwickelten Grundsätze zur Intermediärshaftung gestützt. Ein Betreiber begeht demnach eine eigene, täterschaftliche Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung, wenn er über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus einen Beitrag zur Rechtsverletzung leistet. Ein solcher Beitrag liegt vor, wenn der Betreiber weiß oder wissen müsste, dass auf seiner Plattform generell geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, und er trotzdem nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen wirksam zu bekämpfen.

Das Gericht stellte fest, dass sich die Betreiberin des Risikos von Urheberrechtsverletzungen bewusst war. Dies zeige sich durch die von ihr selbst implementierten Warnhinweise und die entsprechenden Klauseln in den Nutzungsbedingungen. Trotz dieses Wissens habe sie keine proaktiven technischen Maßnahmen ergriffen, um Verstöße zu verhindern. Das Argument der Beklagten, solche Maßnahmen seien technisch unmöglich oder unzumutbar, wurde vom Gericht als nicht ausreichend substantiiert zurückgewiesen. Als Beispiel für eine denkbare Maßnahme nannte das Gericht eine automatisierte, umgekehrte Bildersuche.

Da die Betreiberin somit nicht die Rolle eines rein passiven Anbieters einnahm, konnte sie sich nicht auf die Haftungsprivilegierung für Host-Provider berufen.

Konsequenzen der Entscheidung für Plattformbetreiber

Aus dem Urteil ergeben sich für Betreiber von Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten folgende Implikationen:

  • Bewusstsein für Rechtsverletzungen: Das Vorhalten von Klauseln zum Urheberrecht in AGB oder Warnhinweisen kann als Indiz dafür gewertet werden, dass der Betreiber mit Rechtsverstößen rechnet.
  • Pflicht zu proaktiven Maßnahmen: Ein rein reaktives „Notice-and-Takedown“-System ist nicht ausreichend, um eine täterschaftliche Haftung auszuschließen. Es müssen aktiv geeignete und zumutbare technische Vorkehrungen zur präventiven Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen geprüft und implementiert werden.
  • Substantiierung der Unzumutbarkeit: Betreiber, die sich darauf berufen, dass präventive Maßnahmen technisch oder wirtschaftlich unzumutbar sind, müssen dies detailliert und nachvollziehbar darlegen. Ein pauschaler Hinweis auf die Unternehmensgröße oder allgemeine Kosten genügt nicht.

Zusammenfassung

Das Urteil des LG Köln bestätigt die Tendenz in der Rechtsprechung, die Verantwortung von Online-Plattformen zu erhöhen. Betreiber sind verpflichtet, sich aktiv mit der Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen auseinanderzusetzen und entsprechende technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um einer direkten Haftung als Täter zu entgehen.


Gericht: Landgericht Köln
Datum: 24.07.2025
Aktenzeichen: 14 O 343/23