Urheberrechtsbeschwerde ohne Rechte – LG Köln schützt Musiker vor missbräuchlichem „Copyright-Strike“

Landgericht Köln, Urteil vom 09.01.2025, Az. 14 O 387/24, ZUM-RD 2025, 136

Wenn ein Musiker ein neues Werk veröffentlicht, ist das oft der entscheidende Moment für Reichweite und wirtschaftlichen Erfolg. Umso drastischer sind die Folgen, wenn diese Veröffentlichung durch Dritte ohne Rechtsgrundlage blockiert wird – etwa durch sogenannte „Copyright-Strikes“ auf Streaming-Plattformen. Das Landgericht Köln hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass ein solcher unberechtigter Eingriff erhebliche rechtliche Konsequenzen haben kann.

Der Fall

Der Kläger, ein unter dem Künstlernamen »B.« bekannter Musiker, hatte nach der Beendigung eines Exklusivvertrags mit einem Musiklabel (der Beklagten) ein neues Musikstück („I.“) veröffentlicht. Kurz nach Veröffentlichung war der Song auf mehreren großen Streaming-Diensten plötzlich nicht mehr abrufbar. Wie sich herausstellte, hatte ein Mitarbeiter der Beklagten im Namen der R. GmbH (dem Label) bei einer Plattform einen sogenannten „Copyright Infringement Case“ eingereicht – obwohl das Label zu diesem Zeitpunkt keine Rechte mehr an dem Werk hatte.

Die Anträge des Klägers

Der Kläger beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte. Ziel war es, der Beklagten zu verbieten, sich weiterhin unberechtigt als Inhaberin von Rechten an dem betroffenen Musikstück auszugeben und weitere „Copyright-Strikes“ einzureichen.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Köln bestätigte die bereits zuvor erlassene einstweilige Verfügung und stellte sich eindeutig auf die Seite des Musikers:

  • – Die unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde sei ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog).
  • – Das Gericht übertrug die Rechtsprechung des BGH zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung auf das Phänomen der „Copyright-Strikes“.
  • – Gerade weil Plattformen im Zweifel schnell sperren, um eigene Haftungsrisiken zu vermeiden, sei eine solche Beschwerde besonders wirksam – und im Fall unberechtigter Geltendmachung auch besonders schädlich.
  • – Die Beklagte habe sich Rechte an einem Werk berühmt, das nach Beendigung des Vertrags mit dem Kläger entstanden war. Eine Beteiligung an der Entstehung des neuen Songs konnte nicht nachgewiesen werden.

Bedeutung der Entscheidung

Mit diesem Urteil stärkt das LG Köln die Rechte von Künstlern, deren wirtschaftliche Interessen durch missbräuchliche Rechteberühmungen massiv beeinträchtigt werden können. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass Plattformbeschwerden kein rechtsfreier Raum sind und dass alte Vertragsverhältnisse nicht als Vorwand für neue Eingriffe missbraucht werden dürfen. Unternehmer und Content-Creator können sich somit auf den Schutz ihrer gewerblichen Tätigkeit auch gegenüber digitalen Eingriffen verlassen.

BGH: Kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch ohne Inlandsbezug

Sachverhalt

Eine Bekleidungsherstellerin klagte gegen eine deutsche Gesellschaft, die für eine Unternehmensgruppe Online-Verkaufsplattformen in Kasachstan und der Ukraine betreibt. Streitgegenstand waren 318 Produktfotografien, die über die Google-Bildersuche mit Vorschaubildern abrufbar waren und auf die ausländischen Websites verlinkten. Die Klägerin machte geltend, dass durch die Auffindbarkeit der Bilder über Google eine unzulässige öffentliche Zugänglichmachung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke in Deutschland vorliege.

Die gerichtlichen Entscheidungen

Bereits das LG Hamburg und das OLG Hamburg hatten die Klage abgewiesen. Der BGH (Urteil vom 05.12.2024, I ZR 50/24 – „Produktfotografien“) bestätigte nun die Entscheidungen und wies die Revision der Klägerin zurück.

Die wesentlichen Erwägungen des BGH

  • Zuständigkeit & Anwendbares Recht: Die deutschen Gerichte waren international zuständig, und es war deutsches Urheberrecht anwendbar, da eine Verletzung von Schutzrechten im Inland geltend gemacht wurde.
  • Kein hinreichender Inlandsbezug: Entscheidend war, dass die beanstandeten Inhalte auf Websites mit den Domains „.kz“ und „.ua“ lagen und sich diese Seiten nach einer Gesamtwürdigung (u.a. Sprache, Domainendung, Zahlungsmittel, Kontaktangaben) klar an Nutzer in Kasachstan und der Ukraine richteten.
  • Keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung im Inland: Ein bloßer technischer Zugriff aus Deutschland reichte nicht aus. Auch dass der Serverstandort in Deutschland lag oder kein IP-Blocking genutzt wurde, änderte nichts am Fehlen eines gezielten „commercial effect“ in Deutschland.
  • Übertragung der BGH-Rechtsprechung zu Marken auf das Urheberrecht: Der BGH betont, dass der Grundsatz des Territorialitätsprinzips ebenso im Urheberrecht gilt. Eine Nutzungshandlung muss sich konkret gegen das Schutzland richten, um Ansprüche zu begründen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Betreiber international ausgerichteter Webseiten. Für Rechteinhaber bedeutet sie jedoch, dass gegen über Google abrufbare Inhalte ausländischer Websites nur dann vorgegangen werden kann, wenn ein konkreter Inlandsbezug nachgewiesen werden kann. Die reine Abrufbarkeit aus Deutschland reicht nicht aus.