BGH zu Bewertungen im Internet: Kein Auskunftsanspruch bei wertender Kritik

Der BGH (Urteil vom 11.03.25, AZ: VI ZB 79/23, NJW 2025, 1585) hat klargestellt, dass Arbeitgeber nicht ohne weiteres Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten gegenüber Bewertungsplattformen haben, wenn es um negative Bewertungen geht. Entscheidend ist, ob es sich bei der Kritik um eine Meinungsäußerung oder um eine falsche Tatsachenbehauptung handelt.

Worum ging es?

Eine Anwaltskanzlei wollte von einer Arbeitgeberbewertungsplattform die Daten eines Nutzers erhalten, der eine kritische Bewertung zum „Vorgesetztenverhalten“ abgegeben hatte. Der Nutzer hatte unter anderem geschrieben, dass „ausgeschiedene Mitarbeiter ausstehendes Gehalt und sogar die Erteilung von Arbeitszeugnissen gerichtlich durchsetzen müssen“. Die Kanzlei empfand dies als falsche Tatsachenbehauptung und sah sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Sie beantragte beim Gericht eine Anordnung zur Auskunftserteilung über die Bestandsdaten des Nutzers gemäß § 21 Abs. 2 TDDDG (früher TTDSG).

Was entschied das Gericht?

Der Antrag wurde in allen Instanzen abgelehnt – zuletzt auch vom BGH. Die Richter sahen in der streitigen Äußerung keine strafbare Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige Meinungsäußerung. Zwar habe es in der Vergangenheit tatsächlich nur einen einzelnen Fall gegeben, in dem ein Mitarbeiter Ansprüche gerichtlich durchsetzen musste. Der BGH betonte aber:

  • Der Plural („Mitarbeiter“) lässt sich auch als rhetorisch gemeint oder verallgemeinernd verstehen.
  • Der Kontext („Bewertung des Vorgesetztenverhaltens“) spricht für eine subjektive Einschätzung.
  • Die Formulierung sei im Präsens gehalten („durchsetzen müssen“), was eher für eine Wertung oder Prognose spreche als für eine rückblickende Tatsachenschilderung.

Da die Äußerung nicht den Straftatbestand der §§ 185, 186 oder 187 StGB erfülle, seien die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 TDDDG für eine Auskunftserteilung nicht erfüllt.

Fazit für Unternehmer:

Negative Onlinebewertungen müssen Unternehmer nicht automatisch hinnehmen – aber nicht jede Kritik begründet einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten. Nur bei klar falschen Tatsachenbehauptungen, die strafrechtlich relevant sind (z. B. Verleumdung oder üble Nachrede), kann ein solcher Anspruch bestehen. Wertende Kritik hingegen – selbst wenn sie überspitzt oder polemisch formuliert ist – fällt regelmäßig unter die Meinungsfreiheit und ist zulässig.

Wer gegen anonyme Bewertungen vorgehen möchte, sollte also sorgfältig prüfen (lassen), ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil handelt. Nur im ersten Fall bestehen überhaupt Chancen auf die Ermittlung des Verfassers.

LG München I: Google muss Identität hinter Kununu-Bewertungen offenlegen

Das Landgericht München I (Beschluss vom 19.02.2025 – 25 O 9210/24, GRUR-RS 2025, 3167) hat entschieden, dass auch der Betreiber eines E-Mail-Dienstes – hier: Google mit seinem Dienst Gmail – zur Auskunft über Nutzerdaten verpflichtet ist, wenn über die jeweilige E-Mail-Adresse rechtsverletzende Inhalte auf anderen Plattformen verbreitet wurden. Es geht um sogenannte „Kettenauskünfte“, die bei anonymen Onlinebewertungen auf Portalen wie Kununu eine zentrale Rolle spielen können.

Hintergrund

Ein mittelständisches Unternehmen aus der Automobilbranche sah sich im Juni und Juli 2022 mehreren negativen Bewertungen auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu ausgesetzt. Zwei davon waren besonders rufschädigend: Unter den Überschriften „Außen hui innen pfui“ und „Traumschiff Surprise, planlos durch all Geschäftsleitung schreibt die positiven Bewertungen“ wurden dem Unternehmen unter anderem Umweltverstöße sowie altersdiskriminierende Kündigungen vorgeworfen.

Kununu konnte dem Unternehmen lediglich die hinterlegten Gmail-Adressen der Verfasser mitteilen, da keine weiteren Daten gespeichert waren. Um die Identität der Bewertenden festzustellen und mögliche zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen, beantragte das Unternehmen beim LG München I die Gestattung und Verpflichtung zur Auskunft gegenüber Google LLC.

Das Unternehmen beantragte u.a., die Gestattung und Verpflichtung zur Auskunft über

  • – Name,
  • – Anschrift sowie
  • – Geburtsdatum der Gmail-Nutzer, deren Adressen Kununu mitgeteilt hatte.

    Die Entscheidung

    Das Gericht entschied wie folgt:

    • – Google muss Name und Anschrift der Gmail-Nutzer herausgeben, soweit diese Daten gespeichert sind.
    • – Die Herausgabe des Geburtsdatums wurde abgelehnt.

    Wesentliche Erwägungen

    1. Anwendung des TDDDG auf Gmail: Gmail ist ein „digitaler Dienst“ im Sinne des § 21 TDDDG. Dass es sich auch um einen Telekommunikationsdienst i.S.d. TKG handelt, steht der parallelen Anwendung des TDDDG nicht entgegen.
    2. Kettenauskunft zulässig: Der Auskunftsanspruch erfordert keine unmittelbare Verbreitung der rechtsverletzenden Inhalte über den Dienst von Google. Maßgeblich ist allein, dass Google als Anbieter der zur Identifikation notwendigen E-Mail-Adresse auftritt.
    3. Rechtswidrigkeit der Bewertungen: Das Gericht stufte bestimmte Passagen der Kununu-Bewertungen – etwa über das angebliche Kippen von Ölen in Abflüsse oder die Entlassung älterer Mitarbeiter – als unwahre Tatsachenbehauptungen ein, die den Tatbestand der §§ 185, 186 StGB verwirklichen.
    4. Kein Anspruch auf Geburtsdatum: Für die zivilrechtliche Anspruchsverfolgung reichten Name und Anschrift aus. Das Geburtsdatum sei hierfür nicht erforderlich.

    Fazit

    Diese Entscheidung stärkt die Position von Unternehmen im Kampf gegen anonyme, potenziell rufschädigende Online-Bewertungen. Sie zeigt, dass über § 21 TDDDG eine lückenlose Identifizierung auch dann möglich ist, wenn Plattformen wie Kununu nur E-Mail-Adressen speichern. Besonders praxisrelevant ist die Feststellung, dass auch Google als Betreiber von Gmail zur Auskunft verpflichtet werden kann – selbst wenn Gmail selbst nicht zur Veröffentlichung der Bewertungen genutzt wurde.

    OLG Dresden zur Haftung von Arbeitgeberbewertungsportalen

    Die Klägerin, ein mittelständisches Logistikunternehmen, hatte sich gegen eine negative Bewertung auf dem Arbeitgeberbewertungsportal „kununu.de“ gewandt. Die anonyme Bewertung beschrieb den Arbeitgeber als „schlechtesten Arbeitgeber aller Zeiten“ und kritisierte unter anderem den Umgang mit Mitarbeitern sowie eine hohe Fluktuation.

    Die Klägerin machte geltend, dass die Bewertung irreführend sei, da die bewertende Person kein Beschäftigungsverhältnis mit ihr gehabt habe. Die Betreiberin des Portals, die Beklagte, weigerte sich, die Bewertung zu löschen, bot jedoch an, die Bewertung unter einer separaten Unternehmensseite zu belassen.

    Das Landgericht Leipzig (Az. 08 O 1770/23) hatte die Beklagte zunächst zur Löschung der Bewertung verurteilt. Dagegen legte die Betreiberin von kununu.de Berufung ein.

    Entscheidung des OLG Dresden

    Das OLG Dresden hob das Urteil des Landgerichts Leipzig auf und wies die Klage ab. Das Gericht entschied, dass:

    1. Die Interessen des bewerteten Unternehmens vorrangig sind, wenn nachgewiesen wird, dass kein Beschäftigungsverhältnis bestand.
    2. Das Portal Prüfpflichten hat, wenn ein Unternehmen rügt, dass die bewertende Person kein Beschäftigungsverhältnis hatte.
    3. Der Umfang der Prüfpflichten im Einzelfall abzuwägen ist, wobei der Portalbetreiber nicht verpflichtet ist, die Identität des Bewertenden offenzulegen.
    4. Die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen war, indem sie interne Prüfungen durchführte und glaubhafte Belege für ein Beschäftigungsverhältnis vorlegte.

    Bedeutung für Unternehmen:

    Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeberbewertungsportale nicht automatisch für jede negative Bewertung haften. Allerdings haben Portalbetreiber Prüfpflichten, wenn die Authentizität einer Bewertung bestritten wird. Unternehmen können sich gegen falsche Bewertungen wehren, müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte liefern.

    Für Arbeitgeber bedeutet dies:

    • – Eine pauschale Rüge, dass derjenige, der bewertet hat, nicht im Unternehmen beschäftigt war, reicht nicht immer aus – es sollten weitere Argumente vorgebracht werden, die sich inhaltlich mit der Bewertung auseinander setzen.
    • – Betreiber von Bewertungsplattformen müssen eine sorgfältige Prüfung vornehmen, jedoch keine personenbezogenen Daten des Bewertenden offenlegen.

    OLG Dresden, Urteil vom 17.12.2024 – 4 U 744/24
    Fundstelle: openJur 2025, 8077

    RTL muss Werbeeinnahmen offenlegen

    Wie am Freitag auf der Webseite des Medienmagazins „DWDL“ berichtet, hat die Journalistin und Filmemacherin Jana Bernhardt in ihrem Rechtsstreit gegen RTL nun auch in II. Instanz vor dem OLG Köln obsiegt (Urteil vom 15.11.2024, Az.: 6 U 60/24).

    Die Journalistin streitet nun schon seit längerem mit RTL über die Frage, ob die von RTL an sie für ihre Beiträge bezahlte Vergütung angemessen war oder nicht.

    Die Klägerin argumentierte in dem Verfahren, dass die von RTL bezahlten Pauschalbeträge deutlich unter branchenüblichen Vergütungen gelegen und noch nicht einmal ausgereicht hätten, um alle Mitwirkenden der Produktion angemessen zu entlohnen.

    Wie in solchen Verfahren gängig, klagte die Journalistin auch auf Erteilung von Auskunft. Das Besondere in diesem Verfahren:

    Der Auskunftsanspruch wurde auch erstreckt auf die Offenlegung der Werbeeinnahmen von RTL, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausstrahlung der bezeichneten Sendungen geschalteten Werbung erzielt wurden einschließlich der Werbeblöcke unmittelbar davor und danach.

    Wie bereits das Landgericht gab das OLG Köln nun auch der Klägerin Recht, so dass RTL zur Offenlegung der Werbeeinnahmen verpflichtet wurde.

    Soweit ersichtlich, hat ein deutsches Gericht nun erstmals einen TV-Sender zu einer solchen Auskunft im Rahmen der Prüfung einer angemessenen Vergütung bzw. der sog. Bestseller-Vergütung zur Offenlegung der Werbeeinnahmen verurteilt.

    Das Berliner Kammergericht war in einer im Jahre 2010 getroffenen Entscheidung (Urteil vom 13.01.2010, Az.: 24 U 88/09, ZUM 2010, 346 ff.) noch anderer Meinung und hat im Rahmen einer Klage des Headautors und Autors einiger Folgen der Serie „Der Bulle von Tölz“ noch entschieden, dass der seinerzeit verklagte Sender Sat1 dies nicht offenlegen, sondern sich entsprechende Nachvergütungsansprüche an z.B. Wiederholungshonoraren zu orientieren haben.

    Der BGH hatte im Jahre 2010 den Nachrichtensender N24 im Rahmen einer Auskunfts- und Schadenersatzklage ebenfalls verurteilt, die Werbeeinnahmen des Senders offenzulegen, die während, vor und nach einer Ausstrahlung eines Nachrichtenbeitrags, in dem unrechtmäßig Ausschnitte aus einem Videofilm des Klägers eingeschnitten waren, eingenommen wurden (BGH, Urteil vom 25.03.2010, Az.: I ZR 122/08, BeckRS 2010, 24343 – „Werbung des Nachrichtensenders“).

    Lt. DWDL hat das OLG Köln (überraschenderweise) die Revision zum BGH nicht zugelassen. RTL hat aber lt. DWDL angekündigt, eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH einzulegen, um doch die Zulassung einer Revision zu erreichen.

    Selbst wenn das Urteil des OLG Köln rechtskräftig wird: es wird noch ein langer weg für die Klägerin: mit dem Urteil ist noch nicht final entschieden, ob die Klägerin überhaupt bzw. falls ja, in welcher Höhe an den Werbeeinnahmen beteiligt werden muss. es ist zu erwarten, dass sich RTL dagegen ebenfalls, vermutlich bis in die letztmögliche Instanz, dagegen wehren wird.

    PayPal muss Kontodaten von Produktfälschern offenlegen

    Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 07.07.2016, Az. 308 O 126/16, entschieden, dass der Finanzdienstleister PayPal bei Rechtsstreitigkeiten um Marken-, Patent- oder Urheberrechtsverletzungen die Identität der Kontoinhaber offenbaren muss.

    Im dem Fall ging es um Raubkopien von Hörspielen, die im Internet zu Dumpingpreisen verkauft wurden und mit PayPal bezahlt werden konnten. Da die Verantwortlichen nicht ermittelt werden konnten, forderte der geschädigte Hörspielverlag von PayPal die Herausgabe der Kontaktinformationen des Kontoinhabers. Das LG Hamburg entschied zugunsten des klagenden Verlags.

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.