Ein Blick in die DSGVO-Absurdität: Warum eine Google-Recherche 250 Euro kosten kann

Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 19. August 2025 (Az. 42 C 61/25) eine Entscheidung getroffen, die erneut zeigt, welche absurden Blüten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Praxis treiben kann.

Die Fallkonstellation: Recherche im Rechtsstreit

Ein Unternehmen hatte sich gegen eine Klage verteidigt, die von einem Kläger eingereicht wurde, der sich zuvor bei ihm beworben hatte. Um die Glaubwürdigkeit des Klägers zu überprüfen und einen möglichen Missbrauch zu klären, führte das Unternehmen eine Recherche durch – ganz einfach per Google. Dabei stieß es auf Informationen, die es für den Rechtsstreit als relevant ansah und in einem Schriftsatz vor Gericht verwendete. Was das Unternehmen jedoch versäumte: Es informierte den Kläger nicht unmittelbar über die durchgeführte Recherche.


Was das Gericht sagt: Der Recherche ist die Transparenz zu folgen

Das Gericht stellte fest, dass die Recherche an sich zulässig war, da sie der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens diente, nämlich der Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren. Das Amtsgericht Düsseldorf stellte klar, dass dies auch gilt, wenn die Ergebnisse der Google-Suche negative oder abwertende Inhalte über die betroffene Person zutage fördern.

Der entscheidende Haken, der die Verurteilung auslöste, war die fehlende Information des Klägers über die Datenerhebung. Nach Ansicht des Gerichts genügte es nicht, die Recherche-Ergebnisse lediglich im gerichtlichen Schriftsatz zu erwähnen. Das Unternehmen hätte den Kläger vielmehr „unverzüglich“ und „unmittelbar“ nach der Durchführung der Recherche über die Kategorien der verarbeiteten Daten informieren müssen.


Immaterieller Schaden ohne „Erheblichkeit“: Der Kontrollverlust genügt

Das Urteil unterstreicht, dass bereits ein einfacher Verstoß gegen die Informationspflicht einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz auslösen kann. Ein „erheblicher Nachteil“ der betroffenen Person ist dabei nicht erforderlich. Das Gericht beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach bereits der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellt, selbst wenn es zu keiner missbräuchlichen Verwendung gekommen ist.

Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Kläger in diesem Fall einen Schadensersatz von 250 Euro zusprach. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Recherche im Gegensatz zu anderen Fällen keine Außenwirkung hatte, da sie ausschließlich im Rahmen des Rechtsstreits stattfand. Zudem berücksichtigte das Gericht, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren geführt hatte und ein Datenschutzverstoß für ihn daher eine geringere „Strahlkraft“ habe.


Ein Fazit, das die Absurditäten der DSGVO offenlegt

Dieses Urteil ist ein beispielhafter Beweis für die Absurditäten der DSGVO. Es macht deutlich, dass selbst ein Unternehmen, das sich in einem Gerichtsverfahren wehrt und dafür im Internet frei verfügbare Informationen über den Kläger recherchiert, in eine DSGVO-Falle tappen kann. Die DSGVO verlangt hier nicht nur Transparenz, sie verlangt sie unverzüglich. Die Folgen sind bekannt: Auch wenn man alles richtig gemacht hat, kann man wegen eines Formfehlers zu Schadensersatz verurteilt werden.

An dieser Stelle drängt sich der Verweis auf unser Blog-Update vom 5. September 2025 auf. Dort haben wir bereits dargelegt, wie die aktuelle Rechtsprechung die DSGVO-Auswüchse weiter befeuert. Insbesondere sei hier auf das jüngste Urteil des EuGH vom 4. September 2025 (Az. C-655/23) verwiesen, das dem Trend des „Schadensersatzes ohne Schaden“ Tür und Tor öffnet und die Situation für Unternehmen noch weiter verschärft.


Gericht: Amtsgericht Düsseldorf
Datum: 19.08.2025
Aktenzeichen: 42 C 61/25
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 22886

DSGVO-Schadensersatz: EuGH öffnet die Tore, BGH zeigt die Notbremse für Blogs

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist für viele Unternehmer ein Feld voller rechtlicher Minen. Besonders die Frage, wann und in welcher Höhe Schadensersatz für Datenschutzverstöße zu zahlen ist, sorgt für massive Unsicherheit. Zwei hochkarätige Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) stecken das Spielfeld nun neu ab. Das Ergebnis: Die Haftungsrisiken steigen, doch es gibt auch neue, wichtige Verteidigungsmöglichkeiten.

1. EuGH: Jeder Ärger zählt – Die Schwelle für Schadensersatz fällt

In einer grundlegenden Entscheidung hat der EuGH (Urteil vom 4. September 2025, Az. C-655/23) die Hürden für Kläger, die einen immateriellen Schaden nach Art. 82 DSGVO geltend machen, praktisch eingerissen. Der Fall war alltäglich: Eine Bank hatte im Rahmen eines Bewerbungsprozesses eine Nachricht mit Gehaltsdetails versehentlich an einen Dritten geschickt. Der Kläger forderte Schadensersatz für die Sorge, den Kontrollverlust über seine Daten und die empfundene Bloßstellung.

Die Kernaussagen des EuGH sind für Unternehmen alarmierend:

  • Keine „Bagatellgrenze“: Für einen ersatzfähigen Schaden muss keine Erheblichkeitsschwelle überschritten werden. Bloße negative Gefühle wie Ärger, Unmut, Sorge oder Angst, die aus dem Verstoß resultieren, können ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.
  • Verschulden irrelevant für die Höhe: Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe darf der Grad des Verschuldens (also ob der Fehler fahrlässig oder vorsätzlich geschah) keine Rolle spielen. Der Schadensersatz soll allein den erlittenen Schaden ausgleichen, nicht den Verantwortlichen bestrafen.

Das Urteil öffnet Tür und Tor für eine Klagewelle, die das eigentliche Schutzziel der DSGVO ad absurdum führen könnte. Wenn bereits alltägliche negative Empfindungen, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zum „allgemeinen Lebensrisiko“ gehören, für einen Anspruch ausreichen, wird aus dem Datenschutzrecht ein Reparaturbetrieb für Befindlichkeiten. Für Unternehmen bedeutet dies eine Rechtsunsicherheit. Jeder noch so kleine Fehler, wie ein falsch adressierter Newsletter, kann nun potenziell zu Schadensersatzforderungen führen.

Zudem hebelt der EuGH damit faktisch die bisherige, differenziertere Rechtsprechung des BGH aus. Dieser hatte zwar jüngst den „Kontrollverlust“ über Daten ebenfalls als Schaden anerkannt, jedoch verlangten deutsche Gerichte bislang oft einen substantiierten Vortrag, worin der Schaden konkret besteht. Diese Anforderung dürfte nach dem Verdikt aus Luxemburg schwer haltbar sein. Der Kläger muss zwar weiterhin nachweisen, dass der Verstoß die negativen Gefühle verursacht hat, die Messlatte dafür liegt nun aber niedrig.

2. BGH: Die Ausnahme für die Öffentlichkeit – Das unterschätzte Medienprivileg

Während der EuGH die Haftung ausweitet, liefert der BGH in einer anderen Entscheidung (Urteil vom 29. Juli 2025, Az. VI ZR 426/24) eine wichtige Einschränkung, die für viele Blogger relevant ist: das Medienprivileg nach Art. 85 DSGVO.

In dem Fall nutzte eine rechtsextreme Kleinstpartei den Namen eines Politikers der Linken auf ihrem Telegram-Kanal, um für eine Demonstration zu werben. Der Politiker klagte unter anderem auf Schadensersatz nach der DSGVO – und scheiterte.

Die Begründung des BGH ist ein Weckruf für alle, die öffentlich kommunizieren:

  • Journalismus ist nicht nur Presse: Die Verarbeitung von Daten „zu journalistischen Zwecken“ ist von vielen strengen DSGVO-Regeln ausgenommen. Der BGH legt diesen Begriff sehr weit aus. Er umfasst jede Tätigkeit, die darauf abzielt, Informationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten und an der Meinungsbildung mitzuwirken.
  • Auch Parteien und Unternehmen können „Journalisten“ sein: Dieses Privileg gilt nicht nur für klassische Medien. Auch ein Telegram-Kanal einer politischen Partei kann darunterfallen. Entscheidend ist der Zweck der Veröffentlichung, nicht die Organisationsform.
  • Folge: Kein DSGVO-Anspruch: Unterfällt eine Veröffentlichung dem Medienprivileg, sind zentrale DSGVO-Vorschriften wie Art. 6 (Rechtmäßigkeit) nicht anwendbar. Damit entfällt auch die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO, der auf der Verletzung dieser Vorschriften beruht.

Aber: Der BGH stellte jedoch auch unmissverständlich klar: Nur weil der DSGVO-Anspruch durch das Medienprivileg blockiert ist, bedeutet das keinen Freifahrtschein. Ansprüche aus nationalem Recht, insbesondere wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB), bleiben davon unberührt und können parallel bestehen. Genau hier nahm der BGH eine entscheidende Weichenstellung vor und erklärte den Unterschied zwischen einem Unterlassungsanspruch (der in erster Instanz bereits erfolgreich war) und einem Anspruch auf Geldentschädigung. Der Unterlassungsanspruch (präventiv): Dieser Anspruch hat eine niedrigere Hürde. Um eine Äußerung für die Zukunft zu verbieten, reicht es bereits aus, wenn sie mehrdeutig ist und eine der möglichen Interpretationen die Rechte einer Person verletzt. Es geht darum, potenziellem Schaden vorzubeugen. Der Schadensersatzanspruch (Sanktion): Hier liegt die Messlatte höher. Da es sich um eine Sanktion für einen bereits entstandenen Schaden handelt, muss bei mehrdeutigen Äußerungen die für den Beklagten günstigste und den Kläger am wenigsten verletzende Deutungsvariante zugrunde gelegt werden.

3. Fazit:

à Risiko-Maximierung bei internen Prozessen: Nach dem EuGH-Urteil muss jeder interne Prozess, bei dem personenbezogene Daten verarbeitet werden (HR, Marketing, Vertrieb), absolut wasserdicht sein. Die Verteidigung, ein Fehler habe „keinen echten Schaden“ verursacht, ist massiv geschwächt.

-> Risiko-Minimierung bei öffentlicher Kommunikation: Wenn Ihr Unternehmen öffentlich kommuniziert – sei es über einen Corporate Blog, Pressemitteilungen oder Social-Media-Kanäle – und damit zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt, könnten Sie sich auf das Medienprivileg berufen. Dies kann ein starker Schutzschild gegen Schadensersatzforderungen nach der DSGVO sein.

-> Nationales Recht bleibt bestehen: Achtung: Das Medienprivileg schützt nur vor den Ansprüchen aus der DSGVO. Ansprüche aus anderen Gesetzen, wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, bleiben davon unberührt.

Gericht, Datum, Aktenzeichen:

Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 4. September 2025, Az. C-655/23

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29. Juli 2025, Az. VI ZR 426/24

Gegner insolvent? BGH bremst voreilige Prozessfortführung bei Schutzrechtsverletzungen

Ein laufender Prozess wegen der Verletzung von Marken-, Design- oder Patentrechten gehört zum Geschäftsalltag vieler Unternehmen. Kompliziert wird die Lage jedoch, wenn der Prozessgegner plötzlich Insolvenz anmeldet. Der naheliegende Wunsch, den Prozess schnell fortzusetzen, um weiteren Schaden abzuwenden, kann jedoch an prozessualen Hürden scheitern. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs beleuchtet die erheblichen Risiken einer vorschnellen Prozessaufnahme.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Hersteller von Einbauküchen verklagte einen ehemaligen Lieferanten, weil dieser eine Griffleiste vertrieben haben soll, die ein geschütztes Design des Herstellers verletzte. Die Klage umfasste die üblichen Ansprüche: Unterlassung, Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte, Auskunft über den Umfang der Verkäufe und Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Mitten im Verfahren kam die Hiobsbotschaft: Über das Vermögen des beklagten Lieferanten wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Nach deutschem Recht wird ein solcher Prozess dadurch automatisch unterbrochen. Der Kläger wollte jedoch nicht warten und erklärte die Wiederaufnahme des Verfahrens – allerdings nur für einen Teil seiner Ansprüche. Die Schadensersatzansprüche für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung meldete er hingegen nicht, wie es das Gesetz vorschreibt, zur Insolvenztabelle an. Er versuchte also, nur die für ihn vorteilhaften Teile des Prozesses weiterzuführen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein prozessuales „Rosinenpicken“

Dieser Strategie hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine klare Absage erteilt. Die Richter entschieden, dass eine solche teilweise Wiederaufnahme des Rechtsstreits unzulässig ist.

Die Begründung ist einleuchtend: Alle vom Kläger geltend gemachten Ansprüche – egal ob Unterlassung oder Schadensersatz – hingen von der Beantwortung einer einzigen zentralen Frage ab: Hat der Lieferant das Design des Herstellers überhaupt verletzt?

Würde man den Prozess nur teilweise fortführen, bestünde die Gefahr, dass es zu widersprüchlichen Urteilen kommt. Das Gericht könnte im fortgeführten Teil zu dem Schluss kommen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, während in einem späteren Verfahren über die nicht angemeldeten Altforderungen das genaue Gegenteil entschieden wird. Ein solches rechtliches Chaos will die Prozessordnung verhindern.

Besonders interessant ist, dass der BGH auch das Argument des Klägers, er benötige für einen effektiven Rechtsschutz eine schnelle Entscheidung, nicht gelten ließ. Das Gericht stellte fest: Der Kläger hat sich die missliche Lage selbst zuzuschreiben. Er hätte seine Schadensersatzforderungen für die Zeit vor der Insolvenz einfach nur form- und fristgerecht zur Insolvenztabelle anmelden müssen. Da er dies unterlassen hat, kann er sich nun nicht darauf berufen, dass seine Rechte unzumutbar beeinträchtigt werden.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Die Entscheidung des BGH ist eine wichtige Lektion für jeden Unternehmer, der seine gewerblichen Schutzrechte gerichtlich durchsetzt:

  1. Sofortiger Handlungsbedarf bei Insolvenz des Gegners: Sobald Sie von der Insolvenz eines Prozessgegners erfahren, müssen Sie sofort handeln. Der Prozess ist unterbrochen und kann nicht einfach weiterlaufen.
  2. Keine halben Sachen: Sie müssen alle Ihre Ansprüche sorgfältig prüfen. Forderungen, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind (sog. Insolvenzforderungen), müssen zwingend zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Ein Versäumnis kann, wie der Fall zeigt, den gesamten Prozess blockieren.
  3. Anwaltliche Expertise ist entscheidend: Das Zusammenspiel von Prozessrecht und Insolvenzrecht ist komplex. Ohne spezialisierte anwaltliche Beratung riskieren Sie, aus prozessualen Gründen Ihre eigentlich berechtigten Ansprüche zu verlieren.

Fazit: Wer im Falle der Insolvenz eines Gegners versucht, strategisch nur die angenehmen Teile eines Prozesses weiterzuverfolgen und dabei die formalen Anforderungen des Insolvenzrechts ignoriert, riskiert, am Ende mit leeren Händen dazustehen. Eine umfassende und saubere Vorgehensweise ist hier der einzige Weg zum Erfolg.


Gericht: Bundesgerichtshof

Datum: 31.07.2025

Aktenzeichen: I ZR 127/24

Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei rein hypothetischem Risiko

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat die Haftungsrisiken für Unternehmen und Behörden, die mit personenbezogenen Daten arbeiten, erheblich verschärft. Insbesondere der in Art. 82 DSGVO geregelte Anspruch auf immateriellen Schadensersatz – umgangssprachlich auch Schmerzensgeld genannt – sorgt seit Langem für Unsicherheit. Wann genau liegt ein ersatzfähiger Schaden vor? Der Bundesgerichtshof (BGH), AZ: VI ZR 186/22, hat hierzu eine wichtige Klarstellung getroffen, die für die Praxis von großer Bedeutung ist.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Unternehmer, der nach eigener Aussage explosionsgefährliche Stoffe vertreibt und deshalb einem erhöhten, abstrakten Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist, hatte gegen eine Stadt geklagt. Die Stadt hatte über einen längeren Zeitraum hinweg gerichtliche Empfangsbekenntnisse per unverschlüsseltem Fax an ein Verwaltungsgericht gesendet. Diese Faxe enthielten lediglich den Nachnamen des Unternehmers und das jeweilige Aktenzeichen.

Der Kläger war der Ansicht, dass die unverschlüsselte Übermittlung seiner Daten ein rechtswidriger Verstoß gegen die DSGVO sei und verlangte eine Geldentschädigung. Er argumentierte, dass die Daten von Dritten hätten abgefangen werden können, was potenzielle Täter in die Lage versetzen würde, seine private Anschrift zu ermitteln und ihn körperlich zu gefährden. Das Landgericht und das Oberlandesgericht hatten ihm teilweise recht gegeben und der Stadt zur Zahlung von 7.000 € verurteilt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs: Ein hypothetisches Risiko reicht nicht aus

Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage des Unternehmers ab. Er stellte klar, dass ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO allein nicht automatisch einen Anspruch auf Schadensersatz begründet. Die betroffene Person muss vielmehr einen tatsächlich erlittenen materiellen oder immateriellen Schaden nachweisen. Eine „Befürchtung“ eines möglichen Schadens kann zwar unter bestimmten Umständen einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellen. Doch dies gilt nicht für ein „rein hypothetisches Risiko“ der missbräuchlichen Verwendung von Daten durch unbefugte Dritte.

Im vorliegenden Fall sah der BGH keine Anhaltspunkte für einen tatsächlichen „Kontrollverlust“ über die Daten. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die Faxe abgefangen werden könnten, reiche nicht aus, um einen ersatzfähigen Schaden zu begründen. Die vom Kläger dargelegten Gefahren für Leib und Leben seien in diesem Kontext lediglich als abstrakt und wenig wahrscheinlich einzustufen.

Auch die Auffassung der Vorinstanzen, der Schadensersatz diene auch dem Schutz vor zukünftigen Verstößen, wurde vom BGH zurückgewiesen. Der BGH betonte, dass der Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO keine Straf-, sondern eine Ausgleichsfunktion hat.

Was bedeutet das für Unternehmer und Praxis?

Das Urteil stärkt die Position von datenverarbeitenden Stellen, also Unternehmen und Behörden. Es verdeutlicht, dass nicht jeder, noch so kleine, Datenschutzverstoß sofort zu einer Schadensersatzpflicht führt. Der bloße „Verlust der Kontrolle“ über Daten, der in manchen Fällen bereits als Schaden gewertet wird, liegt nicht automatisch vor, nur weil die Möglichkeit eines unberechtigten Zugriffs besteht.

Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach der DSGVO ist es somit entscheidend, dass die betroffene Person konkrete, nachweisbare negative Folgen des Verstoßes darlegen kann. Eine rein spekulative Befürchtung reicht nicht aus.

Fazit

Das Urteil des BGH bringt eine dringend benötigte Rechtssicherheit für alle, die im Geschäftsleben oder in der Verwaltung mit personenbezogenen Daten arbeiten. Es zieht eine klare Linie zwischen einem tatsächlichen Schaden und einem bloß theoretischen Risiko. Dennoch bleibt die Einhaltung der DSGVO-Vorschriften von zentraler Bedeutung, da Verstöße weiterhin mit Bußgeldern geahndet werden können.


Gericht, Datum, Aktenzeichen:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2025 Az.: VI ZR 186/22

Vorsicht bei Schutzrechtsmeldungen auf Amazon: OLG Nürnberg stärkt Anspruch auf Anwaltskostenerstattung bei unberechtigter Verwarnung

Wenn ein Händler auf Amazon unberechtigt wegen angeblicher Produktfälschungen gemeldet wird, kann das nicht nur den Umsatz empfindlich treffen – es kann für den Verwarnenden auch rechtlich teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (AZ: 3 U 136/25), das sich mit der Erstattung von Anwaltskosten nach einer sogenannten Schutzrechtsverwarnung beschäftigt hat.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler bot unter dem Namen „M.“ Produkte auf Amazon an. Die Gegenseite, ebenfalls Spielwarenanbieterin mit einem eigenen Shop auf derselben Plattform, meldete zwei seiner Angebote als Fälschungen einer geschützten Marke. Amazon reagierte prompt mit einer Sperre der betroffenen Artikel. Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines bekannten Lizenzherstellers – eine Markenverletzung lag nicht vor.

Der Händler versuchte zunächst, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Nachdem mehrere Kontaktversuche erfolglos blieben, beauftragte er eine Anwältin, die am 16. Januar 2024 eine Abmahnung aussprach und unter anderem die Erstattung der dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten forderte.

Das Urteil des OLG Nürnberg

In zweiter Instanz entschied das OLG Nürnberg zugunsten des Händlers:

  • Die Schutzrechtsverwarnung war unberechtigt.
  • Der Kläger kann Schadenersatz verlangen.
  • Die Abmahnkosten in Höhe von 1.295,43 Euro sind zu erstatten.
  • Die Widerklage der Gegenseite, mit der diese ihre Verteidigungskosten ersetzt haben wollte, wurde abgewiesen.

Warum diese Entscheidung wichtig ist

Das Urteil klärt eine wichtige Rechtsfrage: Muss eine Abmahnung, die sich auch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützt, die strengen formalen Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 13 UWG) erfüllen, damit die Abmahnkosten erstattungsfähig sind?

Die klare Antwort des Gerichts: Nein – jedenfalls dann nicht, wenn es sich (auch) um ein Anspruchsschreiben wegen eines deliktischen Eingriffs in den Gewerbebetrieb handelt. Denn eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen solchen Eingriff darstellen, für den der Verwarnte Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann. Und zwar unabhängig davon, ob das Abmahnschreiben im Sinne des Wettbewerbsrechts vollständig ist.

Die Lehren für Unternehmer

1. Wer unberechtigt meldet, haftet: Wird ein Händler durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung in seinem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt, kann er nicht nur Unterlassung, sondern auch Ersatz seiner Anwaltskosten verlangen.

2. Anspruchsschreiben brauchen keine UWG-Vollständigkeit: Bei einem auf Deliktsrecht (§ 823 BGB) gestützten Vorgehen müssen nicht sämtliche Anforderungen des § 13 UWG eingehalten werden – das gilt auch, wenn das Schreiben zusätzlich auf wettbewerbsrechtliche Aspekte Bezug nimmt.

3. Kein Rückgriff bei berechtigtem Anspruchsschreiben: Wer selbst rechtswidrig eine Schutzrechtsverwarnung ausspricht, kann die eigenen Verteidigungskosten nicht vom Geschädigten ersetzt verlangen – auch dann nicht, wenn dessen Abmahnschreiben formale Mängel aufweist.

Fazit

Unternehmer, die auf Plattformen wie Amazon tätig sind, sollten sich bewusst sein, dass unüberlegte oder unbegründete Markenmeldungen schwerwiegende rechtliche Folgen haben können. Wer unberechtigt agiert, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch Reputations- und Umsatzverluste. Umgekehrt gilt: Wer unrechtmäßig gemeldet wird, hat gute Chancen, seine Kosten ersetzt zu bekommen – auch ohne perfekte Abmahnung.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

Unberechtigte Markenbeschwerde bei Amazon – OLG Nürnberg stärkt Händlerrechte

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 3 U 136/25) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die insbesondere Onlinehändler betrifft, die über Plattformen wie Amazon verkaufen. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Händler gegen unberechtigte Markenbeschwerden vorgehen kann – insbesondere, ob und wann die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten ersetzt werden müssen.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler verkaufte seit Jahren unter der Bezeichnung „M.“ Plüschtiere auf Amazon. Eine Mitbewerberin, die über eine Wort-Bildmarke „Teddys Rothenburg“ verfügte, meldete zwei Produkte des Klägers bei Amazon als Markenfälschungen. Amazon reagierte prompt mit einer Sperrung der Angebote.

Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines unabhängigen Markenherstellers. Der Händler versuchte mehrfach, eine einvernehmliche Lösung mit der Mitbewerberin zu erzielen – vergeblich. Erst nach Einschaltung einer Anwältin und einer Abmahnung lenkte die Beklagte ein und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gleichwohl verweigerte sie die Übernahme der Abmahnkosten und erhob im Gegenteil sogar Widerklage.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das Oberlandesgericht Nürnberg gab dem Händler umfassend Recht und stellte klar:

  • Die Markenbeschwerde war unberechtigt
    Es lag keine Markenverletzung vor. Die Anzeige bei Amazon war daher als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu werten, die einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellt.
  • Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz
    Die Folge der unberechtigten Beschwerde war die Sperrung der Verkaufsangebote – mit potenziellen Umsatzverlusten. Der Kläger konnte daher die Feststellung verlangen, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht.
  • Die Abmahnkosten sind zu ersetzen
    Auch wenn das anwaltliche Schreiben nicht alle Anforderungen an eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erfüllte, handelte es sich um ein sogenanntes Anspruchsschreiben zur Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs. Dafür gelten andere Maßstäbe: Entscheidend ist, ob die Rechtsverfolgung aus Sicht des Betroffenen erforderlich und angemessen war – was das Gericht bejahte.
  • Die Widerklage der Beklagten war unbegründet
    Die Beklagte konnte ihre eigenen Anwaltskosten nicht ersetzt verlangen, weil ihr Verhalten die Schutzrechtsverletzung nicht rechtfertigte. Selbst wenn das Abwehrschreiben des Klägers formale Mängel hatte, bleibt der Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung davon unberührt.
  • Die Feststellungsklage war zulässig
    Obwohl eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang hat, durfte der Kläger in diesem Fall auf Feststellung klagen. Eine konkrete Schadenshöhe war zum Zeitpunkt der Klage noch nicht bezifferbar, etwa wegen möglicher Folgen für die Amazon-Bewertungen oder zukünftige Umsätze.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist ein deutliches Signal an Markeninhaber, bei Beschwerden über angebliche Fälschungen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Die Schwelle zur Schutzrechtsverwarnung ist im Kontext von Plattformen wie Amazon schnell überschritten. Wer hier leichtfertig agiert, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen – einschließlich der Pflicht zur Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz.

Gleichzeitig schafft das Urteil Rechtssicherheit für betroffene Händler: Selbst wenn sie mit anwaltlicher Hilfe reagieren und die formalen Anforderungen an eine Abmahnung nicht vollständig einhalten, können sie ihre Kosten ersetzt verlangen – sofern es um die Abwehr eines deliktischen Eingriffs geht.

Fazit

Unberechtigte Markenbeschwerden bei Amazon sind kein Kavaliersdelikt. Wer Mitbewerber fälschlich beschuldigt und dadurch deren Geschäft beeinträchtigt, haftet – sowohl auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz. Onlinehändler sollten daher nicht zögern, gegen solche Eingriffe juristisch vorzugehen.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

OLG Köln: Bildagentur haftet für unlizenzierte Domfotos

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit Urteil vom 23. Mai 2025, AZ: 6 U 61/24, die Verurteilung einer Bildagentur zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 35.000 Euro bestätigt. Die Agentur hatte ohne entsprechende Lizenz 220 Fotografien aus dem Innenraum des Kölner Doms, darunter auch Aufnahmen des berühmten „Richter-Fensters“, zur kommerziellen Nutzung angeboten. Ein Teil des Schadensersatzes steht dem Künstler Gerhard Richter zu.

Hintergrund des Verfahrens

Bereits im Jahr 2022 wurde in einem Vorprozess (LG Köln, Az. 8 O 419/19; OLG Köln, Az. 19 U 130/21) rechtskräftig festgestellt, dass die Bildagentur nicht berechtigt war, die betreffenden Fotos kommerziell zu vertreiben, da die Eigentümerin des Doms keine entsprechende Lizenz erteilt hatte. In der nun entschiedenen Schadensersatzklage wurde zusätzlich geltend gemacht, dass durch die Abbildung des „Richter-Fensters“ auch Urheberrechte des Künstlers Gerhard Richter verletzt wurden.

Entscheidungsgründe des OLG Köln

Das OLG Köln bestätigte die Haftung der Bildagentur und stellte klar, dass diese ihre Prüfpflichten verletzt habe. Es sei nicht ausreichend, sich auf die Angaben der Fotografen zu verlassen; vielmehr müsse die Agentur selbst sicherstellen, dass alle erforderlichen Nutzungsrechte vorliegen. Die Agentur habe ihre Prüfpflichten jedenfalls fahrlässig verletzt, indem sie die Rechtmäßigkeit der Verwertung der Lichtbilder nicht oder nicht sorgfältig genug überprüft habe.

Die Höhe des Schadensersatzes bemisst sich nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben anhand einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr. Dem Künstler Gerhard Richter steht Schadensersatz in knapp fünfstelliger Höhe zu.

Kritische Stimmen zur Schadenshöhe

In der Fachöffentlichkeit wurde die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes teilweise als zu niedrig kritisiert. Angesichts der Bedeutung des „Richter-Fensters“ und der kommerziellen Nutzung durch die Bildagentur sei eine höhere Entschädigung angemessen gewesen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen und den Schutz geistigen Eigentums effektiv zu gewährleisten.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Rechteklärung bei der kommerziellen Nutzung von Fotografien, insbesondere wenn urheberrechtlich geschützte Werke abgebildet sind. Unternehmen und Agenturen sollten sicherstellen, dass sie über alle erforderlichen Nutzungsrechte verfügen, um rechtliche Auseinandersetzungen und Schadensersatzforderungen zu vermeiden.

Revision nicht zugelassen

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Gegen das Urteil ist jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof möglich.

Keine Markenverletzung trotz identischem Namen: OLG Frankfurt entscheidet im Fall „TERRA GRECA“

Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei ähnliche Wort-Bildmarken mit dem identischen Wortbestandteil „TERRA GRECA“. Die Klägerin, ein griechischer Nudelhersteller, wurde von der Beklagten, Inhaberin einer EU-Marke für diverse Lebensmittel (nicht aber Teigwaren), wegen angeblicher Markenrechtsverletzung abgemahnt. Gegenstand der Abmahnung war der Vertrieb von „Penne“-Nudeln durch einen deutschen Importeur unter Verwendung des Zeichens „TERRA GRECA“.

Die Klägerin wehrte sich gegen diese Abmahnung und begehrte Unterlassung, Auskunft und Kostenerstattung – mit Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt (Urteil vom 06.02.2025, AZ: 6 U 277/21) wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main. Die Richter stellten fest, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den streitgegenständlichen Zeichen besteht – trotz identischen Wortbestandteils und begrifflicher sowie klanglicher Übereinstimmung.

1. Verwechslungsgefahr verneint

Entscheidend war aus Sicht des Gerichts, dass es sich bei „TERRA GRECA“ um eine beschreibende Angabe („griechisches Land“) handelt, der Verkehr also eher an die Herkunft denkt als an ein bestimmtes Unternehmen. Die Bildbestandteile der Zeichen unterschieden sich zudem deutlich in Gestaltung, Farbe und Gesamtwirkung. Aufgrund der lediglich geringen Ähnlichkeit der Waren – die Marken der Beklagten schützen keine Teigwaren – und des Kaufs „auf Sicht“ (typisch bei Lebensmitteln), war eine Verwechslung ausgeschlossen.

2. Unberechtigte Abnehmerverwarnung

Die Abmahnung durch die Beklagte stellte nach Auffassung des Gerichts einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar (§§ 823, 1004 BGB analog). Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse daran, ihre Geschäftsbeziehungen zu schützen. Die Schutzrechtsverwarnung war mangels Rechtsverletzung unberechtigt.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht, dass markenrechtliche Abmahnungen sorgfältig geprüft werden müssen – insbesondere dann, wenn das Zeichen einen stark beschreibenden Charakter hat und die betroffenen Waren nicht identisch oder hochgradig ähnlich sind. Für Hersteller und Händler bedeutet dies: Auch bei gleichlautenden Zeichen sind Markenkollisionen nicht automatisch gegeben – vor allem, wenn typische Alltagswaren wie Nudeln „auf Sicht“ gekauft werden.

Landgericht Frankfurt a. M.: Stiftung Warentest haftet für fehlerhaften Produkttest

In einem wegweisenden Urteil hat das Landgericht Frankfurt a. M. (Urteil vom 13.03.2025, AZ: 2-03 O 430/21, GRUR-RS 2025, 6896) die Stiftung Warentest zur Zahlung von Schadensersatz dem Grunde nach verurteilt. Gegenstand des Verfahrens war ein Produkttest aus der Ausgabe 1/2021 der Zeitschrift „test“, in dem der Rauchwarnmelder PX-1 der Firma Pyrexx mit der Note „mangelhaft“ bewertet wurde. Diese Bewertung basierte auf Testergebnissen eines belgischen Prüfinstituts, das die Wirksamkeit des Melders bei Bränden untersuchte.

Pyrexx erhob Einwände gegen die Testmethodik und die daraus resultierende Bewertung, da sie der Ansicht war, dass die Tests nicht den geltenden Normen, insbesondere der DIN EN 14604, entsprachen. Trotz dieser Hinweise veröffentlichte die Stiftung Warentest den Testbericht und hielt zunächst an der Bewertung fest. Erst am 22.02.2024 zog die Stiftung das Testurteil zurück und entfernte den PX-1 aus der Testtabelle.

Die Klageanträge

Die Klägerin, Pyrexx, stellte folgende Anträge:

  1. Unterlassung der Veröffentlichung der kritisierten Aussagen und Bewertungsergebnisse,
  2. Veröffentlichung einer Richtigstellung im nächsten Heft,
  3. Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten,
  4. Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Die Stiftung Warentest erkannte einige dieser Anträge an, was am 05.03.2024 zu einem Teilanerkenntnisurteil führte. Offen blieb insbesondere der Antrag auf Schadensersatz in Höhe von rund 7,7 Millionen Euro.

Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Frankfurt a. M. stellte fest, dass der Produkttest nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die Stiftung Warentest ihre Sorgfaltspflichten verletzt hat. Insbesondere wurde bemängelt, dass trotz konkreter Hinweise auf mögliche Fehler im Testverfahren keine weiteren Überprüfungen oder Korrekturen vorgenommen wurden. Das Gericht betonte die besondere Verantwortung der Stiftung Warentest, da ihre Testurteile erhebliche Auswirkungen auf den Markt und die betroffenen Unternehmen haben.

Zentral für die Entscheidung war die Feststellung des Gerichts, dass das veröffentlichte Qualitätsurteil „mangelhaft“ ein Werturteil darstellte, das jedoch auf unzureichend gesicherten Tatsachen beruhte. Die für die Bewertung herangezogenen Testergebnisse seien fehlerhaft zustande gekommen, da das beauftragte Prüfinstitut von den Vorgaben der maßgeblichen DIN EN 14604 abgewichen sei. Diese Abweichung war für die Stiftung Warentest erkennbar – insbesondere, da entsprechende Diagramme zur Überprüfung fehlten und die Klägerin frühzeitig auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen hatte.

Ein Werturteil, das auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage basiert, ist nach ständiger Rechtsprechung unzulässig und stellt eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Aus diesem Grund sei die Bewertung als „mangelhaft“ unzulässig gewesen. Da Stiftung Warentest dennoch an der Veröffentlichung festhielt, wurde ihr Verhalten als rechtswidrig eingestuft und eine Schadensersatzpflicht dem Grunde nach bejaht.

Das Gericht entschied somit, dass die Stiftung Warentest dem Grunde nach schadensersatzpflichtig ist. Die genaue Höhe des Schadensersatzes wird in einem gesonderten Verfahren festgelegt.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen und Institutionen, die Produkttests veröffentlichen. Es unterstreicht die Notwendigkeit, Testverfahren sorgfältig und normgerecht durchzuführen, insbesondere wenn die Ergebnisse erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben können.

Für Hersteller bedeutet das Urteil, dass sie bei fehlerhaften Testberichten nicht nur auf Unterlassung und Richtigstellung klagen können, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf Schadensersatz haben. Es empfiehlt sich, bei Zweifeln an der Objektivität von Produkttests frühzeitig rechtliche Schritte einzuleiten und eigene Prüfberichte zu dokumentieren.

Kein Schmerzensgeld für unerwünschte Werbe-E-Mail

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 28. Januar 2025 (Az. VI ZR 109/23) entschieden, dass eine einzelne unerwünschte Werbe-E-Mail nicht ausreicht, um einen immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Damit wurde die Klage eines Verbrauchers auf Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro zurückgewiesen.

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Januar 2019 beim Beklagten Aufkleber für seinen Briefkasten mit der Aufschrift „Betteln und Hausieren verboten“ erworben. Am 20. März 2020 erhielt er vom Beklagten eine Werbe-E-Mail, in der ihm weiterhin Dienstleistungen angeboten wurden. Daraufhin widersprach der Kläger der Nutzung seiner personenbezogenen Daten für Werbezwecke und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sowie ein „Schmerzensgeld“ in Höhe von 500 Euro nach Art. 82 DSGVO.

Der Beklagte erkannte den Unterlassungsanspruch an, verweigerte jedoch die Zahlung des immateriellen Schadensersatzes. Das Amtsgericht Tuttlingen und das Landgericht Rottweil wiesen die Klage insoweit zurück. Der Kläger legte daraufhin Revision beim BGH ein.

Entscheidung des BGH

Der BGH wies die Revision des Klägers zurück und entschied, dass ein bloßer DSGVO-Verstoß allein nicht automatisch einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz auslöst. Ein Schaden muss konkret dargelegt werden.

  1. Kein genereller Anspruch bei Bagatellverstößen: Der EuGH hatte bereits klargestellt, dass es keine Erheblichkeitsschwelle gibt, ein immaterieller Schaden aber nachweisbar sein muss.
  2. Fehlende substantielle Darlegung eines Schadens: Der Kläger habe lediglich subjektive Unannehmlichkeiten beschrieben, aber keine nachweisbaren negativen Folgen erläutert.
  3. Kein Kontrollverlust über personenbezogene Daten: Da die E-Mail-Adresse des Klägers nicht an Dritte weitergegeben wurde, fehle es an einem relevanten Kontrollverlust.
  4. Hypothetische Befürchtungen reichen nicht aus: Eine bloße Sorge um einen möglichen Missbrauch personenbezogener Daten genügt nicht für die Annahme eines immateriellen Schadens.

Fazit

Das Urteil des BGH bestätigt, dass nicht jede ungewollte Nutzung personenbezogener Daten automatisch einen Entschädigungsanspruch nach der DSGVO auslöst. Wer Schadensersatz beansprucht, muss nachweisen, dass ihm ein spürbarer Nachteil entstanden ist. Dies dürfte insbesondere für Unternehmen von Bedeutung sein, die mit DSGVO-basierten Schadensersatzforderungen konfrontiert werden.

Das Urteil stellt eine Klarstellung für den Umgang mit unerwünschter Werbung per E-Mail dar und zeigt, dass nicht jede Datenschutzverletzung automatisch eine finanzielle Entschädigung nach sich zieht.