OLG Stuttgart: „Bezahlen mit Daten“ ist kein Preis im Rechtssinn – „Lidl Plus“-App darf als kostenlos bezeichnet werden

In einer grundlegenden Entscheidung für die digitale Wirtschaft hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen die Lidl Stiftung & Co. KG abgewiesen. Im Kern ging es um die Frage, ob die Bereitstellung personenbezogener Daten bei der Nutzung von Vorteilsprogrammen wie „Lidl Plus“ als „Preis“ für die Dienstleistung anzusehen ist. Die Antwort des Gerichts ist für viele Unternehmen mit datenbasierten Geschäftsmodellen von großer Bedeutung: Nein, persönliche Daten sind kein Preis im Sinne der gesetzlichen Informationspflichten.

Der Sachverhalt: Streit um die „Währung“ Daten

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte Lidl verklagt, weil das Unternehmen in den Teilnahmebedingungen seiner „Lidl Plus“-App die Teilnahme als „kostenlos“ bezeichnet. Nach Ansicht der Verbraucherschützer sei dies irreführend. Verbraucher würden die Vorteile der App nicht unentgeltlich erhalten, sondern mit der Bereitstellung ihrer persönlichen Daten „bezahlen“. Diese Daten, so die Argumentation, würden von Lidl wirtschaftlich verwertet. Folglich müsse Lidl die bereitzustellenden Daten als „Gesamtpreis“ im Sinne des Gesetzes ausweisen und dürfe den Dienst nicht als kostenlos bewerben.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart

Das OLG Stuttgart folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage vollumfänglich ab. Die Richter stellten klar, dass Lidl nicht gegen die gesetzliche Pflicht zur Angabe eines Gesamtpreises verstoßen hat.

Die wesentlichen Gründe der Entscheidung sind:

  1. Der Begriff „Preis“ meint nur Geld: Das Gericht legte den Begriff des „Preises“ nach den europäischen Richtlinien aus, die dem deutschen Recht zugrunde liegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung ergibt, dass unter einem „Preis“ ausschließlich eine Gegenleistung in Geld oder einer digitalen Darstellung eines Wertes zu verstehen ist. Die europäischen und nationalen Gesetzgeber haben bewusst zwischen Verträgen, bei denen der Verbraucher einen Preis zahlt, und Verträgen, bei denen er personenbezogene Daten bereitstellt, unterschieden.
  2. Datenschutzrecht und Preisrecht sind zu trennen: Der Schutz des Verbrauchers bei der Hingabe seiner Daten wird umfassend und abschließend durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Die DSGVO verpflichtet Unternehmen zu weitreichender Transparenz über Art, Umfang und Zweck der Datenverarbeitung. Die Vorschriften zur Preisangabe dienen einem anderen Zweck: Sie sollen finanzielle Transparenz schaffen und einen Preisvergleich ermöglichen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die datenschutzrechtlichen Informationspflichten über das Preisrecht erweitern wollte.
  3. Bezeichnung „kostenlos“ ist nicht irreführend: Da für die Nutzung der App kein Entgelt in Geld verlangt wird, ist die Bezeichnung als „kostenlos“ nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden. Es liege auch keine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Der Hinweis auf die Kostenlosigkeit findet sich erst in den Teilnahmebedingungen. Ein Verbraucher, der diese liest, wird im unmittelbaren Anschluss ausführlich darüber aufgeklärt, welche Daten von ihm erhoben und genutzt werden. Es entstehe daher nicht der falsche Eindruck, man müsse keinerlei Gegenleistung erbringen.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil schafft erhebliche Rechtssicherheit für Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf der Nutzung von Kundendaten basieren, wie es bei vielen Loyalty-Programmen, Freemium-Diensten oder sozialen Netzwerken der Fall ist.

Für Unternehmer bedeutet dies:

  • Ein Dienst, für den kein Geld verlangt wird, darf als „kostenlos“ bezeichnet werden.
  • Die Bereitstellung personenbezogener Daten muss nicht als „Preis“ oder „Gegenleistung“ im Sinne des Preisangabenrechts deklariert werden.
  • Entscheidend bleibt die lückenlose Einhaltung der Transparenz- und Informationspflichten nach der DSGVO. Verbraucher müssen klar, verständlich und vollständig darüber informiert werden, welche Daten für welche Zwecke verarbeitet werden.

Das letzte Wort in dieser Sache ist jedoch möglicherweise noch nicht gesprochen. Das OLG Stuttgart hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob die Verbraucherzentrale diesen Weg gehen wird.

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Datum: 23.09.2025
Aktenzeichen: 6 UKl 2/25

Streichpreise im Online-Handel: LG Wiesbaden bestätigt doppeltes Risiko für Händler

Die Werbung mit durchgestrichenen Preisen, sogenannten Streichpreisen, ist ein beliebtes und wirksames Marketinginstrument im Online-Handel. Sie suggeriert dem Kunden ein besonders gutes Geschäft und eine erhebliche Ersparnis. Doch Vorsicht: Die rechtlichen Anforderungen an eine solche Preiswerbung sind streng. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 24. April 2025, AZ: 11 O 1/25, macht deutlich, dass Händler hier gleich zwei Vorschriften beachten müssen, um teure Abmahnungen zu vermeiden.

Der Fall: Ein Modellauto und ein irreführender Rabatt

Ein Online-Händler für Modellautos bewarb ein bestimmtes Fahrzeugmodell mit einem Sonderpreis von 31,20 €. Als Vergleichspreis wurde ein durchgestrichener Preis von 72,95 € angezeigt, was eine Ersparnis von über 57 % suggerierte.

Der Haken an der Sache: Der Preis von 72,95 € war ein alter Preis, der schon seit vielen Monaten nicht mehr verlangt wurde. Unmittelbar bevor der Preis auf 31,20 € gesenkt wurde, kostete das Modellauto bereits nur noch 39,00 €.

Der Händler argumentierte, der Streichpreis von 72,95 € sei die ursprüngliche unverbindliche Preisempfehlung (UVP) gewesen, die er nach der Markteinführung für eine lange Zeit verlangt habe. Ein klagebefugter Wirtschaftsverband sah darin jedoch eine Irreführung der Verbraucher und zog vor Gericht.

Die rechtlichen Fallstricke: PAngV und UWG gelten nebeneinander

Im Zentrum des Verfahrens standen zwei verschiedene rechtliche Regelungen:

  1. Die Preisangabenverordnung (§ 11 PAngV): Seit einer Gesetzesänderung sind Händler verpflichtet, bei jeder Rabattwerbung den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den sie für das Produkt innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung verlangt haben. Gegen diese Vorschrift hatte der Händler unstrittig verstoßen und diesen Teil der Klage anerkannt.
  2. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 5 UWG): Dieses Gesetz verbietet ganz allgemein irreführende geschäftliche Handlungen. Eine Werbung mit einem Streichpreis ist dann irreführend, wenn der durchgestrichene Preis nicht derjenige ist, der unmittelbar vor der Preissenkung verlangt wurde.

Der Händler war der Ansicht, dass die spezielle Regelung der Preisangabenverordnung die allgemeine Regel des Wettbewerbsrechts verdränge. Wer also die Vorgaben der PAngV beachte, könne nicht mehr wegen Irreführung nach dem UWG belangt werden.

Die Entscheidung des LG Wiesbaden: Kein Entweder-oder!

Dieser Argumentation erteilte das Gericht eine klare Absage. Das Landgericht Wiesbaden stellte fest, dass beide Vorschriften – § 11 PAngV und § 5 UWG – nebeneinander anwendbar sind. Ein Händler muss also beide Regelungen beachten.

Die Werbung mit dem alten Preis von 72,95 € wurde als irreführend eingestuft, weil der Verbraucher bei einem Streichpreis davon ausgeht, dass es sich um den zuletzt gültigen Preis handelt. Indem ein viel höherer, aber veralteter Preis als Referenz genutzt wird, wird dem Kunden eine Ersparnis vorgegaukelt, die in dieser Höhe nicht der Realität entspricht. Ein solches Vorgehen ist geeignet, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu bewegen, die er bei Kenntnis der wahren Umstände möglicherweise nicht getroffen hätte.

Fazit und Praxistipp für Unternehmer

Das Urteil des LG Wiesbaden ist eine wichtige Mahnung für alle Online-Händler. Es genügt nicht, nur den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage anzugeben. Wer mit Streichpreisen wirbt, muss sicherstellen, dass zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Der Streichpreis muss der Preis sein, der unmittelbar vor der Rabattaktion verlangt wurde. Die Verwendung von alten „Mondpreisen“ oder lange zurückliegenden UVPs ist unzulässig, wenn das Produkt zwischenzeitlich bereits günstiger angeboten wurde.
  2. Zusätzlich muss der niedrigste Preis der letzten 30 Tage vor der Aktion angegeben werden.

Wer diese doppelte Anforderung missachtet, riskiert kostspielige Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände. Eine sorgfältige Preisdokumentation und eine korrekte Umsetzung der Preiswerbung sind daher unerlässlich.

Gericht: Landgericht Wiesbaden
Datum: 24.04.2025
Aktenzeichen: 11 O 1/25

Werbeslogan „einfachstes und effizientestes Lernmanagementsystem“ ist unzulässige Spitzenstellungswerbung

Unternehmer stehen permanent vor der Herausforderung, ihre Produkte und Dienstleistungen wirksam zu bewerben. Dabei wird oft zu Superlativen gegriffen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Doch wann ist eine solche Werbung noch zulässig und wann wird sie zur rechtlichen Stolperfalle? Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, AZ: 9 U 443/25, hat in einer aktuellen Entscheidung aus dem Juli klare Leitplanken für die sogenannte Spitzenstellungswerbung gesetzt und zugleich wichtige Aspekte zum Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen beleuchtet.


Worum ging es in dem Fall?

Zwei Unternehmen, beide Anbieter von digitalen Lernmanagement-Systemen (LMS), standen sich vor Gericht gegenüber. Das beklagte Unternehmen hatte sein Produkt auf seiner Website und in Google-Ads-Anzeigen mit den Slogans „das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem“ und „die einfachste & effizienteste LMS-Lösung“ beworben. Der Konkurrent sah darin eine unzulässige, irreführende Werbung und mahnte das Unternehmen ab.

Nachdem die Abmahnung zurückgewiesen wurde, landete der Fall vor dem Landgericht Mainz. Dieses wies den Antrag auf eine einstweilige Verfügung zunächst zurück. Zwar sah auch das Landgericht in der Werbung mit dem Begriff „effizienteste“ einen Wettbewerbsverstoß, stufte diesen jedoch als so geringfügig ein, dass es die Geltendmachung als rechtsmissbräuchlich ansah. Die Begründung: Die in der Abmahnung geforderte Vertragsstrafe und der angesetzte Gegenstandswert seien überhöht gewesen.


Die Entscheidung des OLG Koblenz:

Das OLG Koblenz korrigierte die Entscheidung der Vorinstanz und gab dem Kläger vollständig recht. Es verurteilte das beklagte Unternehmen, die Verwendung der Werbeslogans zu unterlassen. Die Richter stellten klar, dass es sich bei den Aussagen um sogenannte Spitzenstellungsbehauptungen handelt, die im Wettbewerbsrecht nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sind.

1. Superlative sind objektiv nachprüfbar

Das Gericht argumentierte, dass Begriffe wie „einfachste“ und „effizienteste“ nicht bloße subjektive Werturteile oder leere Werbeanpreisungen sind. Vielmehr besitzen sie einen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern. Die Effizienz einer Software lasse sich anhand von Kriterien wie Energie-, Kosten- und Zeiteffizienz messen, für die es sogar ISO-Normen gebe. Auch die „Einfachheit“ der Bedienung sei objektivierbar, etwa durch die Anzahl der Klicks, die intuitive Nutzerführung oder die Erfolgsquote der Anwender.

Wer mit solchen Superlativen wirbt, muss daher in der Lage sein, diese Spitzenstellung auch zweifelsfrei zu beweisen. Da das beklagte Unternehmen dies nicht konnte, war die Werbung irreführend und unlauter gemäß § 5 UWG. Solche Behauptungen sind besonders werbewirksam, da sie die Qualität des Produkts hervorheben und die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen können.

2. Kein Rechtsmissbrauch trotz hoher Forderungen in der Abmahnung

Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs (§ 8c UWG). Das beklagte Unternehmen hatte argumentiert, die Abmahnung sei missbräuchlich, weil die geforderte Vertragsstrafe (10.000 €) und der angesetzte Gegenstandswert (30.000 €) überhöht seien.

Das OLG Koblenz widersprach dieser Auffassung deutlich:

  • Gegenstandswert: Ein Wert von 30.000 € für zwei separate Wettbewerbsverstöße (Website und Google Ads) wurde in diesem Fall nicht als unangemessen hoch eingestuft. Das Gericht berücksichtigte die große Reichweite der Werbung im Internet und das erhebliche wirtschaftliche Schadenspotenzial für den Konkurrenten. Eine solche Werbung stellt die Marktposition und die Produktqualität des Mitbewerbers in Frage.
  • Vertragsstrafe: Das einmalige Fordern einer möglicherweise überhöhten Vertragsstrafe begründet für sich allein noch keinen Rechtsmissbrauch. Das Gesetz (§ 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG) spricht von „Vertragsstrafen“ im Plural, was nahelegt, dass ein systematisches Vorgehen erforderlich ist.
  • Fehlerhafte Formulierungen: Auch unglückliche Formulierungen in der Abmahnung, wie die Verknüpfung von Unterlassungsanspruch und Kostenerstattung, führen nicht automatisch zur Annahme von Rechtsmissbrauch, solange ein starkes und nachvollziehbares Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes besteht.

Praktische Schlussfolgerungen

Die Entscheidung des OLG Koblenz führt zu folgenden Erkenntnissen:

  1. Vorsicht bei Superlativen: Werbung mit Begriffen wie „der Beste“, „der Schnellste“ oder „der Effizienteste“ ist extrem risikoreich. Eine solche Alleinstellung am Markt muss objektiv und lückenlos beweisbar sein. Gelingt das nicht, liegt eine irreführende und damit unzulässige Werbung vor, die teure Abmahnungen nach sich ziehen kann.
  2. Abmahnungen ernst nehmen: Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ist eine oft genutzte Verteidigungsstrategie, die aber nur selten erfolgreich ist. Die Hürden dafür liegen hoch. Es sollte nicht darauf vertraut werden, dass eine Abmahnung wegen kleinerer formaler Fehler oder hoher Forderungen als missbräuchlich eingestuft wird.
  3. Schnelles Handeln ist entscheidend: Das Gericht bestätigte zudem, dass die Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung nicht allein dadurch entfällt, dass ein Wettbewerbsverstoß schon länger andauert. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Mitbewerber davon Kenntnis erlangt. Es besteht keine generelle Pflicht für Unternehmen, den Markt permanent zu beobachten.

Im Zweifel empfiehlt es sich, auf nachprüfbare Fakten und klare Leistungsbeschreibungen zu setzen, anstatt sich auf das Glatteis der Superlativ-Werbung zu begeben.


Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 9 U 443/25

Werbung auf Vergleichsportalen: OLG Karlsruhe zieht klare Grenzen zwischen Schleichwerbung und zulässigen Empfehlungen

Unternehmer, die Online-Vergleichsportale für Werbung nutzen oder selbst betreiben, stehen oft vor der Frage: Wie transparent muss Werbung gekennzeichnet sein? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 27. August 2025 gibt hierzu wichtige und praxisrelevante Antworten. Es zeigt, dass ein kleines „Anzeige“ oft nicht ausreicht, während ein selbstvergebener „Tarif-Tipp“ unter bestimmten Umständen zulässig sein kann.

Der Fall: Stromanbieter gegen Vergleichsportal

Ein Stromlieferant verklagte den Betreiber eines bekannten Online-Vergleichsportals für Stromtarife. Der Kläger beanstandete zwei Aspekte des Internetauftritts im einstweiligen Verfügungsverfahren:

  1. Versteckte Werbung: Nach einer Suchanfrage zeigte das Portal an den obersten beiden Positionen (sogenannte „0-Positionen“) bezahlte Werbeplatzierungen an. Diese waren zwar mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet, allerdings nur in kleiner, unauffälliger Schrift am Rand des farblich hervorgehobenen Angebotsfeldes. Die eigentlichen, neutralen Suchergebnisse erschienen erst weiter unten auf der Seite, nachdem der Nutzer scrollen musste.
  2. Irreführender „Tarif-Tipp“: Eines der Werbeangebote war zusätzlich mit einem siegelartigen Symbol mit der Aufschrift „TARIF-TIPP Top Service“ versehen. Der Kläger sah darin eine Irreführung der Verbraucher, da nicht ersichtlich war, auf welcher Grundlage diese besondere Empfehlung beruhte. Er vermutete, es handle sich um eine rein bezahlte Hervorhebung.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das Gericht traf eine differenzierte Entscheidung und gab der Klage nur teilweise statt.

1. Unzureichende Kennzeichnung von Werbung ist unzulässig

Hinsichtlich der Kennzeichnung der Werbeplätze in den 0-Positionen bestätigte das OLG die Entscheidung der Vorinstanz: Die Gestaltung war unlauter und damit wettbewerbswidrig.

Die Richter stuften die unzureichende Kennzeichnung als einen sogenannten „Per-se-Verstoß“ ein. Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist es stets unzulässig, Suchergebnisse anzuzeigen, ohne bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen für ein höheres Ranking „eindeutig offenzulegen“.

Das Gericht befand, dass die Kennzeichnung im vorliegenden Fall alles andere als eindeutig war. Folgende Gründe waren ausschlaggebend:

  • Zu unauffällig: Das Wort „Anzeige“ war im Verhältnis zu anderen, blickfangartigen Elementen wie dem Preis oder dem großen, farbigen Button „ZUM ANGEBOT“ viel zu klein und unscheinbar platziert.
  • Gesamteindruck zählt: Die farbliche Hervorhebung der Werbeplätze und zusätzliche Siegel erweckten beim Verbraucher den Eindruck, es handele sich um besonders passende Empfehlungen des Portals und nicht um gekaufte Werbung.
  • Platzierung und Scrolling: Da die „echten“ Suchergebnisse mit der Überschrift „Ihre ermittelten Ergebnisse“ erst nach dem Scrollen sichtbar wurden, bestand eine hohe Gefahr, dass Nutzer die obersten Treffer für die besten Ergebnisse halten und ihre Entscheidung treffen, ohne je von deren Werbecharakter zu erfahren.

Das OLG stellte klar: Der kommerzielle Zweck muss für den durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher auf den ersten Blick und ohne Anstrengung erkennbar sein. Eine Verwechslungsgefahr mit neutralen Suchergebnissen muss ausgeschlossen werden.

2. Ein „Tarif-Tipp“ des Portals ist keine neutrale Prüfung

Überraschender für viele mag die Entscheidung zum „TARIF-TIPP“ sein. Hier hob das OLG das Verbot der Vorinstanz auf und erlaubte die Verwendung des Symbols.

Die Begründung liegt in der Erwartungshaltung der Verbraucher. Das Gericht argumentierte, dass ein „TARIF-TIPP“, der erkennbar vom Portalbetreiber selbst stammt, nicht mit einem offiziellen Prüf- oder Gütesiegel einer neutralen, unabhängigen Stelle (wie z. B. Stiftung Warentest) verwechselt werden könne.

Verbraucher wissen, dass Vergleichsportale kommerzielle Interessen verfolgen und ihr Geld unter anderem mit Provisionen oder Werbung verdienen. Daher bringen sie einer Eigenempfehlung des Portals von vornherein nicht dasselbe Vertrauen entgegen wie einem neutralen Testergebnis. Die Empfehlung wird eher als subjektive Anpreisung und nicht als das Ergebnis einer objektiven, nach strengen Kriterien durchgeführten Prüfung verstanden.

Daher sei die Information, nach welchen genauen Kriterien der „Tipp“ vergeben wird, für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht so wesentlich, dass ihr Vorenthalten eine Irreführung darstelle. Das Gericht sah die Auszeichnung als eine Form des zulässigen (Fremd-)Lobs an, solange nicht fälschlicherweise behauptet wird, sie beruhe auf einer objektiven Prüfung.

Praktische Konsequenzen für Unternehmer

  • Für Portalbetreiber und Online-Shops: Prüfen Sie die Kennzeichnung von Werbung und gesponserten Inhalten kritisch. Ein versteckter Hinweis genügt nicht. Die Offenlegung muss so gestaltet sein, dass sie nicht übersehen werden kann. Im Zweifel gilt: lieber zu deutlich als zu dezent.
  • Für Werbetreibende: Achten Sie darauf, wie Ihre Anzeigen auf fremden Plattformen dargestellt werden. Eine unzureichende Kennzeichnung durch den Portalbetreiber kann auch auf Sie als Werbenden zurückfallen.
  • Für alle Unternehmen: Subjektive Empfehlungen oder eigene „Tipps“ sind rechtlich weniger problematisch als die Werbung mit Begriffen, die eine objektive Prüfung suggerieren („geprüft“, „zertifiziert“, „Testsieger“). Sobald der Eindruck einer neutralen Instanz erweckt wird, gelten extrem strenge Transparenzanforderungen.

Dieses Urteil unterstreicht erneut die wachsende Bedeutung von Transparenz im Online-Marketing. Gerichte legen die gesetzlichen Anforderungen an eine klare Offenlegung von Werbung zunehmend streng aus.


Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe

Datum: 27.08.2025

Aktenzeichen: 6 U 12/25

LG München I: „Insurance“ im Namen? Nur mit klarem Hinweis auf Vermittlertätigkeit

Unternehmen streben oft nach modernen und einprägsamen Namen für ihre Geschäfte. Die Wahl der Begriffe kann jedoch, insbesondere im Finanz- und Versicherungsbereich, zu einer rechtlichen Falle werden. Ein Urteil des Landgerichts München I zeigt deutlich, wo die Grenzen zwischen Marketing und irreführender Werbung verlaufen. Ein als Versicherungsvermittler tätiges Unternehmen wurde abgemahnt – mit weitreichenden Folgen für dessen Werbestrategie.

Der Fall im Überblick: Ein Vermittler, der wie ein Versicherer auftrat

Ein Unternehmen, das als Versicherungsvermittler tätig ist, bot über seine Webseite Versicherungspakete als „Flatrates“ an. Im Firmennamen führte es die Bezeichnung „… Insurance Services GmbH“ und warb prominent mit einem Logo, das den Begriff „Insurance“ enthielt.

Auf der Webseite verglich das Unternehmen seine Angebote direkt mit denen einer „klassischen Versicherung“. Dadurch entstand für den durchschnittlichen Besucher der Eindruck, das Unternehmen sei selbst ein Versicherungsunternehmen, das eigene Produkte anbietet. Tatsächlich war es aber nur als Vermittler für andere Versicherer tätig. Ein Wettbewerbsverband sah darin eine Irreführung der Verbraucher und klagte.

Die Entscheidung des Gerichts: Eine wichtige Unterscheidung

Das Landgericht München I gab der Klage in den entscheidenden Punkten statt. Die Richter nahmen dabei eine wichtige Differenzierung vor.

1. Die Werbung war irreführend und damit unzulässig

Das Gericht stellte klar, dass der werbliche Gesamteindruck entscheidend ist. Die prominente Verwendung des Begriffs „Insurance“ im Logo, die Darstellung eigener „Flatrates“ und der direkte Vergleich mit „klassischen Versicherungen“ erweckten systematisch den falschen Eindruck, die Firma sei ein Versicherer.

Der Einwand des Unternehmens, man habe in den „Erstinformationen“ am Ende der Webseite auf die Vermittlereigenschaft hingewiesen, ließ das Gericht nicht gelten. Ein solcher versteckter Hinweis reicht nicht aus, um den dominanten, irreführenden Gesamteindruck der Werbung zu entkräften. Von Verbrauchern wird nicht erwartet, beim ersten Besuch einer Webseite sämtliche Informationen, insbesondere am Seitenende, im Detail zu lesen.

2. Der Firmenname war jedoch zulässig

Anders urteilte das Gericht über den vollständigen Firmennamen „… Insurance Services GmbH“. Hier befanden die Richter, dass der Zusatz „Services“ eine ausreichende Klarstellung darstellt. Der Begriff „Services“ (Dienstleistungen) macht deutlich, dass hier eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Versicherungen erbracht wird – also eine Vermittlung – und nicht das Versicherungsprodukt selbst angeboten wird. In Kombination mit der Rechtsform „GmbH“, die für Versicherungsunternehmen unzulässig ist, sei die Gefahr einer Verwechslung ausreichend gering.

Konsequenzen für die Unternehmenspraxis

Aus diesem Urteil lassen sich klare Konsequenzen für die Praxis ableiten:

  • Der werbliche Gesamteindruck ist entscheidend: Aus der Entscheidung folgt, dass ein Hinweis in nachrangigen Informationstexten eine ansonsten irreführende Werbung nicht heilen kann. Die zentrale Marketingbotschaft muss für sich genommen klar und unmissverständlich sein.
  • Präzision bei der Darstellung der eigenen Rolle: Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, die eigene Marktrolle unmissverständlich zu kommunizieren. Insbesondere Intermediäre müssen Darstellungen vermeiden, die sie als eigentliche Anbieter der Leistung erscheinen lassen.
  • Differenzierung zwischen Firma und Marke: Rechtlich relevant ist die Unterscheidung zwischen dem eingetragenen Firmennamen und der werblichen Nutzung von Markenelementen. Ein offiziell zulässiger Firmenname legitimiert nicht automatisch die Verwendung verkürzter Bestandteile in Logos oder Slogans, wenn diese für sich genommen irreführend wirken.

Fazit

Das Urteil des LG München I ist eine wichtige Mahnung, dass Transparenz im Marketing eine rechtliche Pflicht ist. Moderne und einfache Markenbotschaften dürfen niemals auf Kosten der Klarheit gehen. Eine sorgfältige Prüfung der Firmenbezeichnung und der gesamten Außendarstellung kann Unternehmen vor teuren Abmahnungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen schützen.

Gericht: Landgericht München I
Datum: 18.06.2025
Aktenzeichen: 37 O 13498/24
Fundstelle: openJur 2025, 15555

Rote Rabattaufkleber: Reicht eine reine Prozentangabe für verderbliche Ware noch aus?

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg, AZ: 3 U 2376/24 UWG, hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, die verderbliche Ware im Preis herabsetzen. Das Urteil befasst sich mit der Frage, wie Preisreduzierungen für Produkte mit kurzer Haltbarkeit korrekt gekennzeichnet werden müssen, um rechtssicher zu sein.


Warum rote Aufkleber allein nicht mehr genügen

Viele Händler greifen auf rote Aufkleber mit prozentualen Rabatten (z. B. „-30%“) zurück, um auf Lebensmittel hinzuweisen, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft. Das OLG Nürnberg stellte jedoch klar, dass diese Kennzeichnung allein nicht ausreicht.

Das Gericht begründet dies damit, dass Verbraucher in „geeigneter Weise“ darüber informiert werden müssen, warum der Preis gesenkt wurde. Ein bloßer Prozent-Aufkleber erfüllt diese Anforderung nicht, da der Kunde nicht erkennen kann, ob der Rabatt auf eine Sonderaktion, einen Sortimentswechsel oder auf die drohende Verderblichkeit zurückzuführen ist.

Die Preisangabenverordnung (§§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 4 Nr. 2 PAngV) sieht eine Ausnahme von der Pflicht zur Nennung eines neuen Gesamt- und Grundpreises nur dann vor, wenn der Grund für die Reduzierung klar kenntlich gemacht wird. Ziel dieser Vorschrift ist es, dem Verbraucher eine informierte Wahl zu ermöglichen und ihn davor zu warnen, dass das Produkt rasch verbraucht werden muss.

Klare Hinweise sind jetzt Pflicht

Um wettbewerbsrechtliche Verstöße zu vermeiden, müssen Händler ihre Preiskennzeichnung anpassen. Statt des bloßen Prozentsatzes sollten sie eindeutig auf den Grund der Preisreduzierung hinweisen, etwa durch Hinweise wie „reduziert wegen kurzer Haltbarkeit“ oder „wegen bevorstehendem Verderb“. Dies kann entweder direkt auf dem Produktaufkleber erfolgen oder durch eine Kennzeichnung des gesamten Warenkorbs oder Regals, in dem die reduzierten Waren angeboten werden. Das Gericht betont, dass der Verbraucher durch diese Informationen darüber aufgeklärt wird, dass sich das Produkt nicht zur Bevorratung eignet.

Preiskennzeichnung am Regal: Das Zusammenspiel zählt

Das Urteil befasste sich auch mit der Preisauszeichnung am Regal selbst. Ein Verbraucherverband hatte die Beklagte abgemahnt, weil sie am selben Regal verschiedene Preistypen – Gesamtpreis, Grundpreis pro 100 Gramm und Einzelpreise für unterschiedliche Gewichtseinheiten – verwendete. Dies sei intransparent und verwirrend.

Das OLG Nürnberg sah hier jedoch keinen Verstoß. Ausschlaggebend war, dass die gesamte Preiskommunikation berücksichtigt wurde, also sowohl die Schilder am Regal als auch die Etiketten auf den einzelnen Produktverpackungen. Da die Preise auf den Verpackungen korrekt und vollständig waren und die Regalschilder klar auf diese verwiesen (z. B. mit „Preis s. Pckg.“), wurde keine Irreführung der Verbraucher festgestellt.

Auch die blickfangmäßige Angabe eines 100-Gramm-Preises für unterschiedlich schwere Käsepackungen ist nicht zu beanstanden. Das Gericht befand diese Praxis sogar als eine nützliche Orientierungshilfe für Kunden.

Fazit für Unternehmen

Dieses Urteil ist ein klares Signal an den gesamten Lebensmitteleinzelhandel. Die bisherige Praxis, verderbliche Ware mit einfachen Prozentrabatten zu kennzeichnen, birgt ein hohes Abmahnrisiko. Um dies zu vermeiden, sollten Unternehmen ihre Preiskennzeichnungssysteme anpassen und den Grund für die Preisreduzierung klar und eindeutig kommunizieren. Gleichzeitig bestätigt das Gericht, dass eine transparente und schlüssige Kombination von Preisangaben am Regal und auf dem Produkt selbst zulässig ist.


Gericht, Datum und Aktenzeichen:

  • Gericht: OLG Nürnberg
  • Datum: 05.08.2025
  • Aktenzeichen: 3 U 2376/24 UWG
  • Fundstelle: GRUR-RS 2025, 19334

Irreführende „Super-Knüller“-Werbung bei Edeka: Landgericht Offenburg setzt Grenzen

Das Landgericht Offenburg hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (AZ: 5 O 1/23 KfH) entschieden, dass eine von Edeka verwendete „Super-Knüller“-Werbung für Möhren unzulässig ist.
Der Fall zeigt eindrücklich, wie streng Gerichte bei Preisangaben vorgehen – und dass Verstöße gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schnell zu Unterlassungsansprüchen führen können.

Der Sachverhalt

Edeka bewarb in einem Prospekt Möhren aus Deutschland für 0,99 € pro 750-g-Schale mit dem Zusatz „Sie sparen 33 %“ und der hervorgehobenen Bezeichnung „SUPER-KNÜLLER“.
In einer Fußnote wurde zwar darauf hingewiesen, dass der niedrigste Gesamtpreis in den letzten 30 Tagen bei 0,88 € lag – die beworbene prozentuale Ersparnis bezog sich jedoch nicht auf diesen Wert, sondern auf einen regulären Preis von 1,49 €, der im Prospekt nicht genannt war.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht sah darin einen klaren Verstoß gegen:

  • § 11 Abs. 1 PAngV – die Pflicht, bei Preisermäßigungen den niedrigsten Gesamtpreis der letzten 30 Tage als Bezugspunkt anzugeben,
  • § 5 UWG – Irreführung über das Vorliegen eines besonderen Preisvorteils.

Besonders beanstandet wurde, dass der Angebotspreis (0,99 €) höher lag als der in der Fußnote genannte Referenzpreis (0,88 €). Damit wurde der Eindruck eines Preisvorteils erweckt, der tatsächlich nicht bestand.
Das Gericht stellte zudem klar: Prozentangaben oder Schlagworte wie „SUPER-KNÜLLER“ müssen sich nachvollziehbar aus dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage ableiten lassen.
Diese Auslegung folgt dem Ziel der EU-Richtlinie 98/6/EG, sogenannte „Preisschaukeln“ zu verhindern.

Folgen für Unternehmen

Für Händler bedeutet das Urteil:

  • Wer mit Preisermäßigungen wirbt, muss die Berechnungsgrundlage klar und transparent angeben.
  • Prozentangaben müssen immer auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezogen werden.
  • Fußnoten helfen nur, wenn sie die fehlenden Informationen tatsächlich klar und deutlich vermitteln.
  • Begriffe wie „Super-Knüller“ oder ähnliche Werbeverstärker sind nur zulässig, wenn der tatsächliche Vorteil im Verhältnis zum Referenzpreis besteht.

Das Gericht verurteilte Edeka zur Unterlassung der beanstandeten Werbung und zur Zahlung der Abmahnkosten an die Verbraucherzentrale. Eine Widerklage auf Erstattung eigener Anwaltskosten wies es ab.


Gericht: Landgericht Offenburg, 5. Zivilkammer (Handelskammer)
Datum: 8. Juli 2025
Aktenzeichen: 5 O 1/23 KfH

„Kein Alkohol ist auch keine Lösung“ – außer vor Gericht

Die Toten Hosen haben es besungen, und jetzt hat es auch die deutsche Justiz erkannt: Kein Alkohol ist auch keine Lösung. Zumindest dann nicht, wenn es um die Bewerbung von „alkoholfreien“ Getränken geht, die eben doch nicht ganz ohne sind – weder inhaltlich noch juristisch. Zwei Urteile zeigen, wie schnell aus einem Null-Komma-Null bzw. Null-Komma-nichts ein Problem werden kann.


Fall 1: Der „gesunde“ Wein aus Schweinfurt

Die Firma Senzowine hatte im Internet für ihre entalkoholisierten Weine geworben: „Der ideale Begleiter für alle, die gesund und bewusst genießen.“ Klingt harmlos. Klingt nach Lifestyle. Klingt nach einem Abend mit Couscous-Salat und Yoga. Aber: Laut Landgericht Schweinfurt (AZ: Az. 5 HK O 23/24) ist das eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Health-Claims-Verordnung – und damit verboten.

Warum? Weil der Verbraucher daraus schließen könnte, dass alkoholfreier Wein gesund sei. Und das ist er laut Gericht nicht. Zumindest nicht gesund genug, um damit werben zu dürfen. Dass der Wein „alkoholfrei“ ist, hilft da wenig, denn auch „alkoholfrei“ heißt in der Praxis meist „< 0,5% Vol.“. Also doch ein Schuss Wahrheit im Glas.


Fall 2: Der „Gin“ ohne Promille aus Braunschweig

Noch trockener (also rechtlich) ging es beim LG Braunschweig (AZ: 22 O 2566/23) zu. Dort hatte ein Hersteller ein Getränk als „alkoholfreien Gin“ mit „0,0% Vol.“ verkauft. Das Problem: Gin ist laut EU-Spirituosenverordnung ein Getränk mit mindestens 37,5% Alkohol. Punkt. Wer also etwas verkauft, das so riecht, schmeckt oder heißt wie Gin, aber keinen Tropfen Ethanol enthält, darf es trotzdem nicht so nennen. Selbst wenn’s aus dem Kupferkessel kommt.

Zusätzlich fehlten auch Zutatenverzeichnis und Nährwerttabelle – ein klarer Verstoß gegen die Lebensmittelkennzeichnungspflichten. Und das Ganze kam auch noch in einer Glasflasche ohne Pfand. Triple-Foul.


Was lernen wir daraus?

  1. Wer „alkoholfrei“ schreibt, muss aufpassen: Es darf nicht „gesund“ wirken, und es darf schon gar kein Alkohol mehr drin sein. Nicht einmal ein halbes Prozent.
  2. Wer „Gin“ sagt, muss liefern: Mindestens 37,5% – sonst ist der Begriff tabu.
  3. Verpackung, Zutaten, Nährwerte? Auch alkoholfreie Hochstapler müssen die Basics der Kennzeichnung einhalten.

Fazit: Wer ohne Promille wirbt, sollte einen klaren Kopf behalten

Die deutschen Gerichte machen ernst mit der Regulierung „alkoholfreier“ Getränke. Zwischen Lifestyle-Versprechen und juristischer Wirklichkeit liegt oft nur ein Halbsatz. Und manchmal auch ein halbes Promille. Wer als Hersteller von Genussmitteln glaubt, sich mit kreativem Wording an den Regeln vorbeimogeln zu können, landet schneller vor Gericht als auf dem Markt.

Oder wie es die Toten Hosen sagen würden: Kein Alkohol ist auch keine Lösung. Aber bei der Werbung besser als ein Verfahren wegen Irreführung.


Gerichtliche Informationen:

  • Landgericht Schweinfurt, Urteil vom 19.03.2025, Az. 5 HK O 23/24,
  • Landgericht Braunschweig, Urteil vom 16.10.2024, Az. 22 O 2566/23

Greenwashing durch Verpackungsgestaltung

Das Landgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 18. Juni 2025 (Az. 2-06 O 185/23) entschieden, dass die Werbung eines Hygieneartikel-Herstellers mit dem Logo „X Protects“ auf Inkontinenzprodukten irreführend ist – es handelt sich eindeutig um unzulässiges Greenwashing.


Hintergrund des Verfahrens

Ein Mitbewerber klagte gegen die Verwendung des „X Protects“-Logos auf Produkten wie Einlagen und Einweghosen. Die Verpackungen enthielten Aussagen wie:

„Mit unserem X Protects Programm reduzieren wir bis 2030 Schritt für Schritt unseren CO₂-Ausstoß in Europa um 50 % – für einen besseren ökologischen Fußabdruck. … Weitere Informationen auf X.de.“

Diese Hinweise bezogen sich jedoch nicht konkret auf die kaufaktuell angebotenen Produkte.


Die rechtlichen Kernpunkte

  1. Irreführung durch Produktbezogenheit
    Verbraucher verstehen das Logo in Kombination mit einer grünen Gestaltung als Hinweis auf eine besondere Umweltfreundlichkeit des konkreten Produkts.
  2. Fehlende Transparenz
    Das Gericht stellte fest, dass weder das Ausgangsniveau des CO₂-Ausstoßes noch der bisherige Fortschritt offengelegt wurden. Auch die Maßnahmen zur Zielerreichung wurden nicht konkret benannt. Damit fehlt eine überprüfbare Grundlage für die Angaben.
  3. Unzureichende Informationen
    Die nur online oder auf der Verpackungsrückseite bereitgestellten Informationen genügen nicht: Sie sind schwer zugänglich, unspezifisch und lassen viele Fragen offen.

Folgen für die Praxis

Unternehmen müssen bei umweltbezogener Werbung künftig darauf achten:

  • Konkret und nachvollziehbar kommunizieren: Zahlen, Bezugszeitpunkt, Fortschritt und Maßnahmen müssen transparent genannt werden.
  • Produktbezogen werben: Umweltaussagen müssen sich klar auf das konkrete Produkt beziehen.
  • Kritische Werbeelemente direkt erklären: Statt nur auf Websites zu verlinken, sollten wichtige Details auf Verpackung und in unmittelbarer Kaufumgebung platziert werden.

Fazit des Urteils

Das Urteil unterstreicht die wachsende Sensibilität der Justiz gegenüber Greenwashing. Wer mit Umweltfreundlichkeit wirbt, muss konkret und belegbar bleiben – bloße Orientierungshilfen oder Zukunftsversprechen reichen nicht aus.


Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
Entscheidungsdatum: 18. Juni 2025
Aktenzeichen: 2‑06 O 185/23

Irreführende Werbung mit „gefühlten Wahrheiten“ – LG Darmstadt stoppt suggestive Emotionswerbung für Flüssiggas

Ausgangssituation

Ein Flüssiggasanbieter bewarb sein Produkt mit folgendem Slogan:
Perfekt zum Frühlingsanfang unser günstiges und faires Pfingstangebot… Jetzt bevorraten, bevor zum Sommer die Ölförderung durch die OPEC wieder reduziert wird und geopolitische Spannungen zu Preisanstiegen führen!

Ein Mitbewerber reichte daraufhin eine einstweilige Verfügung ein. Der Vorwurf: Die Werbung suggeriere Fakten über eine bevorstehende OPEC-Förderkürzung und steigende Preise, ohne dass es dafür gesicherte Belege gebe.

Entscheidung des LG Darmstadt (30. Juni 2025 – Az.: 18 O 20/25)

Das Landgericht Darmstadt stufte die Werbung als irreführend ein. Zwar sei es grundsätzlich zulässig, mit Emotionen wie Preisanstiegssorgen oder Angebotsknappheit zu werben. Solche sogenannten Emotionsansprachen sind im Wettbewerb nicht per se unzulässig. Unlauter wird es jedoch, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen nicht stimmen.

Im konkreten Fall fehlte es laut Gericht an einem sachlichen Fundament für die Behauptung, dass die OPEC im Sommer die Ölförderung senken werde oder dass geopolitische Spannungen sicher zu höheren Preisen führen würden. Die Werbung erweckte jedoch genau diesen Eindruck. Ein solcher Hinweis dürfe nicht den Anschein erwecken, als handle es sich um feststehende Tatsachen, wenn tatsächlich nur Spekulationen vorliegen.

Zudem stellte das Gericht klar, dass der Rückgriff auf frühere Jahre wie 2020 oder 2023 keine ausreichende Tatsachengrundlage bietet. Insbesondere sei bekannt, dass 2020 pandemiebedingt eine Ausnahmesituation herrschte. Auch ein enger Zusammenhang zwischen Öl- und Flüssiggaspreisen sei nicht nachweisbar.

Juristische Kommentare betonen den Kern der Entscheidung: Werbung darf emotionale Elemente enthalten, jedoch nur dann, wenn der behauptete Sachverhalt objektiv belegbar ist. Spekulative Aussagen über zukünftige Entwicklungen dürfen nicht als sichere Fakten dargestellt werden.

Die Entscheidung zeigt damit eine klare Grenze auf: Zulässige Werbung endet dort, wo durch die konkrete Formulierung beim Verbraucher ein falscher Eindruck objektiver Sicherheit entsteht.

Was Unternehmer jetzt wissen sollten

Vorsicht ist geboten bei Zukunftsprognosen. Werbung darf auf Preisentwicklungen hinweisen – jedoch nur, wenn belastbare Daten oder anerkannte Prognosen dafür vorliegen. Spekulationen reichen nicht aus.

Wer konkrete Gründe wie OPEC-Entscheidungen oder politische Risiken benennt, muss dies belegen können. Dabei sollte auf eine transparente und präzise Formulierung geachtet werden. Aussagen wie „möglicherweise“ oder „es könnte“ sind weniger problematisch als absolute Behauptungen.

Zudem zeigt das Verfahren: Auch kurzfristige Marketingaktionen wie saisonale Angebote können bei irreführender Gestaltung zu einstweiligen Verfügungen führen. Selbst vor einem weit entfernten nächsten Pfingstfest ist Eilbedürftigkeit gegeben, wenn Wiederholungsgefahr besteht.

Fazit

Die Entscheidung des LG Darmstadt macht deutlich: Emotionale Werbung ist erlaubt – aber nur, wenn die beworbene Aussage einen realen, überprüfbaren Hintergrund hat. Spekulationsbasierte Drohszenarien ohne faktische Grundlage gelten als irreführend. Unternehmer sollten bei zukunftsbezogenen Aussagen daher größte Sorgfalt walten lassen und ihre Werbung rechtssicher gestalten.