Markenverletzung im Online-Handel: Der EuGH klärt, wo und was der „Besitz“ von Waren ist

Der Online-Handel kennt keine nationalen Grenzen. Waren werden oft in einem Land gelagert und aus einem anderen heraus verkauft, um sie in ein drittes Land zu liefern. Dies wirft im Markenrecht die Frage auf, wo eine Markenverletzung überhaupt stattfindet und wer dafür haftet. Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) wichtige Klarstellungen vorgenommen, die für alle im E-Commerce tätigen Unternehmen von großer Relevanz sind.

Die Ausgangslage: Eine Markenrechtsklage über Ländergrenzen hinweg

Im Zentrum des Verfahrens stand eine spanische Online-Händlerin, die über ihre Website und Amazon.de Tauchzubehör bewarb, das mit Zeichen versehen war, die den Marken eines deutschen Unternehmens identisch waren. Der deutsche Markeninhaber klagte auf Unterlassung, auch wegen des unbefugten Besitzes der Waren. Die spanische Händlerin argumentierte, dass sich der Besitz der Waren in Spanien befand, also außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Marken. Dies führte zur entscheidenden Frage, ob eine Markenverletzung auch dann vorliegt, wenn der Besitz der Ware in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt, die Waren aber für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind.

Die Entscheidung des EuGH: Besitz im Ausland kann Markenrechte verletzen

Der EuGH stellte klar, dass der Inhaber einer nationalen Marke einem Dritten verbieten kann, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Waren zu besitzen, wenn der Zweck dieses Besitzes der Verkauf oder das Inverkehrbringen der Waren im Schutzland ist. Der Gerichtshof betonte, dass der Schutz einer Marke, obwohl er grundsätzlich auf das Territorium des Eintragungsstaates beschränkt ist, seine Wirksamkeit nicht verlieren darf. Wenn sich ein Online-Angebot an Verbraucher in Deutschland richtet, kann die deutsche Marke auch im Ausland durch den Besitz der Waren verletzt werden. Die bloße Zugänglichkeit einer Website reicht dafür zwar nicht aus, aber relevante Indizien wie Liefergebiete oder die Nutzung einer länderspezifischen Domain wie amazon.de können dies belegen.

Der Begriff des „Besitzes“: Unmittelbar oder mittelbar?

Eine weitere zentrale Frage war, was unter dem Begriff „Besitz“ zu verstehen ist. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Im Online-Handel über Logistikdienstleister wie Amazon haben Händler oft keinen unmittelbaren physischen Zugriff auf die Waren, sondern nur einen mittelbaren. Der EuGH entschied, dass für eine Markenverletzung auch der mittelbare Besitz ausreicht. Ein Unternehmen muss nicht die tatsächliche, unmittelbare Herrschaft über die Waren haben, sondern es genügt eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person, die die physische Kontrolle über die Waren hat (z. B. ein Logistikdienstleister oder Spediteur). Eine andere Auslegung würde den Markenschutz im modernen E-Commerce, wo Händler oft mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, erheblich aushöhlen.

Fazit: Erweitertes Risiko für Online-Händler

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Position von Markeninhabern im Online-Handel erheblich. Sie verdeutlicht, dass eine Markenverletzung nicht mehr nur am physischen Ort der Ware stattfindet, sondern auch dort, wo das Angebot die Verbraucher erreicht.

Online-Händler, die markenidentische Waren aus einem EU-Land in ein anderes liefern lassen, müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur für den Verkauf oder das Anbieten, sondern bereits für den Besitz dieser Waren im Ausland haftbar gemacht werden können, wenn die Waren für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind. Dies gilt auch, wenn die Waren über Dritte wie Logistikzentren gelagert werden.


Gericht: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
Datum: 1. August 2025
Aktenzeichen: C-76/24

Online-Shop nur auf Englisch und die Folgen für die Pflichtangaben

Viele Unternehmer, die ihre Produkte europaweit vertreiben, stellen sich eine entscheidende Frage: Muss ein Online-Shop, der sich auch an deutsche Kunden richtet, zwingend in deutscher Sprache sein? Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Urteil eine praxisnahe Antwort gegeben und gleichzeitig an drei weitere, oft übersehene Fallstricke im E-Commerce erinnert.

Der Fall: Polnischer Händler, englischer Shop, deutsche Kunden

Ein deutscher Händler für Dekorationsartikel verklagte seinen polnischen Wettbewerber. Dieser bot seine Waren über eine Website an, die ausschließlich in englischer Sprache verfügbar war, lieferte aber weltweit und bewarb seine Produkte auch gezielt in Deutschland. Der Kläger sah darin mehrere Wettbewerbsverstöße, unter anderem weil Pflichtinformationen und AGB nicht auf Deutsch bereitgestellt wurden. Das Gericht gab dem Kläger nur teilweise recht und schuf damit wichtige Leitplanken für den internationalen Online-Handel.

Die Kernaussage: Englisch ist nicht per se unzulässig

Die wohl wichtigste Erkenntnis aus dem Urteil: Ein Online-Shop muss nicht zwangsläufig in deutscher Sprache gehalten sein, um rechtssicher in Deutschland Produkte anzubieten.

Das Gericht entschied, dass ein Unternehmer in der Wahl der Sprache für sein Angebot grundsätzlich frei ist. Wenn die Website – vom ersten Besuch über die Produktbeschreibung bis zum Abschluss des Bestellvorgangs – konsequent und ausschließlich in einer Fremdsprache (hier: Englisch) gehalten ist, müssen auch die gesetzlichen Pflichtinformationen nicht zusätzlich ins Deutsche übersetzt werden. Die Richter gehen davon aus, dass ein Kunde, der in der Lage ist, einen englischsprachigen Bestellprozess zu durchlaufen, auch die dazugehörigen englischen Rechtstexte verstehen kann.

Diese Entscheidung ist eine gute Nachricht für international ausgerichtete Unternehmen, da sie eine erhebliche Hürde für den Eintritt in den deutschen Markt beseitigt.

Falle 1: Das Impressum – Ein „mailto“-Link ist zu wenig

Obwohl der Shop in Sachen Sprache Recht bekam, scheiterte er an einer grundlegenden Anforderung des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG, ehemals Telemediengesetz). Im Impressum war keine E-Mail-Adresse ausgeschrieben. Stattdessen fand sich nur ein Link mit dem Text „Write us an e-mail“, der beim Anklicken das E-Mail-Programm des Nutzers öffnet.

Das Gericht stellte klar: Das ist nicht ausreichend. Die „Adresse der elektronischen Post“ muss für eine schnelle und unmittelbare Kontaktaufnahme direkt sichtbar und lesbar sein. Ein „mailto“-Link funktioniert nur, wenn der Nutzer ein entsprechendes Programm konfiguriert hat, was nicht immer der Fall ist. Die E-Mail-Adresse muss also zwingend ausgeschrieben werden (z. B. „info@beispielshop.de“).

Falle 2: Die finale Bestellseite – Alle Infos auf einen Blick

Ein weiterer entscheidender Fehler lag im Aufbau der letzten Seite des Bestellvorgangs. Die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen über die wesentlichen Eigenschaften der Ware, den Gesamtpreis und alle anfallenden Versandkosten wurden dem Kunden auf einer Seite vor der finalen Bestellseite angezeigt. Auf der Seite mit dem „Kaufen“-Button selbst fehlten diese Angaben.

Auch hier urteilte das Gericht streng: Diese Informationen müssen dem Verbraucher „unmittelbar bevor“ er seine Bestellung abgibt, in hervorgehobener Weise zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, sie müssen auf derselben Seite stehen, auf der der Kunde den Bestellvorgang zahlungspflichtig abschließt. Ein Anzeigen auf einer vorgeschalteten Seite genügt nicht.

Falle 3: Das Widerrufsrecht – Keine eigenen Regeln erfinden

Schließlich hatte der Händler versucht, das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers unzulässig einzuschränken. In seinen Bedingungen hieß es unter anderem, dass mit einem Club-Gutschein gekaufte Waren nicht zurückgegeben werden könnten oder eine Erstattung von der Verwendung eines speziell ausgedruckten Versandetiketts abhinge.

Das Gericht bekräftigte, dass das 14-tägige gesetzliche Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nicht zum Nachteil des Verbrauchers verändert werden darf. Solche Klauseln sind unwirksam und stellen einen klaren Wettbewerbsverstoß dar, der abgemahnt werden kann.

Fazit für Unternehmer

Die Entscheidung des LG Frankfurt liefert wertvolle Leitlinien:

  1. Ein konsequent fremdsprachiger Online-Shop ist auch für den deutschen Markt zulässig.
  2. Die Details zählen: Im Impressum muss die E-Mail-Adresse immer ausgeschrieben sein.
  3. Die letzte Seite vor dem Kauf muss alle wesentlichen Bestellinformationen zusammenfassen.
  4. Das gesetzliche Widerrufsrecht ist für Verbraucher unantastbar und darf nicht durch eigene Bedingungen eingeschränkt werden.

Betreiber von Online-Shops sind gut beraten, ihre Prozesse anhand dieser klaren Vorgaben zu überprüfen, um kostspielige Abmahnungen zu vermeiden.

Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
Datum: 05.03.2025
Aktenzeichen: 2-06 O 38/25

LG Rostock: Materialangabe bei Textilien muss auf der Bestellseite stehen

Das Landgericht Rostock (AZ: 6 HK O 28/24) hat entschieden, dass Online-Händler die wesentliche Materialzusammensetzung von Textilien direkt auf der letzten Bestellseite angeben müssen. Eine Angabe nur auf der Produktdetailseite reicht nicht aus.

Hintergrund des Falls

Ein Händler bot in seinem Onlineshop einen „VIP Seidenschal“ zum Preis von 19,90 € an. Auf der Produktseite wurde korrekt angegeben, dass der Schal aus Polyester besteht. Auf der finalen Bestellseite vor dem Klick auf „Bestellung abschließen“ fehlte jedoch jede Information zum Material. Sichtbar waren nur der Produktname, die Anzahl und der Preis.

Ein Verbraucherschutzverein sah darin einen Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten und klagte auf Unterlassung. Die Bezeichnung „Seidenschal“ erweckte nach Auffassung des Gerichts zudem einen irreführenden Eindruck, da tatsächlich keine Seide enthalten war.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht bejahte einen Wettbewerbsverstoß. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und § 312j Abs. 2 BGB muss der Unternehmer dem Verbraucher unmittelbar vor Abgabe der Bestellung klar und verständlich die wesentlichen Eigenschaften der Ware mitteilen. Bei Textilien gehört dazu insbesondere die Materialzusammensetzung.

Die Pflichtinformation muss in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Bestellbutton stehen. Eine bloße Verlinkung oder eine frühere Angabe im Bestellprozess genügt nicht. Das Vorenthalten dieser Information kann den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung verleiten, die er bei vollständiger Information möglicherweise nicht getroffen hätte.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt deutlich, dass Händler ihre Bestellseiten prüfen und anpassen müssen. Insbesondere bei Textilien ist die Materialangabe zwingend auf der letzten Bestellseite erforderlich. Andernfalls drohen hohe Ordnungsgelder oder sogar Ordnungshaft für den Geschäftsführer.


Gericht: Landgericht Rostock, 2. Kammer für Handelssachen
Datum: 07.01.2025
Aktenzeichen: 6 HK O 28/24

Werbung mit „Kauf auf Rechnung“

Werbung mit „Kauf auf Rechnung“ ist ein „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 15. Mai 2025 in der Rechtssache C-100/24 klargestellt, dass ein Hinweis auf eine bestimmte Zahlungsmodalität – hier der „Kauf auf Rechnung“ – auf einer Website ein „Angebot zur Verkaufsförderung“ im Sinne von Art. 6 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG darstellen kann. Das Urteil erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs im Streit zwischen der Verbraucherzentrale Hamburg und der bonprix Handelsgesellschaft mbH.

Worum ging es?

bonprix warb auf seiner Website mit der Aussage „Bequemer Kauf auf Rechnung“. Die Verbraucherzentrale Hamburg hielt dies für irreführend, da nicht sofort ersichtlich sei, dass diese Zahlungsmöglichkeit nur nach erfolgreicher Bonitätsprüfung zur Verfügung steht. Die Klage auf Unterlassung blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Der Bundesgerichtshof legte dem EuGH die Frage vor, ob ein solcher Hinweis bereits als „Angebot zur Verkaufsförderung“ anzusehen ist und damit den besonderen Transparenzanforderungen der Richtlinie unterliegt.

Die Entscheidung des EuGH

Der Gerichtshof bejahte die Vorlagefrage. Entscheidend sei, ob die Zahlungsmodalität dem Verbraucher einen objektiven und sicheren Vorteil verschafft, der sein Verhalten beeinflussen kann. Der EuGH stellte klar, dass:

  • „Angebote zur Verkaufsförderung“ nicht nur klassische Preisnachlässe oder Geschenke umfassen, sondern auch andere objektiv vorteilhafte Bedingungen wie den Aufschub der Kaufpreiszahlung;
  • dieser Vorteil nicht notwendigerweise einen erheblichen Geldwert haben muss;
  • der Hinweis auf eine Zahlungsart wie den Kauf auf Rechnung einen objektiven, sicheren Vorteil darstellen kann, etwa durch gesteigerte Liquidität oder verminderte Risiken für den Verbraucher.

Daher müsse bereits im Rahmen der Werbung klar und eindeutig auf etwaige Voraussetzungen – hier insbesondere die erforderliche Bonitätsprüfung – hingewiesen werden.

Praxishinweis für Onlinehändler

Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für die Gestaltung von Online-Werbung. Wer mit bestimmten Zahlungsmodalitäten wirbt, muss sicherstellen, dass die Bedingungen für deren Inanspruchnahme klar, leicht zugänglich und eindeutig dargestellt sind. Verstöße könnten abmahnfähig sein.

Händler sollten ihre Werbeangaben insbesondere zu Zahlungsoptionen auf Transparenz und Verständlichkeit prüfen, um rechtlichen Risiken vorzubeugen.

Fazit

Der EuGH bestätigt mit diesem Urteil seine verbraucherschutzfreundliche Linie. Bereits ein scheinbar neutraler Hinweis wie „Kauf auf Rechnung“ kann ein verkaufsförderndes Angebot darstellen und unterliegt dann strengen Informationspflichten.

Verknüpfung von Gewinnspielen mit der Abgabe einer Kundenbewertung

Das OLG Frankfurt/Main hat mit Urteil vom 20.06.2024, Az.: 6 U 128/23, entschieden, dass ein Onlinehändler wettbewerbswidrig handelt, wenn er die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit der Abgabe einer (positiven) Kundenbewertung verknüpft.

Das OLG war der Meinung, dass eine solche Verknüpfung mit einer „gekauften Kundenbewertung“ gleichzusetzen und damit unlauter sei.

Die Unlauterkeit könne nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Händler im Zusammenhang mit den Kundenbewertungen, die aufgrund der Teilnahme am Gewinnspiel erfolgt seien, einen aufklärenden Zusatz anbringe. Im vorliegenden Fall war zwar ein Hinweis des Onlinehändlers enthalten, jedoch nur unauffällig und mit einem nicht ausreichenden Text, was das Gericht für nicht ausreichend hielt.

Anforderungen an die Werbung mit einer „Sternebewertung“ im Internet

Der BGH (Urteil vom 25.07.2024, Az.: I ZR 143/23) musste zur Frage urteilen, wie auf einer Webseite bzw. in einem Onlineshop mit den mittlerweile typischen „Sternebewertungen“ geworben werden darf.

Beim BGH ging es nur noch um die Frage, ob bei einer Werbung mit Sternebewertungen eine konkrete Aufschlüsselung nach den einzelnen Kategorien erfolgen muss, ob also konkret angegeben werden muss, wie viele „Ein-Sterne-Bewertungen“, „Zwei-Sterne-Bewertungen“ usw. abgegeben worden sind.

Der BGH hat – in diesem Fall unternehmerfreundlich – entschieden, dass den Verbrauchern aufgrund ihrer Erfahrung bekannt sei, dass einer durchschnittlichen Sternebewertung in aller Regel unterschiedlich gute und schlechte Bewertungen zugrunde liegen, die zum Teil auch divergieren können, so dass eine Aufschlüsselung nicht nötig sei. Die Pressemitteilung des BGH findet sich hier.

Was allerdings nicht vom BGH geprüft wurde, aber bei den Vorinstanzen beim LG Hamburg und beim OLG Hamburg streitgegenständlich war, ist die Frage, ob gleichwohl der Händler gewisse Mindestanforderungen bei der Wiedergabe von Sternebewertungen zu erfüllen hat. Und hier hatte bereits die I. Instanz (LG Hamburg, Urteil vom 16.09.2022, Az.: 315 O 160/21) entschieden, dass jedenfalls bei der Wiedergabe von Sternebewertungen in einem Onlineshop zumindest die Gesamtzahl der angegebenen Kundenbewertungen und/oder der Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertung anzugeben ist. Und/oder deshalb, weil dies nicht ganz klar ist.

Die Entscheidungsgründe des Hamburger Urteils sprechen dabei für ein „und“, so dass beides anzugeben ist:

„Auch die Angabe des Zeitraums, in dem Bewertungen für eine Durchschnittsbewertung berücksichtigt wurden, stellt eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG n.F. dar. Ein Verbraucher wird Bewertungen, die aus aktuellerer Zeit stammen, stärker bei seiner Entscheidung berücksichtigen, während er ältere Bewertungen bei seiner Entscheidung eher vernachlässigen oder sogar komplett ignorieren wird. Es ist daher erforderlich, dass aus der Darstellung der Durchschnittsbewertung in irgendeiner Form erkennbar ist, aus welchem Zeitraum die berücksichtigten Bewertungen stammen, sei es durch Einblendung der eingeflossenen Bewertungen mit ihrem jeweiligen Datum oder durch eine Beschreibung berücksichtigten Zeitraums.“

Dies bedeutet:

Wer mit Sternebewertungen wirbt, muss zwar die einzelnen Sternebewertungskategorien nicht aufschlüsseln, jedoch die Gesamtzahl der Bewertungen und darüber hinaus wohl auch den Zeitraum angeben, seit wann Kundenbewertungen erfasst sind.

In vielen Shops findet sich zwar die Gesamtzahl der Bewertungen, häufig ist jedoch der Zeitraum nicht angegeben.

Nimmt man die Ausführungen des LG Hamburg wörtlich, so müsste auch bei jeder Wiedergabe von Sternebewertungen nicht nur die Gesamtzahl der eingegangenen Bewertungen, sondern auch der Zeitraum mit angegeben werden.

Da bei der BGH-Entscheidung dieser Punkt vom BGH nicht zu prüfen war, weil das beklagte Unternehmen die Verurteilung des LG nicht angegriffen hatte, ist die Entscheidung des LG Hamburg in diesem Punkt rechtskräftig.

Seit 01.07.2022: Der „Kündigungsbutton“

Seit Freitag, 01.07.2022, gelten neue Regelungen zur Kündigung von Verbraucherverträgen bei sog. Dauerschuldverhältnissen. Dazu wurde ein neuer § 312k in das BGB aufgenommen.

Diese Vorschrift regelt den sog. Kündigungsbutton.

Diese Regelung trifft sog. Dauerschuldverhältnisse mit Verbrauchern, also Verträge, die darauf gerichtet sind, dass ein Unternehmer gegen regelmäßige Zahlungen seine Leistungen erbringt.

Ausgenommen von der Vorschrift sind lediglich

  • Verträge, für deren Kündigung gesetzlich ausschließlich eine strengere Form als die Textform vorgesehen ist und
  • Verträge über Finanzdienstleistungen und Webseiten, die Finanzdienstleistungen betreffen.

Wichtig:

Es kommt nicht darauf an, dass der Vertrag mit dem Verbraucher auch online geschlossen wurde. Entscheidend ist allein, dass es Verbrauchern ermöglicht wird, einen entsprechenden Vertrag auch online abzuschließen.

Beispiel Fitnessstudio:

Ist es möglich, einen Vertrag mi einem Fitnessstudio sowohl online wie auch vor Ort abzuschließen, muss das Fitnessstudio auch den Kunden, die die Verträge vor Ort abgeschlossen haben, die Möglichkeit bieten, über den Kündigungsbutton den entsprechenden Vertrag zu kündigen. Der Kündigungsbutton – im Gesetz „Kündigungsschaltfläche“ genannt – muss gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden anderen eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Bei Anklicken des Buttons muss sie den Verbraucher unmittelbar zu einer Bestätigungsseite führen, die

1. den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht, Angaben zu machen,

a) zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund,

b) zu seiner Identität,

c) zur Bezeichnung des Vertrages,

d) zum Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll,

e) zur schnellen elektronischen Übermittlung der Kündigungsbestätigung an ihn und

2. eine Bestätigungsschaltfläche enthalten, über deren Anklicken der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar als mit nichts anderem als den Wörtern „Jetzt kündigen“ oder mit einer anderen entsprechend eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Nachdem der Verbraucher den Kündigungsbutton angeklickt hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Inhalt sowie Datum und Uhrzeit des Zugangs der Kündigungserklärung, sowie den Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, sofort auf elektronischem Wege in Textform bestätigen.

Wichtig:

Falls ein Unternehmer keinen solchen Kündigungsbutton zur Verfügung stellt, kann der Verbraucher einen Vertrag jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, § 312k Abs. 6 BGB.

Bei der Formulierung des Bestätigungsmails des Unternehmers an den Verbraucher sollte aufgepasst werden. Die Bestätigungsmail sollte die Kündigung als solche nicht bestätigen, sondern lediglich den Zugang und die vom Verbraucher angegebenen Kündigungsgründe. Der Unternehmer sollte sich deshalb meiner Meinung nach in der Bestätigungsmail die Option offenhalten, dass gerade in Fällen einer außerordentlichen fristlosen Kündigung der Unternehmer die Kündigung und deren Berechtigung noch zu prüfen hat.

EUR 1.000,00 Schmerzensgeld wegen fehlender geschlechtsneutraler Anrede

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 21.06.2022, Az.: 9 U 92/20, entschieden, dass eine „klagende Person nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit“ durch die Deutsche Bahn diskriminiert worden sei, weil bei der Nutzung von Angeboten der Bahn zwingend eine Anrede als „Herr“ oder „Frau“ angegeben werden musste. Nicht nur, dass das OLG einem entsprechenden Unterlassungsantrag stattgab. Die Bahn wurde auch verurteilt, ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1.000,00 zu bezahlen, und zwar gestützt auf die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Da bislang nur die Pressemitteilung des OLG vorliegt, noch nicht aber die Entscheidungsgründe, ist offen, weswegen ein solcher hoher Schmerzensgeldbetrag zuerkannt wurde und welche Gründe dafür maßgeblich waren.

Das Urteil des OLG sollten daher sämtliche Onlineshop- und Webseitenbetreiber zum Anlass nehmen und überprüfen, ob z.B. bei Bestell- oder Kontaktformularen eine Anrede zwingend vorgegeben sein muss. Falls ja, dann sollte hier zwischen „Herr“ und „Frau“ und „keine Anrede“ differenziert werden. Besser wäre es natürlich, komplett auf ein Anredefeld zu verzichten.

Ansonsten eröffnet eventuell das Urteil des OLG die Möglichkeit, dass nun sich andere „klagende Personen“ darauf stützen und Onlineshops und Webseiten auf etwaige Verstöße überprüfen, um sich so ein schönes Schmerzensgeld einzuklagen.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Bahn deswegen Nichtzulassungsbeschwerde erhebt und eventuell der BGH auch darüber entscheidet.

Datenschutz im Internet: TTDSG tritt ab 01.12.2021 in Kraft

Ab 01. Dezember 2021 tritt das neue Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, die bereichspezifischen Datenschutzregeln aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) und dem Telemediengesetz (TMG) in ein eigenes Gesetz zu überführen und diese den Vorgaben der DSGVO und der sog. ePrivacy-Richtlinie anzupassen.

Einer der Schwerpunkte des neuen Gesetzes ist – bezogen auf den Datenschutz bei Webseiten – die (Neu-)Regelung von Cookies bzw. Cookie-Bannern.

Jeder Internetnutzer kennt die Cookie-Banner, die auf das Setzen sog. Cookies hinweisen. Die wenigsten Nutzer beschäftigten sich auch wirklich mit dem Inhalt der entsprechenden Cookie-Banner und klicken auf „Zustimmen“ oder ähnliche vorformulierte Einwilligungserklärungen, um die Webseite auch nutzen zu können. Gerade auch wegen dieses typischen Nutzerverhaltens waren diverse Gestaltungen von Cookie-Bannern in den letzten zwei bis drei Jahren vermehrt Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Das neue TTDSG erlaubt nun explizit den Einsatz sog. „Personal Information Management-Systeme“ (kurz „PIMS“). „PIMS“ ist eine Software, die Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten geben soll. Der Anwender kann mithilfe von „PIMS“ auf seinem jeweiligen Endgerät abspeichern, welche Einwilligungen er erteilen möchte und welche nicht. Es können also Voreinstellungen für die Nutzung von Cookies für alle Webseiten festgelegt werden, so dass nicht auf jeder Webseite eine gezielte Auswahl der zu setzenden Cookies getroffen werden muss. Die Webseite erkennt beim Aufrufen der Webseite das benutzte „PIMS“, so dass der für viele lästige Cookie-Banner erst gar nicht erscheint und weggeklickt werden muss.

Allerdings wird nicht jedes „PIMS“ vom neuen TTDSG akzeptiert. Das Gesetz sieht ein Anerkenntnisverfahren für solche Software vor. Das bedeutet, dass der jeweilige Softwareanbieter eines „PIMS“ künftig ein Anerkennungsverfahren durchlaufen muss. Dieses kann nur erfolgreich durchlaufen werden, wenn bestimmte Anforderungen an das „PIMS“ erfüllt werden: So muss die Software insbesondere wettbewerbsneutral und unabhängig von den Tools sein, für die die Einwilligung erfolgen soll. Das genaue Verfahren dazu soll in einer Rechtsverordnung geregelt werden.

Damit die lästigen Cookie-Banner tatsächlich verschwinden, muss die Bundesregierung also zunächst eine (wirksame) Verordnung erlassen, in der die verschiedenen Voraussetzungen festgelegt werden. Sodann muss es natürlich ausreichend Anbieter solcher Software geben, die auch bereit sind, das Anerkennungsverfahren zu durchlaufen. Und schließlich müssen die Nutzer die „PIMS“ auch tatsächlich nutzen. Es dürfte also noch eine Weile dauern, bis die lästigen Cookie-Banner tatsächlich verschwinden.

Sofern kein „PIMS“ eingesetzt wird, enthält das TTDSG die Vorgabe, dass Cookies nur mit Einwilligung des Nutzers gesetzt werden dürfen.

§ 25 Abs. 1 Satz 1 TTDSG bestimmt dies explizit. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. § 25 Abs. 2 TTDSG regelt, dass eine Einwilligung nicht erforderlich ist, wenn der alleinige Zweck der Speicherung die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist oder – dies ist die wichtige Ausnahme für die Webseitenbetreiber – die Speicherung von Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann.

Letztgenannte Ausnahme sind die “technisch notwendigen Cookies“.

Dies sind z.B. Cookies, die einen Login auf eine Seite ermöglichen oder die für die Nutzung eines Warenkorbs eines Onlineshops nötig sind. Eine konkrete Definition im Gesetz, wann ein Cookie „unbedingt erforderlich“ ist, findet sich allerdings nicht.

Hier wird es also weiterhin Aufgabe der Gerichte sein, die „unbedingte Erforderlichkeit“ von Cookies zu bestimmen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gehören allerdings Tracking-Cookies, die lediglich Marketingzwecken dienen oder personalisierte Werbung ermöglichen sollen, nicht dazu.

Unzulässige Datenerhebungen von Onlineshops

Laut einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 09.11.2021 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 09.11.2021 die Klage einer Online-Versandapotheke gegen einen Bescheid des Landesdatenschutzbeauftragten von Niedersachsen abgewiesen.

Der Landesdatenschutzbeauftragte beanstandete zweierlei:

Zum einen die Abfrage der Online-Apotheke nach dem Geburtsdatum des Kunden. Zum anderen die Angabe einer Anrede, weil lediglich die Auswahlmöglichkeiten „Herr/Frau“ zur Verfügung standen.

Das Verwaltungsgericht gab dem Landesdatenschutzbeauftragten Recht:

Da es nicht ersichtlich sei, dass das Geburtsdatum für die Abwicklung einer Bestellung notwendig sei, weil diese nicht eine altersspezifische Beratung erforderten, verstoße die Erhebung des Geburtsdatums gegen das in der DSGVO normierte Prinzip der Datenminimierung. Demzufolge bedürfe es einer expliziten Einwilligung des Kunden in die Erhebung und Verarbeitung des Geburtsdatums, die nicht eingeholt worden sei.

Bezüglich der geschlechterspezifischen Anrede „Herr/Frau“ verständigten sich die Parteien darauf, dass der Onlineshop die zusätzliche Auswahloption „ohne Angabe“ einfügen müsse, woraufhin über diesen Punkt nicht mehr entschieden werden musste.

Auch das Landgericht Frankfurt/Main hatte sich in einem Verfahren wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits mit der Frage der gendergerechten Ansprache eines Kunden zu befassen (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 03.12.2020, Az.: 2-13 O 131/20, openJur 2020, 79049).

In dem vom Landgericht Frankfurt entschiedenen Fall hatte eine (so in den Urteilsgründen bezeichnete) „klagende Person“ einen Anspruch auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtverletzung gegen einen Onlineshop geltend gemacht. Wer dort bestellen wollte, musste bei dem Bestellformular ebenfalls die Anrede auswählen, wobei auch hier lediglich die Auswahlmöglichkeiten „Herr“ oder „Frau“ zur Verfügung gestanden hatten. Da die in diesem Verfahren „klagende Person“ eine „nicht binäre Geschlechtsidentität“ besaß, sah sie sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung, Zahlung einer Geldentschädigung und Erstattung von Abmahnkosten.

Das Landgericht bejahte zwar eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, war jedoch der Auffassung, dass darin keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung liege, die einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gewähre, egal, ob dieser Anspruch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder auf Persönlichkeitsrechtsverletzung gestützt werde. Gleichwohl musste der Onlineshop zumindest einen Teil der Abmahnkosten erstatten.

Onlineshops sollten daher dringend prüfen, ob sie im Rahmen des Bestellprozesses

– > unnötige Daten, wie z.B. das Geburtsdatum, eines Bestellers erheben, obwohl das Geburtsdatum für die Bestellung nicht erforderlich ist

und

-> entweder komplett auf die Auswahl einer Anredemöglichkeit verzichten oder zumindest eine dritte Möglichkeit z.B. „ohne Angabe“ oder „Neutral“ einfügen.

Beide oben genannten Fälle zeigen, dass dies sowohl Ansprüche von potentiellen Kunden wie aber auch vor allem ein Vorgehen von Landesdatenschutzbeauftragten auslösen können.