Kammergericht Berlin: Doch keine zwingende Nutzung von Meldeformularen von Online-Plattformen

Der Digital Services Act (DSA) hat für Online-Plattformen und ihre Nutzer zahlreiche neue Regeln gebracht. Ein zentraler Punkt ist die Meldung rechtswidriger Inhalte, etwa bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Urheberrechtsverletzungen oder Markenrechtsverstößen. Das Kammergericht Berlin hat in einem wegweisenden Beschluss klargestellt, dass die Nutzung des von den Plattformen bereitgestellten Meldeverfahrens für Nutzer nicht zwingend ist, um ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die vor allem für Unternehmer von großer Bedeutung ist.

Der Fall: E-Mail statt Meldeformular

Das Landgericht Berlin argumentierte, dass nach den neuen DSA-Regeln die erforderliche Kenntnis des Plattformbetreibers nur dann als gegeben gilt, wenn der Betroffene das vorgesehene elektronische Meldeverfahren nutzt. Eine formlose Mitteilung per E-Mail sei unzureichend, selbst wenn sie den Verstoß klar benenne.

Bereits am 14. August 2025 haben wir in einem Blogbeitrag über die Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet, das in einem Eilverfahren den Antrag eines Nutzers auf Entfernung von Inhalten zunächst abgewiesen hatte. Die Antragstellerin hatte die Plattform nicht über das offizielle, vom Anbieter eingerichtete Melde- und Abhilfeverfahren kontaktiert, sondern die Rechtsverletzung auf anderem Weg, nämlich durch ein anwaltliches Schreiben per E-Mail, gemeldet.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin sah das anders und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. In seinem Beschluss vom 25. August 2025 stellte es klar, dass es für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen keinen Zwang gibt, das Meldeverfahren der Online-Plattform zu nutzen.

Entscheidend sei nicht der Weg der Übermittlung, sondern der Inhalt der Meldung. Eine Plattform erlange auch dann Kenntnis von einer Rechtsverletzung, wenn die Informationen auf anderem Wege – etwa per anwaltlichem Schriftsatz oder E-Mail – übermittelt werden, sofern die Meldung ausreichend präzise und begründet ist. Die vom DSA vorgesehenen Melde- und Abhilfeverfahren sollen den Nutzern lediglich eine einfache Möglichkeit zur Meldung bieten, schränken aber keineswegs ihre sonstigen Rechte und Wege ein.

Das Gericht betonte, dass der europäische Gesetzgeber die Rechte der Verbraucher und Nutzer nicht unnötig einschränken will. Zwar greife die gesetzliche Vermutung der Kenntnis nur bei der Nutzung des offiziellen Meldeverfahrens. Jedoch bedeutet das nicht, dass andere Wege gänzlich ungeeignet wären. Wer auf anderem Wege die Plattform in Kenntnis setzt, trägt allerdings das Risiko, dass die Meldung nicht alle für die Plattform notwendigen Informationen enthält. Dennoch ist der Weg offen.

Fazit für Unternehmen

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle, die im digitalen Raum aktiv sind. Als Unternehmer sind Sie oft mit Rechtsverletzungen wie falschen Bewertungen, Markenpiraterie oder unerlaubten Foto-Veröffentlichungen konfrontiert. Das Urteil des Kammergerichts Berlin stärkt Ihre Position, da Sie nicht ausschließlich auf die internen, oft umständlichen Meldesysteme von Plattformen angewiesen sind.

Sie können auch weiterhin den Weg über einen Anwalt wählen, der eine Plattform direkt und wirksam in Kenntnis setzt. Das Gericht stellt damit klar, dass die rechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nicht an einem Formular scheitern darf.


Gericht: KG Berlin 10. Zivilsenat
Datum: 25. August 2025
Aktenzeichen: 10 W 70/25

KI-Stimme geklont: YouTuber muss bekanntem Synchronsprecher 4.000 Euro Lizenzgebühr zahlen

Die Verlockung ist groß: Mit Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Stimmen bekannter Persönlichkeiten heute fast perfekt imitieren. Ein YouTuber nutzte diese Technologie für seine Videos – und wurde nun vom Landgericht Berlin zur Kasse gebeten. Ein wegweisendes Urteil, das Unternehmer und Content Creator unbedingt kennen sollten, da es die rechtlichen Leitplanken für den Einsatz von KI-Stimm-Klonen absteckt. Das Urteil wurde vom Kollegen Kai Jüdemann erwirkt und kann hier downgeloadet werden.

Der Fall: KI-Stimme für politische Satire mit kommerziellem Hintergrund

Ein Betreiber eines YouTube-Kanals mit 190.000 Abonnenten untermalte zwei seiner Videos mit einer KI-generierten Stimme. Diese klang täuschend echt wie die eines sehr bekannten deutschen Synchronsprechers, der unter anderem einem weltberühmten Hollywood-Schauspieler seine Stimme leiht.

In den Videos, die sich satirisch mit der damaligen Regierung auseinandersetzten, wurde am Ende jeweils auf den Online-Shop des YouTubers verwiesen. Der Synchronsprecher, dessen Stimme ohne sein Wissen und seine Zustimmung imitiert wurde, sah dadurch seine Rechte verletzt. Er mahnte den YouTuber ab und forderte Unterlassung sowie Schadensersatz für die unrechtmäßige Nutzung seiner Stimme.

Der YouTuber verteidigte sich mit mehreren Argumenten: Er habe nicht die originale Stimme, sondern lediglich eine „synthetische Imitation“ genutzt, für die er bei der KI-Software eine Nutzungslizenz erworben habe. Außerdem seien die Videos als Satire einzuordnen und damit von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin: Persönlichkeitsrecht gilt auch im KI-Zeitalter

Das Landgericht Berlin folgte der Argumentation des YouTubers nicht und verurteilte ihn zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 4.000 Euro (2.000 Euro pro Video) sowie zum Ersatz der Anwaltskosten.

Die zentralen Punkte der Urteilsbegründung waren:

  1. Recht an der eigenen Stimme wird durch KI-Klon verletzt: Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Stimme von einem menschlichen Imitator nachgeahmt oder von einer KI geklont wird. Entscheidend ist allein die Erkennbarkeit und die daraus resultierende Gefahr, dass das Publikum die Stimme dem Original-Sprecher zuordnet. Genau dies war hier der Fall, wie auch Kommentare unter den Videos zeigten, in denen der Name des Sprechers fiel.
  2. Kommerzielle Interessen überwiegen die Satirefreiheit: Zwar hatten die Videos einen satirischen Inhalt, doch die bekannte Stimme diente nicht der inhaltlichen Auseinandersetzung. Vielmehr wurde sie als „Zugpferd“ eingesetzt, um die Videos attraktiver zu machen, Klickzahlen zu steigern und letztlich den Umsatz des angeschlossenen Online-Shops zu fördern. Dieser kommerzielle Zweck stand im Vordergrund. Die Kunst- und Meinungsfreiheit rechtfertigt es nicht, die Persönlichkeitsrechte anderer für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen.
  3. Lizenz vom KI-Anbieter ist rechtlich wertlos: Der Einwand des YouTubers, er habe eine Lizenz vom KI-Dienstleister erworben, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Eine solche Lizenz ist unwirksam, solange der KI-Anbieter nicht nachweisen kann, dass der Sprecher selbst der Erstellung und kommerziellen Verwertung seines Stimm-Klons zugestimmt hat. Die alleinige Verfügungsgewalt über den kommerziellen Wert der Stimme liegt beim Inhaber des Persönlichkeitsrechts.
  4. Schadenersatz als „fiktive Lizenzgebühr“: Wer ein Persönlichkeitsrecht kommerziell nutzt, muss sich so behandeln lassen, als hätte er um Erlaubnis gefragt. Der Schaden wird dann in Höhe der Lizenzgebühr berechnet, die vernünftige Vertragspartner für eine solche Nutzung vereinbart hätten. Auf Basis der Aussage eines Zeugen, der den Sprecher seit Jahren vermittelt, schätzte das Gericht eine angemessene Vergütung von mindestens 2.000 Euro pro Video.

Was dieses Urteil für Unternehmer und Content Creator bedeutet

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist eine deutliche Warnung an alle, die mit KI-generierten Inhalten arbeiten:

  • Keine prominenten Stimm-Klone ohne Einwilligung: Verwenden Sie niemals KI-generierte Stimmen, die bekannte Schauspieler, Sprecher oder andere Persönlichkeiten imitieren, ohne deren ausdrückliche und nachweisbare Zustimmung.
  • Vorsicht bei Lizenzen von KI-Plattformen: Verlassen Sie sich nicht blind auf die Nutzungsbedingungen von KI-Anbietern. Sie als Nutzer stehen in der Haftung, wenn die Plattform nicht die erforderlichen Rechte vom ursprünglichen Rechteinhaber eingeholt hat.
  • Risiko der falschen Zuordnung: Bedenken Sie, dass Sie nicht nur das Recht an der Stimme verletzen, sondern auch den Eindruck einer Kooperation oder Unterstützung erwecken können. Dies wiegt besonders schwer, wenn die Inhalte (z. B. politische Äußerungen, Werbung für bestimmte Produkte) dem Ruf des Betroffenen schaden könnten.

Das Urteil stärkt die Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum und macht klar, dass auch fortschrittlichste Technologie kein Freibrief für Rechtsverletzungen ist.


Gericht: Landgericht Berlin II

Datum: 20.08.2025

Aktenzeichen: 2 O 202/24

Berichterstattung über Verdachtsfälle und Privatsphäre – Das LG Berlin II stärkt Grenzen

Prominente stehen oft im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung – besonders, wenn strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen. Doch welche Grenzen gelten für die Presse, wenn über mutmaßliche Straftaten berichtet wird? Und wie viel Privatsphäre bleibt Personen des öffentlichen Lebens noch?

Das Landgericht Berlin II hat am 28. Januar 2025 (Az. 27 O 35/24) in einem vielbeachteten Fall eines prominenten Sportlers entschieden, wie weit die mediale Begleitung eines Strafverfahrens gehen darf – und wo das Persönlichkeitsrecht die Grenze setzt.

Der Fall: Sportstar im Fokus der Medien

Ein bekannter deutscher Sportler war ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten. Ihm wurde Körperverletzung im Zusammenhang mit seiner früheren Beziehung zu einer Influencerin vorgeworfen. Zahlreiche Medien griffen das Verfahren auf, berichteten unter namentlicher Nennung über den Strafbefehl und schilderten Details aus dem Privatleben des Sportlers – einschließlich eines angeblichen Schweigevertrags mit der Kindesmutter sowie eifersuchtsbedingtem Verhalten in der Beziehung.

Der Betroffene klagte gegen mehrere dieser Berichterstattungen wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Gericht musste entscheiden, welche Aussagen zulässig waren – und welche nicht.

Das Urteil: Zulässigkeit hängt von Inhalt, Kontext und Sorgfalt ab

Das Landgericht Berlin II traf eine differenzierte Entscheidung und stellte klar: Die Pressefreiheit endet dort, wo unzulässige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht überwiegen – selbst bei Prominenten.

1. Korrigierte Fehler sind nicht automatisch untersagbar
Ein redaktioneller Fehler in der Zwischenüberschrift („Staatsanwaltschaft erlässt Strafbefehl“) ist dann nicht untersagbar, wenn er für Leser als offensichtlich erkennbar ist und das Medium den Fehler von sich aus umgehend berichtigt. In diesem Fall fehlt es an der sogenannten Wiederholungsgefahr, die für einen Unterlassungsanspruch notwendig wäre.

2. „Schweigepakt“: Meinungsäußerung auf Tatsachengrundlage
Auch die Darstellung eines Vertragsentwurfs, in dem eine Verschwiegenheitspflicht vereinbart werden sollte, war zulässig. Die journalistische Wertung, dies sei ein Versuch gewesen, das Schweigen der Kindesmutter „zu erkaufen“, wurde als zulässige Meinungsäußerung eingestuft – zumal der Vertrag eine beidseitige Verschwiegenheitsregelung vorsah.

3. Schutz der Kinder und elterlicher Umgang
Unzulässig war jedoch die Berichterstattung über konkrete Vereinbarungen zum Umgang des Sportlers mit seinem Kind. Solche Informationen betreffen den besonders geschützten Kernbereich der Privatsphäre und sind nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt.

4. Verdachtsberichterstattung bei Strafbefehlen
Die Berichterstattung über den Vorwurf der „häuslichen Gewalt“ und den mutmaßlichen Tathergang war zulässig. Es lagen ausreichende Anhaltspunkte (Aussagen einer Belastungszeugin, Strafbefehl) vor, und der Bericht erfüllte alle Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung: Er war ausgewogen, enthielt keine Vorverurteilung, und der Kläger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

5. Eifersuchtsverhalten als reines Privatproblem
Dagegen war die Darstellung angeblicher Eifersuchtsreaktionen („Handydurchsuchungen“, „Instagram-Likes“) unzulässig. Hier fehlte ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse – es handelte sich um rein private Angelegenheiten, die nicht in die Öffentlichkeit gehören.

Was bedeutet das für Unternehmer und Medien?

Das Urteil zeigt deutlich: Auch Prominente behalten einen Anspruch auf Schutz ihrer Privatsphäre – insbesondere, wenn es um Kinder oder private Beziehungskonflikte geht. Gleichzeitig dürfen Medien im Rahmen von Ermittlungsverfahren berichten – aber nur, wenn sie sorgfältig recherchieren, Betroffene zur Stellungnahme einladen und ausgewogen berichten.

Empfehlung für Medienverantwortliche:

  • Fehler umgehend selbstständig korrigieren
  • Vor Veröffentlichung Stellungnahmen einholen
  • Keine bloße Neugier bedienen, sondern öffentliches Interesse nachweisen
  • Privatsphäre und Familienangelegenheiten besonders schützen

Empfehlung für Betroffene:

  • Schnell und sachlich auf Medienberichterstattung reagieren
  • Unterlassungsansprüche gezielt prüfen – besonders bei sensiblen privaten Themen
  • Medienrechtliche Unterstützung durch spezialisierte Anwälte in Anspruch nehmen

Gericht: Landgericht Berlin II
Datum der Entscheidung: 28. Januar 2025
Aktenzeichen: 27 O 35/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 390

OLG Köln zu journalistischen „Teasern“ vor Bezahlschranken – Grenzen zulässiger Verdachtsäußerungen

Das Oberlandesgericht Köln (AZ: 15 W 34/24) hat sich mit der Frage befasst, ob Medienunternehmen für reißerische Textausschnitte – sogenannte „Teaser“ – vor einer Bezahlschranke haftbar gemacht werden können, wenn sie prominente Personen ins Zwielicht rücken. Im konkreten Fall ging es um eine Influencerin, die sich gegen Verdachtsäußerungen zur angeblich missbräuchlichen Verwendung von Spendengeldern wehrte. Die kritischen Formulierungen standen im frei zugänglichen Vorspann, der Hauptartikel war nur für zahlende Leser abrufbar.

Der Fall im Überblick

Die Antragstellerin, eine in sozialen Netzwerken sehr präsente Modebloggerin, engagierte sich privat karitativ für ukrainische Kriegsflüchtlinge. In der Presse wurde jedoch öffentlich der Verdacht geäußert, sie habe mit Spendenaktionen möglicherweise eigennützige Zwecke verfolgt oder zumindest unklar über die Mittelverwendung informiert. In „Teaser“-Texten vor einer Bezahlschranke wurden pauschale Formulierungen wie „Abzocke“, „Luxus-Sucht“ und „schwere Vorwürfe“ mit namentlicher und bildlicher Nennung der Antragstellerin verbreitet. Diese beantragte eine einstweilige Verfügung wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.

Kernaussagen des Gerichts

Das OLG Köln hob die Entscheidung des Landgerichts auf und gab der Antragstellerin teilweise recht. Die entscheidenden Punkte:

  • Keine pauschale Verdachtsberichterstattung zulässig: Die Teaser enthielten keine belegten Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich suggestive Schlagworte, die eine Missbrauchsvermutung nahelegen sollten. Das Gericht sah hierin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
  • Teaser sind rechtlich eigenständig zu bewerten: Textausschnitte vor einer Bezahlschranke sind ähnlich wie Schlagzeilen am Kiosk gesondert zu beurteilen – die hinter der Paywall stehenden Inhalte dürfen für die rechtliche Einordnung grundsätzlich nicht herangezogen werden.
  • „Abzocke“-Vorwurf ohne Tatsachengrundlage: Selbst wenn es sich dabei um eine Meinungsäußerung handelt, ist sie unzulässig, wenn jegliche Tatsachengrundlage fehlt und der betroffenen Person dadurch ein erhebliches soziales Fehlverhalten unterstellt wird.
  • Abwägung fällt zugunsten der Influencerin aus: Der Eingriff in den sozialen Geltungsanspruch war angesichts der hohen Reichweite und der fehlenden Belege nicht hinnehmbar. Die Schutzwürdigkeit der journalistischen Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) musste hier zurückstehen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Online-Medien gilt: Wer durch suggestive, reißerische Teaser Neugier wecken will, muss aufpassen. Auch kurze Textpassagen, die vor einer Bezahlschranke sichtbar sind, unterliegen der vollen äußerungsrechtlichen Prüfung. Fehlen dort belastbare Tatsachengrundlagen, können selbst wertende Begriffe wie „Abzocke“ rechtswidrig sein – insbesondere, wenn damit Einzelpersonen in ihrer sozialen Integrität getroffen werden.

Fazit

Das Urteil ist ein starkes Signal für den Schutz der Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum. Gerade bei Beiträgen mit wirtschaftlichem Interesse (Clickbaiting, Paywall-Zugänge) dürfen Medien nicht jede Formulierung verwenden. Redaktionelle Zuspitzung endet dort, wo die Grenze zur rufschädigenden Verdachtsäußerung überschritten wird – auch dann, wenn sich vermeintlich entlastende Informationen hinter einer Bezahlschranke befinden.


Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum der Entscheidung: 21. Mai 2024
Aktenzeichen: 15 W 34/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 375

Unfreiwillig entblößt – OLG Frankfurt gewährt Geldentschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzung

Ein Model wird auf dem Laufsteg fotografiert – das wäre zunächst kein ungewöhnlicher Vorgang. Doch was passiert, wenn dabei ein abrutschendes Oberteil zu einer unfreiwilligen Entblößung führt und das entsprechende Bild trotz ausdrücklichen Widerspruchs veröffentlicht wird? Mit einem aktuellen Urteil vom 17. Juli 2025 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 16 U 7/24) eine klare Grenze gezogen: Das Persönlichkeitsrecht überwiegt – und kann eine Geldentschädigung rechtfertigen.

Der Fall: „Busen-Blitzer“ wider Willen

Die Klägerin, ein 22-jähriges Model, lief im Rahmen einer Frankfurter Modewoche ihren ersten professionellen Laufsteg. An der letzten Station des „Walks“ sollte sie – wie zuvor eingeübt – vor einem Sponsorenaufsteller posieren. In diesem Moment hatte sie nicht bemerkt, dass ihr Oberteil nach unten gerutscht war. Ein Fotograf hielt die Pose samt entblößter linker Brust auf einem Bild fest.

Obwohl die Klägerin sich ausdrücklich gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen hatte, erschien das Foto in Print und Online bei einer großen Boulevardzeitung. Die Beklagte hatte es mit dem reißerischen Hinweis auf einen „Busen-Blitzer“ veröffentlicht. Nach erfolgter Unterlassungsklage verlangte das Model eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000 Euro. Das Landgericht sprach ihr 5.000 Euro zu, das OLG Frankfurt reduzierte den Betrag auf 3.000 Euro.

Persönlichkeitsrecht kontra Pressefreiheit

Das OLG stellte unmissverständlich klar: Die Klägerin habe nicht in die Veröffentlichung des Bildes eingewilligt. Ihre Einwilligung bezog sich lediglich auf Aufnahmen der einstudierten Posen mit bedeckter Brust. Das abrutschende Oberteil – und damit die Entblößung – sei offensichtlich unfreiwillig erfolgt. Auch aus dem eigenen Beitrag der Zeitung ging hervor, dass der Vorfall als unbeabsichtigt erkannt wurde.

Die Veröffentlichung verletze daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin in schwerwiegender Weise. Besonders ins Gewicht fiel, dass es sich um den ersten öffentlichen Auftritt der jungen Frau handelte und sie durch die mediale Verbreitung in ihrem moralisch-sittlichen Empfinden gedemütigt wurde.

Warum „nur“ 3.000 Euro?

Das Gericht erkannte zwar die Persönlichkeitsrechtsverletzung an, sah aber keine nachhaltigen Folgen. Die Klägerin habe sich – so das OLG – auf ihrem eigenen Instagram-Kanal durchaus freizügig präsentiert. Das Gericht interpretierte dies dahingehend, dass die Belastung durch das streitgegenständliche Foto nicht existenzerschütternd gewesen sei. Zudem sei kein konkreter Nachweis für berufliche oder soziale Benachteiligungen durch das Bild erfolgt.

Dennoch betonte das Gericht, dass die Veröffentlichung gegen journalistische Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Die hohe Auflage der Zeitung und die bundesweite Verbreitung wurden ebenfalls negativ gewertet.

Fazit für die Praxis

Das Urteil zeigt: Die Veröffentlichung entblößender Fotos ohne Einwilligung – auch wenn sie im öffentlichen Raum entstanden sind – kann einen empfindlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen. Für Medienunternehmen bedeutet das: Eine sorgfältige Prüfung ist unerlässlich. Der „öffentliche Auftritt“ eines Menschen ist kein Freibrief zur uneingeschränkten Berichterstattung – vor allem nicht, wenn die Entblößung erkennbar unbeabsichtigt geschah.


Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Datum der Entscheidung: 17.07.2025
Aktenzeichen: 16 U 7/24

BGH zur Bildberichterstattung im Wirecard-Skandal: Wenn ein Bild (doch) mehr sagt als tausend Worte

Im Zentrum der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2025, AZ: VI ZR 337/22, steht die Frage, ob ein Nachrichtenmagazin während eines laufenden Strafverfahrens das Foto eines Beschuldigten veröffentlichen darf. Anlass war ein SPIEGEL-Bericht über den Wirecard-Skandal, der mit einem unverpixelten Portraitfoto des ehemaligen Managers Oliver Bellenhaus bebildert war. Dieser hatte in der Vergangenheit die Wirecard-Tochtergesellschaft „CardSystems MiddleEast FZ-LLC“ geleitet, die eine zentrale Rolle in dem milliardenschweren Bilanzbetrug spielte.

Vorinstanzen: Bildberichterstattung zunächst untersagt

Das Landgericht München I und später das Oberlandesgericht München untersagten die Veröffentlichung des Fotos. Zwar erkannten beide Gerichte an, dass eine Namensnennung in einer Verdachtsberichterstattung zulässig sei, verneinten jedoch ein öffentliches Interesse an der bildlichen Identifizierung des Klägers. Sie betonten insbesondere die Gefahr einer Prangerwirkung und die Bedeutung der Unschuldsvermutung.

BGH: Öffentlichkeitsinteresse überwiegt im Einzelfall

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidungen auf. Die Richter stellten klar, dass im vorliegenden Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege. Der Wirecard-Skandal sei eines der größten Wirtschaftsverbrechen der Nachkriegsgeschichte und habe weit über den Finanzsektor hinaus politische und gesellschaftliche Relevanz entfaltet. Die Medienberichterstattung über zentrale Akteure sei daher von erheblichem öffentlichem Interesse.

Rolle des Klägers und freiwilliger Gang in die Öffentlichkeit

Besonders bedeutsam war für den BGH, dass der Kläger selbst die Öffentlichkeit suchte. Er hatte sich nicht nur freiwillig den Ermittlungsbehörden gestellt, sondern trat auch als Kronzeuge auf und entschuldigte sich öffentlich vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss. In dieser Situation könne sich der Kläger nicht auf einen vollständigen Schutz vor identifizierender Bildberichterstattung berufen.

Keine Verletzung berechtigter Interessen

Auch das konkrete Foto sah der BGH als unbedenklich an. Es handelte sich um eine sachliche Portraitaufnahme aus dem Jahr 2006, die keine entwürdigende oder verfälschende Wirkung entfaltete. Zudem hatte der Kläger ein vergleichbares Bild bereits selbst in einer Unternehmensbroschüre veröffentlicht. Eine zusätzliche Stigmatisierung durch die Veröffentlichung im SPIEGEL sei daher nicht anzunehmen.

Bedeutung für die Praxis: Pressefreiheit gestärkt

Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Medienunternehmen, aber auch für Betroffene von Strafverfahren. Der BGH stellt klar: Auch während laufender Ermittlungen kann die Veröffentlichung eines unverpixelten Fotos zulässig sein – jedenfalls dann, wenn ein überragendes Informationsinteresse besteht, die Berichterstattung sachlich ist und der Betroffene bereits selbst in die Öffentlichkeit getreten ist.


Gericht: Bundesgerichtshof
Entscheidung vom: 27. Mai 2025
Aktenzeichen: VI ZR 337/22

Urteil: Keine unverpixelte Fotoveröffentlichung eines Angeklagten der „Gruppe Reuß“

Das Landgericht Karlsruhe hat am 9. Oktober 2024 (AZ: 22 O 6/24) eine wichtige Entscheidung zum Persönlichkeitsschutz gefällt. Konkret ging es um die Frage, ob ein bundesweit ausgestrahlter TV-Sender ein unverpixeltes Porträtfoto eines Angeklagten im Verfahren gegen die sogenannte „Gruppe Reuß“ zeigen durfte.

Hintergrund des Falls

Der Angeklagte war einer von mehreren Personen, denen die Beteiligung an einem versuchten Umsturz und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Der Sender hatte in einer Nachrichtensendung über den Prozessauftakt berichtet und dabei ein Polizeifoto des Mannes ohne seine Einwilligung gezeigt. Dieses Foto stammte aus der Ermittlungsakte und wurde dem Sender offenbar zugespielt.

Der Betroffene hielt dies für eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild und klagte auf Unterlassung.

Das Gericht: Unverpixelte Abbildung ist rechtswidrig

Das Landgericht gab dem Kläger recht und verbot dem Sender, das Bild weiter zu verwenden. Dabei stützte es sich insbesondere auf folgende Erwägungen:

  • Recht auf Unschuldsvermutung: Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt jeder Angeklagte als unschuldig. Die Veröffentlichung eines identifizierenden Fotos kann diesen Grundsatz im öffentlichen Bewusstsein unterlaufen, da der Betrachter den Eindruck gewinnen könnte, es handele sich bereits um einen verurteilten Straftäter.
  • Keine absolute Vorrangstellung der Pressefreiheit: Auch wenn die Vorwürfe ein außergewöhnliches öffentliches Interesse rechtfertigen, darf dies nicht dazu führen, dass der Persönlichkeitsschutz vollständig verdrängt wird. Das Gericht stellte klar: Es gibt kein Ereignis, das allein wegen seiner Bedeutung automatisch das Persönlichkeitsrecht bricht.
  • Gefahr der Stigmatisierung: Gerade bei Fernsehberichterstattung entfaltet ein Bild eine hohe Wirkung. Die Kombination aus Ton, Bild und der leichten Auffindbarkeit in Mediatheken erhöht die Reichweite und den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte erheblich.
  • Herkunft des Bildes: Das Foto stammte aus der Ermittlungsakte. Der Angeklagte konnte daher nicht damit rechnen, dass es veröffentlicht würde. Er hatte sich selbst nicht öffentlich exponiert.

Abwägung im Einzelfall

Das Gericht wog das öffentliche Informationsinteresse gegen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ab. Zwar dürfen Medien grundsätzlich über Angeklagte berichten – auch mit Namen. Aber solange kein Schuldspruch vorliegt, muss bei der Abbildung besonderer Zurückhaltung gewahrt werden. Nach Auffassung des Gerichts wäre hier zumindest eine Verpixelung erforderlich gewesen.

Bedeutung für Medien und Betroffene

Dieses Urteil zeigt klar: Selbst bei spektakulären Strafverfahren bleibt das Persönlichkeitsrecht ein hohes Gut. Medien müssen sorgfältig prüfen, ob eine unverpixelte Darstellung wirklich notwendig und verhältnismäßig ist. Unternehmen und Personen, die in Strafverfahren geraten, können sich jedenfalls auf ein erhebliches Schutzinteresse berufen, solange keine Verurteilung erfolgt ist.


Gericht: Landgericht Karlsruhe
Datum der Entscheidung: 9. Oktober 2024
Aktenzeichen: 22 O 6/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 334

Fotoveröffentlichung bei Demonstrationen gestattet – OLG Nürnberg stärkt Pressefreiheit

Ausgangslage & Sachverhalt

Ein Foto, aufgenommen im Oktober 2022 auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen, zeigt den Kläger inmitten einer kapellenartigen Kundgebung mit Skelettsymbolik und plakativen Slogans („Die Impfung wirkt! TODSICHER“). Die Aufnahme wurde etwa fünf Monate später in einem Online-Artikel zur gesellschaftlichen Debatte über Corona-Maßnahmen verwendet. Der Kläger klagte – das Landgericht wies diese ab; das OLG Nürnberg, Beschluss vom 4.11.2024 (AZ: 3 U 1585/24), bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Basis & Prüfungsmaßstab

Nach §§ 22, 23 KunstUrhebergesetz (KUG) ist die Veröffentlichung von Bildnissen bei Versammlungen im zeitgeschichtlichen Kontext zulässig, sofern kein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird:

  • § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erlaubt Fotos von öffentlichen Versammlungen – hierzu zählen auch Demonstrationen.
  • § 23 Abs. 2 KUG wiederum schränkt ein, wenn die Abbildung entstellt oder aus ihrem Kontext gerissen ist. In diesem Fall ist ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt.

Das OLG stellte in seinem Beschluss klar:

  1. Auf Demonstrationen ist ein breites Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
  2. Der Kläger wurde nicht isoliert oder entstellt präsentiert, sondern als Teil eines repäsentativen Bildausschnitts.
  3. Die Veröffentlichung erfolgte in einem gesellschaftlich relevanten und redaktionell integrierten Kontext, ohne tendenziöse Ausgestaltung des Bildnutzens.

Kernaussage des Gerichts

Die Veröffentlichung war insgesamt rechtmäßig:

  • Die Demonstration war zeitgeschichtliches Ereignis.
  • Der Bildausschnitt war journalistisch angemessen und nicht vereinzelt auf die Person gerichtet.
  • Kein entschädigungswürdiges Persönlichkeitsrechtsinteresse lag vor.

Praxisrelevanz für Medien & Fotografen

  1. Demonstrationen = Versammlungen: möglichst breit dokumentieren – erlaubt nach KUG.
  2. Kontextbezug essentiell: journalistisch eingebettete Berichterstattung ist entscheidend.
  3. Keine Einzelstellung: Betroffene dürfen nicht isoliert hervorgehoben werden.
  4. Priorität des Informationsinteresses: gesellschaftlicher Diskurs über Corona-Maßnahmen rechtfertigt Bildnutzung.

Fazit & Handlungsempfehlung

Für redaktionelle Medien ist das Urteil ein klares Signal:

  • Bildaufnahmen bei öffentlichen Kundgebungen sind in den meisten Fällen zulässig.
  • Entscheidend bleibt die kontextgerechte Nutzung – keinen Fokus auf Einzelpersonen, keine Entstellung und eindeutiger zeitgeschichtlicher Bezug.
  • Wer solche Fotos nutzt, sollte ein kurzes juristisches Faktencheck-Label im Impressum oder Bildnachweis beifügen, um eigene Rechtsrisiken niedrig zu halten.

Das OLG Nürnberg liefert klare Leitlinien für den Umgang mit Fotos von Demonstrationen in redaktionellen Medien und stärkt das Recht auf Berichterstattung im öffentlichen Interesse.

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 4. November 2024
Aktenzeichen: 3 U 1585/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 323

Vollständige Namensnennung einer Richterin in kritischem Sachbuch zulässig – OLG Frankfurt bestätigt Pressefreiheit

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 8. Mai 2025, AZ: 16 U 11/23, entschieden, dass die namentliche Nennung einer Richterin in einem Buch über Missstände in der Justiz zulässig ist. Die Klägerin, eine Vorsitzende Richterin, hatte gegen den Verlag auf Unterlassung geklagt, weil ihr Name im Zusammenhang mit einem Strafverfahren genannt wurde, das im Buch kritisch beleuchtet wird.

Worum ging es?

Die Richterin hatte ein bedeutendes Strafverfahren geleitet, das im Buch als Beispiel für strukturelle Defizite in der Justiz dient. Dort wird sie mit einem Zitat aus ihrer Urteilsbegründung wiedergegeben. Der Titel des Buches und seine Kapitelüberschriften lassen einen Bezug zu „rechten Richtern“ erkennen, auch wenn die Klägerin im Text nicht ausdrücklich so bezeichnet wird. Sie sah sich dennoch durch die Namensnennung in ein negatives Licht gerückt und machte eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Frankfurt wies die Berufung zurück – mit folgenden zentralen Begründungen:

  1. Zulässige Namensnennung bei amtlicher Tätigkeit: Wer als Richterin öffentlich ein Verfahren leitet, muss damit rechnen, dass Name und Wirken auch in der Presse aufgegriffen werden. Die Namensnennung stellt zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, ist aber durch das Interesse der Öffentlichkeit gedeckt.
  2. Verfassungsrechtlich geschütztes Öffentlichkeitsprinzip: Das Gericht verweist ausdrücklich auf die „normative Stoßrichtung“ des in § 169 GVG verankerten Öffentlichkeitsgrundsatzes: Dieser soll nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch personelle Verantwortlichkeiten sichtbar machen. Dies gilt insbesondere für Vorsitzende Richter, die Urteile verkünden und Verfahren öffentlich führen.
  3. Keine Prangerwirkung oder falsche Tatsachen: Die Darstellung der Klägerin sei sachlich, ihre zitierte Äußerung korrekt wiedergegeben. Sie werde nicht als „rechte Richterin“ diffamiert, sondern lediglich im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit einem konkreten Verfahren erwähnt.
  4. Kein überwiegendes Persönlichkeitsinteresse: Weder wurde eine konkrete Gefährdungslage dargelegt, noch liegt eine Rufschädigung vor. Die Klägerin muss sich daher die Berichterstattung über ihre amtliche Tätigkeit gefallen lassen – auch in Form eines Buches, das dauerhaft veröffentlicht wird.
  5. Pressefreiheit überwiegt: Die Presse darf selbst entscheiden, welche Informationen sie für berichtenswert hält. Eine gerichtliche „Bedürfnisprüfung“, ob die Namensnennung wirklich erforderlich war, findet nicht statt.

Was bedeutet das für die Praxis?

Das Urteil betont, dass Mitglieder der Justiz – insbesondere Richterinnen und Richter – im Rahmen ihrer öffentlichen Funktion einer kritischen Berichterstattung nicht ausweichen können. Das Interesse der Öffentlichkeit an einer transparenten Justiz wiegt in der Regel schwerer als das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Auch eine dauerhafte Publikation in Buchform ändert daran nichts.

Fazit

Das OLG Frankfurt stellt klar: Wer öffentlich in gerichtlichen Verfahren agiert, muss auch mit einer namentlichen Nennung in der öffentlichen Diskussion rechnen – vorausgesetzt, die Berichterstattung ist sachlich korrekt. Der Schutz der Pressefreiheit und das öffentliche Interesse an der Kontrolle staatlichen Handelns haben in diesem Fall Vorrang.

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Entscheidungsdatum: 8. Mai 2025
Aktenzeichen: 16 U 11/23
Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2022 – 2-03 O 60/22
Zitierung: GRUR-RS 2025, 9439

OLG Frankfurt: Plattformen müssen sinngleiche Deepfake-Inhalte eigenständig entfernen

Der bekannte Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen sah sich durch Deepfake-Videos auf der Social-Media-Plattform Facebook in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. In den Videos wurde unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und einer nachgeahmten Stimme der Eindruck erweckt, er bewerbe Produkte zur Gewichtsabnahme. Nachdem Meta, der Betreiber von Facebook, ein erstes Video nach Hinweis entfernte, blieb ein weiteres, nahezu identisches Video zunächst online. Von Hirschhausen beantragte daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Verbreitung solcher Inhalte.

Die Anträge und die Entscheidung des Gerichts

Der Antragsteller begehrte die Unterlassung der Verbreitung sämtlicher Inhalte, in denen unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und seiner Stimme der Eindruck erweckt werde, er bewerbe Mittel zur Gewichtsabnahme.

Das OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. März 2025, Az. 16 W 10/25, gab dem Antrag teilweise statt:

Untersagt wurde die Verbreitung eines konkreten Videos (Video 2), das rechtswidrig den Eindruck vermittelte, der Antragsteller werbe für Diätprodukte – unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und seiner Stimme.

Nicht untersagt wurde die Verbreitung eines weiteren Videos (Video 1), da es sich nicht um einen sinngleichen Inhalt im Verhältnis zu früher beanstandeten Beiträgen handelte.

Abgewiesen wurde der Antrag insoweit, als der Eindruck nur durch einzelne der genannten Merkmale (etwa nur Bild oder Stimme) erweckt wurde. Das Gericht argumentierte, dass solche Fälle für den durchschnittlichen Nutzer als Deepfake erkennbar sein könnten.

Wesentliche rechtliche Erwägungen

Das OLG Frankfurt stellte klar, dass Hostprovider wie Meta nach einem konkreten Hinweis auf einen rechtsverletzenden Inhalt verpflichtet sind, nicht nur diesen zu entfernen, sondern auch eigenständig nach sinngleichen Inhalten zu suchen und diese zu sperren. Sinngleiche Inhalte sind solche, die trotz abweichender äußerlicher Gestaltung (z. B. andere Auflösung, Farbfilter, Zuschnitt, typografische Anpassungen oder zusätzliche Bildunterschriften) im Aussagegehalt identisch bleiben.

Das Gericht betonte, dass es Meta technisch möglich und zumutbar sei, solche Inhalte zu identifizieren, insbesondere unter Einsatz von KI. Die Prüfpflicht besteht auch in Bezug auf sinngleiche Inhalte, sobald ein rechtswidriger Ausgangsinhalt mitgeteilt wurde – eine Weiterentwicklung der sogenannten „Kerntheorie“.

Bedeutung der Entscheidung

Mit diesem Beschluss führt das OLG Frankfurt seine Linie aus der „Künast-Meme“-Entscheidung konsequent fort. Die Entscheidung zeigt: Plattformen müssen nicht nur auf konkrete Hinweise reagieren, sondern auch eigenständig tätig werden, wenn Inhalte in Wort und Bild nahezu identisch sind und denselben rechtsverletzenden Eindruck vermitteln.