Haftung für KI-generierte Aussagen auf X durch Grok

Mit Beschluss vom 23. September 2025 hat das Landgericht Hamburg entschieden: Auch dann, wenn eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Künstliche Intelligenz begangen wird, haftet der Betreiber des Accounts, der diese Äußerung öffentlich verbreitet – unabhängig davon, ob der Inhalt menschlichen oder maschinellen Ursprungs ist.

Der Fall: KI-Aussage auf X verletzt Persönlichkeitsrecht

Im konkreten Fall hatte der X-Account „@grok“ – betrieben von xAI, dem von Elon Musk gegründeten KI-Unternehmen – auf einen Nutzerbeitrag reagiert und eine Liste von Organisationen veröffentlicht, denen unterstellt wurde, stark von staatlicher Förderung abhängig zu sein. Unter den Genannten: der Antragsteller, der die Aussage als unwahr zurückwies.

Das Gericht gab ihm recht: Die Behauptung sei prozessual unwahr, verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht und sei zu unterlassen. Entscheidend: Dass die Äußerung durch eine KI generiert wurde, entlastete die Account-Betreiberin nicht. Sie haftet, weil sie den Beitrag über ihren öffentlich zugänglichen X-Account verbreitet und sich damit zu eigen gemacht hat.

Warum das Urteil alle betrifft

Die Entscheidung ist nicht nur für Unternehmen relevant, sondern für jeden, der mit KI-basierten Diensten in Berührung kommt – sei es als Nutzer, als Anbieter oder als Betroffener einer KI-generierten Aussage:

  • Wer eine KI-Plattform wie Grok, ChatGPT oder andere öffentlich einsetzt, trägt Verantwortung für die generierten Inhalte – unabhängig davon, ob sie von Menschen oder Maschinen stammen.
  • Wer von einer solchen Äußerung betroffen ist – etwa durch falsche Tatsachenbehauptungen – hat grundsätzlich Anspruch auf rechtlichen Schutz, selbst wenn der Inhalt nicht von einer Person, sondern von einer KI stammt.
  • Plattformbetreiber, Influencer, Blogger oder Organisationen, die KI-Tools in der öffentlichen Kommunikation einsetzen, sollten wissen: Die Veröffentlichung KI-generierter Aussagen zieht dieselben rechtlichen Folgen nach sich wie jede menschliche Äußerung.

Offene Rechtsfrage: Was gilt bei privaten Nutzeranfragen?

Die Entscheidung betrifft explizit eine öffentlich auf X (vormals Twitter) abrufbare Äußerung. Doch was passiert, wenn ein Nutzer eine private Abfrage an ein KI-System wie Grok stellt – also ohne jegliche öffentliche Verbreitung – und die Antwort enthält eine ehrverletzende Unwahrheit?

Diese Konstellation ist juristisch bislang kaum geklärt. Fraglich ist:

  • Ob eine nicht-öffentliche Antwort rechtlich als „Verbreitung“ oder „Veröffentlichung“ gilt.
  • Ob ein Schaden entstehen kann, wenn die Antwort nur der Anfragende liest.
  • Ob dieselben Maßstäbe wie bei öffentlichen Äußerungen anzuwenden sind.

Solange keine Außenwirkung besteht, dürfte eine Haftung schwer begründbar sein. Dennoch sollten Unternehmen, die KI in Kundenkommunikation oder Beratung einsetzen, sehr genau prüfen, welche Inhalte in welchen Kontexten generiert werden – und welche Kontrolle sie darüber haben.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg zeigt unmissverständlich: Wer öffentlich kommuniziert – auch durch KI – haftet für die Inhalte. Eine Entlastung mit dem Verweis auf „künstliche Autorenschaft“ ist ausgeschlossen, sobald eine Verbreitung über den eigenen Account erfolgt.


LG Hamburg
Beschluss vom 23.09.2025
Az. 324 O 461/25
GRUR-RS 2025, 27056

Persönlichkeitsrecht schlägt Pressefreiheit: OLG Köln verbietet identifizierende Verdachtsberichterstattung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil vom 23. Oktober 2025 (Az. 15 U 208/25) zugunsten des Persönlichkeitsschutzes entschieden und mehreren Medien die weitere Verbreitung identifizierender Verdachtsberichterstattung untersagt. Im Zentrum des Falls stand ein Musiker, dem in mehreren Presseartikeln vorgeworfen wurde, sexuelle Kontakte zu jugendlichen Orgelschülern gesucht zu haben.

Was war passiert?

Mehrere Medien hatten in Print- und Onlineberichten Vorwürfe gegen den Antragsteller, einen Musiker, veröffentlicht. Die Artikel griffen dabei Ergebnisse eines internen Untersuchungsberichts der evangelischen Kirche auf, formulierten jedoch eigene Recherchen, Bewertungen und Schlussfolgerungen. Der Musiker sah sich dadurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und erwirkte beim Landgericht Siegen eine teilweise einstweilige Verfügung. Gegen dieses Urteil legten beide Seiten Berufung ein.

Kernaussagen des OLG Köln

Das OLG Köln gab dem Musiker nun umfassend Recht. Das Gericht stellte klar, dass die beanstandeten Äußerungen in vollem Umfang unzulässig seien. Es untersagte den Medien die Verbreitung der Aussagen unter Androhung hoher Ordnungsmittel.

Die Begründung:

  • Eigene Äußerung der Medien: Die betroffenen Berichte waren nicht bloße Wiedergabe fremder Aussagen, sondern eigene journalistische Darstellung – das heißt: Die Medien waren voll verantwortlich.
  • Identifizierende Berichterstattung: Da der Musiker namentlich und eindeutig erkennbar war, greift die Berichterstattung tief in dessen Persönlichkeitsrecht ein, insbesondere weil sie strafrechtlich oder moralisch belastende Vorwürfe enthielt.
  • Fehlende Stellungnahme des Betroffenen: Die Medien hatten den Betroffenen vor Veröffentlichung nicht zur Stellungnahme aufgefordert – ein zwingender Bestandteil zulässiger Verdachtsberichterstattung. Dass der Musiker sich zwei Jahre zuvor im Rahmen eines anderen Verfahrens nicht äußern wollte, entband die Redaktionen nicht von einer erneuten Kontaktaufnahme.
  • Falsche Darstellung: Eine der zentralen Aussagen, wonach der Musiker sexuelle Handlungen mit Jugendlichen eingeräumt habe, entsprach nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Wahrheit.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil betont erneut die hohen Anforderungen an die sogenannte Verdachtsberichterstattung. Medien dürfen über mögliche Verfehlungen nur berichten, wenn:

  • ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt,
  • keine Vorverurteilung erfolgt,
  • der Betroffene vorher angehört wird,
  • und seine Sichtweise in der Berichterstattung auch tatsächlich sichtbar gemacht wird.

Vor allem letzteres wurde im vorliegenden Fall verletzt. Eine nachträgliche Möglichkeit zur Stellungnahme reicht nicht aus, um diesen Fehler zu heilen.

Fazit

Das Urteil des OLG Köln stellt klar: Die Pressefreiheit endet dort, wo die Persönlichkeitsrechte Einzelner in rechtswidriger Weise verletzt werden. Wer über Verdachtsmomente berichtet, muss sorgfältig arbeiten – besonders wenn Namen genannt werden.


Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum: 23.10.2025
Aktenzeichen: 15 U 208/25

Keine Unterlassung ohne Erkennbarkeit – LG Berlin schützt Medienfreiheit bei Berichten über „Führungsspitze“

Das Landgericht Berlin (27. Zivilkammer) hat mit Beschluss vom 4. September 2025 entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch wegen einer angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Presseberichterstattung nicht besteht, wenn die Betroffenen aus dem Beitrag nicht hinreichend identifizierbar sind. Die Entscheidung stärkt die Pressefreiheit und grenzt sie zugleich gegenüber Persönlichkeitsrechten klar ab.

Hintergrund des Falls

Mehrere Antragsteller wandten sich im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen einen Pressebericht, der sich mit einer „finanziellen Schieflage“ des Versorgungswerks einer Kammer befasste. In dem Bericht wurde von angeblichen Verfehlungen innerhalb der „Führungsspitze“ des Versorgungswerks gesprochen. Die Antragsteller, frühere Mitglieder eines Ausschusses des Versorgungswerks, sahen sich durch diese pauschale Darstellung identifiziert und in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Berlin wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Entscheidend war für das Gericht, dass die Antragsteller durch die Berichterstattung nicht individuell und unmittelbar betroffen waren. Denn:

  • Der Begriff „Führungsspitze“ wurde nicht näher konkretisiert.
  • Es fehlten jegliche individualisierende Angaben wie Namen, Alter, Funktion oder sonstige persönliche Merkmale.
  • Das Versorgungswerk verfügt über mehrere Gremien mit zahlreichen Mitgliedern, wodurch eine eindeutige Zuordnung der genannten Vorwürfe zu den Antragstellern nicht möglich war.

Selbst ein begrenzter Leserkreis könne die Antragsteller nicht mit der erforderlichen Sicherheit identifizieren. Das Gericht stellte klar, dass auch Sonderwissen einzelner Rezipienten (etwa aus dem persönlichen Umfeld der Betroffenen) nicht ausreicht, um eine äußerungsrechtlich relevante Erkennbarkeit zu begründen. Andernfalls wäre nahezu jede anonymisierte Berichterstattung angreifbar – ein unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit.

Öffentliches Interesse überwiegt

Das Gericht betonte zudem, dass ein überragendes öffentliches Interesse an der Berichterstattung über die wirtschaftliche Lage eines berufsständischen Versorgungswerks besteht. Die Presse durfte über die internen Missstände berichten, zumal die Informationen auf wahren Tatsachen basierten. Auch eine unzulässige Verdachtsberichterstattung lag nicht vor, weil die journalistische Darstellung auf konkreten, nicht widerlegten Tatsachengrundlagen beruhte.

Fazit für Unternehmer und Medien

Diese Entscheidung verdeutlicht erneut, dass für einen rechtlich erfolgreichen Angriff auf Medieninhalte eine eindeutige persönliche Identifizierbarkeit notwendig ist. Unternehmen, Funktionsträger oder Ausschussmitglieder, die sich durch pauschale Kritik in Presseberichten getroffen fühlen, müssen darlegen können, dass sie für die Leserschaft klar erkennbar sind. Andernfalls genießen Medien weitgehenden Schutz durch die Meinungs- und Pressefreiheit.


Gericht: Landgericht Berlin (27. Zivilkammer)
Datum: 04.09.2025
Aktenzeichen: 27 O 285/25 eV
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 22735

OLG Stuttgart zur Zulässigkeit negativer Google-Bewertungen durch Mandanten

Online-Bewertungen sind aus dem Geschäftsalltag nicht mehr wegzudenken. Doch was passiert, wenn ein Mandant nach einer unzufriedenen Zusammenarbeit mit seinem Anwalt eine verärgerte Bewertung auf Google hinterlässt? Kann sich die Kanzlei dagegen wehren? Das Oberlandesgericht Stuttgart hat hierzu mit Urteil vom 29. September 2025 (Az. 4 U 191/25) eine klare Entscheidung getroffen – mit weitreichenden Konsequenzen für alle Dienstleister.

Ein Mandant hatte sich nach eigener Darstellung schlecht betreut gefühlt und dies in einer ausführlichen Bewertung auf Google veröffentlicht. Die Aussagen reichten von „unvorbereitet auf unsere Treffen“ über „wichtige Fristen verpasst“ bis hin zur Aufforderung, sich von der Kanzlei „fernzuhalten“. Die betroffene Kanzlei verlangte die Löschung dieser Bewertung – teilweise mit Erfolg vor dem Landgericht Tübingen. Doch das OLG Stuttgart hob diese Entscheidung in der Berufung vollständig auf.

Das OLG Stuttgart stellte klar: Bei den angegriffenen Aussagen handelt es sich um Meinungsäußerungen – und diese sind durch Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützt. Eine Bewertung bleibt auch dann zulässig, wenn sie überspitzt formuliert ist oder für das bewertete Unternehmen geschäftsschädigend wirkt. Solange die Kritik nicht auf Schmähung oder unwahren Tatsachen beruht, sind selbst harte Worte erlaubt.

Konkret betonte das Gericht, dass auch negative Aussagen mit kritischem Ton unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen. Für die rechtliche Einordnung ist entscheidend, ob für die Meinung eine tatsächliche Grundlage besteht – nicht, ob sie juristisch korrekt oder objektiv nachvollziehbar ist. Die subjektive Sicht eines juristischen Laien reicht als Bewertungsmaßstab aus. Im vorliegenden Fall sah das Gericht bei allen Äußerungen eine tatsächliche Grundlage im E-Mail-Verkehr zwischen Mandant und Anwalt. Der Mandant hatte etwa tatsächlich mehrfach auf Fristen hingewiesen oder den Eindruck gewonnen, dass zentrale rechtliche Aspekte seines Falls nicht beachtet wurden.

Besonders deutlich hob das Gericht hervor, dass keine Schmähkritik vorlag. Zwar war der Ton scharf und deutlich – aber immer noch auf die Leistung der Kanzlei bezogen und nicht auf deren Herabwürdigung um ihrer selbst willen. Eine rein herabsetzende Diffamierung, die die Grenze zur Schmähkritik überschreiten würde, sei nicht erkennbar.

Das Urteil verdeutlicht, dass Kanzleien – wie andere Unternehmen auch – kritische Bewertungen grundsätzlich hinnehmen müssen, selbst wenn diese rufschädigend sein können. Die Schwelle für eine gerichtliche Löschung ist hoch. Wer im Internet sichtbar ist, muss mit Bewertungen leben – auch mit schlechten. Ein strategischer Umgang mit Online-Kritik ist daher umso wichtiger: Sachliche Reaktion statt juristische Drohung, interne Qualitätskontrolle bei wiederholter Kritik und aktive Sammlung positiver Bewertungen zufriedener Mandanten.

Die Meinungsfreiheit schützt auch überspitzte Kritik, solange sie nicht aus der Luft gegriffen ist. Kanzleien haben zwar ein berechtigtes Interesse am Schutz ihrer Reputation – doch der Schutz endet dort, wo Meinungen beginnen. Dieses Urteil stärkt die Position von Verbrauchern und Mandanten, mahnt Dienstleister aber zugleich zu professioneller Selbstreflexion.

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Datum: 29.09.2025
Aktenzeichen: 4 U 191/25
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 26846

Privatsphäre vs. Öffentliches Interesse: Gericht verbietet Luftbild eines Promi-Anwesens

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 27. Juni 2025 (Az. 28 O 18/25) entschieden, dass die Veröffentlichung einer Luftbildaufnahme vom Haus eines prominenten Schauspielers und Umweltaktivisten in Kalifornien einen rechtswidrigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellt. Die Entscheidung zeigt exemplarisch, wie sorgfältig Gerichte zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz der Privatsphäre abwägen.

Was war passiert?

Das Wohnhaus des prominenten Klägers in Los Angeles wurde bei einem verheerenden Waldbrand Anfang 2025 völlig zerstört. Wenige Wochen später veröffentlichte ein deutsches Online-Magazin einen Artikel über den Brand und zeigte darin eine Luftaufnahme des Anwesens. Auf dem Foto war das Grundstück klar erkennbar, ebenso der Ortsteil Pacific Palisades sowie die Meeresnähe, sodass eine Lokalisierung möglich war.

Der Kläger wehrte sich

Der Kläger sah seine Privatsphäre verletzt und beantragte im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung. Er argumentierte, dass die Verknüpfung von Bild und Ortsangabe die Anonymität seines Rückzugsortes zerstöre. Auch bestehe die Gefahr, dass Kriminelle das Objekt leichter auffinden und ausspähen könnten. Die Gegenseite hielt dem entgegen, dass das Foto keine tiefen Einblicke gewähre und die Berichterstattung durch das öffentliche Interesse gedeckt sei.

Das sagt das Gericht

Das LG Köln stellte klar, dass auch Prominente ein Recht auf Schutz ihrer Rückzugsorte haben. Zwar genießt die Pressefreiheit grundgesetzlichen Schutz, sie findet aber ihre Grenzen dort, wo das allgemeine Persönlichkeitsrecht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.

Im konkreten Fall wog das Gericht die Interessen ab: Zwar habe der Kläger öffentlich über das Haus und dessen Nutzung gesprochen, jedoch nie konkrete Informationen zur Lage preisgegeben. Die Kombination aus Luftaufnahme und Ortsbeschreibung habe zur Folge, dass das Anwesen mit wenig Aufwand auffindbar sei – insbesondere durch Tools wie Google Earth. Dies beeinträchtige die Funktion des Hauses als persönlicher Rückzugsort.

Auch wenn der Kläger das Haus derzeit nicht nutzt und einen Verkauf erwägt, besteht nach Ansicht des Gerichts ein berechtigtes Interesse daran, das Grundstück auch zukünftig unbeobachtet nutzen zu können.

Fazit für die Praxis

Mit der stets zunehmenden Nutzung von Drohnen- und Luftbildaufnahmen im privaten wie auch beruflichen Bereich wächst zugleich das Risiko, dass durch solche Aufnahmen Rückschlüsse auf Personen oder deren Wohn- bzw. Rückzugsorte gezogen werden können. Unternehmer sollten daher bei Drohnenaufnahmen folgende Punkte besonders beachten:

Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine rechtliche Prüfung im Vorfeld – z. B. ob durch die Aufnahme eine unzumutbare Persönlichkeitsrechtsverletzung eingetreten sein könnte.

Schon das Überfliegen und Aufnehmen mit Kamera von Grundstücken oder privaten Bereichen kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verletzen.

Auch wenn nur Gebäude, Außenansichten oder Grundstücke abgebildet werden: Wenn die Kombination aus Bild und zusätzlicher Information eine eindeutige Lokalisierung ermöglicht, ist eine Verletzung der Privatsphäre möglich.

Der Betrieb von Drohnen unterliegt einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften (z. B. Registrierungspflicht, maximale Höhe, Sichtweite) – Verstöße können Bußgelder oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Der Schutz der Privatsphäre gilt auch bei Prominenten oder öffentlichen Personen: Es kommt darauf an, ob ein Rückzugsort erkennbar beeinträchtigt wird.

Unternehmer sollten daher vor Veröffentlichung von Luft- bzw. Drohnenaufnahmen prüfen: Gibt es eine Einwilligung? Ist eine Identifikation der Person oder des Ortes möglich? Wird nur veröffentlicht, was hinzunehmen ist?

Gericht: Landgericht Köln
Datum: 27.06.2025
Aktenzeichen: 28 O 18/25
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 508

Kammergericht Berlin: Doch keine zwingende Nutzung von Meldeformularen von Online-Plattformen

Der Digital Services Act (DSA) hat für Online-Plattformen und ihre Nutzer zahlreiche neue Regeln gebracht. Ein zentraler Punkt ist die Meldung rechtswidriger Inhalte, etwa bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Urheberrechtsverletzungen oder Markenrechtsverstößen. Das Kammergericht Berlin hat in einem wegweisenden Beschluss klargestellt, dass die Nutzung des von den Plattformen bereitgestellten Meldeverfahrens für Nutzer nicht zwingend ist, um ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die vor allem für Unternehmer von großer Bedeutung ist.

Der Fall: E-Mail statt Meldeformular

Das Landgericht Berlin argumentierte, dass nach den neuen DSA-Regeln die erforderliche Kenntnis des Plattformbetreibers nur dann als gegeben gilt, wenn der Betroffene das vorgesehene elektronische Meldeverfahren nutzt. Eine formlose Mitteilung per E-Mail sei unzureichend, selbst wenn sie den Verstoß klar benenne.

Bereits am 14. August 2025 haben wir in einem Blogbeitrag über die Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet, das in einem Eilverfahren den Antrag eines Nutzers auf Entfernung von Inhalten zunächst abgewiesen hatte. Die Antragstellerin hatte die Plattform nicht über das offizielle, vom Anbieter eingerichtete Melde- und Abhilfeverfahren kontaktiert, sondern die Rechtsverletzung auf anderem Weg, nämlich durch ein anwaltliches Schreiben per E-Mail, gemeldet.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin sah das anders und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. In seinem Beschluss vom 25. August 2025 stellte es klar, dass es für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen keinen Zwang gibt, das Meldeverfahren der Online-Plattform zu nutzen.

Entscheidend sei nicht der Weg der Übermittlung, sondern der Inhalt der Meldung. Eine Plattform erlange auch dann Kenntnis von einer Rechtsverletzung, wenn die Informationen auf anderem Wege – etwa per anwaltlichem Schriftsatz oder E-Mail – übermittelt werden, sofern die Meldung ausreichend präzise und begründet ist. Die vom DSA vorgesehenen Melde- und Abhilfeverfahren sollen den Nutzern lediglich eine einfache Möglichkeit zur Meldung bieten, schränken aber keineswegs ihre sonstigen Rechte und Wege ein.

Das Gericht betonte, dass der europäische Gesetzgeber die Rechte der Verbraucher und Nutzer nicht unnötig einschränken will. Zwar greife die gesetzliche Vermutung der Kenntnis nur bei der Nutzung des offiziellen Meldeverfahrens. Jedoch bedeutet das nicht, dass andere Wege gänzlich ungeeignet wären. Wer auf anderem Wege die Plattform in Kenntnis setzt, trägt allerdings das Risiko, dass die Meldung nicht alle für die Plattform notwendigen Informationen enthält. Dennoch ist der Weg offen.

Fazit für Unternehmen

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle, die im digitalen Raum aktiv sind. Als Unternehmer sind Sie oft mit Rechtsverletzungen wie falschen Bewertungen, Markenpiraterie oder unerlaubten Foto-Veröffentlichungen konfrontiert. Das Urteil des Kammergerichts Berlin stärkt Ihre Position, da Sie nicht ausschließlich auf die internen, oft umständlichen Meldesysteme von Plattformen angewiesen sind.

Sie können auch weiterhin den Weg über einen Anwalt wählen, der eine Plattform direkt und wirksam in Kenntnis setzt. Das Gericht stellt damit klar, dass die rechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nicht an einem Formular scheitern darf.


Gericht: KG Berlin 10. Zivilsenat
Datum: 25. August 2025
Aktenzeichen: 10 W 70/25

KI-Stimme geklont: YouTuber muss bekanntem Synchronsprecher 4.000 Euro Lizenzgebühr zahlen

Die Verlockung ist groß: Mit Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Stimmen bekannter Persönlichkeiten heute fast perfekt imitieren. Ein YouTuber nutzte diese Technologie für seine Videos – und wurde nun vom Landgericht Berlin zur Kasse gebeten. Ein wegweisendes Urteil, das Unternehmer und Content Creator unbedingt kennen sollten, da es die rechtlichen Leitplanken für den Einsatz von KI-Stimm-Klonen absteckt. Das Urteil wurde vom Kollegen Kai Jüdemann erwirkt und kann hier downgeloadet werden.

Der Fall: KI-Stimme für politische Satire mit kommerziellem Hintergrund

Ein Betreiber eines YouTube-Kanals mit 190.000 Abonnenten untermalte zwei seiner Videos mit einer KI-generierten Stimme. Diese klang täuschend echt wie die eines sehr bekannten deutschen Synchronsprechers, der unter anderem einem weltberühmten Hollywood-Schauspieler seine Stimme leiht.

In den Videos, die sich satirisch mit der damaligen Regierung auseinandersetzten, wurde am Ende jeweils auf den Online-Shop des YouTubers verwiesen. Der Synchronsprecher, dessen Stimme ohne sein Wissen und seine Zustimmung imitiert wurde, sah dadurch seine Rechte verletzt. Er mahnte den YouTuber ab und forderte Unterlassung sowie Schadensersatz für die unrechtmäßige Nutzung seiner Stimme.

Der YouTuber verteidigte sich mit mehreren Argumenten: Er habe nicht die originale Stimme, sondern lediglich eine „synthetische Imitation“ genutzt, für die er bei der KI-Software eine Nutzungslizenz erworben habe. Außerdem seien die Videos als Satire einzuordnen und damit von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin: Persönlichkeitsrecht gilt auch im KI-Zeitalter

Das Landgericht Berlin folgte der Argumentation des YouTubers nicht und verurteilte ihn zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 4.000 Euro (2.000 Euro pro Video) sowie zum Ersatz der Anwaltskosten.

Die zentralen Punkte der Urteilsbegründung waren:

  1. Recht an der eigenen Stimme wird durch KI-Klon verletzt: Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Stimme von einem menschlichen Imitator nachgeahmt oder von einer KI geklont wird. Entscheidend ist allein die Erkennbarkeit und die daraus resultierende Gefahr, dass das Publikum die Stimme dem Original-Sprecher zuordnet. Genau dies war hier der Fall, wie auch Kommentare unter den Videos zeigten, in denen der Name des Sprechers fiel.
  2. Kommerzielle Interessen überwiegen die Satirefreiheit: Zwar hatten die Videos einen satirischen Inhalt, doch die bekannte Stimme diente nicht der inhaltlichen Auseinandersetzung. Vielmehr wurde sie als „Zugpferd“ eingesetzt, um die Videos attraktiver zu machen, Klickzahlen zu steigern und letztlich den Umsatz des angeschlossenen Online-Shops zu fördern. Dieser kommerzielle Zweck stand im Vordergrund. Die Kunst- und Meinungsfreiheit rechtfertigt es nicht, die Persönlichkeitsrechte anderer für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen.
  3. Lizenz vom KI-Anbieter ist rechtlich wertlos: Der Einwand des YouTubers, er habe eine Lizenz vom KI-Dienstleister erworben, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Eine solche Lizenz ist unwirksam, solange der KI-Anbieter nicht nachweisen kann, dass der Sprecher selbst der Erstellung und kommerziellen Verwertung seines Stimm-Klons zugestimmt hat. Die alleinige Verfügungsgewalt über den kommerziellen Wert der Stimme liegt beim Inhaber des Persönlichkeitsrechts.
  4. Schadenersatz als „fiktive Lizenzgebühr“: Wer ein Persönlichkeitsrecht kommerziell nutzt, muss sich so behandeln lassen, als hätte er um Erlaubnis gefragt. Der Schaden wird dann in Höhe der Lizenzgebühr berechnet, die vernünftige Vertragspartner für eine solche Nutzung vereinbart hätten. Auf Basis der Aussage eines Zeugen, der den Sprecher seit Jahren vermittelt, schätzte das Gericht eine angemessene Vergütung von mindestens 2.000 Euro pro Video.

Was dieses Urteil für Unternehmer und Content Creator bedeutet

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist eine deutliche Warnung an alle, die mit KI-generierten Inhalten arbeiten:

  • Keine prominenten Stimm-Klone ohne Einwilligung: Verwenden Sie niemals KI-generierte Stimmen, die bekannte Schauspieler, Sprecher oder andere Persönlichkeiten imitieren, ohne deren ausdrückliche und nachweisbare Zustimmung.
  • Vorsicht bei Lizenzen von KI-Plattformen: Verlassen Sie sich nicht blind auf die Nutzungsbedingungen von KI-Anbietern. Sie als Nutzer stehen in der Haftung, wenn die Plattform nicht die erforderlichen Rechte vom ursprünglichen Rechteinhaber eingeholt hat.
  • Risiko der falschen Zuordnung: Bedenken Sie, dass Sie nicht nur das Recht an der Stimme verletzen, sondern auch den Eindruck einer Kooperation oder Unterstützung erwecken können. Dies wiegt besonders schwer, wenn die Inhalte (z. B. politische Äußerungen, Werbung für bestimmte Produkte) dem Ruf des Betroffenen schaden könnten.

Das Urteil stärkt die Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum und macht klar, dass auch fortschrittlichste Technologie kein Freibrief für Rechtsverletzungen ist.


Gericht: Landgericht Berlin II

Datum: 20.08.2025

Aktenzeichen: 2 O 202/24

Berichterstattung über Verdachtsfälle und Privatsphäre – Das LG Berlin II stärkt Grenzen

Prominente stehen oft im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung – besonders, wenn strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen. Doch welche Grenzen gelten für die Presse, wenn über mutmaßliche Straftaten berichtet wird? Und wie viel Privatsphäre bleibt Personen des öffentlichen Lebens noch?

Das Landgericht Berlin II hat am 28. Januar 2025 (Az. 27 O 35/24) in einem vielbeachteten Fall eines prominenten Sportlers entschieden, wie weit die mediale Begleitung eines Strafverfahrens gehen darf – und wo das Persönlichkeitsrecht die Grenze setzt.

Der Fall: Sportstar im Fokus der Medien

Ein bekannter deutscher Sportler war ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten. Ihm wurde Körperverletzung im Zusammenhang mit seiner früheren Beziehung zu einer Influencerin vorgeworfen. Zahlreiche Medien griffen das Verfahren auf, berichteten unter namentlicher Nennung über den Strafbefehl und schilderten Details aus dem Privatleben des Sportlers – einschließlich eines angeblichen Schweigevertrags mit der Kindesmutter sowie eifersuchtsbedingtem Verhalten in der Beziehung.

Der Betroffene klagte gegen mehrere dieser Berichterstattungen wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Gericht musste entscheiden, welche Aussagen zulässig waren – und welche nicht.

Das Urteil: Zulässigkeit hängt von Inhalt, Kontext und Sorgfalt ab

Das Landgericht Berlin II traf eine differenzierte Entscheidung und stellte klar: Die Pressefreiheit endet dort, wo unzulässige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht überwiegen – selbst bei Prominenten.

1. Korrigierte Fehler sind nicht automatisch untersagbar
Ein redaktioneller Fehler in der Zwischenüberschrift („Staatsanwaltschaft erlässt Strafbefehl“) ist dann nicht untersagbar, wenn er für Leser als offensichtlich erkennbar ist und das Medium den Fehler von sich aus umgehend berichtigt. In diesem Fall fehlt es an der sogenannten Wiederholungsgefahr, die für einen Unterlassungsanspruch notwendig wäre.

2. „Schweigepakt“: Meinungsäußerung auf Tatsachengrundlage
Auch die Darstellung eines Vertragsentwurfs, in dem eine Verschwiegenheitspflicht vereinbart werden sollte, war zulässig. Die journalistische Wertung, dies sei ein Versuch gewesen, das Schweigen der Kindesmutter „zu erkaufen“, wurde als zulässige Meinungsäußerung eingestuft – zumal der Vertrag eine beidseitige Verschwiegenheitsregelung vorsah.

3. Schutz der Kinder und elterlicher Umgang
Unzulässig war jedoch die Berichterstattung über konkrete Vereinbarungen zum Umgang des Sportlers mit seinem Kind. Solche Informationen betreffen den besonders geschützten Kernbereich der Privatsphäre und sind nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt.

4. Verdachtsberichterstattung bei Strafbefehlen
Die Berichterstattung über den Vorwurf der „häuslichen Gewalt“ und den mutmaßlichen Tathergang war zulässig. Es lagen ausreichende Anhaltspunkte (Aussagen einer Belastungszeugin, Strafbefehl) vor, und der Bericht erfüllte alle Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung: Er war ausgewogen, enthielt keine Vorverurteilung, und der Kläger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

5. Eifersuchtsverhalten als reines Privatproblem
Dagegen war die Darstellung angeblicher Eifersuchtsreaktionen („Handydurchsuchungen“, „Instagram-Likes“) unzulässig. Hier fehlte ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse – es handelte sich um rein private Angelegenheiten, die nicht in die Öffentlichkeit gehören.

Was bedeutet das für Unternehmer und Medien?

Das Urteil zeigt deutlich: Auch Prominente behalten einen Anspruch auf Schutz ihrer Privatsphäre – insbesondere, wenn es um Kinder oder private Beziehungskonflikte geht. Gleichzeitig dürfen Medien im Rahmen von Ermittlungsverfahren berichten – aber nur, wenn sie sorgfältig recherchieren, Betroffene zur Stellungnahme einladen und ausgewogen berichten.

Empfehlung für Medienverantwortliche:

  • Fehler umgehend selbstständig korrigieren
  • Vor Veröffentlichung Stellungnahmen einholen
  • Keine bloße Neugier bedienen, sondern öffentliches Interesse nachweisen
  • Privatsphäre und Familienangelegenheiten besonders schützen

Empfehlung für Betroffene:

  • Schnell und sachlich auf Medienberichterstattung reagieren
  • Unterlassungsansprüche gezielt prüfen – besonders bei sensiblen privaten Themen
  • Medienrechtliche Unterstützung durch spezialisierte Anwälte in Anspruch nehmen

Gericht: Landgericht Berlin II
Datum der Entscheidung: 28. Januar 2025
Aktenzeichen: 27 O 35/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 390

OLG Köln zu journalistischen „Teasern“ vor Bezahlschranken – Grenzen zulässiger Verdachtsäußerungen

Das Oberlandesgericht Köln (AZ: 15 W 34/24) hat sich mit der Frage befasst, ob Medienunternehmen für reißerische Textausschnitte – sogenannte „Teaser“ – vor einer Bezahlschranke haftbar gemacht werden können, wenn sie prominente Personen ins Zwielicht rücken. Im konkreten Fall ging es um eine Influencerin, die sich gegen Verdachtsäußerungen zur angeblich missbräuchlichen Verwendung von Spendengeldern wehrte. Die kritischen Formulierungen standen im frei zugänglichen Vorspann, der Hauptartikel war nur für zahlende Leser abrufbar.

Der Fall im Überblick

Die Antragstellerin, eine in sozialen Netzwerken sehr präsente Modebloggerin, engagierte sich privat karitativ für ukrainische Kriegsflüchtlinge. In der Presse wurde jedoch öffentlich der Verdacht geäußert, sie habe mit Spendenaktionen möglicherweise eigennützige Zwecke verfolgt oder zumindest unklar über die Mittelverwendung informiert. In „Teaser“-Texten vor einer Bezahlschranke wurden pauschale Formulierungen wie „Abzocke“, „Luxus-Sucht“ und „schwere Vorwürfe“ mit namentlicher und bildlicher Nennung der Antragstellerin verbreitet. Diese beantragte eine einstweilige Verfügung wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.

Kernaussagen des Gerichts

Das OLG Köln hob die Entscheidung des Landgerichts auf und gab der Antragstellerin teilweise recht. Die entscheidenden Punkte:

  • Keine pauschale Verdachtsberichterstattung zulässig: Die Teaser enthielten keine belegten Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich suggestive Schlagworte, die eine Missbrauchsvermutung nahelegen sollten. Das Gericht sah hierin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
  • Teaser sind rechtlich eigenständig zu bewerten: Textausschnitte vor einer Bezahlschranke sind ähnlich wie Schlagzeilen am Kiosk gesondert zu beurteilen – die hinter der Paywall stehenden Inhalte dürfen für die rechtliche Einordnung grundsätzlich nicht herangezogen werden.
  • „Abzocke“-Vorwurf ohne Tatsachengrundlage: Selbst wenn es sich dabei um eine Meinungsäußerung handelt, ist sie unzulässig, wenn jegliche Tatsachengrundlage fehlt und der betroffenen Person dadurch ein erhebliches soziales Fehlverhalten unterstellt wird.
  • Abwägung fällt zugunsten der Influencerin aus: Der Eingriff in den sozialen Geltungsanspruch war angesichts der hohen Reichweite und der fehlenden Belege nicht hinnehmbar. Die Schutzwürdigkeit der journalistischen Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) musste hier zurückstehen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Online-Medien gilt: Wer durch suggestive, reißerische Teaser Neugier wecken will, muss aufpassen. Auch kurze Textpassagen, die vor einer Bezahlschranke sichtbar sind, unterliegen der vollen äußerungsrechtlichen Prüfung. Fehlen dort belastbare Tatsachengrundlagen, können selbst wertende Begriffe wie „Abzocke“ rechtswidrig sein – insbesondere, wenn damit Einzelpersonen in ihrer sozialen Integrität getroffen werden.

Fazit

Das Urteil ist ein starkes Signal für den Schutz der Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum. Gerade bei Beiträgen mit wirtschaftlichem Interesse (Clickbaiting, Paywall-Zugänge) dürfen Medien nicht jede Formulierung verwenden. Redaktionelle Zuspitzung endet dort, wo die Grenze zur rufschädigenden Verdachtsäußerung überschritten wird – auch dann, wenn sich vermeintlich entlastende Informationen hinter einer Bezahlschranke befinden.


Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum der Entscheidung: 21. Mai 2024
Aktenzeichen: 15 W 34/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 375

Unfreiwillig entblößt – OLG Frankfurt gewährt Geldentschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzung

Ein Model wird auf dem Laufsteg fotografiert – das wäre zunächst kein ungewöhnlicher Vorgang. Doch was passiert, wenn dabei ein abrutschendes Oberteil zu einer unfreiwilligen Entblößung führt und das entsprechende Bild trotz ausdrücklichen Widerspruchs veröffentlicht wird? Mit einem aktuellen Urteil vom 17. Juli 2025 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 16 U 7/24) eine klare Grenze gezogen: Das Persönlichkeitsrecht überwiegt – und kann eine Geldentschädigung rechtfertigen.

Der Fall: „Busen-Blitzer“ wider Willen

Die Klägerin, ein 22-jähriges Model, lief im Rahmen einer Frankfurter Modewoche ihren ersten professionellen Laufsteg. An der letzten Station des „Walks“ sollte sie – wie zuvor eingeübt – vor einem Sponsorenaufsteller posieren. In diesem Moment hatte sie nicht bemerkt, dass ihr Oberteil nach unten gerutscht war. Ein Fotograf hielt die Pose samt entblößter linker Brust auf einem Bild fest.

Obwohl die Klägerin sich ausdrücklich gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen hatte, erschien das Foto in Print und Online bei einer großen Boulevardzeitung. Die Beklagte hatte es mit dem reißerischen Hinweis auf einen „Busen-Blitzer“ veröffentlicht. Nach erfolgter Unterlassungsklage verlangte das Model eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000 Euro. Das Landgericht sprach ihr 5.000 Euro zu, das OLG Frankfurt reduzierte den Betrag auf 3.000 Euro.

Persönlichkeitsrecht kontra Pressefreiheit

Das OLG stellte unmissverständlich klar: Die Klägerin habe nicht in die Veröffentlichung des Bildes eingewilligt. Ihre Einwilligung bezog sich lediglich auf Aufnahmen der einstudierten Posen mit bedeckter Brust. Das abrutschende Oberteil – und damit die Entblößung – sei offensichtlich unfreiwillig erfolgt. Auch aus dem eigenen Beitrag der Zeitung ging hervor, dass der Vorfall als unbeabsichtigt erkannt wurde.

Die Veröffentlichung verletze daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin in schwerwiegender Weise. Besonders ins Gewicht fiel, dass es sich um den ersten öffentlichen Auftritt der jungen Frau handelte und sie durch die mediale Verbreitung in ihrem moralisch-sittlichen Empfinden gedemütigt wurde.

Warum „nur“ 3.000 Euro?

Das Gericht erkannte zwar die Persönlichkeitsrechtsverletzung an, sah aber keine nachhaltigen Folgen. Die Klägerin habe sich – so das OLG – auf ihrem eigenen Instagram-Kanal durchaus freizügig präsentiert. Das Gericht interpretierte dies dahingehend, dass die Belastung durch das streitgegenständliche Foto nicht existenzerschütternd gewesen sei. Zudem sei kein konkreter Nachweis für berufliche oder soziale Benachteiligungen durch das Bild erfolgt.

Dennoch betonte das Gericht, dass die Veröffentlichung gegen journalistische Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Die hohe Auflage der Zeitung und die bundesweite Verbreitung wurden ebenfalls negativ gewertet.

Fazit für die Praxis

Das Urteil zeigt: Die Veröffentlichung entblößender Fotos ohne Einwilligung – auch wenn sie im öffentlichen Raum entstanden sind – kann einen empfindlichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen. Für Medienunternehmen bedeutet das: Eine sorgfältige Prüfung ist unerlässlich. Der „öffentliche Auftritt“ eines Menschen ist kein Freibrief zur uneingeschränkten Berichterstattung – vor allem nicht, wenn die Entblößung erkennbar unbeabsichtigt geschah.


Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Datum der Entscheidung: 17.07.2025
Aktenzeichen: 16 U 7/24