Conni möglicherweise vor Gericht? – Was darf Satire, was darf sie nicht?

Conni hat alles gemacht: Sie hat Reiten gelernt, ist in die Schule gekommen, war beim Zahnarzt. Jetzt landet sie im Internet – als Meme. Und dort hat sie ein Problem: Das Urheberrecht.

Der Carlsen Verlag, Inhaber aller Rechte an der vorbildlichen kleinen Blondine, verschickt laut einem Artikel aus der „Welt“ vom 10.07.2025 Abmahnungen an Personen, die Conni-Memes posten. Die Netzgemeinde findet das natürlich alles andere als lustig – aber was ist wirklich erlaubt?

Höchste Zeit für einen Blick ins Gesetz!


Worum geht’s eigentlich?

Urheberrechtlich sind gleich zwei Vorschriften relevant:

  • § 23 UrhG (Bearbeitungsrecht):
    Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk bearbeitet oder umgestaltet (also zum Beispiel eine Illustration in ein Meme verwandelt), benötigt grundsätzlich die Zustimmung des Rechteinhabers – hier also Carlsen.
    Ausnahme: Es handelt sich um eine freie Benutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Doch Achtung: Nach der Neuregelung 2021 wurde der Begriff enger gefasst. Eine „freie Benutzung“ liegt nur noch vor, wenn das neue Werk so weit vom Original abrückt, dass die Eigenständigkeit dominiert. Bei Memes ist das eher selten der Fall.
  • § 51a UrhG (Karikatur, Parodie, Pastiche):
    Dieses „Meme-Privileg“ erlaubt es, geschützte Werke ohne Erlaubnis zu nutzen, wenn sie
    • eine Karikatur (Verzerrung zur Belustigung),
    • eine Parodie (kritische oder humoristische Auseinandersetzung)
    • oder ein Pastiche (Remix, Collage) sind.

Das heißt: Viele Memes dürfen mehr, als Carlsen lieb ist. Aber nicht jedes Meme ist automatisch erlaubt.


Sind Memes Bearbeitung oder Parodie?

Die juristische Gretchenfrage: Ist ein Meme eine Bearbeitung (§ 23) oder eine Parodie (§ 51a)?

  • Bearbeitung: Das Werk wird verändert – z. B. durch Hinzufügen von Text oder Collagieren in ein anderes Bild. Ohne Parodie-Charakter bleibt dies zustimmungspflichtig.
  • Parodie: Das Werk wird humorvoll oder kritisch gebrochen („Conni lernt, wie man Steuern hinterzieht“). Hier greift regelmäßig § 51a UrhG.
  • Pastiche: Das Werk wird remixartig in einen neuen Kontext gestellt. Auch dies kann privilegiert sein.

Drei Beispiele aus dem Internetleben

1. Meme ohne eigenen Witz:
Einfach nur ein Scan der Buchseite mit der Caption „Same.“ – keine eigenständige Aussage, kein Humor. Das ist ziemlich sicher keine Parodie und damit unzulässig.

2. Satire pur:
Conni sitzt mit dem Kanzler im Bundestag und erklärt, wie man Strompreise deckelt. Klare politische oder gesellschaftliche Kommentierung – Parodie, dürfte erlaubt sein.

3. Collage ohne Bezug:
Conni als zufälliger Bildbestandteil in einem ästhetischen Remix. Mögliches Pastiche, also je nach Einzelfall zulässig.


Muss der Urheber genannt werden?

Ja – § 63 UrhG verlangt eine Quellenangabe, soweit das „nach den Umständen des Falls geboten“ ist. Im Zweifel empfiehlt sich, den Verlag als Rechteinhaber zu benennen.


Kommerziell oder privat?

Wer Conni-T-Shirts verkauft oder Memes mit Werbung kombiniert, bewegt sich in einer anderen rechtlichen Liga – hier können schnell hohe Forderungen drohen.


Was bedeutet das für alle Conni-Fans?

Das Gesetz will Satire und Remixkultur nicht verhindern. Im Gegenteil: § 51a UrhG wurde genau dafür geschaffen. Aber:

  • Ein Meme braucht eine erkennbare eigene Aussage.
  • Es darf nicht nur der bloße Abklatsch sein.
  • Und: Besser im nicht-kommerziellen Bereich bleiben.

Fazit – Conni bleibt (vielleicht) im Netz

Ob ein Conni-Meme wirklich zulässig ist, hängt vom Einzelfall ab. Manchmal genügt ein witziger Spruch, manchmal braucht es echten satirischen Biss. Wer unsicher ist, sollte anwaltlichen Rat einholen oder das Meme nur im privaten Umfeld teilen.

Denn am Ende gilt: Conni lernt das Urheberrecht – und jeder andere sollte es ebenfalls tun.

Ergänzung (16.07.25):

Der Carlsen Verlag hat sich nun auch ausführlich auf u.a. LinkedIn geäußert.

OLG Hamburg: „Wir sind Papst“ ist urheberrechtlich geschützt

Die bekannte Schlagzeile „Wir sind Papst“, die 2005 nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt XVI. auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung erschien, genießt urheberrechtlichen Schutz. Dies entschied das OLG Hamburg am 29. August 2024 und bestätigte damit weitgehend eine einstweilige Verfügung, mit der das Verlagshaus Axel Springer gegen die unerlaubte Lizenzierung von Bildmaterial auf einer Stockfoto-Plattform vorging.

Hintergrund des Falls

Die Axel Springer Deutschland GmbH erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Betreiberin der Stockfoto-Plattform alamy.com. Diese bot unter anderem Fotos zur Lizenzierung an, auf denen die bekannte Schlagzeile „Wir sind Papst“ auf einem großformatigen Fassadenplakat zu sehen war. Der Verlag sah darin eine Verletzung seiner urheberrechtlichen und markenrechtlichen Schutzrechte.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Hamburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Hamburg in wesentlichen Teilen:

  • Urheberrechtlicher Schutz der Schlagzeile: Das Gericht erkannte der Schlagzeile „Wir sind Papst“ Werkqualität zu. Sie hebe sich deutlich von allgemein gehaltenen Formeln wie „Wir sind Weltmeister“ ab und weise die erforderliche Schöpfungshöhe auf. Damit sei sie als Sprachwerk geschützt.
  • Zur Marke: Die Nutzung von Bilddateien, die die Verfügungsmarke prominent darstellen, wurde als markenrechtswidrig angesehen, insbesondere wenn sie zur Lizenzierung für Marketingzwecke angeboten werden. In den Varianten, bei denen die Marke nicht im Vordergrund steht, verneinte das Gericht jedoch eine Markenverletzung.
  • Keine Berufung auf Panoramafreiheit: Diese Schranke greife nicht, da das Plakat nicht dauerhaft im öffentlichen Raum installiert war.

Begründung der Schutzfähigkeit

Das OLG Hamburg führte mehrere Gründe für die Schutzfähigkeit der Schlagzeile an:

  • Kreative Leistung des Autors: Der Journalist Georg Streiter habe mit der Schlagzeile eine prägnante Zusammenfassung des Ereignisses und der damit verbundenen Emotionen geschaffen. Die Verwendung des Stilmittels „totum pro parte“ unterstreiche die Individualität der Formulierung.
  • Abgrenzung zu anderen Slogans: Im Gegensatz zu Slogans wie „Wir sind Weltmeister“ sei „Wir sind Papst“ nicht durch einfache Substitution ersetzbar, etwa durch „Deutschland ist Papst“, ohne den Sinn zu verändern.
  • Anerkennung in Fachkreisen: Die Schlagzeile habe eine besondere Bekanntheit und kulturelle Prägung erreicht, was als Indiz für ihre Originalität gewertet wurde.

Kommentar

Die Entscheidung des OLG Hamburg, der Schlagzeile „Wir sind Papst“ Urheberrechtsschutz zuzuerkennen, steht im Spannungsverhältnis zur bisherigen Rechtsprechung, die bei kurzen Wortfolgen und Slogans eine hohe Zurückhaltung hinsichtlich der Schutzfähigkeit zeigt.

Traditionell wird betont, dass kurze Slogans oder Tweets mangels ausreichender Schöpfungshöhe keinen Urheberrechtsschutz genießen. Ein Beispiel ist der Beschluss des LG Bielefeld zu einem Tweet mit pointierter Formulierung, dem die Schutzfähigkeit abgesprochen wurde. Das Gericht argumentierte, dass kurze Texte wie Tweets oder Werbeslogans in der Regel nicht genügend Gestaltungsspielraum bieten, um die notwendige Schöpfungshöhe zu erreichen.

Auch bei Werbeslogans ist die Rechtsprechung sehr zurückhaltend. In der Praxis ist davon auszugehen, dass Werbeslogans nur in Ausnahmefällen urheberrechtlich geschützt sind. Dies liegt daran, dass Slogans häufig aus allgemein gebräuchlichen Begriffen bestehen und daher nicht die erforderliche Individualität und Originalität aufweisen. Die Rechtsprechung betont, dass ein Slogan sich deutlich von alltäglichen Formulierungen abheben muss, um als schutzfähig zu gelten.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des OLG Hamburg als Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Zwar mag die Schlagzeile durch ihre Bekanntheit und den historischen Kontext eine besondere Stellung einnehmen, doch stellt sich die Frage, ob dies allein ausreicht, um die erforderliche Schöpfungshöhe zu begründen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung eine Einzelfallbewertung bleibt oder ob sie eine neue Richtung in der Rechtsprechung einleitet.

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Datum: 29.08.2024
Aktenzeichen: 5 U 116/23
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 181

Urheberrechtsverletzung durch Inhaltsangabe eines Romans in Lehrerhandreichung

Das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.06.2024 – Az. 19 O 5537/23, ZUM-RD 2025, 146) hat entschieden, dass die Wiedergabe der kompletten Handlung eines Romans auf einer Seite in einer Lehrerhandreichung eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung darstellt. Die Entscheidung ist besonders relevant für Schulbuchverlage und Bildungseinrichtungen, die urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen von Unterrichtsmaterialien nutzen.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin ist ein Verlag, der umfassende Nutzungsrechte an einem Jugendroman mit dem Titel „E.“ hält. Die Beklagte, ein Schulbuchverlag, veröffentlichte eine Lehrerhandreichung mit umfangreichen Inhalten zu diesem Roman. Diese enthielt unter anderem eine ausführliche Inhaltsangabe sowie ein „Zitate-Spiel“ mit 20 wörtlich übernommenen Zitaten aus dem Buch. Die Klägerin mahnte die Beklagte zunächst ab und forderte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Nach einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde Klage erhoben auf Zahlung der Abmahnkosten sowie Auskunft und Schadensersatzfeststellung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Nürnberg-Fürth gab der Klage größtenteils statt:

  • Vervielfältigung der Fabel als Sprachwerk (§ 16 UrhG): Die Inhaltsangabe gibt die wesentlichen Handlungsstränge und Beziehungsgeflechte des Romans wieder und stellt damit eine Vervielfältigung eines geschützten Sprachwerks dar. Die Fabel ist eigenständig schutzfähig.
  • Unzulässige Nutzung wörtlicher Zitate (§ 51 UrhG): Die 20 wörtlich übernommenen Zitate aus dem Roman erfüllen nicht die Voraussetzungen der Zitatschranke, da es an einer eigenen Auseinandersetzung mit dem Originaltext fehlt.
  • Keine Anwendung der Schrankenregelungen (§§ 51a, 60b UrhG): Weder handelt es sich um eine Parodie, Karikatur oder ein Pastiche (§ 51a UrhG), noch liegt eine privilegierte Nutzung im Rahmen von Unterrichtsmedien (§ 60b UrhG) vor. Die Handreichung stellt keine Sammlung i.S.d. § 60b Abs. 3 UrhG dar, da sie sich ausschließlich auf ein einziges Werk konzentriert.
  • Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 UrhG): Das Gericht bejahte die Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund fahrlässigen Handelns – insbesondere weil vor Veröffentlichung kein rechtlicher Rat eingeholt wurde.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil verdeutlicht, dass eine Inhaltsangabe urheberrechtlich geschützter Werke, selbst in pädagogischem Kontext, rechtlich problematisch sein kann, wenn sie wesentliche schöpferische Elemente wiedergibt. Schulbuchverlage müssen bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien sorgfältig prüfen, ob die Nutzung urheberrechtlich zulässig ist oder eine Lizenz erforderlich wird. Besonders kritisch ist der Versuch, den urheberrechtlichen Schutz durch Berufung auf gesetzliche Schranken wie § 60b UrhG zu umgehen – dies greift nur bei echten „Sammlungen“ und nicht bei monografischen Lehrmaterialien.

Urheberrechtlicher Schutz für die Comic-Katze „Katze NÖ“ – OLG Frankfurt entscheidet zugunsten der Designerin

In einem aktuellen Urteil hat das OLG Frankfurt einer Designerin umfassenden Rechtsschutz für ihre humorvolle Comic-Zeichnung einer Katze mit erhobener Pfote und ausgestrecktem „Mittelfinger“ („Katze NÖ“) zugesprochen. Die Entscheidung stellt klar: Auch trivial anmutende Comic-Figuren können urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie über eine ausreichende Schöpfungshöhe verfügen.

Was war passiert?

Die Klägerin, eine freiberuflich tätige Designerin, hatte die Figur „Katze NÖ“ entworfen und diese über eine Plattform für Print-on-Demand-Produkte veröffentlicht. Die Beklagte, ein Unternehmen für personalisierte Fotoprodukte, hatte eine nahezu identische Illustration auf Tassen und anderen Produkten verwendet (Anmerkung: In dem verlinkten Urteil sind die Zeichnungen und die Produkte mit den Plagiaten enthalten. Die Beklagte behauptete, ihre Designerin habe die Figur eigenständig und ohne Kenntnis des Originals geschaffen – sie berief sich also auf eine sogenannte „Doppelschöpfung“.

Was ist eine Doppelschöpfung?

Unter einer Doppelschöpfung versteht man im Urheberrecht den seltenen Fall, dass zwei Personen unabhängig voneinander – also ohne Kenntnis vom Werk der anderen – ein nahezu identisches Werk schaffen. In der Theorie ist das möglich, praktisch jedoch sehr selten, insbesondere wenn das Werk eine hohe Individualität aufweist.

Gerichte nehmen bei großer Übereinstimmung regelmäßig an, dass das spätere Werk vom früheren beeinflusst wurde – entweder bewusst oder unbewusst. Wer sich auf eine Doppelschöpfung beruft, muss also darlegen, dass keinerlei Kontakt zum Original bestand und das eigene Werk völlig eigenständig entstanden ist. Diese Hürde ist hoch – und wurde im vorliegenden Fall nicht überwunden.

Das OLG Frankfurt hielt die Behauptung der Beklagten für unglaubwürdig. Die behauptete Unabhängigkeit vom Originalwerk war angesichts der fast identischen Linienführung, Gestik und sogar der identischen Positionierung des Wortes „NÖ“ unter der Figur nicht plausibel.

Warum ist „Katze NÖ“ urheberrechtlich geschützt?

Das OLG Frankfurt stellte fest, dass die Zeichnung „Katze NÖ“ eine sogenannte persönliche geistige Schöpfung darstellt und damit die Voraussetzungen eines urheberrechtlich geschützten Werks gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG erfüllt. Besonders betont wurde dabei die Kombination aus einer konturenhaft und niedlich gestalteten Katzenfigur mit der provokanten Geste des „Mittelfingers“. Diese ungewöhnliche und originelle Kombination vermittelt eine klare Bildaussage („Abwehrhaltung“) und hebt sich deutlich vom bekannten Formenschatz ab.

Das Gericht hob hervor, dass gerade diese kreative Verbindung von Niedlichkeit und menschlicher Schmähgeste in dieser Form bisher nicht bekannt war. Auch die handwerkliche Ausführung – zunächst mit Pinsel, dann digitalisiert – zeige eine individuelle künstlerische Handschrift.

Wie hat das OLG entschieden?

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab der Berufung der Klägerin in vollem Umfang statt und sprach ihr sämtliche beantragten Ansprüche zu.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt zeigt einmal mehr: Auch scheinbar einfache, humorvolle Illustrationen können urheberrechtlich geschützt sein – vorausgesetzt, sie weisen eine individuelle schöpferische Leistung auf. Für Unternehmen, die mit solchen Motiven arbeiten, bedeutet das: Vorsicht beim Design – und im Zweifel vorher recherchieren und Rechte klären. Wer sich auf eine Doppelschöpfung beruft, muss diese fundiert und nachvollziehbar darlegen können – was im Ernstfall nur selten gelingt.

BGH: Kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch ohne Inlandsbezug

Sachverhalt

Eine Bekleidungsherstellerin klagte gegen eine deutsche Gesellschaft, die für eine Unternehmensgruppe Online-Verkaufsplattformen in Kasachstan und der Ukraine betreibt. Streitgegenstand waren 318 Produktfotografien, die über die Google-Bildersuche mit Vorschaubildern abrufbar waren und auf die ausländischen Websites verlinkten. Die Klägerin machte geltend, dass durch die Auffindbarkeit der Bilder über Google eine unzulässige öffentliche Zugänglichmachung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke in Deutschland vorliege.

Die gerichtlichen Entscheidungen

Bereits das LG Hamburg und das OLG Hamburg hatten die Klage abgewiesen. Der BGH (Urteil vom 05.12.2024, I ZR 50/24 – „Produktfotografien“) bestätigte nun die Entscheidungen und wies die Revision der Klägerin zurück.

Die wesentlichen Erwägungen des BGH

  • Zuständigkeit & Anwendbares Recht: Die deutschen Gerichte waren international zuständig, und es war deutsches Urheberrecht anwendbar, da eine Verletzung von Schutzrechten im Inland geltend gemacht wurde.
  • Kein hinreichender Inlandsbezug: Entscheidend war, dass die beanstandeten Inhalte auf Websites mit den Domains „.kz“ und „.ua“ lagen und sich diese Seiten nach einer Gesamtwürdigung (u.a. Sprache, Domainendung, Zahlungsmittel, Kontaktangaben) klar an Nutzer in Kasachstan und der Ukraine richteten.
  • Keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung im Inland: Ein bloßer technischer Zugriff aus Deutschland reichte nicht aus. Auch dass der Serverstandort in Deutschland lag oder kein IP-Blocking genutzt wurde, änderte nichts am Fehlen eines gezielten „commercial effect“ in Deutschland.
  • Übertragung der BGH-Rechtsprechung zu Marken auf das Urheberrecht: Der BGH betont, dass der Grundsatz des Territorialitätsprinzips ebenso im Urheberrecht gilt. Eine Nutzungshandlung muss sich konkret gegen das Schutzland richten, um Ansprüche zu begründen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Betreiber international ausgerichteter Webseiten. Für Rechteinhaber bedeutet sie jedoch, dass gegen über Google abrufbare Inhalte ausländischer Websites nur dann vorgegangen werden kann, wenn ein konkreter Inlandsbezug nachgewiesen werden kann. Die reine Abrufbarkeit aus Deutschland reicht nicht aus.

Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen entschieden.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Teil der Birkenstock-Gruppe. Sie vertreibt verschiedene Sandalenmodelle. Die Beklagten bieten über das Internet ebenfalls Sandalen an oder stellen Sandalen als Lizenznehmer her.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Die Angebote und Produkte der Beklagten verletzten das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Klagen jeweils stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klagen dagegen abgewiesen und einen urheberrechtlichen Schutz der Sandalenmodelle der Klägerin als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG verneint.

Mit den vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet, weil die Sandalenmodelle der Klägerin keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind.

Das Oberlandesgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst ist – wie für alle anderen Werkarten auch – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Wer urheberrechtlichen Schutz beansprucht, trägt die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen.

Das Oberlandesgericht hat sich mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung der Klägerin den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. In rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden ist, das den Sandalenmodellen der Klägerin urheberrechtlichen Schutz verleiht.

Urteile vom 20. Februar 2025 – I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 20.02.2025

Urheberrechtlicher Schutz für Java-Script Programmierungen

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 29.04.2022, Az.: 6 U 243/18, entschieden, dass kurze Programmierungen mit der Programmiersprache Java-Script urheberrechtlich geschützt sein können, nicht aber zwingend sein müssen.

Die Kläger in dem Kölner Verfahren boten auf ihrer Website mehr als 400 einfach gestaltete Rechner an, die den Nutzern Rechnungen aller Art ermöglichten, z. B. Umrechnungen internationaler Längen-, Flächen-, Größeneinheiten, Konfektionsgrößen, Zinsberechnungen, Berechnungen verschiedenster Verbrauchskosten, etc..

Die klägerische Seite finanzierte sich über die bei den Rechnern eingeblendeten Werbungen.

Der Beklagte übernahm diese Rechner von der Internetseite der Kläger und bot diese auf seiner Website in zumindest teilweise leicht veränderter Form an, ebenfalls unter Schaltung von Werbung.

Die Rechner bestanden aus einer Java-Script Programmierung mit kurzem Quellcode und einer HTML-Oberfläche.

Die Kläger machten eine Urheberrechtsverletzung geltend, der Beklagte war der Ansicht, dass die jeweiligen Rechner nicht urheberrechtlich geschützt seien.

Es ging um zwei Rechtsfragen:

Zum einen um die Frage, ob Programmierungen in Java-Script überhaupt ein Computerprogramm im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellen können.

Zum anderen um die Frage, wie die Schutzvoraussetzungen bei Gewährung von urheberrechtlichem Schutz für Computerprogramme sind und wer welche Darlegungs- und Beweislast trägt.

Da es sich bei dem in der Programmiersprache Java-Script geschriebenen Code um einen Text handelte, der eine Folge von Steuerbefehlen beinhaltete, war das OLG der Meinung, dass in Java-Script geschriebene Programme grundsätzlich urheberrechtsschutzfähig sein können.

Bei der Frage, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen, ging das OLG zunächst auf eine Besonderheit des urheberrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen ein:

Anders als bei anderen Werkgattungen, wie z. B. bei Schriftwerken, werden bei Computerprogrammen an die  sogenannte Schöpfungshöhe keine allzu großen Anforderungen gestellt. Insbesondere sind bereits vom Gesetzeswortlaut keine qualitativen oder ästhetischen Merkmale des Programms erforderlich.

Das bedeutet:

Ist der Quellcode nicht allzu banal, so wird in aller Regel die Schutzfähigkeit bejaht.

Da im vorliegenden Fall der Code für verschiedene Rechner nur sehr kurz war, stellte sich in diesem besonderen Fall die Frage, ob die jeweiligen Codes der einzelnen Rechner tatsächlich die gesetzlichen Erfordernisse für Urheberrechtsschutz erreichen oder nicht.

Das OLG war der Auffassung, dass zwar die Kläger der Darlegungslast nachgekommen seien, jedoch aufgrund der sehr kurzen Codes bei einem Großteil der Rechner ein Sachverständigengutachten nötig sei, weil das Gericht aufgrund der fehlenden Fachkenntnis nicht alleine einschätzen könne, ob die entsprechenden Programmierleistungen völlig banal seien oder jedenfalls noch eine solche individuelle Leistung des Programmierers erkennen lasse, dass man über den Schutz der sogenannten kleinen Münze Urheberrechtsschutz bejahen könne. Bei insgesamt 31 Rechnern der insgesamt über 400 Rechner war das OLG der Meinung, dass eine umfangreichere und für jeden erkennbare Programmierleistung vorliege, weshalb das OLG sich in der Lage sah, auch ohne Einschaltung eines Sachverständigen urheberrechtlichen Schutz zu bejahen. Bei den übrigen Rechnern war dies nach Auffassung des OLG nicht der Fall. Weil im vorliegenden Fall die Kläger offenbar kein Beweisangebot durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hatten, waren die Kläger nach Auffassung des Gerichts beweisfällig geblieben, sodass die Klage zum überwiegenden Teil abgewiesen wurde.

Da nur bei 31 von über 400 Rechnern Schutz bejaht worden war, gelangte das OLG zur Bejahung eines Schadensersatzes in Höhe von € 3.100,00. Angesetzt wurde hier ein Betrag in Höhe von € 100,00 pro Rechner. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.